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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940914029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894091402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894091402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-14
- Monat1894-09
- Jahr1894
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V«So d»atz für dir zahlreiche» alsdann frei werdende» Bauarbeiter sich keine Verwendung findet. Die Ueberzeugung von der Nützlichkeit d»e« abgelebateo Canalprojecte« nberwiegt auch heute noch in den belbeiligten RegierungSkreisen, aber die parlamentarische» L^erkältmsse find eben gar zu wenig einladend» eine neue L!vaslprobe zu machen. Endgiltig ausgegeben ist damit aber der Ausbau unsere« Caaalaetzr« sicher nicht, man muß nur einstigere Zeiten abwarteo. Durch den Dortmund »EmS- rmal ist eigentlich einer künftige» Entscheidung doch vor» gegriffen; dena diese Linie, für die erhebliche Kosten aus» grrsendet worden, kan» ihren Zweck vollständig nur im Zu- sai»imeubang mit weiteren Wasserstraßen erfüllen. ^ Berlin, 13. September. In der Königsberger Re de des Kaiser« fand sich bekanntlich nachstehender Satz: „Eine Opposition preußischer Adliger gegen ihren König ist ein Unding, sie hat »ur dann eine Berechtigung, wenn sie den König an ihrer Spitzt weiß, da» lehrt schon die Geschichte uns ere« Hauses." Mau hat diesen Satz verschieden zu deuten ver/ucht. Jetzt kommt die „Köln. Ztg." und weist daraus hin» daß sie ihn schon im ersten Telegramme dabin geändert habe: „Eine Opposition deö preußischen Adels gegen seinen König ist ein Unding; er hat nur bann Berechtigung, wenn er den König auseiner Seite weiß u. s. w." „Das hat der Kaiser ohne allen Zweifel gesagt, und da» „sie" war wohl nur ein Irr» tbuin de» Stenographen". Die „Kreuzzta.- bestreitet dem rheinischen Blatte da« Recht, sich so ohne Weiteres für berufe» aozuseheu, de» im „Reichsanzeiger" veröffentlichte» Wortlaut der kaiserlichen Rede zu redigiren. Wir glauben, daß die „Krruzztg." diesmal im Rechte sei. Der Kaiser hat dem Adel nicht dr« Recht der Opposition schlechthiu bestreiten wölben, sondern nur die gegen den König selbst, der wohl in die Lage kommen könne, au der Spitze de» Adel» in Opposition gegen Einrichtungen und Zustände zu treten. Wer den Zdeenaang unsere« Kaiser« sseit Iabrea genau verfolgt hat, wird schwerlich auf die Idee der „Köln. Ztg." kommen. * Berlin, lZ. September. Eine große Bersammluug der Mili tair-Invaliden Berlin» und der Umgegend, ein berufen vom hiesigen „Verein der Militairinvaliden", fand gestern Abend in Keller'S großem Festsaal statt, um die Lage der Invaliden einer Besprechung zu unterziehen und einer vom „Verbnnde der Militair»Krieg»- und Friedens - Invaliden Teutsil'landS" auSgearbeiteten Petition an den Reichstag uni Erhöhung der Militair-Pcnsionen u. s. w. ihre Zustim mung ^u crtheilen. A» looo ehemalige Krieger hatten sich dazu eingesunken. Der Vorsitzende de» hiesigen Vereins der Milita, r-Inraliken, Herr Stein, gab den bereit» in mehreren Vcrsam mlnnge» der Militair-Invaliden laut gewordenen Klagen Ausdruck, und eine ganze Reihe von Redner» ergänzte seine AnSsiikrungen über die Unzulänglichkeit der den Invaliden gewährten Pension. Die Petition wurde einstimmig gut- gebeißen. Die Petenten ersuchen darin 1) um eine allgemeine Ausbesserung der Pension und Pensionszulagen für sämmt- liche Militair-Invaliden; 2) um gleichmäßige Entschädigung für Nichtbenutzung des CivilversorgungSscheinS, im Betrage von 12 -e monatlich, um denjenigen Invaliden, welche keine» Gebrauch von dem EivilversorgungSschein machen können, Gelegenheit zu verschaffen, denselben gegen Vergütung ab zugeben; 3) um eine nochmalige Untersuchung dersenigen In validen, welche durch Verwundung oder Erkrankung vor dem Feinde sich ein Leiten zuaezogen haben, eine Pension jedoch nicht beziehen; t) um Gleichstellung derjenigen Invaliden, die aus de» Allerhöchsten GnadensondS angewiesen sind, mit den rechtlich Anerkannten; 5) um Versorgung der Wittwen und Waisen der Invaliden ohne Rücksicht darauf, ob der Mann vor dem Feinde gefallen oder später verstorben ist und auch ohne Rücksicht auf den Umstand, ob die Frau den Mann vor oder nach der Verwundung qeheirathet hat, sowie um Versorgung der Wittwen u»b Waisen derjenigen Friedensinvaliden, deren Tod nachträglich durch ihre Invalidität herbeigeführt worden ist; «) um Belastung der Militair-Pension an sämmtliche im Reichs- und Staatsdienst befindlichen und au« dem Reich«-» Staats- oder Eommunaldienst pensionirten Invaliden, unab hängig von ihrem Einkommen au« Staats- oder Communal- cassen, sowie in allen Lebenslagen. Nach Unterzeichnung der Petition gingen die Invaliden mit einem Hoch aus da« Deutsche Vaterland auseinander. Die Petition soll bereit« 30 000 Unterschriften gefunden haben. — SlaatSminister von Bortticher hat, wie in einer Versammlung der Bezirk-gruppe Ost» und Westpreußender Ver» wallungsbeamten der Ort« kranken rassen Deutschland« mit- getheilt worden ist, in einer kürzlich nachgesuchten Audienz für die Beraihung der Wünsche der Krankencassenbeamten «in BundcSralhe sein Wohlwollen in Aussicht gestellt. Unter Anderem äußerte dek Minister, daß gegen die Anstellung der Krankencassenbeamten auf längere Dauer, ev. auf Lebenszeit, unter Berücksichtiaung der Leistungsfähigkeit der eiozrlnen Casten keine Bedenken veständen, ferner, daß die Staatsregierung an eine Verstaatlichung der Verwaltungen der Kranken- casten, sowie auch der übrigen durch die socialpolitische Gesetz gebung geschaffenen Organisationen nicht denke, dagegen beabsichtige sie «ine Zusammenlegung der gesammten socialpolitische« Gesetzgebung unter vollständiger Aufrecht» erbaltung der Selbstverwaltung. Ob di« Krankenver sicherung werde m:t hineingezogen werden können, wisse man noch nicht, irdenfall« erstrebe man auch hierin eine möglichst einheitliche Ceatralisirung für Communalbezirke» Kreis« und eventuell auch für Provinzen. — Wir berichteten kürzlich über rin Zerwürfaiß »wischen dem Swinemüoder OfsicirrcorpS und der dortigen Badrverwaltung. Eine hiesige Correspondrnz will jetzt wissen, daß sowohl der Regimentlcommandeur. wie der Major des in Swinemllndr granisonireitde» Bataillons vom Fuß» Artillerie-Negiuient Nr. 2 plötzlich versetzt worden seien. — Auf die Eingaben mehrerer Handelskammern an da» EultuSniinisterium über die geplante gesetzlich« Regelung des ApolhekenwesenS ist der Bescheid eingelaufrn, daß der Minister eS sich versagen müsse, auf die Sache näher einzugehen. — Der Freisinnige Wahlverein de« H. Berliner ReichStaglwahlkrrist«, in dem dir Opposition der sogenannten „Potsdamer- gegen den Programmentwurs Aussehen gemacht hat, hielt gestern eine Versammlung ab zur abschließenden Be- rathung de» Programm«. Nach längerer DiScussion wurde ein Antrag zu Gunsten des Mapimalarbritttage« mit 14 gegen 13 Stimme» angenommen; die Versammlung war nämlich von 21 Manu besucht, die daun auch di« Delegirten für den Eisenacher Parteitag wählten. Der Wahlkreis zählt gegen 100 000 Wähler! — Die Eommission der Saalbesitzer tagt mit den Vorständen de» Verein« der Berliner Gastwirtbe und de« Vereins der Berliner Weißbierwirthe am 1«. d. M., um die Saal sperr« zu dilcutiren. Am folgenden Tage findet «ine Berathnng der Saalcoinmissiou und der Boycottcoinmisston statt, in der eine Beschlußfassung über dir eventuelle Frei gabe der gesperrten Säle herbeigeführt werken soll. — Polizeilich verboten wurde «ine öffentliche Ver sammlung der Musikinstrumenten - Arbeiter, die beute ab gehalten werden und in der vr. Heymann über da« Thema: „Wie muß der Proletarier denken und handeln?" sprechen sollte. — Die Töpfer Berlins beschlossen, von einem General streik abzusehen, jedoch zur Ausrechterhaltung der Lohnsätze vom Jahre 1880 und de» Arbeitsschlusses um 5 Uhr in «ine Reihe partieller Streik» einzutreten. — Der an Stelle dkS abberiisenen Grasen Wedel zuin Gesandten tn Stockholm ernannte Gras Hippolyt v. Bray-Ltelnburg wurde am 18. August 1842 tn Athen geboren und ist «in Toh» de« Grase» Otto v. Brav-Steindurg, der >840—47, 1848—40 und 1870—71 bayerischer Minister de« AuSwarilgen war und al« solcher im November 1870 de» Vertrag wegen de« Eintreten« Bayern« tn da« Reich abschioß, im Juli 1871 aber zurlicklrat, weil di« Kirche», polltlt de« Minister« Lutz seiner Gesinnung widersprach. Gras Hippolyt v. vray »rat ich»» im Ansang der 70er Jahr» in de» «elchldienst, wurde 1870 zum Gesandlea ia Belgrad »enanat und 1800 uach Lissabon gesandt. — Der fretconlervative RelchStagSabgeordnkt, Rittergutsbesitzer Nauck-Groß-Schönseld lbei Neustrelitz in Mecklenburg) hat sich, wie wir der „Post" «ntnebmen. vor einigen ragen in Leben«, aesahr befinden Herr Nauck begab sich mlt mehreren Leuten in seine gullenkoppel, um mehrere »»«gewachsene Füllen, die angespannt werden sollten, einzusangen. Um di« Ldler« in seine Mach« zu bekommen, warf Herr Nanck ihnen Wurfschlingen über den Kops. Al» er dem letzten Füllen eben dir Schlinge übergeworfen hatte, wurden dir anderen Füllen unruhig und durchbrachen die Kette drr handfesten Leute. Da nu» Herr Nauck das Thler nicht allein halten konnte, micht« er die Leine soSlasten, hatte aber nicht bemerkt, daß da« freie End» derselben sich um seinen rechten Fuß geschlungen hatte. Herr Nauck wurde zu Boden gerissen und von dem Thier« im Galopp mehrere Lausend Schritt geschleist. Glücklicherweise hatte er Geistesgegenwart genug, um den Kops ml glichst hoch zu halten. Den Bemühungen seiner Leute gelang et endlich, ihn au« seiner entsetzlichen Lag» zu befielen. Aus seine Leute gestützt, konnte er sich nach Haus« begeben, obgleich sein Kvrper gan» -erschunden war. Tr mußte einige Lage da« Bett hüten und besindet sich j«tzt auf dem weg, der Besserung. - Eassnltz, 13. September. Die kaiserliche Jacht „Hoben- zollern" und die gesammte Flott« gingen Nachmittag« hier vor Anker. * Ewtnrwüntze. 13. September. Bei der Abfahrt der Manöderflotte nach Beendigung der heutigen Flotte»- parade setzte sich die „Hohenzollern" an die Spitze der übrigen Schiffe. Dabei gewährt« der Uebergang au- der einfachen Kiellinie in Gejchivaderformation einen besonder« fesselnden Anblick. Die Schiffe führe» bald zu zweien» bald zu dreien oder vieren nebeneinander. Allgemeine Bewunderung riefen die Torpedobootflottillen hervor, welche blitzartig da« Panzetgeschwader umkreisten, sowie die Promptheit» mit welcher die auf dem Admiralschiff „Worth" gegebenen Signal» befolgt wurden. Auf den VergnügunaSkampfern, welche die Flotte begleiteten, erregten die große» Panzer „Brandenburg- und „Wörth", welche zum ersten Male Iheil- nahmen, die allgemeine Aufmerksamkeit. Während der Fahrt in dir offene See blieb die „Hohenzollern" beständig dem Geschwader voran. Ein Torpedoboot vermittelte den Verkebr zwischen der „Hohenzollern" und der Flott«. Die Kaiser-Jacht war von Vergnügungsdampfern umschwärmt, deren Insassen bei der Annaberung an die „Hohenzollern" in stürmische Hurrahruse au-brachrn. Al- e« klar wurde, daß die Flotte weiter hinaus in Ser fuhr, kehrten dir Passagierdanipser nach und nach hierher zurück. Ganz Swinewinde ist von Fremden überfüllt. Auch am Nachmittag fuhren noch Eftra- dampser in See, die jedoch die Flotte nicht mehr erreichten. Da» Wetter war wabrrnd der Flottenparade prachtvoll. Abend« wurde e« etwa« stürmisch. — Drr TranSpvrtdampfer „Pelikan" ist gestern hier eingelaufea; infolge hohen See ganges ist ihm die Ankerkette gebrochen. - Lhvr«, IS. September. Der bier stattfindeiiden Festung-Übung werden 60 höbere Ossiciere aller deutschen HeereSlheile und verschiedener Waffengattungen beiwohnen, welche theilweise bereit« eingelroffen sind; auch werden fremd- ländische Ossiciere erwartet. * Riapprbur«, 13. September. Wegen Gotteslästerung hat di« Staatsanwaltschaft die Untersuchung gegen den sociaideuio. katischen Vertrauensmann Vater und den Nedacteur Haarbaum, di« von der Ferienstrafkammer I eingestellt worden war, wieder ausgenommen und zugleich die GeschastSbucher der „Bolk-siimine" beschlagnahmt. TS handelt sich um den Vertrieb de< sociaideino- katischen Katechismus. * Brnttzeu, 13. September. Der Arbeiterkrawall in Antouieiiblltte soll noch im Monat September vor dem hiesigen Schwurgericht zur Verhandlung kommen. Es sind drei Tage dafür in Au«sichl genommen. In den letzten Tagen sind neue Verhaftungen erfolgt, doch ist der Socialisten- sührer Purkop wieder au« der Hast entlassen worden. * Karlsruhe, 13. September. Die Kronprinzessin von Schwede» ist heule Nachmittag tn gutem Befinden hier eingetroffin und bat sich sofort nach dem Schloß begeben, wo sie bi- morge» verweilen wird. * Stutt-art, 12. September. Am Montag bielt bier drr Verband deutscher Bäcker seine mit einer Fachausstellung verbundene Tagung ab und beschäsligte sich auch mit den von der Eoinuiission für Arbeiterstatistik bebufs Regelung der Arbeitszeit in Bäckereien gemachlen Vorschläge», betreff« welcher beschlossen wurde: „Die Verlammlung erbebt Protest gegen hl» Einführung eine« Maximaiarbeitelage« in ihrem Gewerbe, da demletben die größten techuiicheii Schwierigkeiten entaegenstehen und er i» wirtdlch-nilichcr Beziehung de» Ruin vieler kleinerer und mittlerer Geschäfte nach sich ziehen würde. Ktr bitten daher den Herrn Reichskanzler, de» gemachten Vorschläge,i der Eoimnission für Arbeiterstatistik keine Folge geben zu wollen." * Stratzburg, 13. September. Gegen den Eigarren- bändler Boehle, den socialistischen BezirkSIazS-Eaiididaten für Straßburz (Süd), ist vom hiesigen Landgericht die Untersuchung Wege,, Unterschlagung von Parteigetder» eröffnet worden. (F. Z.) Oesterreich. Ungar«. *Wici», 13. September. Der Congreß der au« Sibirien heimgekehrten Polen soll nun definitiv am 16. d. M. in Lemberg stattsinden. Die Congrcßtheilnehmer werden am Bahnhöfe begrüßt und im Rathbause bewirthet. Für dir in Sibirien verstorbenen oder ermordeten Polen soll ein Requiem und anläßlich der Rückkehr vieler aus schwerer Gefangenschaft ein Dankgottesdienst abgehalten wertem * Wie». 13. September. Für den verstorbene» Grasen von Pari« ist eine achttägige Hoftrauer vom 14. d. M. ab angeordnet worden. — Der Kaiser erließ an den Prä sidenten de» ComilSS sUr die Errichtung des beute im StepbanSdoni enthüllten Denkmals zur Erinnennng an die Befreiung Wien« im Jahre 1883, Baron v. Hye. ein sehr herzliche« Handschreiben, in welchem er der hervor ragenden Verdienste desselben um da« Zustandekommen de» patriotischen Unternehmen« gedenkt * Pest. 13. September. In der Ansprache, die der Kaiser Sonntag Mittag an die Delegationen richte» wird, wird der Betonung der FrieteiiSauSstchten der breiteste Rau», gewährt und die zuversichtlichste Hoffnung auf dauernde Erhaltung dr« Frieden» auSzetrückt werden. Frankreich. * Pari», 13.Stptember.Gegen denText drr Marseillaise bringt der „Mali»" «ine» Artikel von Robert Mitchell an leitender Stell«, der ein Beweis dafür ist. daß die öffentliche Meinung in Frankreich zu einer etwa« ruhigeren Betrachtung der Dinge gelangt. Noch vor Kurzem hätte ein französische- Blatt r« schwerlich wagen können, den revolutivnaire» Text der Marseillaise auch nur in schonrndster Weise zu kritisier». Mitchell dagegen erklärt da« französische Nationallied nickt nur für Überlebt, unpassend, aufreizend uns beleidigend für da- Ausland, sondern einfach für blödsinnig. Er fordert schließlich, daß man einen vernünftigen, zeitmäßen Text für die schöne Melodie der Marseillaise ichaffe, den alten Kriegs gesang aber in den Nationalarchiven begrabt, um ihn, wie die Fahne de« Propheten, nur daun wieder hervor zuholen, wenn einmal das Vaterland in Gefahr sei. Schweiz. * Ber«. 13. September. Laut Mittheilung de« schweize- rischen Industriedepartement« findet der dritte internationale Congreß für Arbeiterversicheruog vom 1.—kt.Oktober m Mailand statt. Italien. * A««, 13. September. Au« dem Vatikan stammende Informationen bezeichnen die von der „Tribuna" gebrachte Meldung von der Verhaftung zweier Individuen in den Vatikanischen Gärten als grundlos. * Rom. l3. September. Wie bi« „Niforma" meldet, hätte der Papst mit dem Cardinal LangSlneux «ine Unter- rebung über die Einrichtung de« apostolischen Präfecten in Erythraea gehabt. — Cardinal Sanfelice, der Erzbischof von Neapel, antwortete auf ein Schreiben, welche« er gelegentlich der Einweihung der Gedenktafel in Neapel, von dem Bürgermeister von Neapel erhalten hatte, er hätte im Jahre 1884 einfach die Pflichten seine- geistlichen Amtes gegenüber den Cbolerakranken erfüllt. Er schließe sich dem warmen Lobe aus vollem Herren an, welche- der Bürger meister dem Könige und allen jene» edlen Mensche»- sreliuden, die in der Cholerazeit ihr Leben gewagt hätten — ullter ibnen der Bruder de« Bürgermeisters, der Marqui« Campodisch — gespendet hatte. Schließlich bittet Cardinal Sanfelice den Bürgermeister, Crispi seinen Dank auszusprechcn sür die für seine — de« Cartiuals — Person von ihm ausgesprochene» wohlwollenden Gefühle, sowie für den Appell CriSpi'S an die Eintracht zwischen den religiöse» und den bürgerliche» Gewalten. Der Cardinal verspreche, seinerseits dieses Ziel stets verfolgen zu wollen. — Ei» hoher Beamter des Ministerium- de« Innern, welcher gestern Crispi i» Neapel sab, erzählt, daß niemand mehr al« derMiuister-Präsident Uber den Eindruck verwundert sei, den seine Rede in Italien bervorgerufen hat. Auf die Urtdeile der ravi- caleli Wätteranspieleiib, wclcke ihi, mit Schmähungen überhäufen und einen abenteuernden Hanswurst nennen, sagte er: „Geht da« in dem Tone fort, so bi» ich bald zum Kreuzritter gestempelt, ver Italien in eine einzige Büßercolonie verwandeln will. Meine Worte galten dem ehrwürdige» Cardinal Sanfelice, welcher fern von politischen Gelüsten i» Werken christlicher Liebe ausgehl und den Armen ein wahrer Tröster ist. Ich sprach den Wunsch aus, baß der italienische Klerus ih»i nacheifern möge, damit da« Volk sich >bin wieder vertrauensvoll zuwcnve» könne. Daß ich Gott die Ehre gebe, darüber türsen »ur hämische Gegner sich wuilterii, ich war niemals Atheist. Noch vor Kurzem bezeichnet« ich in einem der Oeffentlichkeit anver- trauten Briefe a» einen Freiinaurer den Glauben an Gott für die Grnnrberiiigung eine- gesunden Volkslebens, Gott losigkeit als de» Keim »nhcitbarer Verwesung. Da- ist mein Glaube. Nach Canossa bin ich nicht gegangen. Ich will den Frieden mit drr Kirche, nicht aber den Staat den weltlichen Machtgelüsten de« VaticanS au «li«fer n." * Rom, >3. September. Die „Riforma" meldet die Verlobung ver Tochter CriSpi'S »iit dem Fürsten Lingnaglossa. * Pnrngia. 13 September. Im hiesigen Ratbhause wurde deute rer Fried euScong reß in Anwesenheit der städtischen Behörde» feierlich eröffnet. Zahlreiche sranzösische und italienische Delegier« wohnte» der Eröffnung bei. — In der ersten Sitzung dankte der Pariser Muiucipatrath Giron Namens der Start Paris den Italienern für ihre liebens würdige Gastsrenndschaft und betonte, Frankreich wünsche ebenso wie Italien den Frieden der ganzen Menschheit. Bongbi drückte unter dem Beifall rer Versammlung die Sympathie sür Frankreich au«. Lazzarini ichlug zwei Tagesordnungen vor: die eine sprach über die Haltung der französischen und italienische» Presse, welche zu re» Be mühungen deS Friedens Ausschusses in, Gegensätze siebe, ibr Betaue»» auS und bekräflizlc die Solidarität zwischen Frank reich und Italic»; eine zweite forderte alle FrledenSgefiü- schajteu aus, über eiu stau dige« sraiijösisch-ltalirliischer ComitS sich zu verstäubigeu. * Perugia, 14 September. (Telegramm.) DerFriedenS- congreß geiiebmigle die bcire» von Lazzarini vorgeschlagenen Tagesordnungen, welche da- Präsidium zu den scinigen gemacht. Spanien. ?.O Mntzrttz, 13. September. Zwischen den Eabinetten der Mächte, die an der Frage der Errichtung von Con- sulatr» in Fez zunächst betbeiligt sind, findet ei» leb- baster Gedankenaustausch statt, um ei» Einvernehmen der betreffenden Regierungen in dieser Angelegenheit herbei- ufüdren. Die spanische Regierung scheint den in der ekannten Note des Sultans vou Marokko enthaltenen Hinweis, daß ver gegenwärtige Moment, wo die Regierung bei Sultan« sich noch in ihren Anfänge» befindet, und unter vielen Kabyfinstämmen Erregung herrscht, sür die Schaffung von auswärtigen Co»sularvtrtretu»gen in Fez sehr ungelegen sei» für nicht unbegründet zu erachten Mau be müht sich daher spanischerscits, die anderen interessirlen von der Sonne hellbeschirnene Gestalt ihre» sich eben wieder langsam in Bewegung setzenden Baker«; dann schaute sie an diesem vorüber in« unermeßlich Weite, während «in Keuchen über ihre Lippen kam und ihre Brust sich krampfhaft hob und senkte. Bald batten sie die Dorsstraß« erreicht. Nun trocknet« die junge Frau ihre Tbräoen, und in leidlich gefaßter Haltung schritt sic neben teni Vater dahin, der bald dahin, bald dort hin mit gewichtiger Miene gravitätisch grüßte. Kein Wort wurde mehr zwischen ihnen gewechselt, bi» sie, nachdem sie ein gut Tbeil der Dorsstraße durchmessen, vor einem besonder« stattlich auSgebauren. umfangreichen Gehöft stehen blieben, da« gegen die Dorfstraße durch eine mäßig hohe, mit einem dachgekrönlen Tbordogen vrrsedene Mauer abgeschlossen war. „So. h,er ist zukünftig wieder Deine Heimath". sagte Lebrecht Winkler, der Bürgermeister, da» lange Schweigen unter brechend. „Die anderen Mucken schlag' Dir au«'in Kops... ich denk'. Du weißt'« noch von früher her, daß m meine», Hos nur mein Wille gilt und ich gehorsam von einem Jeden fordere!" Er wartete keine Antwort ab, sondern schritt durch den Tbordogen voran. Da kam ibnen auch schon eine bejabrte Magd entgegen, welche den kleinen blontlockiaen Knaben, der augenscheinlich hesliz geweint halte, bei der Hand führte. „Ack gottlob, da sind Sie ja, Frau Oberlehrer!" meintr die Magd atlsogleich, „da« Büble hat« ohne Sie im Hau« nit gelille . . er bat Immer Angscht g'habt, e« geschah seiner Mutter ein Lot» ... da Hab' ich mit'm Ihne g'rad entgegegebe' wolle . . .* Mit eine», Freudenschrei war der Kleine auf dir junge Fra» zugeeill. München. liebe« Muttchen . . jetzt bleibe ich immer bei Dir", ries er und schmiegte sich innig an dir wirdrr Weinende an. Winkler maß seinen EnkelSsobn mit einem langen, prüfenden Blicke; kau» ging plötzlich ein weicherer Zug über sein hart- gesurckle« Gcstck» „Nun. da ist ,a auch Tein Büble . . . bm. jetzt seh' ich'« erst reckl. der Hai sich wacker dcrauSgemacht, seitdem ich itzn das letzte Mal ordentlich grseden dab' . . Ibr habt ihn ja nie nickt ans k>e Straß' gelassen . . . nun sckau «ur, wa« er sur Auge» macht, al« ob er sich sürchten müßt' vor mir", setzt- er b > zu, nachdem er eiu« Wole vergeblich aus «me Antwort seiner Tockter gewartet batte. „Hin, bm . . . '« ist ,a srcilich iiaurig, so srüb den Vater schon verloren zu haben . . So » » arme- Kind kan» ja für de» dummen Sinn der Eltern nicht« ... Na, da komm her. Du kleiner Tanzknops" wendete er sich, al« die noch immer Schluchzende sich jäh abkebrte, direct an Erich und streckte diesem seine harte, schwielige Hand hin. .^kennst mich wohl gar nicht, «a«'? . . . Na, da gieb mir rin« Patschhand!" Aber der Kleine, durch dir rauhe Art und mehr noch durch die tiefe Baßstimme dr« alten Manne« erschreckt, fing plötzlich an zu weinen und schmiegte sich nur »ock inmger an die Mutter an, di« schützend nun beide Hände über dem blonden Lockenkopse zusanime»saltete. Da fuhr aber ein böser Blick an« den bellen Augen de« sich plötzlich wieder straff Anfrichtenden. — „So — Du willst nit . . na, srll kann ich mir merken!" brummte er, wäboeiid r« in seinen Zügen wetterleuchtete. „Bin Dir wobt nit gut enug . . bist wohl auch so «in Stolzer wir Drin valrr srin ebtaa «inrr grwrsrn ist . . drr hat ja auch immer wa« besser» vorstellen wollen, als unsereins . . da bebalt' Deine Patschhaud nur für Dich . . e« giebt andere Büble, die sie mir gern geben!" . . Er lachte kur» auf und deutetr dann nack der HauStbllr. — „Na, da ist ja die Mutter," setzte er hinzu und nickte der ältlichen Frau kurz »u, welcke vorhin aus dem Friedhof« den Knaben n»t sich fortgcfübrt batte. „Da könnt Ihr ja zusamnienbalten . . aber mick laßt in Ruh' . . ick Hab' gerad' genug Aerger dir letzten Tag' über hinuntrrgeschluckt!" Damit ging er polternden Schritte« die Steinstufin drr Treppe hinaus und verschwand gleich daraus io der HauSthür. Frau Barbara aber stützte liebreich ibr weinende« Kind, und während sie der Magd durch ein« stumme Handdewegung bedeutet«, dr» Knabe» mit sich fortzunehme», führte st« di« Tochter in ihr eigene« Stübchen, sie dort sorgsam aus eine» Stuhl setzend, sich über sie beugend und ihr dir fable» Wangen streichelnd. — „Mußt nimmer «ein«, mein' lieb« ElSdetb," sagte die grau mit zitternder Stimme, während ihr doch da« Schluckzen selbst nicht fern lag . . „denf dran, der Himmel ha« Dir Dein Glück gebe« . . er hat « wieder geuomme . . da muß« Du Dich halt d'rriuschicke . ." Da kam «i» stammelnde« Schluchzen über de« jungen Weibe« Lippen unv diese« »arf sich plötzlich an dir Brust der «röstenden Mutter. — „Ach Mutter, da« ist« ja nicht allein, wa« mir aus dr, Herzen lallet I" stöhnte si, aus . . „wenn ich« allein wäre. . mich wird Gott schon bald ab- rufen, denn ohne meinen Fried kann ich nicht leben . . aber nun ,st mein süßer Bub', mein Erich da . . und dann. Mutter ..." fie »„erbrach sich st-tzaeud »ud preßt, beide Hände gegen die bi« zum Zerspringen klopfenden Schläfen, während von neue»! «in irrer Blick au« ibren blauen Augen flackerte — „ich kann Dir'« nicht künden, Mutter, wa« mir im Herzen lebt . . e« ist so furchtbar schrecklich, wa- ich seit kurzem weiß . . ich allein auf Gotte« weiter Welt, Mutter.. nicht einmal mein Mann, ib>» bab' ich « nicht künden können, bevor er schied. Ach, wa« ich die drei langen Tage über gelitten habe . . es ist mir so öde und todt «m Herzen . . und doch wogt und klopft e« wieder so eigen darin ..." Die junge Frau schwieg wieder: e« war, al« ob eine Offenbarung ibren Lippen slck entringen wollte und sie dennoch sür dieselbe keine Worte zu finden vermochte. Kopf schüttelnd, selbst webe vor sich hinweinend, setzte die Mutter ibre Bemühungen, die Unglückliche zu beruhige», fort; zuin Glück pochte e« eben draußen an der Thür de« kleine», bescheiden eingerichteten Stübchen«. Der Knabe war draußen und verlangt« ungestüm zur Mutter. Mit gar freudigem Jauchzen eilte er wieder in die weitau-gebreiteten Anne Frau El«veth S, erkletterte deren Sckooß und umbalste sie mit weichen, zitternden Armen „Weine nickt, Muttchen, sei lieb!" sagte er, „Dein Erick ist ja bei Dir, Muttchen . . . E« darf Dir Niemand wa« «hun . . . und der alte, böse Mann, der Dick gesckimpst hat, gar nicht . . . gelt, Muttchen. Dein Erich schützt Dick!" Dir junge Wittwe bedeckt« dr« Kinde« rosige Lippen mit beißen Küssen. „Ja, Dick babe ick nock. Tu mein Augen trost!" stöhnte sie. „Ach, bimmlischer Later, gieb mir dir Kraft, da» harte Lebra weiter zu «ragen für den kleinen, süßen Knaben . . . und . . sür da« Wesen, da- geheimoiß- voll mir noch . . . unter dem Herzen lebt . . Di« letzten Wort« bracht« sie tonlo« bervor; Niemand verstand sie, sondern bestürzt eilten Frau Barbara und di« Magd ihr zu Hilf«, dena — von drr furchtbaren Aufregung bezwungen — neigte sich eben ihr Haupt seitwart« und wohl- th„i-« tief» Ohumacht umbüllte ihr« Sinn«. ll. Mit rauher Hand hatte der Tod zwei liebende, zärtlich anrinanderbängendr Herzen für immerdar geschieden. Erst sechs Jahr« zuvor hatte Lebrer Treumann fein junge« Weib in« Han« «ingrfübrt, nachdem er e« vou dem starrsinnigen Vater sich förmlich batte erkämpfen müssen. Nun hatte, nachdem diese glücklicke Ebe durch den Tod gelöst war, die junge Frau in da» Elternbau« zurückkebren müssen, au» dem fi« «it falch' frohen Glück«gedankru einstmals gezoaea war. Voll unsäglicher Bitteruiß wirkte dieser Gedanke Tag und Nacht auf da- seinbesaitete Eiiipsinden de« junge» Weibes ein. Auck Erich war offenbar mit dem Wechsel der Dinge nicht einverstanden; er fürchtete sich vor de», alte», streng- blickende» Manne, der so bockaufgericbtet, al« ob er seine» Rücken niemals zu bücken vermocht hatte, de« Weges einbcr- geschritteu kam und eine solch lautdrölmende Stimme besaß. Vergeblich war es, daß Lebreckt Winkler, dem das Geschick seiner Tochter doch »icdr als er sich merke» ließ, »abr ging, diese in der ersten Zeit nach ibrer Rückkebr in daS Vaterdau« so rücksichtsvoll wie nur irgend möglich behandelte und mit seine», Eiikelkmde Freundschaft zu schließen suchte; Erick, der sonst gegen Jedweden zutraulich war, wollte von ihm nichts wisse» Verschüchtert wich er iuiiner von »ruei» vor der ibi» eiilgegeiigestreckten Hand zurück und flüchtete sich ans den Sckooß der Mutter; sogar der Letzteren gütiger Zuspruch batte keinerlei Erfolg — u»d so kam e« denn, daß Lebrecht Winkler von seinem Enkrlfinde mit einem gering schätzige» Achselzucken abließ und meinte, drr sei gerade t» ei» stiller, bleicher Duckmäuser, wie sein Vater selig und völlig aus der Winkler'sche» Art geschlagen. Einmal weilte Erich wieder im Hos« und spielte mit seinem kleinen Hunde, de» er, so lange er nur zu denken vermochte, besessen und den ihm sein gütiger Vater emmat zum Geburtstage geschenkt batte. Ami, so hieß der kleine gelbe Bastardhund» war auch rin Herz und eine Seele mit dem Knaben; sie waren unzertrennlich von einander, sie schliefen sogar in demselben Beuche», und Erich hätte am liebsten seinem viersilbigen Gesäbrten seine Mahlzeit au« deuiselden Napfe, au« welchem er selbst schöpft«, gereicht, wenn die sonst so nachsichtige, gütig« Mutter dir« nur bält« »ugrbrn wollen. — Eben wieder neckte Erich sich mit seinem kleinen Spielkameraden, zog ihn am Schwanz«, zerrte ihn an den Obren und freute sich dana, wenn Ami mit lautem, durchdringendem Gekläff an ihn heraussprang. Al« aber plötzlich der Hofhund, der da« Spielen der beiden unzertre»»- licheo Kameraden mit stillem Neid und verbissenem Knurren die ganze Zeit über beobachtet batte, laut und wüldeub an schlug. fuhr Erich sofort zusammen und sich zu Lene zurück flüchtend. nabm er wahr, wie gerade durch den mächtige» Tbordogen eia hochgewacksener, sckwarzbärtigrr Mann in einer dunklen abgetragenen Uniform, ein Gewehr über der Schulter, in da» Innere d:S Hofraume« schritt und «in kleine«, etwa vierjährige« Märchen, da« »ur mit einen ver» schliffenen Kittrlchen anzethau war und barfüßig lies, «n de» Hand führte. (Fortsetzung folgt.)
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