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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920802024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-02
- Monat1892-08
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Gröbere Schriften laut unserem Prel«- verzeichaib- Tabellarischer und Zisiernsax nach höherem Tarif. Srtr«-Beilagen (gefalzt), nur mlt bk Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^tli 70.—c, Ännahmeschluß fir Inserale: Abend«Au«gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« srüh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle,» je eine halbe Stunde früher. Inserat« sind stet« an dir ExPediti«» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. 3S2. Dienstag den 2. August 1892. 88. Jahrgang politische Tagesschau. * Leipzig, 2. August. DaS Hanptthema der gesammten deutschen Presse ist natürlich die Heimreise des Fürsten Bismarck mit ihren großartigen Kundgebungen von Seiten begeisterter Schaaren und mit den großen staatSmännischen Reden dcS Altreichskanzlers in Jena. Doch nein — nicht der gesammten deutschen Presse. Ter „Reichsanzeiger" und die „Nordd. Allgem. Ztg." nehmen von all diesen Ereignissen kaum Notiz. Die Reden BiSmarck's tbun sie init wenigen Zeilen ab. DaS ist freilich auch ein Erfolg dcS Fürsten, der bekanntlich nach seinen Auslassungen in Wien von seinem früheren Leiborgan auf das Wüthendste angcsallen und von seinem Nachfolger durch Veröffentlichungen im „ReichSanzciger" bekämpft wurde. Und damals batte der Fürst ungleich zurück haltender sich geäußert, als er in Jena gesprochen. Er balle weder vor den Gefahren gewarnt, die durch absolutistische Neigungen im Millelpunct Europas bcrvorzerusen werden könnten, noch hatte er von der Nothwendigkcit gesprochen, daß die politische Ueberzeugung in der öffentlichen Meinung wie im Parlamente gekrästigl werden müsse. Hier gegen laßt sich allerdings weder mit der Veröffentlichung amtlicher Erlasse, noch mit osficiöser Polemik etwas machen. Mit seinen Reden in Jena hat Fürst Bis marck dem Ausdruck gegeben, was das ganze deutsche Volk, von den Ultramontanen und einigen Hochconservalivcn abgesehen, im Innersten bewegt. Selbst einige „Teutschsreisiiinige" werden endlich inne, daß Fürst Bismarck gegen eine Gefahr und für ein Recht kämpft, die eine Gefahr für unser ganzes nationales Leben und rin Recht des ganzen Volkes sind, das nicht preisgegebrn werden darf. Das „Bert. Tagebl." möchte fast wieder von „unserem BiSmarck" sprechen. Auch die Schwan kenden und Lauen finden nach den neuesten Kundgebungen und — Erfolgen des Altreichskanzlers „ihren Bismarck" Wieder; so das „Weltblatt am Rhein", das sich folgender maßen vernehmen läßt: „Die Wucht begeisterter Kundgebungen, die dem Altreichskanzler allerwärt« in Mittel- und Süddeutfchland entgegengebracht wurden, hat schließlich auch den Gegnern Achtung eingeflößt, sofern sie nicht, wie Ultramontane und Demokraten, von einem giftigen Haß gegen diesen Mann beherrscht sind. Und auch hier wurden die Ausbrüche de« Spottes und der Wu!h, von denen jedes Wort de« Fürstea begleitet wurde, mit jedem Tage krampfhafter und bewiesen nur den starken inneren Eindruck, den diese mächtige Bewegung auch aus widerwillige Gemi.ther hervorrief. Es ist bc- merken-werth, daß die Freude am Baterland, der Stolz über das Errungene und der Dank an den letzten großen Mitarbeiter gerade im Süden und in der Mitte unseres Vaterlandes am mächtigslen zum Ausbruch kommt, in Staate», mit deren Bekämpfung das große nationale Werk Bi«marck's seine» Ansang nabm. Aber gerade hier, wo man ein großes Vaterland niemals vorher gekannt, hat man den unschätzbaren Werth unserer endlich errungenen nationalen Einheit tiefer und wärmer empfunden als bei der Bevölkerung der deutschen Vormacht, di» für sich allein schon als achlunggebieleudcs Staatsgebilde in der Welt dasiand. In Len deutschen Mittel- und Kleinstaaten ist darum auch die Dankbarkeit und Verehrung für den roßen Staatsmann, an dessen Namen sich die stolzesten Erinnerungen er neuen deutschen Geschichte knüpfen, tiefer und nachhaltiger als im Norden. Die Anschauung kleiner Kopse und niedriger cseclen, Fürst Bismarck habe im Grunde nur zufällig in der Nähe gestanden, ol« das deutsche Reich gegründet wurde, hat der große Staatsmann in Jena mit einem kurzen treffenden Wort launig abgesährt. Mögen dem Fürsten Bismarck die oft stürmischen Kundgebungen, die ihm aus seiner Reise entgegengebracht wurden, ein Lohn für manche schmerzliche Erfahrung (I) sein." Ganz rasend gebcrdct sich natürlich die ultramontane Presse, die „Germania" voran, auf deren Hoffnungssaat Fürst BiSmarck einen Sturzregen herabgescndet hat. Natür lich sucht daS jesuitensreundliche Blatt die ihm und seiner Sache drohende Gefahr dadurch abruwcndcn, daß cs den Fürsten beim Kaiser anzuschwärzen versucht. Die „Germania" schreibt nämlich: Hie Kaiser — hie Bismarck ist ein Kampfesrus geworden; rein und unverfälscht bandelt »S sich zunächst nur um diesen Gegensatz. Ter Mann von Friedrichsruh, der selbst dein alten Kaiser Wilhelm, der ihm so weilhin nachgab, so bittere Stunden und Dcinütbigungcil bereitete «wir erinnern z. B. an die Titelsrage von Grünere) will jetzt den Enkel desselben ganz und gar unter die Füße treten. Bismarck s ganze« Treiben hat keinen anderen Sinn mehr, als den Kaiser öffentlich, vor der ganzen Welt, unter den Willen Bismarck s zu zwingen. Und durch irgendwelche moralische Skrupel wegen der Herabsetzung der uns so nothwenLigen tacken Monarchie oder gar wegen des Gefühls der Pietät vor der Monarchie und dem Erben so vieler Könige wird ja der Mann nicht zurückgehnlten, dessen Egoismus »naßlos ist und der Lurch un- bündige vcrrschsuchl und Eitelkeit verzehrt wird. Tie „Triumph- reise" geht ja setzt zu Ende. Wir möchten die Hoffnung noch nicht ganz ausgeben, obgleich sie gering ist, daß Bismarck selbst wenigstens »och so viel Selbstbeherrschung besitzt, jetzt zu erkennen, was recht und gut ist. Sonst muß cs ihm beigelraebl werden. Pfeifen und Zischen aus Straßen und Plätzen ist ebenso erlaubt, als Hoch- und Hurr.ibriisen, und das deutsche Volk darf nicht dulden, daß schwache Geiiiüldcr in Deutschland irre gciührt werden und daS Aus land, zum Schade» von Teutschlaiids Ansehen und dadurch zum Schaden von Teutschlaiids Machtstellung und Sicherheit, eine falsche Meinung erhält über die Volkssiinnnuiig in Tculschland bei dem Streitens: Hie Kaiser — hie Bismarck! Jeder hat da von jetzt ab klar und entschieden Stellung zu nehmen, und aus dieser Stellung wird sich ergeben, ob er Monarchist und Patriot ist! Diese Dcnuneialio» wird indcß voraussichtlich wenig fruchten. Durch seine SteUungnahiue gegen das Zedlitz'schc Schulgesetz hat ja der Kaiser bewiesen, daß er wenigstens in einem Puncte noch mit dem Fürsten Bismarck üdercin- stimmt. Ter stürmische Jubel, den der Fürst mit seiner Warnung vor dem Ultramontanismus allenthalben hervor- geeusen hat, wird dem Kaiser den Beweis licsern, daß gerade der Punct, in dem er mit seinem früheren Nathgcber ein verstanden geblieben, auch der Punct ist, in dem die über wiegende Mehrheit des Volkes aus der Seile des Kaisers und des Altreichskanzlers steht. Ter Ruf lautet nicht: „Hie Kaiser — hie BiSmarck", sondern „hie Patriotismus — hie Ultramonta nismus!" Und wenn cs sich abermals um eine Entscheidung handelt, wird die „Germania" mit Schrecken erkennen, daß keineswegs die klerikalen Neigungen des Grafen Caprivi es sind, die ibn in das Amt gebracht und bisher ans dem Reichökanzlerpostcn erhalten haben. Wie nnS bereits telegraphisch berichtet worden, kann jetzt das Projcct einer Berliner Weltausstellung seitens der Reichsregierung als endgiltig aufgegcben betrachtet werden, und zwar aus Grund der, wenn auch noch nicht voll ständig, so dock bereits in genügender Zahl vorliegenden Meinungsäußerungen der indnstricllcn Kreise. In den ge werblichen Kreisen, namentlich der Großindustrie, hat sich thcils eine geradezu ablehnende, theils sehr zurückhaltende und laue Stimmung kundgcgebcn. Wo man zugestinimt hat, geschah es meist init dein Vorbehalt, daß inan sich wirtb- schaftlich nicht viel davon verspreche; die Betbeiligung wurde aber vielfach als eine gewisse patriotische und nationale Pflicht angesehen und eine sehr bedeutende Mithilfe ans Mitteln des Reichs und der Stadt Berlin vorausgesetzt. Die ablehnende oder kühle Hallnng der Industrie, zu deren Nutzen doch das ganze kostspielige und mühsame Werk dienen sollle. rechtfertigt unseres Erachtens vollkommen das Fallenlassen des Projectes. Das Vorhandensein patriotischer und nationaler Verpflichtungen könne» wir in dieser Frage nicht anerkennen, und der Vorwurf eines Znrückwcicheiis vor der französischen Eoneurrcnz läßt uns kalt. Es gicbl bessere Anlässe, pathetische und nationale Gesinnung zu belhäligen. Wenn wir Deutsche nach reiflicher Ueberlcgung zu der Ueber- zcugung kommen, daß uns eine Weltausstellung wirthschastlich und politisch nicht einen Nutzen bringt, der mit den ungeheu ren Kosten (sie wurden bereits ans über 60 Millionen Marl und höher verauschu.zt) bei gegenwärtiger bedrängter Finanzlage auch nur einiaerinaßcn in Einklang steht, so »st cs gut, dem Plan rechtzeitig ein Ende zu machen. Die Franzosen mögen die von anderen Gesichtepuncten aus anschcn, das ist ihre Sache. Wir gestehen auch gern zn, daß Paris viele VorauS- etzungen zum Gelingen eines solchen Werkes bietet, die in Berlin fehlen und sobald nickt geschaffen werden können. Tie Rcichsbanptstadt bat vorläufig noch nickt diejenige An ziebungskraft für die Welt wie Paris. Für eine AuS- ltcllnng in großem Stil fehlen in Berlin die geeigneten Plätze, wie auch die genügenden Verkehrsmittel. Wir erinnern nur an die berüchtigten SonnlagSsahrten zu fünf undzwanzig Personen in einem einzigen zcbnplätzigen „Wagcn- abthcil". Derlei wolle» wir lieber der Welt möglichst wenig zeigen. Der prakliscke Nutzen solcher nmsangreicheii Veranstal tungen wird mit jedem Jabr von den Sachverständigen ge ringer veranschlagt, um so mehr tritt die Jabrinarktscite, die Befriedigung der Neugier, der Schaulust und der VcrgnügungS- ncht i» de» Vordergrund. Gerade in dieser Hinsicht aber hat Berlin wenig Geschick und nicht die erforderlichen Vor bedingungen. Der Verzicht aus das wenig populäre Unter nehmen wird bei der überwiegenden Mehrheit des deutsche» Volkes großen Schmerz sicherlich nicht bereiten. Angesichts der beklazenswertben Mißerfolge in Ost afrika bört man die Frage auswerfen, warum mehrere be währte Ofsiciere, die s. Z. mitWissmann nach Afrika gingen, nach Deutschland zurnckgeschickt worden sind. Eine Antwort, deren vollständige Richtigkeit nickt zu controliren ist, geht daln», daß die erwähnten Ofsiciere in schriftlichen Vor stellungen bei der zuständigen Berliner Stelle aus das Ver frühte und durchaus Zweckwidrige der von Freiherr»» von Soden gclrcfsencn Verwaltungsinaßnahincn hingewiesen hätten und in Folge dieses Schrittes cntsernl worden seien. Thatsache ist, daß in der jetzigen kritischen Lage Ostasrikas in Deutschland Kräfte brack liegen, die sich in jeder Hinsicht als wcrthvoll erwiesen haben. In der Behandlung der Ein- gebrrencn ist man jetzt offenbar weniger geschickt als ehedem, und was die rein militairischen Vorkehrungen anlangt, so erscheint eine Institution, die nicht obnc Aehnlichkeit init dem vielbernscncn ReichskriegSbosrath ist, auch in Ostafrika ihre Schattenseiten zu haben. Die officiösen Blätter in Oesterreich bestätigen, daß der altczeckische Minister Prazak demnächst in den Ruhestand zu treten gedenkt. Als Grund wird das hohe Alter dcS Ministers angegeben und in der Thal mag das Rnhe- betürsniß bei 72 Lebensjahren begreiflich erscheinen. Trotzdem stehen politische Motive dem Rücktritt nicht fern. Auch daS „Fremdeublatt" giebt zu, daß Baron Prazak zu seinem Ent schlüsse in nicht geringen» Maße auch durch die Umgestaltung der parlamentarische» Verhältnisse iin Abgeordnetenhaus«: und namentlich durch die total geänderte Taktik der czeckischen Abgeordneten getrieben wurde. Das von der österreichischen Regierung inspirirte Blatt schreibt: „Tic juiigczechischen Atg ordnete» waren die Einzigen, die dem Ruse der Thronrede nach Unterordnung der nationalen und staats- rcchtlichcii Aspirationen unter die Gebote der praktischen Staats- nothwendigkeit nicht nachgekommen sind. Sie haben sich offen aus den Stand, unct der Negation gestellt. Tie Jungczechcn habe» gegen die v alutavortagcn gestimmt, wiewohl sie von ihrer iachtichen llnerläßli.:geit durchdrungen waren. Sie habe» ihre Zustimmung verjagt, weit »ich! vorher ihre staatsrechtliche» Umgesiaituiigepläue Beachtung gesunden Hallen, weil die staatsrechtliche Ruhe statt des staatsrechtliche» Kampfes von der Regierung zum Grundiatzc er hoben wurde. So ist l>r. Prazak noch Landsinannminisler — aber ohne den Landsmann. Ten» die Londsleutc stehen in offener Gegiierichast nicht gegen die einzelnen Vortagen, sonder» gegen die Grundjätze der Regierung, und die große Anzahl der inäbriichcn Czcchc» fällt bei oe» parlamentarischen Evnstellationcn nicht ins Gewicht.... Tas Ministerium würde einen specicllen Lcrtraukiismann der Ezecheu verliere», weil cs selbst lei» Vertrauen mehr zu de» Jungczcchc» fassen kann, und eine jede Idee einer Eooperolion mit ihnen aufgegcben werdcn muß. Aber es sind leider nicht die Jungzechcn allein, welche die Minister-Existenz des Barons Prazak zu einer so dornenvollen gestaltet habe». Vielleicht fällt das Vcr- halten der Altczcchen bicrbei noch schwerer ins Gewicht. Tie Alt- czechcn verweigerten ja ihre Mitwirkung an her Tnrchsührung des wichtigsten modernen österreichischen Staatsactes, an dem böhmischen AuSgteichswerke, für das die Regierung einzustehen sich verpflichtet hat und an dem sie unerichütterlich sesthalten muß. Um den großen Friedensact nicht zum Scheitern zu bringen, mußte er tm verflossenen böhmischen Landtage vertagt werden. So warfen denn die eigenen Nationale» der Thäligkcit des Barons Prazak Hindernisse über Hinder nisse in de» Weg. Ter czcchische Landsmannininister hat die Absicht ausgesprochen, aus dem Eabinet Taaffe zn treten, der Vertrauens- mann der Tcutschen, Gras Kuenburg, hat aber erst jüngst aus einer Sympathie- und Zustiuimungskuiidgebung seiner Parteigenosse» neue Kraft sür seine Thätigkcit und neue Autorität sür die Durch- ührung seiner Mission .geschöpft. Las sind beredte Zeichen der augenbUckliche» Lage." Tie französischen Blätter füllen ibre Spalten zum grcßcn Thcile mit den Verzeichnissen der Namen derjenigen Schüler, die beim Abschlüsse dcS Schuljahres Preise erhalten haben. Diese Veröffentlichungen sind für die französischen Verhältnisse charakteristisch; wird doch von frühester Jugend an gewissermaßen der EitelkcitSbacilluS gezüchtet, der dem Franzosen bereits so viele Enttäuschungen bereitet hat. Es würde sich jedoch kaum der Mühe verlohnen, auf derartige Kindereien einzugehen, wenn nicht bei diesen PreiSvertheilungc» von den Präsidenten ost genug politische Reden gehalten würden. Dem Vicomte de Voguö, Mitglied der Akadsinie Frantzaise, war cs Vorbehalten, bei der Schulfeier im Eollöge Staniölaö sogar eine Revancherede zu halten. Marquis de Voguv rühmte sich bei jeder Gelegenheit mit größerer Hartnäckigkeit als Bescheidenheit, durch seine Artikel über die russische Literatur daS innige Berbiiltniß zwischen den beiden Nationen angcbabnt zu haben. Wie in diesen „kurkan- tenoich regelmäßig die Rcvancheidee anklingt, spiegelt die so eben gehaltene Ansprache a» die französische Schuljugend die selben Gedanken noch drastischer wieder. Er wendete sich nämlich insbesondere an diejenigen Schulen, die in de» Ferien ein Haus der Argonne oder in den Vogesen aufsuchen würden, und fuhr dann fort: „Bei der Rückkehr von den Abendpromenaden längs denkwürdiger Felder werden Sie, wenn Ihre Väter Ihnen im Getreide Kreuze und Grabsteine zeigen, die vom Pfluge respectirt werden, nicht mehr wie eine» lobten Buchstaben jenen von dumpfer Hoffnung erzittern den Vers der Dichters citiren: Lroriaro allguia nvstris «r ossibu» ultvr!" Eines besonderen ConimentarS bedarf dieser chauvinistische Hinweis, daß auö den Gebeinen der Gefallenen ein Rächer erstehen möge, sicherlich nicht. Den letzten Nachrichten ans England zufolge sicht man dort init berechtigter Spannung dem -1. d. M. entgegen, dein Tage, an dem das nengcwählte Parlament zn seiner ersten Sitzung zusammcntritt. Tie Entscheidung über den Regie rungswechsel wird nicht lange aus sich warten lassen. Zunächst erfolgt die Wahl des Sprechers; drei oder vier Sitzungen werden mit der Vereidigung der Abgeordneten auSgcfüllt werden und dann erfolgt die Verlesung der Thronrede und die Stellung des ZusatzantragcS von Seiten der sieghaften liberalen Partei, deren Annahme den Rücktritt SaliSbury'S nach sich ziehen wird. Die Parteien des Unterhauses haben sich ge einigt, die formellen Angelegenheiten so rasch als möglich zu erledigen, damit die Folgen der Parlament-Wahlen baldigst zu Tage treten, Gladstone das Portefeuille aus den Händen der Königin einpfange und der große Versuch, die irische Homernle Frage zu lösen, in Angriff genommen werden könne. Tie irische Nationalpartei verharrt bei ihrem Beschlüsse, Gladstone vorläufig keine nenncnswerthen Schwierigkeiten zu bereiten. Was die Thronrede anlangt, mit der das Eabinet Salisbury die Tagung eröffnet, so dürste dieselbe in erster Linie der auswärtigen Politik gelten und der Adreßentwurf der conservativcn Partei wird genaue Angaben, betreffend die Haltung dieser Partei in allen Fragen der auswärtigen Politik, enthalten, die bekanntlich für Herrn Gladstone und seine „Mehrheit" den wundesten Punct bilden. Feuilleton. Schloß F6n6trange. Ein Roman aus den Vogesen 1s Von O. Elster. Nachtnick verboten. „Es Wird das Beste sein, mein Later, wenn ich von hier fortgebe." „Wohin willst Du gehen?" „Irgend wohin! — Wo Krieg ist! Nach Egypten — nach dem Balkan — dort gährt cs ja wieder gewaltig — eine Empörung der geknechteten Völker gegen den Sultan scheint bevorzustehen — in Serbien oder Bulgarien wird man Ofsiciere brauchen." „Glaubst Tu, mit der preußischen Kugel in Deiner Brust wirst Tn noch kriegStüchtig sein?" „Bah, wenn es nicht der Fall ist, dann bat dieses Possen spiel ein schnelles Ende. Aber hier vermag ich nicht mehr zu bleiben — ich ersticke!" „Es ist das Haus Deiner Eltern, das Haus Deiner Ahnen, in dem Tu weilst!" „ Wenn auch! — Aber mein Vaterland ist cs nicht mehr, seitdem die Deutschen davon Besitz genommen haben." „So kebre nach Frankreich zurück . . ." „Nimmermehr! — Ich baffe Frankreich, seitdem man dort die ruhmreiche kaiserliche Familie vertrieben und geächtet hat! — Ich mag nicht der Diener von Advocaten und Parla- mentSrednern sein." „Ick ebenfalls nicht; deshalb habe ich mich in unser ein same« Vogescnschloß vergraben und warte mein letztes Stünd- lein in Geduld ab." „Du brauchst nicht lange mehr zu warten . . „Henri!" „Nun ja dock! Du bist siebzig Jahre alt — aber ick — ich zähle erst dreißig Jabre! Und nochmals dreißig ober vierzig Jahre hier in dieser Einsamkeit, in dieser Unthätig- keit aus den Erlöser Tod zu warten, ertrage ich nichtl" „Du hast die Sorge für unsere Felder . . ." „Die zur größten Hälfte in den Händen der Wucherer sind . . ." „Du kannst auf die Jagd gehen . . ." „Auf der ich jeden Tag m:t den Tcutschen zusammcn- treffen muß, die ick nickt liebe." „Du hast Deine Kameraden in Nancy und Pont ü Mousson . . „Die mich nicht mehr verstehen, seit ich cS abgclehnt habe, wiederum in französische Dienste zu treten. Nein, Vater, das Alles kann die nervöse Ungeduld mcincr Seele nickt stillen. Ich muß eine angestrengte Tbätigkcit haben. Mühen, Strapazen, Gefahren, sollen in meine Seele wieder Ruhe und Frieren cinzicbcn . . . Ich muß bandeln, ick will Thatcn sehen, hier in dieser Einförmigkeit gehe ich zu Grunde!" Henri de Fönstrange ging mit hastigen Schritten i» dem düsteren Gemach aus und ab, während der alte General de Könötrange sich gleichmütbig in seinen Sessel znrücklcgte, eine kurze Pfeife stopfte, dieselbe anzündete und starke Dampf- wollen cinporwirbeln ließ. Die Herren von Finstingcn entstammten einer alten, an- gesekenen Familie Lothringens, die zur Zeit der französischen Occupation in Lothringen und dem oberen Elsaß reichen Grundbesitz gehabt hatte. In der freien Reichsstadt Metz gehörte» sie zu Len mächtigsten Patrizierfamilien, hatten fick indessen stets zur französsschen Partei bekannt, da sie der neuen protestantischen Lehre zugcthan gewesen waren und der verschlagene König von Frankreich die Protestanten dcS deutschen Reiches scheinbar gegen Kaiser Karl V. in Schutz nahm. Hatten sich dock selbst mehrere protestantische deutsche Fürsten mit dem Könige von Frankreich gegen ihren recht mäßigen Kaiser verbündet. Zu spät erkannten diese sowohl wie die protestantischen Patrizier von Metz, daß der König von Franlreick Lug und Trug gegen sie geübt batte, nur zu dem Zwecke, die reiche freie Reichsstadt und deren gesegnete Gaue ,n seine Gewalt zu bekommen. Jetzt hals keine Reue mehr! — Metz siel dem schlauen Räuber anheim und ward nach und nach eine französische Stadt. Tie reiche und edle Familie der Finstingen konnte sich anfangs nicht daran gewöhnen, statt Gebieter in Metz — sie hatte Sitz und Stimme im Koben Ratbe der Stadt — Unter- tbanen seiner AUcrchristlichsteii Majestät des Königs vcn Frankreich zu sei». Sie zog sich deshalb aus der Statt aus ihre Besitzung in den Vogesen zurück. Aber die französischen Könige verstanden es, die widerstrebenden Metzer Etclleute an ihren Hof zu fesseln; sie überschütteten sie mit Ehren aller Art, erhoben sie zu Grasen und Baronen, übertrugen ihnen glänzende Stellungen im Staats- und Kriegsdienst, so daß der Unniulb der alten Metzer Patrizicrsamilicn bald einer enthusiastischen Anhänglichkeit an das französische Herrscher haus und an Frankreich selbst Platz machte. Auch die Herren von Finstingcn wurden unter den französischen Königen tapfere Krieger und Soldaten und aus den Herren von Finstingcn wurden sehr bald die Herren de Fönötrangc, welchen Name» auch das kleine Vogescnschloß und das Dorf erhielten. Aber da sie an ihrer protestantischen Religion fcsthieltc», gelangten sie unter den französischen Königen nicht zu so großen Ebrcn wie ihre tathotischcn Genossen. Erst zur Zeit des ersten Napoleon ging ihr Stern in vollem Glanze ans. Ter Großvater Henri de Fönstrange'S begleitete Napoleon I. auf all seinen KriegSzügen: er socht mit ihm in Italien und in Len glühen den Santwüsten Egyptens; er sah mit dem großen Schlachten» kaiser die Sonne von Austerlitz sich blutigrotb erbeben; er durchzog mit ibm die EiSwüstcn Rußlands; er kämpste mit ihm hei Leipzig; er ging mit ibm in die Verbannung nach Elba und kehrte mit ibm nach Frankreich zurück, um i» der letzten Schlacht seines Kaisers, aus dem Gefilde von Waterloo, seinen Heldengeist anSzuathmcn. Des Gesallenen Sohn, Marc de Fönötranze, ward eben falls ein getreuer Anbänger der Napoleonikcn. Er begrüßte mit Freuden die Thronbesteigung des Neffen dcS großen ScklachtcnkaiserS, den er selbst als Knabe noch gesehen, und so lange seine Kräfte eS gestatteten, diente er seinem Kaiser als braver Soldat; dann zog er sich als General, geschmückt mit dem Grcßkreriz der Ehrenlegion, auf Schloß Fsnstrange zurück, seinen Sobn Henri im Dienste des Kaisers zurücklassend. DaS Jahr >870 brachte das Ende der napoleonische» Herrlichkeit. La« alte deutsche lothringer Land ward wieder deutsch, die alte Schuld endlich gesühnt. Henri de Fönötrange wurde bei Sedan schwer verwundet und kehrte in LaS Schloß seiner Väter zurück — ein kranker Mann, krank nicht nur am Körper, sondern auch am Geniüth, denn der Sturz seines Vaterlandes und seines Kaisers hatte sein Herz tief betrübt; er konnte sich nicht entschließen, in der Republik Frankreich Dienste zu nehmen, und so blieb er bei seinem alten greisen Vater, der ebenso wie sein Sohn den Fall des Vaterlandes in dem einsamen Vogcsenschlossc betrauerte. Schloß Fönstrange, früher eine ausgedehnte Herrschaft mit reichen Feldern und weiten Wäldern, war jetzt ein kleines ländliches Vesitztbum geworden. Die kriegerischen Herren de Fönstrange batten sich niemals um die Bcwirthschaftung ihrer Güter bekümmert. Ein Stück Land nach dem andern, ein Wald nach dem andern war verschleudert worden, so daß jetzt die Herrschaft Fönötrange kaum noch die Größe eines hübschen Bauerngutes hatte. Auf einer waldigen Anböbe gelegen, die von den finsteren Bergen der Vogesen überragt wurde, machte daS Schloß von der Landstraße aus, die sieb am Fuße des Hügels vorüberzcg, fast de» Einernck einer Ruine. Zerbröckelnde Mauern umjcklosscn das Han» und den Hof, aus dem sich die Stallungen und VorratbSbäuser befanden. Hinter dem Schlosse befand sich ein arg verwilderter Park, der an eine tief ringeschniltcne, von Gestrüpp und FelStrümmern erfüllte Schlucht stieß. Am Eingang dieser Schluckt, die weit in die Berge bineinreichte, erbeben sich inmitten von Trümmern und undurchdringlichem Gestrüpp die blederrcste der alten Burg von Finstingen, haupt sächlich ein mächtiger Tburm, der „Donjon" der früberen Beseitigung. Versunken und vergessen lag das alte Gemäuer in der Wtldniß der Schlucht. Das neuere Schloß ward von einem halb verschütteten Graben umzogen; eine in verrosteten Eisenketten hängende Brücke, die seit Jahrhunderten nicht emporgezogen worden war. führte über den Graben zu dem dunklen Thor, an- dessen Fugen Gras und MooS herauSwuchertcn, da« steinerne Wappen der Herren von Fönötrange über den Eingang fast verdeckend. Ai» Fuße de» Hügels lag da» Dorf, dessen guter alter Name Finstingen, zu französischer Zeit in Fönötrange um- gewandclt, jetzt wieder bergestellt war. Nur daS Schloß und dessen Besitzer batten den französischen Namen beibebaltrn.
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