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Nachrichten aus dem Buchhandel und den verwandten Geschäftszweigen für Buchhändler und Bücherfreunde : 11.03.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-11
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id166568741X-189603112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id166568741X-18960311
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-166568741X-18960311
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNachrichten aus dem Buchhandel und den verwandten ...
- Jahr1896
- Monat1896-03
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^ 58, 11. Mürz 1896. Nachrichten aus dem Buchhandel. 491 weit über Gebühr unterschätzte Vilmar, dann der geniale Scherer, der trauliche, gemütvolle Roquette, der bilder- und umfangreiche Kocnig und Lcixner, der etwas ungeschickt ein geteilte, aber sonst stattliche Kurz neben manchen anderen ge nannt werden. Unter der dritten Gruppe gehört unbestritten der Vorzug dem weitverbreiteten Kluge. — Vorliegendes Buch in eine der drei Gruppen cinzureihen würde schwer fallen. Man könnte cs höchstens aus den haupt sächlich für den Gebrauch des Fachmanns bestimmten Werken aus schließen, obwohl es auch dieser mit Genuß lesen wird. Es ist keine ausführliche detaillierte Darstellung der deutschen Litterntur, kein trockener Leitfaden und auch kein übersicht liches Lehrbuch. Es ist ein aus der vollsten Beherrschung des Stoffes hervorgegangenes geistreiches Aperyu, ein oonp cl'osil sur la. littörature ollemsväs, wie die Franzosen es nennen würden, am besten vergleichbar jenen vom Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main veranstalteten und dann herausgcgebenen Vorträgen, aus denen ten Brinks Shakespeare, Birts römische Litteraturgcschichtc u. a. hervor gegangen sind. — Je besser, je origineller ein Buch, desto weniger läßt sich darüber sagen, wofern man cs nicht ausschreiben will. Und das gilt auch von M. Kochs Geschichte der deutschen Littera- tur. Versuchen wir nur kurz einige der Vorzüge zu skizzieren. Von der Zeit des Mittelalters scheinen die Abschnitte über das höfische Epos und den Meistergesang am besten gelungen, während bei der Uebersicht über das Drama sich die Namen allzusehr häufen, um eine lebendige Vorstellung erwecken zu können; im zweiten Hauptteil hingegen: »Reformation und Renaissance« ist besonders die Darstellung der dramatischen Poesie frisch geschrieben und lesenswert. Ein etwas knapper Raum ist der klassischen Periode gewidmet, aber, wie sich bei dem Bearbeiter des Goedekeschen Grundrisses und dem Refe renten über Goethe- und Schillerlitteratur in den Berichten des Hochstiftes von selbst versteht, aus vollster Beherrschung des Stoffes hervorgegangen. Daß dann im letzten Teile bei der bekannten Begeisterung des Verfassers für Richard Wagner (vgl. Nr. 3 S. 26 dieses Bl.) diesem eine warme, wie manchem vielleicht scheinen wird, allzu warme und lobpreisende Schil derung gewidmet wird, war zu erwarten, ebenso, daß ander seits Heine nicht besonders glimpflich behandelt werden würde. Einiges aus dem, was M. Koch über Wagner (S. 267/68) sagt, sei hier mitgeteilt: -Der nun ein halbes Jahrhundert füllende Streit für und gegen Wagner gilt keineswegs einer musikalischen Frage. Wer so verblendet sein mag, Wagner als Musiker aus der Littcratur- gcschichte fernhalten zu wollen, verkennt eben seine entscheidende Stellung für die ganze deutsche, ja europäische Kunstentwickelung. Ein so beispielloses Ereignis wie die Bayreuther Spiele bilden einen Markstein auch für die Litteraturgcschichte, denn um ein nationales Drama durch Zusammenwirken der Musik und Dichtung, wie Lessing, Mozart, Schiller, Jean Paul es er hofften, nicht um Musikausführungen handelt es sich in Bayreuth Gegen die Herabwürdigung der Kunst zu einem von der inter nationalen Mode bestimmten Untcrhaltungsmittel stritt Wagner für eine nationale Ausgestaltung des Dramas, als höchsten Aus drucks nationaler Kultur und eines ästhetischen Erziehungselcmen- tes im Sinne Schillers. Was er mit Lehre und That wollte und 1876 erreichte, entspricht auf künstlerischem Gebiete dem durch Bismarck und die deutschen Waffen 1870 aus politischem Gebiete Errungenen.» — -1882 erlebte noch Wagner die erste Ausführung des Bühnen- weihfcstspicles -Parsifal». Die von Goethe gepriesene befreiende Macht der Selbstüberwindung ist im Parsifal unter Benützung allvertrautcr christlicher Symbole als wcltcrlösendes Mitleiden dargestellt, wie in den Nibelungen der frei und stolz das Leben abwerfendc Schicksalstrotz des germanischen Gottes und Helden im Bunde mit dein todesbercitcn Opfermut des liebenden Weibes den Sieg über die Mächte der Nacht und des Neides erringt. Ein höchstes nationales Kunstwerk ist hier siegreich zur drama tischen That geworden. Am 13. Febr 1883 starb Richard Wagner zu Venedig. Aber in regelmäßiger Wiederkehr stellen die in sei nem Geiste von Frau Cosima Wagner fortgcsührten Bayreuther Festspiele der Entwürdigung des Dramas durch unsere groß- und kleinstädtischen Theater ein mahnendes Muster, der Nation wie dem bewundernden Auslände im dramatischen Gesamtkunst werk eine höchste Leistung echt deutscher Kultur entgegen.- Im 17. Abschnitt wird dann auf wenigen Seiten, die »jüngste Dichtung« besprochen. — »Henrik Ibsen begeistert durch seine verblüffende dramatische Behandlung ausgesuchter psychologischer und gesellschaftlicher Probleme einen wachsenden Kreis rühriger Anhänger und Nachahmer.« »In der Ge schichte des tragischen Kampfes eines heldenmütigen Sohnes, der die Schuld des verräterischen Vaters büßt, im Katzen- steg (1889) schuf Sudermann mit brutaler Kraft eine gewaltig packende, die erschütterndste Erzählung unserer neueren Litte- ratur.« — »Nur das Streben nach Effekt, nicht der warme Herzensdrnng spricht aus den Dramen Hanptmanns, der als meisterhafter Schildcrer des Milieu zu rühmen ist« »Sein unwahres Abmühen mit den Fiebervisiouen des armen »Hannele« wie der überraschende Erfolg, den Humperdinck- Wettes kindlich einfaches Musikdrama mit dem alten Kinder märchen von »Häusel und Gretel« (1893) fand, lehrt, wie tief und unverlierbar das Bedürfnis nach dem rein Dichterischen, der alten und ewig jungen Poesie, trotz aller naturalistischen Theorieen weiterlebt.« Wer noch glaubt, daß unsere Professoren nur in alten Schmökern wühlen, mit nutzlosen Haarspaltereien ihre Zeit vergeuden, dem Streben und Leben der Gegenwart entrückt, keinen Anteil nehmen an dem Forschen und Fühlen der Mit- lebcnden, der lese neben Litzmanns Buch über das »deutsche Drama in den Bewegungen der Gegenwart«, neben Reich's »Jbsenvorlesungen« die oben angeführten Sätze. Er wird zugeben, daß jenem deutschen Verfasser einer englischen Litte- raturgeschichte, der im Vorwort derselben, etwas verhüllt allerdings, behauptete: nur, wer selbst Dichter sei und aus eigener Erfahrung die Kenntnis »litterarischer Technik« besitze, nicht ein Zunstgclehrter mit »schnellfertiger Professorenweis- hcit«, könne eigentlich über Litteratur vernunftgemäß schreiben, sicherlich durch die Thatsachen die Irrigkeit seiner Behauptung bewiesen ist. — Koch hat auch nicht, wie so viele vor ihm, die Litteratur mit Goethes Tod abgeschlossen oder an dem Vorhandensein einer deutschen Dichtung der Gegenwart ge- zwcifclt, von einem Epigonentum der Poesie gesprochen. In weiser Zurückhaltung, mit hoffnungsvollem Ausblick in die Zukunft schließt er: -Die einseitige Herrschaft des Naturalismus erweist sich als undurchführbar. Ob indessen unsere ganze jüngste deutsche Litte- raturbcmcgung, die ja wiederum mit der Bekämpfung der über lieferten klassischen Richtung im Schulunterricht in geistiger Ver bindung steht, Verfall oder Neubildung bedeutet, muß erst die Zukunft lehren. Ist doch die Litteratur selbst nur eine der Er scheinungen, in denen das innerste Leben des Volkes Ausdruck findet. Nur aus dem Borne des Volkstums schöpft sic Kraft und Leben zur Erfüllung ihrer höchsten Aufgabe: in wechselnden Ge staltungen, doch immer in gleicher Hingebung dem Vaterlandc zu dienen.» Soweit der Text des Buches, dem nach allem An geführten volles Lob gespendet werden kann. Nicht das gleiche läßt sich von den beigegebenen bibliographischen Be merkungen sagen. Obwohl ich solche Angaben stets als einen äußerst schützbaren Vorzug eines jeden Buches betrachte, ist bei dem vorliegenden eine so willkürliche Auswahl getroffen worden und ist die Zahl der angegebenen Hilfs- und Quellenwerke eine einerseits so beschränkte, anderseits so un gleichmäßig verteilte, daß sie ohne großen Schaden hätten wegbleiben können oder vielmehr in einer sicherlich bald er- cheinendcn Neuauflage ergänzt werden müssen. In dieser Hinsicht muß die fleißige Zusammenstellung in Kluge's Ge- chichte der deutschen Nationallittcratur als vorbildlich gelten. Als Quellenwerke nennt Koch Goedeke's und Paul's Grund risse, Bacchtold's Geschichte der deutschen Litteratur in der 6b*
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