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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940507029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894050702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894050702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-07
- Monat1894-05
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Gezrrg-.Prei- >» d« Hauptervedition oder de» km Stadt, bezirk aad de» Vororten errichtete» Au«, cabkslellen «bgeholt: viertetzahrlich4.60. bei zweimaliger tiiglicher Zustelluig in« -au« 6.60. Darch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlick 6.—. Direcle tägliche Kreuzbandsrndung i»1 Ausland: monatlich ^ 7.ÜO. kie Di orgea-Au-gab« erscheint täglich '/,? Uhr, die Lbeud-Ausgad« Wochentag« d Uhr. Abend-Ausgabe. 8ed«tto> »n^ LrveLitio«: A»tzanne«-affe 8. Dle Erpeditior ist Wochentag« uauuterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»: ttt« Me«»'« Sortim. (Alfred Hatz«), Universitätsstratze 1, L»nS Lüsche, lethariuenstr. 14, Part, und König-Platz 7. (Mger.Tageblatt Anzeiger. Legan för Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschiistsverkehr. Anzeigen-Peei- die 6 gespaltene Petitzeile 2C Psg. Reklamen unter demRedaction«s:rich (4ga- spalten) 50-H, vor den Fainiliennachrichten <6 gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserrm Preis- verzeichniß. Tabellarischer und giffernsatz nach höherem Tarif. Kxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Posidesördernag 60 —, mit Postbesorderong ^ 70.-. Annabmeschluß für Avzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« früh ",S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen fr ei» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Gxtzetzitia» zu richten. Druck and Verlag von L Potz in Leipzig. ^23«. Montag den 7. Mai 1894. 88. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Las zum Nachlasse des Goldarbeiters Robert Jmanuel Pütschke m Metizr» geborige Hausgrnndftück Fol 266 des Grund- und H>,polhekc»huchs, Nr. 202 des Brand- lalasiers und Nr. 343 des Flurbuchs für Meißen soll aus Antrag der ckrbcn «»»»abend. de» ll». Mai tz. Bormittaas l(> Uhr an hiesiger VtrrichtSsteltr unter de» im Termin bekannt zu machenden Bedingungen freiwillig versteigert werden. lrrsithungslustige werden ausgesordert, sich rechtzeitig zum Termin eiiiziiftndkn. Meißen, am 28. April 18S4. Königliches Amtsgericht. I>r. Schupper. Politische Tagesschall. * Leipzig, 7. Mai. Daß die Volksvertretung des größte» deutschen Bundesstaates sich mit erdrückender Mehrheit für eine Resort» des Ncichsftuaiizwrscns ausgesprochen hat, haben wir schon gestern an dieser Stelle Hervorgehoden. Da dies aber die gewichtigste unter den Kundgebungen gegen die im Reichstage vom Zentrum und der Socialtemokralie unter Verwendung des Herrn (Luge» Richter beliebte unsach liche Behandlung dieser großen Frage ist, so glauben wir, aus diese Kundgebung und die ihr vorauSgcgangenc Debatte zurückkommen zu sollen. Die Gelegenheit, ihr natio nales Herz zu entdecke», indem sie über die Einmischung eines EnzcllandtagS in ReichSangelegenheiteii Bekümmcrniß empfanden, war sür Uttramoittaiiisinus und Freisinn schlecht gewählt. Die „Reichsfinanzreform" betrifft die Bundesstaaten als solche und ganz unmittelbar, sie bezweckt durch die Be grundung eines festen Verhältnisses zwischen Matrikular ttilräzen »nd Uederweisungen die Reform der einzelstaatlichen snncmze», sie berührt geradezu eine Frage der einzelstaatlichen Sleuergesetzgebnmz. Hier war also die eifersüchtige Wahrung der Rechte tcS Reiches, die übrigens den Parteien der nationalen Negation sehr wohl anstand, in keiner Weise an gebracht. Auf die Behauptung, baß die Einzellandtage Ver lreiniigen niederer Ordnung seien, braucht Angesichts der V:>sönlichkeit, die sic vorbrachte, nicht näher cingegangen ;u werden. Für Herrn Richter ist der Reichstag derzeit ein übergeordnetes Parlament, weil ihm dort «ocialdemotralie unk süddeutsche BolkSpartci den Schein enies gewissen Einflusses verleihen. Wäre der Reichs tag wie der von 1867 zusammengesetzt und hätte der Landtag von Reuß ä. L. eine volkSparleilich-particularistische Mehrheit, Herr Richter würde dieser letzteren Vertretung die größere Autorität vindiciren. Die Bedeutung beS Beschlusses dcs preußischen Landtags kann durch nichts geschmälert werden, nicht einmal durch einen Leitartikel der „Freis. Ztg." Sie ist um so größer, als ihr eine gründliche, auf der Höhe drr Situation besiudlichc Erörterung vorauSgcgangen war. Die Acren der Herren Rickert und Richter, aus die dieses Urtheil nickt zuttiffl, boten anderen Rednern Veranlassung, das Unsachliche in der Bekämpfung der Finanzreform darzuthun. Herr l)r. Miguel insbesondere war sehr glücklich in dem AackivciS, daß der Kampf von den Freisinnigen so geführt wnre, daß als sein Hauptzweck der erscheine, dem Finanz- mmi'lcr eine persönliche Niederlage beizubringen, Dr. Miguel n'i m der Dbat alö Gegenstand der Abneigung des Herrn Richter ganz und gar der Nachfolger deS Fürsten ViSmarck geworden — eine höchst ehrenvolle Stellung, die er seiner Leistungsfähigkeit und der eigenthümlichen Wirkung verdankt, welche diese Eigenschaft auf den Redacteur der „Freis. Ztg." von jeher hervorgebracht hat. Die Debatte im preußischen Abzcord- netcnbause setzt die Redensart, daß es sich bei der Finanzresorm um „Steuern auf Borrath" handle, außer CurS Die Ueberzeugung, daß vielmehr dringende gegenwärtige Bedürf nisse Befriedigung erheischen, wird sich mehr und mehr verallgemeinern. Die Notbwcndigkeit, vhne Finanzresorm die dircctcii Steuern in den Einzelstaatcn nicht nur zu erhöhen, sondern auch aus jetzt befreite BevölkerungSclaffen auszud ebnen, entfaltet wirkungsvollere Beredlsamkeit als Herr Richter. Endgiltig abgethan ist auch der Glaube, cS ei jetzt oder in naher Zukunft möglich, den Weg ver directen ReichSstcuergcsetzgebung zu betreten. Nach den Ansichten der Regierungen braucht man da gar nicht zu forschen; der Reichstag wird, wie Dr. Miguel zutreffend hervorhob, zweifellos versagen. Auch die »ationalliberalen Abgeordneten — eS wurde daS im Ab geordnetenbausc zu sagen vergessen —, welche grundsätzlich directen ReichSsteucrn zuneigc», haben die Unmöglichkeit anerkannt, ^ur Zeit derartige Einnahmequellen zu erschließen. Der Abg. Elcmm, der anfänglich eine directe Rcichssteucr befürwortet hatte, bat im Reichstag seiner Ueberzeugung da bin Ausdruck gegeben, nach Lage der Dinge könne kein Politiker die Befriedigung de« augenblicklichen Bedürfnisses durch Reichserbschaft-- oder Einkommensteuer fordern. Sache stimmen, was sonst nie geschehen ist, und auch davor sind sie nickt zurnckgesckreckt, die Person deS Monar cken gegen dessen ausdrücklichen Willen wieder in de» Streit der Parteien zu ziehen und ihre Wähler glauben zu mache», die Krone hoffe, daß daS Gesetz nicht zu Stanke komme. Die Damenwelt der Aristokratie arbeitet mit großem Eifer; in den Kirchen werden Gebete und Predigten gegen die Eivilehe abgebalten, Gelübte abgenommcn, und in der innerstädtischen Pfarrkirche in Pest wirb das Altarsacrameut den ganzen Tag über auSgeseyt und jede Stunde eine Messe gelesen. Unter diesen Umständen ist der Ausfall der Ab stimmung, wie gesagt, noch ungewiß, aber auch im Falle der ein- oder mehrmaligen Ablehnung der Vorlage wird dieselbe vom Untcrbause noch einmal oder auch mebrmalS dein Ober Hause unterbreitet werden, wenn nicht nach der ersten Ab lehnung, zu der es aber wohl nicht kommen wird, das Mi nisterium Wekerle demissionier. Im ««-arischen Oberhause beginnt heute die Debatte über daS Civileh egesetz. Die nächsten Tage schon werden lehren, ob daS letzte Decennium an dem Oberhanse, das genau vor zehn Jahren daS Gesetz über die Misch-Ehen mit einer Majorität von neun Stimmen zu Falle gebracht hat» spurlos vorübergegangen ist, oder ob sich die Magnaten der allgemeinen Strömung nach einem liberalen Ausbau deS ungarischen StaatSrechtS anschließen wollen. Ein bestimmtes Urtheil über da« Ergebniß der Abstimmung kann im Daraus nicht gefällt werden, denn daS HauS der Magnaten ist auch nach seiner Reform ein unberechenbarer Factor geblieben. ES bestebt nach der letzten vssiciellen Magnatenliste auS 312 Mitgliedern, von denen aber zu den regelmäßiaen Sitzungen im besten Falle nur 60 bis 70 Mitglieder erscheinen. Die übrigen sicht man nur bei ganz außergewöhnlichen Anlässen, und aus ihre politische Parteistellung kann man nur auS ihren persönlichen und Familienbcziehungen, sowie auS ihren Interessen und Ambitionen einen Rückschluß ziehen. Die liberalen Ele mente deS Oberhauses, die protestantischen weltlichen und geistlichen Würdenträger, ferner die ernannten Mitglieder gelten als sicher; ebenso stimmt die protestantische Aristokratie, besonders Siebenbürgen-, mit den Liberalen. Zahlreiche große katholische Häuser, vom ersten bis zum letzten Stimmberech tigten, sind liberal und, wie man hört, wäre es dem Minister Präsidenten Wekerle gelungen, die Mehrzahl der dem Hose nahe stehenden Magnaten, bei denen die Entscheidung liegt, zur Absentirung zu veranlassen. Aber auch die Opposition ist nicht müßig geblieben, ja sie hat in der letzten Zeit eine geradezu fieberhafte Agitation entfaltet. Wo immer in Europa oder Amerika ein Mitglied deS ungarischen HochadelS weilt, wurde cS heimbcrusen. Hundert andere Kunstgriffe kamen zur Anwendung. Da 2000 Gulden t-trundsteucr der CensuS der geborenen Gesetzgeber sind, wurden über Kopf und Hals Güter auf die aristokratischen Söhne umgeschrieben, um ihnen daS Stimmrecht zu verleihen Entgegen der gesammten öffentlichen Meinung erzwangen die Gegner der Vorlage aus Grund de« formalen Recht-, baß die kroatischen Bischöfe in einer rein ungarischen Je länger in vel-te« daS Ministerium de Burlet am Ruder ist, desto klarer und allgemeiner erkennt man, daß dasselbe lediglich eine verschlechterte Auslage de« ehemaligen Ministeriums Woeste darstellt. Der neue Ministerpräsident ist nur ein Strohmann, während der parlamentarische Führer der äußersten klerikal-reactionairen Rechten wirklich das StaatSruder in der Hand hält. Man erfährt beute, daß die Schulnovelle, mit welcher daS neue Cabinet dcbutirte, von dem Abg. Woeste versaßt worden ist, ebenso wie die Schutz- zollvorlage, welche die Regierung in Folge der Opposition im eigenen Lager zu modificiren sich aenötbigt sah. Der kleri kale StaatSmlnister, welchem der König vor zehn Jahren wegen seiner hcrauSsordernv-reactionairen Tendenzen daS kaum verliehene Ministerportcseuille entziehen mußte, ist also wieder Herr der Situation geworden, und man hat einfach ein Ministerium Woeste ohne Woeste. Eine solche Situation kann den Liberalen nur günstig sein, denn Woeste, der offene Inspirator der neuen Regierung, ist ein sehr unpopulärer Man», und daS Ueberhandnebmen seine- Einflusses auf die leitenden Kreise kann seiner Partei nur zum Schaden ge reichen. — Von katholischer Seite her wird stets gerühmt, die wahre Lösung der socialen Frage sei nur „a» katholischer Grundlage" möglich. WaS es damit auf sich hat, zeigt lehrreich daSkatdolischc Belgien. Dort hat manArbeitcr gesetze mit schönen Grundsätzen erlaffen, aber man sübrt sic nicht auS^ ja trotz aller öffentlichen pomphaften Rundschreiben sind die Staatsanwälte angewiesen, bei Uebertretungcn der socialen Gesetze ein Auge zuzudrücken. Noch schlimmer ist es, daß diese Gesetze eine Bestimmung enthalten, die der Regierung gestattet, die umfassendsten Ausnahmen zu he willigen, und bier setze» die Großindllstricllcn mit Erfolg den Hebel ein, um ihnen lästige Bestimmungen zu beseitige». So wird mit dem Gesetze über die Frauen- und Kinderarbeit ein so schmählicher Unfug getrieben. Laß selbst die katholische Presse Protest erhebt. Die Regierung bat den Großindu striellen in VervicrS und Gent zur Bekämpfung der aus ländischen Concurren; die weitere Ausbeutung der Frauen- und Kinderarbeit zugestanden, und bezüglich der Ziegel brenncreien verordnet sic, daß Kinder von 12 bis l t und weibliche Personen von 14—16 Jahren „nur" 12 Stunden täglich mit Ruhepausen beschäftigt werden und „höchstens" 13 Stunden aus den Brennereien verweilen dürsen, und dies Angesichts der unglaublichen Zustände in den Zicgclsabrilen in Boom »nd besonders in Rumpst, Terhagen und Hcmircn, wie sic kürzlich gelegentlich der dortigen Arbeitcrunruhen zu Tage getreten sind! Bei einem solchen Verhalten der may gebenden Kreise braucht man sich nicht zu wundern, wenn die socialrcvolutionaire und die anarchistische Bewegung i» Belgien immer bedenklichere Fortschritte macht und in Attentaten, wie in dem jüngsten gegen Dr. Renson in Lüttich verübten, sich documcntirt. Der Schweizer Bundespräsidcnt Frey hat den Alt- 'cationalrath De. Kaiser in Bern mit einer staatsrechtlichen Untersuchung der Schweizer Neutralität beauftragt, und dieser bat kürzlich den ersten Theil einer Denkschrift an de» BuiideSpräsidciiten veröffentlicht, in welcher er zu inter essanten Resultaten gelangt. Der Verfasser bezeichnet darin die Neutralität als Ausfluß der Souverarnetät der Schweiz. Wer andere Bebauptungen ausstelle, stütze ich durchaus nicht aus die amtlichen Acten und Frieden- chlüssc deS lausende» Iahrbundert«. Insbesondere sei eS ialsch, wenn von Theoretikern und praktischen Diplo maten die Behauptung ausgestellt werde, daß der ge gebene Zustand der Schweiz >m europäischen Staatensystem derjenige der Neutralität sei. ferner, daß die Schweiz auf ibrc Existenz nur solange zähle» könne, als sie neutral bleibe. ES widerspreche auch der Wahrheit, meinen zu wollen, die Neutralität sei der Schweiz völkerrechtlich auserlegt worden. DaS Umgckebrtc sei richtig^ Wenn die Bundesverfassung die Unabhängigkeit der Schwei; nach außen als BundeS- zweck hinstcllc, befind- sic sich in Uebcrcinstimuiuiig mit dem garantirten Völkerrecht. Kraft ihrer Unabhängigkeit besitze die Schweiz ein unbeschränktes Kriegs- und Bündniß- recht. Sic sei berechtigt, wen» cS ihre Rechte und Inter essen crkeischc», gegen jeden andern Staat als kriegführend auszutretcn. Zur Zeit der Wohtgemuth-Affaire habe Fürst Bismarck die politische Frciutenpolizci mit der völkerrecht lichen Anerkennung der schweizerischen Neutralität ver quickt. Kein Staat dürfe, führt Di -taffer auS, wegen der schweizer Frcmdenpvlizei unter Anrufung ihrer Neutralität reclamiren Wenn die Schweiz politische Flüchtlinge dulde, tb»c sie cS Kraft ibrcr Svurcraincläl, und sie habe dabei lediglich Rücksichten der Nachbarschaft in Erwägung zu ziehen. Der Verfasser hält dafür, wenn neutrale Staate» beim Kriege dritter Staaten Truppen aiisstellcu und sonstige Opfer bringen müssen, sollten sic auch bei de» FriedenSvcrhandluugen mit- wirlcn dürsen, da je nach Feststellung von Grenzen und Nachdarschasteu die Stellung d«S neutralen Staates eine andere werde» könne. Gerade beim Friedensschlüsse von Frankfurt a. M. nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges (U>. Mai 1871) hätten die Grenzen der Schweiz stärker berücksichtigt werden sollen. Ucbcr den srauzusischtürkischc» Zwischenfall im alten Serail i» Stambul, von dem der Telegraph bereits kurz Notiz genommen, wird jetzt folgendes Nähere bekannt: Die Ossiciere des dort stationirtcn französische» Kriegsschiffes „Pctrel" begaben sich nach dem alten Serail, um von der erhaltenen Erlaubnis) zum Besuche der kaiserlichen Schatz kammcr Gebrauch zu macheu. Aus dem Wege dahin, wo sie, wie üblich, ein taiserlicker Ordonnanz Ossicicr erwartete, verirrten sic sich in dem weitläufigen Terrain des allen Serails und gelangten z» einem verbotenen Durch gang. de» sie pasnrcn wollte» Dadurch gcricthen sie mit der dortigen Wache in Streit und wurden schließlich (sic Ware» in Civil gctftidct) a»fs Wachzimmcr geführt. Da Niemand, auch nicht der Commandaiit deS auS einem kalben Bataillen bestehende» WachtetachcmeiitS tcS Serails sich mit de» französische» Sccossieicrcli verständigen keiintc, wurde ein Französisch sprechender Pelizeibeamtcr Namens Rcsik Cffendi, Präsident des UntersuchungS Departements der Stainbuler Polizei, herbeigcbett, der jedoch eine Intervention ablchnte. Tic Herren »inßieu »un »ngesäbr fünf Viertelstunde» im Wachlocale verbleiben, bis sic der zu ihrer Begleitung dclegirte Ordonnanz Ossieier sank und a»S ibrer »nan- genehmen Situalie» befreite. In Folge dieses Zwischenfalle« Feuillets«. Im feindlichen Leben. s> Roman von I. Schwabe. (Na-truck verbotei,.) (Fortsetzung.) Zwei Wege tbaten sich plötzlich vor ihr auf, sie aus der vermeintlichen Enge ihre- bisherigen Daseins hinauszuführen: der eine über Klippen und Gletscher und Abgründe vielleicht, zum leuchtende», ibr wie in Feuerglulhen crstrablenden Gipfel te« NubmeS, der andere in ein friedlich weites Thal; ob wobl viele Blumen da erblühten ? TaS Alles ging mit Blitzesschnelle durch ihre Seele. Mit Blitzesschnelle auch legte sich der andere Gedanke schwer aus ibr Herz — Tora! Sic würde sie sehr vermissen und Miezchen »nt llein Lulu und die ankere» beitcren Gefährten ihres bis- berizcn bescheidenen Lebens Und eS legte sich wie Blei aus die raschen Schwinge» ihrer sonst so freien Seele, daß sic an einem Scheidewege stehe. — Aber nur einen kurzen Augen blick Scho» standen wieder vor ihrem inner» Auge der leuchtende Gipfel deS RuluncS. Tie Baronin aber, welche ibr Zaudern bemerkte, meinte freundlich: .Sie sind überrascht, nickt wahr? Sie fürchten vielleicht, m ein vornehmes HauS nicht zu taugen — Hcrr von Hoch- beii» aber bat mir von Ihrem ernsten Streben nach einer heberen Lebensstellung erzählt. In meinem von Gelehrten «nd Künstlern aller Art gern besuchten Hause würden Sie Gelegenheit haben. Ihre Bildung in jeder Weise zu ver- relllammnkn; ich selbst aber würbe, wissend, daß Sie die Sillen der gute» Gesellschaft unmöglich kennen können, mir tie Müde macken. Sie darin einzusübren. Erscheint Ihnen «em Vorschlag so gar nicht verlockend?" «Gewiß, o gewiß, gnädigste Frau", beeilte sich Rose zu lagen, „und ich würde mit tausend Freuden sogleich „Ja" 'azen. bätte man mir nicht vor wenigen Minuten einen andern kvrschlag gemacht, mir einen andern Weg gezeigt, der, un gleich dem Ibrigeu, vielleicht über Dornen und Disteln führt, brr aber dennoch —' sie unterbrach sich erröthend — konnte « ter Dame von Dingen reden, die noch so sehr >m Nebel lag««? Wenn nun Lohrngrin die ganze Geschichte morgen »nzcheii batte ? — vielleicht hat sie einen HrirathSaatrag gehabt, wer ka»» es wissen?" dachte die Baronin. „Vielleicht liebt sie den Mann nicht, aber es ist eine gute Versorgung — deshalb pricht sie von Dornen und Disteln. Einmal ausgcthaut, scheint sie übrigens ihre poetische Redeweise auch gern aus daS Leben zu übertragen — damit kann sie sich nur lächerlich machen." Laut aber sagte sie langsam und gewichtig: „Ja, wenn Sie sich bereits verpflichtet haben — da wäre ich allerdings zu spät gekommen." „Nein, o, nein", bat Rose und hatte plötzlich daS Gefühl, als dürfe sie diese Frau um keinen Preis anders als in Freund schaft gebe» lassen; „lassen Sie mich Ihnen doch danken für die große Freundlichkeit, welche Sie mir erweisen wollen. Es ist so sehr liebenswürdig von Herrn von Hochbeim, mich Ibnen empfohlen zu haben, und wenn Sie mir nur ein paar Tage Heit lassen wollten" — e« klang fast wie Angst in Rose« -stimme — wann hatte Rose >e im Leben Angst gehabt, wann je an Furcht gedacht?! Und sie fürchtet plötzlich, einen großen Schatz zu verlieren, wenn diese Frau auch nur in Gleichgiltigkeit von ibr schied. Und Frau Baronin sah die Angst und die Oual in dem schönen Gesicht, sie hatte Mitleid mit dem Mädchen. daS vielleicht vorschnell gehandelt und diese Voreiligkeit offenbar sehr bereute und welche« aus alle Fälle versuchen würde, et waige Versprechungen wieder rückgängig zu machen, und sie sagte deshalb gnädig: „Wir brauchen ja nicht« zu übereilen, liebe» Fräulein; ich gebe Ihnen meine genaue Adresse, und wenn Sie glauben, daß Sie zu mir kommen wollen und können — Sie müßten doch zuvor auch erst Ibr Berhältniß zu dem Geschäft hier lösen —, so schreiben Tie mir, oder noch bester, kommen Sie selbst! B. ist ja in ein paar Stunden mit der Baku zu erreichen, und dann besprechen wir zusammen in aller Gemuthlichkcit da« Weitere. Gefallen wird eS Ibnen schon bei mir." „Wie könnte ich daran zweifeln!" sagte Rose warm und beugte sich tief über die Hand, welch« die Baronin ihr zum Abschied darrrichte. Aber sie küßte sie nicht, diese Hand, sie wollte eS Wohl, und dir Baronin erwartet« e« auch, aber sie konnte e« nicht — eS kam ihr plötzlich so sonderbar lächerlich vor, einen Handschuh küssen zu sollen. Höfischst geleitete sie die Baronin bi« zur Thür, und jetzt erst nahm sie sich Zeit, auch die Züge derselben ru betrachten. Wie jung sie auSsab, kaum alter al» sie selbst! dachte Rose. Wie freundlich sie zu lächeln verstand! Die klug die schwarzen Augen blitzten, und wie warm die weiche Stimme klang, welch« sagte: „Hoffen wir also — aus Wiedersehen!" „Aus Wiedersehen!" wiederholte Rose leise und sah sinnend dem Wagen nach, in dem sie davonsuhr. 10. Als Rose am andern Morgen erwachte, schien ihr Alle- nur ein wunderbarer Traum gewesen zu sein. Ging doch das Leben in seinem alten Gleis weiter; keinerlei Nachricht von Lohengrin — er würde die Geschichte schon vergessen habe». So bofftc sie beinahe. Die kühle Morgenfrühe wirkte offenbar ernüchternd auf ihr sonst so lebhaftes Gcniütb. Und diese kleine Baronin? Auch da- wollte üllerlcgt sein Wenn cs nun so war, wie Dora und der Hauplinann sagte» — Sclaverei überall — da wollte sie doch lieber »cch ein paar Jahre so weiter arbeiten, um sich ordentlich etwas zu sparen, und dann irgendwo in einer kleinen Stadt ein kleines Geschäft ansangen; dann war sie ja auch frei, so frei, wie man allenfalls aus dieser armen Erde werden sonnte! Miezchen, welche daS lautgesübrle Selbstgespräch Rose » mit angehört, rief heiter: „Dann können Sie zu uns kommen, Rose, und ich könnte Ibnen sogar das Geld zu einem großen Geschäft geben; Sic wissen ja, daß ick etwas zu Hause habe, nur daß e« mir mit dem bischen Geld nickt gelingen wollte, daS langweilige, kleine Nest daheim interessanter zu machen. — Tante war auch damals schön böse, als ich durchaus hierher wollte. Und wenn sie mick bier säbc! Na, eS ist wirk lich einerlei, ob ich ein Iabr früher oder später sterbe; bier lebe ich wenigsten« und träume nickt bloS Nur die Sonne vermisse ich sehr aber sehen Sic doch, Rose, sehen Sie — wa« hat Fräulein Hochdeim nur? Rose schaute ganz betroffen durch die trüben Scheiben, welch« da« Läßliche, düstere Comptoir »om Laden schieden, und sab, wir Dora einen Brief in der Hand hielt und ihn mit Küssen bedeckte, und sah, wie ibr GesichtSauSdruck zwischen höchster Glückseligkeit und tiefer Verzweiflung wechselte und wir ihre Thränen rannen unaufhaltsam. Sofort vergaß sie ihr thörichte« Grübeln. Im nächsten Augenblick war sie an Dora'« Seite, schlang ihre beiden Anne um di« sichtlich Zitternde, küßte sie zärtlich und sagte: „Um CövttrS willen, wa- ist'«, Dora, wa« haben Sie — Liebste, Beste — können Sie r« mir nicht sagen?" „O nicht«, eS ist nicht«, Kind! — Sie sind so gut! Aber — e« war nur die große Freude!" Und Dora versuchte zu lächeln, und doch rannen noch immer die Thränen über ihre Kliffe» Dangen. Sie trocknete sie rasch. Sie richtete sich gewaltsam aus »nd sagte basiig: „Wie bin ich so tbörickt! Aber man sagt ja, daß die Freute sogar tödtcn kan»! Liebe Freunde — und ick liebe sie sein, Liese Freunde, Rose — kommen beut Abend mich zu sehen. Ob man mir erlaube» wird, zur Balm zu gebe»?" „Mein Gott, das tonnen sie Ihne» doch nicht vcrwcbrcn! ES ist ja freilich streng verboten, des Abends auSzugehen, wenn man nicht Verwandte in der Stadl nackzuweisen ver mag und nicht gerade in'S Tbcater will, aber Ausnahmen werden doch wobl gelten und nun gar, wen» man durchreisende liebe Freunde sehen will!" „Ein Brief sür Fräulein Rose Müller und »och dazu ein rosenroihcr Stadlposibrief!" ries L»lu unk schwciillc daS blaß rotbe Viereck triumpkirent über ihrem Hauvtc. Mil bebende» Fingern riß Rose den Umschlag auf und las lies erröthend, während die andere» sic erwartungsvoll llmstanden: „Lohengrin bittet die bescheidene Verehrerin ui der Wilhelm- slraßc, heute Abend, gleich nach lieben Ubr, bei Dircctor Möller i» dessen Wohnung, Stciiistraße 2«, Villa, Probe >i»gen zu wollen." Ueber Rosc'S schöne? Gesicht flog zornige Rölbe. „DaS habe ich nun von meiner Gutmlltbigkeir, Mieze!" sagte sie. während sie ihr taö Blatt hinkicll, und z» den Anderen er klärend: „Ich soll beut Abend bei Direelor Möller Probe singen!" unk dann wieder leise zu Miezchen: „Fch werde kein Wort kervorbringc» können, wen» er dabei ift!" „Aber das ist ja prachtvoll, Rose!" ries Miezchen ganz entzückt — „schöner könnte eS sich ja gar nicht machen! Und roskiirotlicS Papier — gerade so wie »icinS — c- ist zu reizend!" „Und Sie werden hingehcn, Rose?" fragte Aline Winter zweifelnd. „Ich würde e« unter keinen Umstäudc» thun", erklärte Fräulein Hubert mit Würde „DaS ist dock wohl nicht Ibr Ernst, Fräulein Huber«, sagte Dora, welche sich gefaßt batte »nd »»» zubörend in der Comptoirtdür stand „Natürlich geben Die b>», Kind! Die kleine Baronin läuft Ihnen nickt fort Wen» ick Talent hätte wie Sie! Aber ich habe ja keinS, ii-ckt ei» einzige«, »nd wenn « daS allerbcschridcnstc wäre! Ich kann nicht singen, nickt malen und könnte nicht einmal Schauspielerin werden. Auch mache ich keine Verse." (Fortsetzung folgt.)
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