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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-23
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930323024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893032302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893032302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-23
- Monat1893-03
- Jahr1893
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2074 diesen Umständen immer fragwürdiger. — Da« Herren« bau« überwies heule den Gesetzentwurf, betreffend die RuhegebaltSclasseu für Volksschullebrer an die Gemeinde commission zurück und berieth dann Petitionen. Die Petitionen um staatliche Prüfung der jüdischen Geheim» gesetzt wurden der Regierung zur Prüfung und Berücksich tigung überwiesen. Morgen: ElatSberathunz. — Gestern bat eine Ersatzwahl zum Reichstag im 17. württem- vergischcn Wahlkreis (Ravensburg-Saulzau) für den ver storbenen Abg. Göscr (Eentrum) stattgcfuude». Der zu 9t Prorent katholische Wahlkreis gebärt zu den festesten Sitzen des Zentrums und batte ununterbrochen ein Mitglied dieser Partei in den Reichstag gesandt. Bei den Wahlen von 188« wurden 12 7«? ultramoutane, 2803 demokratische, 1685» freiconservatw-nationalliberale und 388 socialdemo- kratische Stimmen abgegeben. Es standen sich auch jetzt wieder Candidaten der genannten Parteien gegenüber. Ge wählt wurde natürlich der CentrumScantirat Rcmbold. — Der Kaiser nahm heute den Bonraz des CbesS de« Eivilcabiurls entgegen und empfing sodann den Minister präsidenten Grasen zu Eulenburg und den neuen Herren- hauspräsitcnten Fürsten zu Stolberg-Wcrnigerode. — Im Einverständnis mit dem Finanzmiiiisler hat der CultuSmmister in einem an sämmtlichc Provinzial-Schul- rollegien gerichteten Bescheide bestimmt, daß bei der Berech nung der von den wissenschaftlichen Lehrern an höheren UnterrichtS-Anstaltcn zu ertbeilcnden Pf lichtstunden davon auSzugehen ist. daß diejenigen Lehrer, welche in Zukunft die feste pension-fäbige Zulage von jährlich 8«« erbalten, in der Regel im Maximum 22, alle übrige» wissenschaftlichen Lehrer aber 24 Unterrichtsstunden zu ertheile» haben. — In der Sitzung des Seniorcn-EonventS (Ber- trauenS-Eommission) zur Prüfung der vom Abg.Ahlwardt erhobenen Beschuldigungen entstand, der „N Pr. Ztg." zu folge, zunächst die Frage, ob die Anwesenheit von Ver tretern der Reichsregierung zulässig sei. Der Prä sident war der Ansicht, daß es sich um vertrauliche Verhand lungen handle und neigte anfänglich zu der Ansicht, diese Frage zu verneinen Aus eine Anregung aus der Mitte de- Senioren-Convenls gelangte der Präsident indessen zu der Ueberzeugung, daß der Senioren-Eonvent wie andere Eommissivncn zu betrachte» sei. Infolge dieser Auffassung wohnten der Reichskanzler und andere Vertreter der Reichsregierung dieser Sitzung bei. — lieber die Verhand lung des Senioren-EonventS tbeilt die „Freis. Ztg." noch Folgendes mit: „Der Senioreuconvcnt trat in Anwesenheit des Abg Ablwardt, des Reichskanzlers, der Minister v. Boctticker und Miguel zusammen, um daS Vorgelegte zu prüfen. DaS Vorgelegte bestand aber lediglich in geschäft lichen Quittungen über Zahlungen und Darlehen auS dem Jahre 1872, ausgestellt von der DiSconto- Gesellschast gegenüber der rumänischen Eisenbahn- Gesellschaft. Bekanntlich batte die DiSeontogescllschast damals intervenirt, um den Verfall dieses StrouSberg'schen Unternehmens zu verhüten, wodurch das in Rumänien an gelegte Capital verloren gegangen wäre. Es bandelt sich also hier lediglich um Schriftstücke einer Privatbankgesellschaft gegenüber einer ausländischen Privateisenbahngcsellschaft. In Bezug auf den Reichsinvalitensond« wußte Herr Ahlwardt nichts vorzulegen als ein Exemplar des bekannten Pamphlets von Rudolf Meyer von 1877." — Im Bericht der antisemitischen „Täglichen Rundschau" über die gestrige Reichstagssitzung lesen wir folgende Episode: „Zehn Minuten nach 3 Uhr begann eS im Hause wieder lebhaft zu werden; die Angehörigen des Seniorenconvents, so Rickert und Bennigsen, fanden sich »ach und nach ein. Ahlwardt begab sich wieder mehr nach vorn, und als er im Gange einen Lonserva- tiven streifte, klopfte dieser sich den Aermel ab." WaS werden die conservativen Wähler Ablwardt'S im Wahlkreise ArnSwalde-Friedeberg zu dieser eindeutigen Haadbewegung sagen? — Cardinal Lrementz wird in den nächsten Tagen in Berlin erwartet. — Der socialdemokratische Reichstagsabgeordnete Singer hat, wie verlautet, wegen hochgradiger nervöser Erregung in einer Heil anstalt Zuflucht suchen müssen. — Als Ahlwardt heute Abend um '/,7 Uhr aus dem Reichs tage heraustrat, wurde er von einer ungeheuren Menschenmenge mit stürmischen Freudenkundgrbungen empfangen, so daß er zu seiner eigenen Sicherheit von Schutzleuten in den „Leipziger Garten" gebracht werden mußt». * Dortmund, 21. März. Wie wir bereits mittheilten, hat Freiherr v. Schorlemcr-Alst aus eine Eanbidatur im hiesigen Wahlkreise verzichtet Er begründet seine Ablehnung, der „Köln. VolkSztg." zufolge, mit seinem vorgerückten Alter und seiner nicht mekr intaeten Gesundheit, wodurch ihm die volle Kraft fehle, seiner hoben Aufgabe als Vertreter eines wichtigen Wahlkreises zu entsprechen lieber die Militair- Vorlaac sei er immer der Ansicht gewesen, daß sie in ihrem ganzen Umfange unausführbar und -uiSsicht auf Annahme nicht vorhanden sei. Er Halter« aber für möglich, einen Au« gleich zu finden, ans der Mittellinie der Einführung der zweijährigen Dienstzeit unter Verbesserung der Organisation und anSgleichcn- den Verstärkung der Armee, bei nothwendiger Erleichterung für die älteren Jahrgänge der Landwehr. Ein solcher Aus gleich würde die Ebenbürtigkeit unserer Wehrkraft gegenüber dem Feinde sichern und einen Eonflict ausschließen. Rach dieser Stellung zur Militairvorlage zu schließen, hat Freiherr v. Schorlemer-Alst daS bessere Theil erwählt, als er eine Eanbidatur ablebnte. Denn schwerlich hätte er damit bei den CentrumSwäblern in Dortmund Beifall gesunden. Man darf gespannt darauf sein, ob jetzt auch in Dortmund der linke EentrumSflügel sich geltend zu machen sucht. Herr Lensing, der vor einiger Zeit als Eandidat genannt wurde, schwimmt vollständig im Fahrwasser FuSangels. * St. Johann a. 0. T , 23. März. In einer Borstands- sitzung zu Altenkessel wurden an Stelle Warkrn'S Schillo- Altenkesfel zum Vorsitzenden des RechlSschutzvereinS, Anschüy-Biltstock zum Bureaubeamten gewählt, das ge mäßigte Element bat also gesiegt. Schillo erläßt im Ver- einSorgan eine bedeutsame Kundgebung an die Saarbergleute. Er gesteht darin di: bisherigen Fehler, insbesondere die socialdemokratische Beeinflussung, die verfehlte Redaction deS Vereinsorgans und als Folge davon den Rückgang des Vereins offen ein und bezeichnet als künftige Aufgabe, streng an den Staturen fesizuhalten und den Verein durch sachliche Agitation i» sein frühere« Verhältniß zurückzuführen. * München, 2l. März. Dem Beispiele Münchens, den Geburtstag des Fürsten Bismarck durch ein Festmahl zu feiern, schließen sich zahlreiche bayerische Städte mit festlichen Veranstaltungen, namentlich in Schwaben und Franken, an. Oesterreich Ungar». * Wien, 22. März. Im Abzeordnetenbause wurde heute der Antrag der Iungczechen, dir JmmunitätS-Ange- legenbeit des Abgeordneten Spincic, welcher wegen seiner Tbätigkeit anläßlich der letzten ReicbSrathswablen in Istrien mit Dienstentlassung bestraft worden war, aus die heutige Tagesordnung zu setzen, abgelehnt. — In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurden ferner die Delegations wahlen vorgenonimcn. — Der hier weilende englische Eardinal Vauqban, welcher für eine christliche Aus stellung agitirt, ist vom Kaiser empfangen worden und hat von diesem eine Zusicherung der Unterstützung des Projects erhalten. * Prag, 22. März. Der Ausstand der GlaS- und Krystallarbciter des Gablonzer Bezirks ist beendet; der selbe verlief ohne Erfolg für die Arbeiter. Ausschreitungen sind nicht vorgekommen. * Pest, 22. März. Die Stellung der Regierung in der kirchenpolitischen Frage erfuhr heute eine bedeutende Stärkung, da der Führer der äußersten Linken, der Ab geordnete Karl EoetvoeS, in der heutigen ReickSlagS- sitzung in einer zweistündigen, von der liberalen Partei mit großem Beifall ausgenomnienen Rede unumwunden erklärte, er und seine Partei werten trotz aller politischen Gegensätze die Regierung unterstützen bei der Lösung der kirchen politischen Fragen im Interesse Ungarns. Frankreich. * Parts, 22. März. Die Freisprechungen im Panama- BestcchungSproceß geschahen einstimmig, außer Sans- leroi, welcher mit 1« gegen 2 Stimmen srcikam; einstimmig wurden auch Baihaut ohne Milderung und Lesseps und Blond in mit mildernden Umständen schuldig befunden. Der Eindruck in der Deputirtenkamnicr war dem Ministerium meistens ungünstig. — DaS Auswärtige Amt batte eine ofsiciellc Einladung an das diplomatische EorpS gerichtet, in Uniform der Leichenfeier IulcS Kerry s im Palais Luxembourg beizuwohnen. Der englische, der italienische und der spanische Botschafter, zahlreiche Mitglieder aller anderen Botschaften und Gesandtschaften hatten dieser Einladung Folge geleistet. Von der deutschen Botschaft waren BotscbastS- rath von Schoen, Secretair Gras Wedel, Attache Freiherr von der Lancken und der Militair-Attache von Sueßkinb erschienen, nur die russische Botschaft glänzte durch vollständige Abwesenheit, welcher ein demonstrativer Eharakter beigelcgt werden muß. Schweiz. * Bern, 22. März Tie Bundesversammlung hat daS neue Gesetz über die Organisation der BundcSrechts- pfl ege angenommen, durch welches die Aufgaben des Bundes gerichtS erbeblich erweitert werken. Italien. * Rom, 23. März. (Telegramm.) CriSpi läßt in verschiedenen Zeitungen die Behauptung, als habe er von Reinach in unrechtmäßiger Weise Gelder empfangen, als gemeine Verleumdung bezeichne». — Wie die Abendblätter melden, hat die Autopsie der Leiche de« päpstlichen Arzte« Ceccarelli keinerlei Spur von Vergiftung, vielmehr eine natürliche Todesart ergeben. — Der Papst wird morgen dir Prinzessin von Wale« mit deren Kindern empfangen. * Rom, 22. März. Der Senat berieth die Interpellation de« Senators Pierantout, betreffend di« vorgestern von dem Minister präsidenten Giolitti vorgelegte Liste der nothleidendea Effecten und dir Lage der Emissionsbanken und genehmigt« nahe zu einstimmig eine Tagesordnung, wonach der Senat sich den Be schluß über den von der Liste zu machenden Gebrauch vorbehält. Grotzbritanme». * Von«»». 23. März. (Telegramm) DaS Befinden Salisbury'« bat sich wesentlich gebessert. — Eine auS Bathurst eingetrofsene Depesche meldet, daß die britische Flagge aus dem britischen Territorium am Gambiafluß von einem französischen Officier nievergerissen worden sei. Es ist ein Kanonenboot nach dort unterwegs. ^ London, 22. März. Unterbau-. Die Finanzbill für daS ablausende Finanzsahr wurde heute angenommen. Im Louie der Debatte hob der Ministerpräsident Gladsione hervor, daß die Uganda.Frage von schwierigen Punkten strotze, über welche die Regierung keine genügenden Informationen besitze, um sich eine Ansicht bilde» zu können. Tahin gehörten namentlich folgende Punkte: die Verträge mit eingeborenen Häuptlingen »nd deren allgemeine Wirkung, die Frage des Zuganges zu Uganda, sowie der Ausfuhr- barkeit und der Kosten für die Eisenbahn, welch, die vorige Re gierung als Basis ihrer Politik ausgestellt habe, für die er jedoch bis setzl keine hinlänglichen Gründe gesehen habe; ferner hie Natur der Gegenden um Uganda, mit denen mehr oder minder Beziehungen angetnüpsi worden >eien, die Möglichkeiten, weiche Uganda für einen vortheilhaslen Handel dielen oder nicht bieten dürfte, ferner, wie weil die Arbeit der Weißen in Uganda nützlich verwendbar sei, die Frage des Sklavenhandels, hinsichtlich deren er noch keine positive Behauptung ausslcllcn könne, die eventuellen Einkünfte und Ausgaben Ugandas, die Beziehungen Ugandas zu Zanzibar und zu den Küstengebieten, von denen es durch eine große Streck« Landes getrennt sei. Spanien. * Madrid, 23. März. (Telegramm.) Die Königin- Regent in wird in dem heutigen Ministerratbe den Vorsitz führen Man nimmt an, daß in dieser Sitzung die Minister krisis eine Lösung finden werbe. — Dem „Standard" wird aus Madrid gemeldet, daß der Marineminister aus dem Grunde abgedankt habe, weil er eS für unmöglich erachte, die von seinen College» gewünschten Ersparnisse im Ressort der Marine durchzufuhrcn. Orient. * Belgrad, 22. März. Die officiöse „Zastava" bezeichnet es als eine Illusion, wenn die Radicalen auf eine Rückkehr zur Regierung Kossen. Die Regierung hätte bei den Wahlen unbedingt die Majorität erlangt; die Mög lichkeit eines radicalen Regimes ist gänzlich ausgeschlossen. Dagegen erklären die Radicalen, daß bei den Wahlen 13« 5,56 radicale, 81 340 liberale und 74 783 fortschrittliche Stimmen abgegeben seien. Es sei nun Sache der Regierung, der durch die Wahlen geschaffenen Situation Rechnung zu tragen. * Sofia, 23. März. (Telegramm.) Im Befinden des Fürsten Ferdinand ist eine Besserung eingetreten, sodaß die zuerst beabsichtigte Operation unterbleiben kann. Der anberaumte Termin für die Hochzeit des Fürsten wird sonach innegehalten werden können. * Koiistanttiioprl, 23. März. (Telegramm) Die Nachricht, daß die bei der Pforte accreditirte» Botschafter in einer Eonfcrcnz sich mit der krelensischen Frage beschäf tigt und den Beschluß gefaßt hätten, gegen die Besetzung deS GouverneurposteiiS in Kreta zu intervenireo, wird als un richtig bezeichnet. Die Situation in Kreta biete keine Ver anlassung zu irgend welchen Schritte», da die Regierung alle Wünsche der Bevölkerung erfüllt. * Athen, 23. März. (Telegramm.) Die von der englischen Regierung zur Berichterstattung über den Stand der grieck'ischen Finanzen entsandten Special-Telegirtcn Roux und Law baden ihre Mission beendet und kehren in ihre Hciniath zurück. Aste«. * London, 22. März. Nach einer Melkung deS „Reuter'- schen BurcauS" aus Ealcutia, beauflrazle die Regierung von Indien den ehemaligen Eonimissar für die Grenz- regulirung in Afghanistan, Obersten?)c»Ie, an Ort und Stelle mit dem russischen Eommissar die Streitfrage zwischen Asgbanen und Russen, betreffend das Benutzungsrecht des Wassers vom Kushfluß, zu regeln. Oberst Aale werde sich unverzüglich »ach der Grenze begeben. Amerika. * Paris, 23. März. (Telegramm.) Nach einer Mel dung auS Buenos Ayres sind die diplomatischen Verhand lungen zwischen Argentinien und Chile bezüglich derffesl- steluing der Grenzen beider Länder durch die unterzeichnimz eine« UebereinkomiuenS, welches die Interessen beider Staaten berücksichtigt, abgeschlossen worden. Reichstag. * Die gestrig» Sitzung des Reichstag« verdient, in voller Sn«, fuhrlichkeit mitaetheili und gelesen zu werdtii. Wir tragen dahrr auS der „Nat.-Ztg." Folgendes nach: Präsident v. Levetzow eröffnet um 3 Uhr 17 Minuten die Sitzung wieder und ertheilt das Wort dem Referenten der Per- trauenscommission. Abg. Gras Ballestrem: Ihre Vertrauensmänner sind unür dem Präsidiuin deS Präsidenten deS Reichstags zusammengelrelcr. um Ihren, Aufträge gemäß di» von dem Herrn Abg. Ahlwarn überreichlc» Actensiücke zu prüfen, und haben von denselben eie. gehende Kenntniß genommen. Die Actenstücke sind von einige:, Mitgliedern der Commission Stück für Stück durchgesehe» worden Auch andere Mitglieder der Commission haben sich überzeugt, das, daS Urthell dieser Herren über die Actensiücke das richtige war Ter Herr Abg. Ahlwardt, welcher behufs Ertheilung von Erklärungen zugezogen worden war, wurde aufgesordert, einzelne Schriftstück, unter diesen Actenstücke,, zu bezeichnen, welche seine Angabe» von gestrigen Tage zu beslärigen geeignet wären. Der Abgeordne:, Ahlwardt hat das nicht vermocht Er erklärte, daß die vorgelegte- Actenstücke allein nicht geeignet seien, diese Angaben, welche er gemacht hatte, zu bestätigen, daß das erst in Verbindung mit anderen Aciensiücken, welche er noch nicht herbeizuschassen in der Lage war,, die er aber in einer näher oder ferner liegenden Zeit herbeischassea will, geschehen könne, daß diese erst dann geeignet wären, seine Behauptungen zu unterstützen. Hierauf hat Ihre Commission die sotgenden Beschlüsse einstimmig gesoßt: Tie Commission des Reichstags hat einstimmig beschlossen, za erklären, daß die vom Abg. Ahlwardt vorgrlegten Actenstücke durch, aus nichts enthalten, waS die Behauptungen des Abz. Ahlwardt in der gestrigen Sitzung irgendwie unter, stützen und nichts enthalten, was gegenwärtige oder frühere Mitglieder de- Reichstags, oder Vertreter der deutschen Reichsregierung oder einer deutschen Lande«, regierung zum Mindesten belasten. Aus der Mitte der Commission wurde Folgendes Hervorgebober Abz. Ahlwardt hat gestern in der voraussichtlich letzten Litzimz vor den Lslerserien Behauptungen vor versammeltem Reichstage a»- gesiellt, welche geeignet waren, die schwersten Beschuldigungen gege- grgcnwärtige oder frühere Mitglieder des Reichstags und gegir Mitglieder der Reichsregierung und Landesregierungen glaubhaft n- scheinen zu lassen. Auigesordert, seine Beweise hierfür brizubringer hat er das nicht gekonnt und erklärt, daß er auch nicht im Slant- sei, dies gleich zu lhun. Der Reichstag hat geglaubt, daß er nicdi dürfe 24 Stunde» ins Land gehen lassen, wo die« Beschuldigungen unerwidert und unbewiesen geblieben wären. Deshalb hat er, alle anderen Rücksichten bei Seite setzend, beschlossen, heute noch eine Sitzung abzuhallen, um dem Abg. Abl- Wardt Gelegenheit zu geben, seine Anschuldigungen zu beweisen Wie da« gelungen ist, hat der von mir eben verlesen, Beschluß der Commission Ihnen bewiesen. Wenn Jemand, und besonders ein Mitglied des Reichstags, solche Beschuldigungen gegen Milglieder des Reichstags oder der Regierung vorbringt, so I»»n er das nur thnn, wenn er die Beweismittel sofort zur Stelle hat und aus den Tisch des Hauses niederlegt. Wenn er daS aber in einer Sitzung thut, aus welche eine längere Pause folgt, wo einige Wochen hindurch diese Beschuldigungen unerwider! und unwiderlegt ins Land geben, so ist das ein Benehmen, welches in, deutschen Reichstage bis jetzt, Gott sei Dank, noch nie vorgekommen ist und welches richtig zu qualisiciren in parlamentarischen Ausdrücken äußers, schwer sein würde. Diesen Gefühlen wurde in der Commission Ausdruck gegeben. Die Commission ist ihnen einstimmig beigetrettn. (Anhaltender stürmischer Betsall.) Abg. Ahlwardt: Als ich gestern durch den Abg. Richter pro- vocirt wurde bezüglich meiner Arußerung über den Invalider sondS, da antwortete ich, daß ich unter BewciS stellen könne, daß nicht nur bezüglich des Jnvalidrnsonds, sonbern auch bezüglich vieler anderer Dinge Schlimmes vorgekommen sei und das deulsche Volk hierdurch schwer geschädigt sei, daß sogar in dieser. Acten, die ich besäße, Mitglieder dieses Hauses und auch ein Mi: glird der jetzigen Regierung durch ihre Unterschrift, re>p- dürr Briese gekennzeichnet seien. Von diesen Personen ist etwas n/ck: Gutes gesagt (Heiterkeit» Ich erklärte, daß ich unter Beweis still,« würde, Laß durch Manipulationen, mit Lenen auch diese Perior,.: zusammenhinaen, das deutsche Volk um Hunderte von Millionen Äarl geschädigt sei lZurus: betrogen!) — oder betrogen, das ist dasselbe- und daß ich in der Lage sei, sie nach den Osterferien vorzulrgen. Ick habe dann deute hier erklärt, daß in den Verhältnissen, in denen icki lebe, ich solche Actenstücke nicht 24 Stunden in meinem Hause bewadre konnte und sie deshalb bei guten Freunden undBekannten nntergebrackl hätte. I» der Commission habe ich sümmtliche Namen und Aol nungen der Leute, bei denen die einzelnen Acten sind, mitgethcil: auch Depeschen, daß und wann sie komme» würden. Da es in:: trotzdem nicht möglich gewesen ist, auch nur einige Stunden Aus schul, zu erhalte», da es die Commission mir abgelehnt hat, sild in Permanenz zu erklären (schallende Heiterkeit), so muß ich allerdings dem Gefühl Ausdruck geben, daß ich nicht in die Möz tichkeit versetzt bin, oder daß mir die Möglichkeit genommen ist, de in der allernächsten Zeit z» beweisen, was ich unter Beweis gesiell: habe. Und eS sind nicht leichte Sachen, um die es sich handelt Ich erinnere nur an eine einzige Thatsache, die ich auch in der Commission vorgebracht habe. Es liegt in diesen Acten ein Lriginalbries des Präsidenten de» Senatsgerichtsdose« „Ab, bah!" sagte Martin. „Solchen Unsinn schwatzt sie schon seit Jahren Sie sitzt halbe Nächte in verrufenen Kneipen, hört, waS da verhandelt wird, versteht nicht Alles und bringt Kraut und Rüben durcheinander." Hermine war nicht beruhigt. „Es wäre entsetzlich für die Fabrikbesitzer, wenn das Gesindel die Oberhand bekäme. Sie nannte den Namen Snkow —" „Ja, ja", nickte Martin. „Ich kenne den Herrn, ein kreuzbraver Mann " „Sie sollten Herrn Doctor Falk Mittheilung von dem Gehörten machen, damit er Herrn Sykow warnt. Bitte, thun Sie eS, Martin!" Martin zog die Schultern in die Höbe und machte rin verdrießliches Gesicht: „Mit dem Herrn Doctor ist eben gar nicht zu sprechen, gnädiges Fräulein Er ist wie ausgeweckselt; so launenhaft, so ungut, so niedergeschlagen, wie er frübcr gütig und beiter war. Seine Mutter grämt sich Tag und Nackt, die Katharine bat rotbgeweinte Augen, so oft ich in die Küche komme, und auch mir, der ick doch ein Mannsbild bin und nicht so weichherzig sein sollte, drückt cs fast da» Hcrz ab, wenn ich ibn betrachte. Er siebt sich gar nicht mehr gleich Sein Gefickt wird inimer magerer und bleicher; er verzieht keine Miene mekr zum Lack,cn, cr ißt und trinkt taum, er wandert die Nächte ruhelos in seiner Stube herum »nd sagt um keinen Preis, was ihm feblt." „Da beklage ick seine Mutter", sagte Hcrmine voll Mil gesühl. „Acki ja, Fräulein, man erlebt viel Schlimmes, wenn man alt wird Sprechen Sic mit Niemanden darüber; kenn ich sollte die häuslichen Angelegenbeilen meiner Herrschaft eigent lich nickt auSplauder»' Herminr versprach es, und nachdem sie von teni alten Marlin für seinen Beistand und Scduy berzlich getankt batte, verabschiedete sic sich von ihm und eilte, da da- Weiter auSgctobt batte, so rasch als möglich nach Hause zu komme», um die nasse» Kleidungsstücke mit trockenen z» vertauschen. Man war i» Sorgen »m Hcrminc geweien. Ter Oberst, der sich unwohl suhlte, ließ seine Nichte ersuchen, ibni den Abend über Gesellschaft zu leisten. Er lag in seinem Zimmer auf dem Sopba und stieckic der Eintretcutcu ersreui die Hand entgegen, als sie ein Stiindchc» nach ihrer Ankunft herunter- kam, um sich nach seinen. Befinden zu erkuntigen Obgleich das Verbällniß zwischen Onkel unk Nichte ie>t jenem vcr hängnißvollen Abend kein ganz ungetrübtes inehr war, obgleich das selsenseste Vertrauen, weiches der Freiherr in die vortrefflichen Grundsätze seiner Nicbie gesetzt batte, ab und zu schwankend wurde, wenn er darüber nachgrübelte. Wie daS junge Mütchen ohne sein Vorwiisen in den Besitz doa 46« Mark gekommen sein konnte (denn er glaubte nun einmal nicht an eine» Lottcriezewinn). so blieb von der alten Liebe, die der Oberst dem verwaisten Töchterchen seiner Schwester in frühester Kindheit geweiht batte, noch genug übrig, um die Schatten, welche daS Zusammenleben Beider zu trüben begannen, immer wieder durch Licht und Wärme zu mildern. Sie saß nicht lange an seiner Seite, al« er sie mit Kreuz- unk Querfragen bestürmte, warum sie bei dem drohenden Wetter ausgcgangen sei, wo sic gewesen, warum sie den Feldweg und nicht die Straße zur Heimkehr gewählt bade u. s. w Gewohnt, auf solch: Fragen die freundlichsten Antworten z» erhalten, war er betroffen, als sich Hcrmine beute zum ersten Male ibm gegenüber abwebrend verbielt. Sie warf stolz den Kops zurück und ihre Wanzen färbten sich in duntler Glutb „Bin ich Dir verdächtig, Onkel, weil Du die- peinliche Verhör mit mir anstellst?" „Verdacht ist ein zu scharfer Ausdruck für das Gesübl, WaS mich zu kiesen Fragen drängt. Unrube ist die richtige Bezeichnung", suchte der Oberst cinzulcuken „Was bciinrukigt Dich?" forschte sie. Er sab sic durchdringend an, während er erwiderte: „Die Befürchtung, Du könntest, um unsere Verhältnisse auf- znbesscrn, Mittel wäklen, die vielleicht mit kem^nicht ganz Ubereinstimmen, WaS wir unter Ehre und Schicklichkeit verstehen " Sie dielt seinen Blick rubig a»S und zögerte nicht, die vrrstecktc Anklage zu widerlegen. „Meine Begrifft von Ebre »nd Schicklichkeit sind klar ausgeprägt und zeichnen mir bis ins Kleinste meine Handlungsweise vor. DaS Ebrgefüdl beherrscht bei mir alle anderen Empfindungen, und wo dasselbe in Frage kam, ist mir noch nie ein Opfer zu groß gewesen " „Ich weiß, ich weiß, Hermine! Tu spielst aus jene Summe von 46« Mark an. die D» mir zur Tilgung einer Ehrenschuld überließest; ick' bin Dir beute noch dank bar dafür!" „Ab, Du erinnerst Dich", schaltete sie mit einem Anflug von Bitterkeit ein. Er legte seine Rechte aus ibren Scheitel und fuhr be gütigend fort: „Ich vergesse daS »ie. liebes Kind. Du hast mir damals einen eminenten Dienst geleistet " „Dennoch zweifelst Du an meinem Ehrgefühle", warf sie herben Tones ein. „Du verstehst mich nicht, oder willst mich nicht ver stehen", riilgegnete er ungeduldig. „WaS ich in« Auge habe, ist nicht jene« bauSbackenc Ehrgefühl, mit dem sich jede wackere Bürgerseele brüstet, nicht daS schlichte Recht, da» Jene ebne Mübe und Anfechtung zur Richtschnur ibre- Hankelns machen können, da« sich aber in hoben Kreisen nicht immer so stricte durchführen läßt. Was mir vor schwebt, und was ich bei Dir, liebe Hermine, nur mangel- baft auSgetrückt finde, daS sind die Standesrücksichten, die unü mehr als alles Ändere am Herzen liegen sollen. Wir dürfen nie vergesse», wie hoch unS da« Schicksal über die Mehrzahl der Mensche» stellte, wie wir zu den vom Himmel begnadeten, edleren Geschlechtern gehören» und wie uns dieser Vorzug Pflichten auscrlegt, für die dem ge wöhnlichen Menschen alles Verstänkniß abgeht. Damit Du mich vollständig begreifst, will ich Dir ein Beispiel auS meinem Leben erzäblen, welche« Dir beweisen wird, daß ein rechter Clermonk sein Glück in die Waagschale wirft, wo eS gilt, de» ungetrübten Glanz seines alten Namens vor Flecken zu bewahre»." „Eine Geschichte aus Deiner Jugend, Onkel?" fragte sie. Er bejahte. „Willst Du sie bören?" „Gern", versicherte sie. Nack kurzer Pause begann der Freiherr zu erzäblen: „Du weißt, als die ElermontS während der Schreckensherr schaft auS Frankreich ciu-wandertcn, ließen sich meine Vor fahren in Deutschland nieder; die Anderen zogen nach Polen und waren dort vom Schicksal begünstigt Die polnischen ElermontS erwarben sich tbeils durch vortbeilbafte Güter- käuse, theils durch reiche Heiratbcn große« Vermögen und standen unter den alten Geschlechtern deS Landes in hohem Anscben. Ich war ein blutjunger Lieutenant, als mir von den dortigen Verwandten eine Einladung zukam, die ich bereitwilligst annabm, erfreut und gespannt, die mir bis dabin fremd gebliebenen Familienglieder kennen zu lernen. Ich erhielt ein halbes Jahr Urlaub und verlebte diese Zeit, die schönste meines Leben-, auf den Schlössern deS polnischen Adel« herrlich und in Freuten. Heute noch denke ich mit Entzücken an jene glückseligen Tage zurück, obgleich sie mir zum Verbängniß wurden." Der Oberst boltc tiei Atbem, ehe er weiter sprach: „Ich will mich kurz fassen, denn eS nützt zu nicht-, ver narbte Wunden auszurcißen, damit sie von Neuem bluten. Der nächste GutSnacbbar meines Vetter« war ein reicher Graf Wladimir WorowSky, ein Mann von seltenen GcisteS- gaben und vermöge seiner Persönlichkeit und seiner socialen Stellung von großem Einfluß im Lande Er war inSgebeim ein grimmiger Rnffenfeind, vor der Welt ein Diplomat voin reinsten Wasser, der in seinen Salons die Elite der Gesell schaft vereinigte. Er batte zwei Söhne und eine Tochter; sie hieß Marie. Nie im Leben sab ick eine Dame, die Schön heit, Anmnih und Würde in so bobem Grade vereinigte, wie Eomtesse WorowSka Sie war die verkörperte Grazie, und es kam wobl kein Eavalier in idrc Näbe, der nicht von ihrer Erscheinung bezaubert worden wäre. Mich erfaßte die leiden schaftlichste Liebe zu dem seltenen Wesen. Es würde zu weit geben» alle Phasen dieser täglich wachsenden Leidenschaft zu beschreiben, oder alle exallirten Streiche aufzuzählcn, die ich unter der souveränen Herrschaft Gott AmorS beging. Marien« Herz blieb nicht kalt bei meiner stürmischen Werbung; meine Verwandten begünstigten dieselbe, die Eltern meiner Anzc beteten waren einer Verbindung mit mir nicht abgeneiz:, und so kam der Tag, an dem ich das edelste Geschöpf al« theure Braut ans Herz drückte. Einen glücklicheren Menschen als mich hat die Erde damals nicht getragen." Wieder unterbrach der alte Herr seine Erzäblung; er suchte sein Taschentuch, drückte es einen Moment vor du Augen und wischte sich dann den Schweiß von der Stirn Es trat eine Pause ei». „Erzähle weiter, Onkel", bat Hermine ergriffen. „Deine Geschickte interessirt mich sehr; ich fürchte nur, sie nimm: kein gutes Ende." Er nickte ihr traurig zu. „Du hast Recht; sie nimm! ein Ende mit Schrecken. Das Jahr 48 kam, Polen war im Aufstand; Graf Worowsky stand an der Spitze der RevolutionSpartei, seine Söhne kämpften in den Reibe» der Insurgenten; auch meine Braut und ihre Mutter wid meten ihre Kräfte dem Werke der Befreiung. Der Aus rubr wurde unterdrückt und die Unglücklichen fielen in dic Hände erbaruiungSloser Sieger. Der alte Gras wurde fälschlich gemeiner Verbrechen angeklagt und durch den Strang bingerichtet, seine Söhne zu lebenslänglicher Zwangsarbeit in Sibirien begnadigt, sein Weib und sein. Tochter zur Einsperrung in ein Arbeitsbaus verurtbeill Die Güter fielen dem Staate anheim. Die alte Gräfin starb schon im ersten Jabre ibrer herben Gesangenschasl Nach ihrem Tode war Mariens einziges Streben natür lich aus die Wiedererlangung ibrer Freiheit gerichtet. Eni junger Beamter, von ihrer Schönheit und ihrem Ungliic! gerübrt, vrrbals ihr zur Flucht und versah sie mit dem nothwendigsten Reisegeld. In beklagenSwerthem Zustande kam sie in Stralsund an, wo ick ru Garnison lag. Sic fand Ausnahme bei einer alten Dienerin, die in genannte, Stadt wohnte und durch empfangene Wohlthaten zur Danl barkeit gegen die Gräfin verpflichtet war. Völlig unvvi bereitet, wie mich die Kunde von Marien- Verderben ge troffen hatte, traf mich auch die Nachricht von ibrer ge lungenen Flucht. DaS war ein Wiekerseben. „Ich bin aekommen, Abschied von Dir zu nehmen", sagte sie. „Ad schied sür'S Leben. Dein Weib kann ich nicht werden, denn die Tochter de» Gebangten, die Geächtete, welche Zucht ling-kleidunz getragen, die an Glück und Ehre zu Gruntc Gerichtete, taugt nicht mehr für einen unbescholtenen Edel mann " Nie vergesse ich den Ton, in dem sie Liese Worte an mich richtete; nie den innigen Blick ibrer wundervollen Augen Sie sprach, wie rin stolze- Weib sprechen mußte; aber ick la« in ihrer Seele; sie hoffte doch, wie eia liebrude« Weib
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