01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950525019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895052501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895052501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-25
- Monat1895-05
- Jahr1895
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BezugS-PreiS k» der Hanvterveditton oder den im Stadt» kc , errichteten Aus« acu,»,.»..»'. «c u-tnc>«drlich^l4.!X), bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hans 5.50. Durch die Post bezvgeu für Deutschland und Oesterreich: vienestSbrlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandseiioung in» Ausland: monatlich 7.50. DleMorgen-AuSgobe erscheint täglich mit Aus« nähme «ach Sonn- und Festtagen '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Nedaction und Erpedltio«: Johannesgassr 8. Die Ltt»»dttton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Vit« Klemm'» Lorttm. (Alfred Hahn), lluiversitätsstraß« 1, vani» Lösche, Uatharinenstr. 14, part. und Lönig»platz 7. Morgen-Ausgabe. nWgcr und Tagcblalt Anzeiger. Organ für Politik,Localgeschichte^Handels^ndGeWftsvcrkchr. Slnzeigen-PreiS die 6gespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich <4ge spalten) 50/H, vor den Familienuachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut uuserem Preis« verzetchniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarif. Grtra-Vetlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausaabe, ohne Postbesörderimg 60.—, mit Postbesörderuug 70.-^. Ännahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an di» Expe-utan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-254. Sonnabend den 25. Mai 1895. 8S. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, dir Au- und Adfahrl für die am LS., 26. und 27. Mai diese« Jahre» ftattfindenden Neunen betr. 1) An vorgenannten Tagen ist Nachmittags von '/.I Uhr ab bis zum Schluß der Nennen die Pestalorzi-Stratze von der Schwägrichen- bis zur Carl-Tauchmb-Slraße und der Scheiben weg, von der Larl-Tauchnitz-Strahe bis zum Kettensleg für den öffentlichen Reit-, Fahr- und Fußverkehr gesperrt. 2) Die Anfahrt durch das Scheibenholz ist verboten. 3) Auf dem Echeibenweg haben sänimtliche Wagen in der Reihe zu fahren. Ausbiegen und Vorfahren wird ausdrück- lich untersagt. 4) Sämmtliche Wagen haben link» von der vor der Tribüne errichteten Einfriedigung hintereinander vor,»fahren; nur diejenigen Wage», für welche Wagenkarten gelöst sind, können recht» an der Einfriedigung vorüber direct nach dem Wagen- Platz fahren. Die Wagenkarten haben die Kutscher sichtbar am Hute zu tragen. 8) Bis zum Schluß der Rennen haben alle Wagen durch das Scheibenholz abzufahren. 6) Auf dem hinter der Tribüne befindlichen, neu angc- leaten Wageuplatz dürfe» nur r»r Rückfahrt bestellte Wagen ansahrcn. Die Kutscher haben sich vou dem an der Lasse postirten Polizeibeamten eine Platzkarte geben zu lassen und dieselbe sichtbar am Hute zu tragen. Die Platzkarte wird kostenfrei verabfolgt. Der an der selben besindliche Abschnitt ist für die Herrschaft bestimmt und dient zum leichten Auffinden deS Wagens. Die Wagen dürfen nur in die Reihe einfahren, welche die Nummer der Platzkarte trägt. Wagen ohne Platzkarte werden auf dem bezeichneten Wageuplatz unter keinen Umständen zugelassen. 7) Das Einsteigen in die mit Platzkarten versehenen Wagen darf nur aus dem Wageuplatz selbst erfolgen. Kein Wagen darf, bevor er seine Passagiere aus genommen. von dem Wagenplatz absahren. Die Abfahrt von den Wagrnplätzen hat ausschließlich auf der neuangelegtrn, an dem Damm entlang führenden Abiahrtsstroße zu erfolgen. Auf derselbe» ist in einer Reihe zu fahren. Die die Wagenplätze verlassenden Wagen haben auf der Strecke des Scheibenweges von der Tribüne bis zu den großen Eichen links zu fahren und sodann durch das Scheibenhalz abzufahrcn. 8) Das Vorfahren vor der Front der Tribüne, sowie das Aufstellen von Wagen auf dem Scheibenweg zwischen der Tribüne und den großen Eichen ist untersagt. 9) Alle nicht im Voraus zur Rückfahrt bestellten und daher nicht mit Platzkarte versehenen Wagen haben auf der Carl-Tauchnitz-Straße anzufahren. Nach Beginn des vorletzten Rennens dürfen diese Wagen auf dem Scheibenweg bis an die großen Eichen vorrücken, um alsdann nach der Pestalazziftrafte zu abzufahren. 10) Während der Rennen dürfen Wagen auf dem Schleußiger Weg nicht halten bleiben. 11) Nach Beginn des vorletzten Rennens darf der Echeibenweg in der Richtung nach der Tribüne von den großen Eichen an nicht mehr befahren werden. Herrschaften, welche sich Wagen zum Abholen be stellen. wollen mit Rücksicht auf vorstehende Bestim mung ihre Kutscher wegen rechtzeitige» Anfahrens mit entsprechender Weisung versehe». 12) Für Fahrten nach der Rennbahn haben sich die Droschken kutscher das Fahrgeld im Voraus bezahlen zu lassen. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 30 oder entsprechender Hast bestraft. Leipzig, am 21. Mai 1895. Ter Rath und das Polizciamt der Stadt Leipzig. V.R. 2284. Or. Georgi. Bretschneider. Än die Herren Stadtverordneten. Der Vorstand des Vereins zur Begründung von BolkSheilställen für Lungenkranke im Königreich Sachsen ladet die Herren Stadt- verordueten ein, seiner am 26. dieses Monats. Vormittags 11 Uhr hier im kleinen Saale der neuen Börse abzuhaltenden Generalver- sammluna als Gäste beizuwohnen. Leipzig, d«n L4. Mar 1895. Ter Stadtverordneten-Borfteher. vr. Schill. Der städtische Lagerhof in Leipzig lagert Waaren aller Art zu billigen Tarifsätzen. Dir Lager scheine werden von den meisten Bankinstituten belirhen. Leipzig, den 26. April 1894. Die Deputation zum Lagerhofe. Kirschenverpachtung. Die diesjährige Kirschennutzung an den fiScalischen Straßen des Bauverwaltereibezirks Leipzig soll Sonnabend, den 8. Juni dl«. I«. von vorm. 16 Uhr an im Saale de» hiesigen Schuhmacherinnungshausr» (Schloßgasse 10) meistbietend gegen sofortige Baarzahlung und unter den im Termine bekannt zu machenden Bedingungen verpachtet werden. Die in Frage kommenden Straßenabtheilungen und Unterabthei- lungrn, ingleichen di, ungefähre Anzahl der darauf anstehenden ertragsföhigen Bäume sind vor dem Termine aus in den Händen der Herren Amtsstraßenmeister und der sämmtlichen Straßenwärtrr de« Bezirk» befindlichen Verzeichnissen zu ersehen. Leipzig, am 22. Mai 1895. Königliche Strafen- Königliche Bauverivalterel. und Waffer-Vaninspeetian. Der Schluß des Reichstages. L. Mit dem gestern erfolgten Schluffe de« Reichstage« ist die unfruchtbarste und würdeloseste Session, die die Geschichte der Volksvertretung zu verzeichnen hat, zu Ende gegangen. Es war die höchste Zeit, daß der Nation ein Treiben aus den Augen gerückt wurde, das, noch eine Weile fortgesetzt, die weihe volle Stimmung nicht hätte aufkommen lasten, in der den fünfundzwanzigjährigen Gedenktag an die Tobten und Thaten von 1870 zu begehen eine hohe Pflicht ist. Am Beginn« der Tagung erlebten wir zwei Ereignisse, die in ihrer un- mittelbaren Aufeinanderfolge den beschämenden Contrast zd»isch«n der Größe deS RrichSgrdankrnS und der Gesunken- heit der vor Allem zu seiner Vertretung berufenen Ver sammlung bloßlegten: die Eröffnung des Bauwerkes, das in seiner stolzen Mächtigkeit die deutsche Freiheit versinn bildlicht, und die schändliche Scene der Verweigerung der Huldigung für den Kaiser, welche die Socialdemokraten in der ersten Sitzung im neuen Hause herbeiführten. Und nun in der Mitte der Tagung dasselbe Schauspiel der Gegensätze zwischen nationalem Empfinden und parlamentarischem Tbun: all: Augen sind nach Friedrichsruh gerichtet, alle deutschen Herzen fliegen dem einzigen Manne zu, der das Reich ge gründet, und der Reichstag versagt ihm die Bekundung selbst der rein menschlichen Theilnahme an einer seltenen, unpolitischen Feier, der böse und kleinliche Sinn der Mehrheit ladet lieber den Fluch derLächerlichkeit auf sich, als daß er dem Fürsten und dem Verdienst die Ehre gäbe. Der 6. December und der 23.März drückten der abgelaufenen Session den Stempel auf. Tie Ver sündigungen beider Tage atbmen den gleichen Geist, und das Centrum mit seinen bürgerlichen Anhängseln hat, indem es sich mit der Socialdemokratie zu dem zweiten Attentat ver bündete, nachträglich die Verantwortlichkeit für daS erste auf sich geladen. Die gesetzgeberischen Leistungen der Tagung stehen auf der Höhe jener beiden Demonstrationen, deren Grund charakter vom Standpunkt deS Reiches ein nihilistischer ist. Es sind in dem Zuckersteuer-Nothgesetz und der Brannlwein- steuerreform noch in letzter Stunde und nicht ohne Hast zwei wichtige Gesetze zu Stande gebracht worden. Sie sind beide bestimmt, der augenblicklichen Nothlage der Landwirthschast entgegenzuwirken, das letztere wird seine Wirkung sofort äußern, und falls die Zuckervorlage nicht erledigt worden wäre, hätten sich die übelen Jahre gleichfalls allsogleich fühlbar gemacht. Hier zwang die Rücksicht auf seine Wähler das Centrum zur positiven Mitwirkung, waS auch von der früher ange nommenen Zolltarisnovelle und vom Gesetz über die Fürsorge für die Wittwcn und Waisen deS Soldatenstandrs gilt, welche bei Seite zu schieben auch der bürgerlichen und socialistischen Demokratie das Parteiinterefse verbot. Es treten hinzu einige kleinere erledigte Vorlagen (über die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt, die Ge Werbezählung, die Bestrafung des Sklavenhandels und die Schutztruppen in den Colonien). Bei der Befriedigung großer nationaler Bedürfnisse aber, die von ihm gefordert worden war- hat der Reichstag versagt, er kommt mit leeren Händen nach Hause, nur die Verstärkung des Pessimismus und die Ver wirrung des öffentlichen Geistes bezeichnen seine Spuren. Die Hauptaufgabe der Tagung sollte die Bekämpfung der gefährlichsten Formen socialdemokratischer agitatorischer Aus schreitungen, sowie diewirksamereBorbeugung gegen anarchistische Verbrechen sein. Was das Ccnlrum aus diesem Unternehmen gemacht, steht noch in frischester Erinnerung. Es versuchte die Schutzkettc, die gegen den socialrevolutionairen Ansturm dem staatlichen Bollwerk vorgelegt werden sollte, in eine Fessel der geistigen und evangelischen Freiheit zu verwandeln. Der Anschlag mißlang, aber durch den AuSgang der Angelegen heit sind die innerpolitischen Zustände noch zerfahrener ge worden, als sie waren, so daß der Ultramontanismus mit seinem auf die Hemmung der deutschen Entwickelung ge richteten Programm nicht daS Berlustconto allein aufzuschlagen braucht, wenn er das Ergebniß der Abstimmung über die Umsturzvorlage einträgt. Die Regierung sah sich vor dem Schluß der ersten Tagung, in der sie dem Reichstage gegenüber stand, von allen Parteien verlassen, ein Schicksal, das sie selbst dadurch heraufbeschworen, daß sie dem Centrum nicht entgegenzutreten gewagt hatte, obwohl diese Partei nicht nur bei der Umsturzvorlage, sondern auch in der Angelegen heit der Finanzreform ihre Untauglichkeit, als Stütze einer deutschen Regierung zu dienen, dargethan hatte. Von beute ab kann sich die Regierung auf die — Sommerszeit stützen, darauf, daß nichts zu geschehen braucht. Im nächsten Herbst wird sie, wenn bis dahin nicht feste, klare, durchführbare Entschlüsse gefaßt sind, wieder die isolirte Position vom 12. Mai einnehmen, und wir würden nichts dringender wünschen, als daß sie, ohne vorher eine führende Stellung zwischen den Parteien eingenommen zu haben, in der künftigen Tagung auf jede größere Action, insbesondere auf die Finanzreform, verzichtet, denn die regelmäßig wiederkehrende Forderung und geringschätzige Zurückweisung droht nachgerade die deutsche Centralgewalt ihrer Ernsthaftigkeit zu entkleiden. Der Finanzreformentwurf ist diesmal gar nicht in die zweite Berathung gelangt, wa« nach der Weigerung de« Reichstages, neue Steuerquellen zu erschließen, nicht zu bedauern war. Sein Schicksal theilen die Gewerbegesetznovelle und die Novelle zum GerichtSverfaffungSgesetz, sowie die zum Strafgesetzbuch. War bei dem zuerst genannten Gesetze die Abneigung, die finanzielle Grundlage de« Reiche« fester zu legen, die Mutter de« Miß erfolge«, so sehen wir bei der Gewerbegesetznovelle einerseits eine unkritische Nachgiebigkeit der Regierung gegen die Wünsche der rractionairen Parteien, andererseits abermal« dir Eigen sucht des UltramontaniSmuS als Ursachen deS Scheitcrnö. Die Bekämpfung der Auswüchse de« Hausirhandel« und der ihm verwandten VerkehrSformen war ursprünglich — und ist e« noch — eine wünschenSwerthe, populäre Maßregel. Aber indem die Regierungen aus Connivenz gegen den bildungS- war in das wirtschaftliche Gesetz eine pol.t.sche Tendenz gebracht worden, und das C-ntrum säumte nickt, st- durck seinen Antrag Hitze-Gröber schärfer 'uzusp'tzcn Be. d-rser von MittelstandSfreundl.chke.t uberfl.eßenden Partei v mag sich das durch den Handel rm Umherziehen geschädigte solide Gewerbe bedanken, wenn sein berechtigter Wunsch un- erfüllt geblieben ist. - Die Iustizvorlagen hat die Commission nicht für d,e zweite Berathung im Plenum heranreifen zu las en vermocht. Als Ursache wird die inbrünstige Liebe jedes einzelnen Juri, zu seinen eigenen Ideen und Lehrmeinungcn angegeben, und vermutungsweise wird hinzugefügt, d.e Uebung, drrarNge Commissionen allzu stark zu besetzen, sei an dem negativen Er gebniß nickt unbeteiligt. Sicher ist, daß die V.elkopstgkeit der Commissionen, die häufig kleinstaatlische Landtage an Milgliederzahl übertreffen, gerade von arbeitsamen un tüchtigen Abgeordneten beklagt wird. Aber der Uebelstand war in der abgeschloffene., Tagung wohl weniger in dieser Gewöhnung, als vielmehr in dem Umstande zu suchen, daß die Commissionen Ausschüsse deS 1893 er Reichstages waren. Und dieser schreit förmlich Denen, die Fleiß, Hingebung und Sachlichkeit von ihm erwarteten, zu: I-aseiats ogui sxorEU- Deutsches Reich. * Leipzig, 24. Mai. Mit welcher Ungenirtheit von socialdemokratischer Seite Behauptungen ausgestellt werden, die den Thatsachen nicht entsprechen, erhellt wieder einmal aus nachstehender Elberfelder Correspondenz der „Köln. Z. : Wcaen a,oben Unfug» war der R-dacteur der socialdemo- kratischen ^„Freien Presse", Wilh. Gewehr, vom Barmer Amtsgericht zu vierzehn Tagen Gefangniß verurtherlt worden, weil er in seiner Zeitung die völlig aus der Lust gegriffene Nachricht gebracht batte, in Barmen sei ein Arbeiter verhungert. Die von Gewehr eingelegte Berufung wurde von der Strafkammer verworfen. 6.8. Berlin, 24. Mai. Mit den socialdemokratischen Vergnügungsvereinen haben sich die Polizeibehörden in der letzten Zeit mehrfach beschäftigt. Eine General versammlung des Breslauer Arbeitersängerbundes ist auf gelöst worden, weil sie polizeilich nicht angemeldet war, und der socialdemokratische Arbeitersängerbund in Berlin ist auf- gefordert worden, eine Mitgliederliste einzureichen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Socialdemokratie in den sogenannten Vergnügungsvereinen die vorzüglichste Agitationstruppe sich geschaffen hat. Nach Berechnungen von nicht schlecht unter richteter Seite stehen der Socialdemokratie in den Ver gnügungsvereinen etwa 200 000 Mann zur Seite. Es dürste die Zabl der in socialdemokratischen Gesangvereinen organisirten Genoffen etwa 100 000 Mann betrage», hierzu kommen 30 000 Mitglieder von Rauchclubs, 40 000 Mit glieder von Keglerclubs, 2500 Turner, 500 Ruderer, 1000 Pelociptdisten. Fast alle Vergnüzungsvereine sind straf centralisirt; die zahlreichen Gesangvereine haben ihre Leitunc in den Arbeitersängerbünden, die Rauchclubs wollen sich demnächst eine einheitliche Organisation, eine Central leitung, geben. Rein äußerlich sind ja alle diese Ver einigungen nur zu Vergnügungszwecken geschaffen, aber sie sind die treu ergebenen Hilfstruppen der Socialdemokratie. Bei den Wablen kann diese fest auf sie zählen, sie unterstützen die Lanbagitation, schleppen auf ihren Vergnüguiigslvuren ganze Ballen socialdemokratischer Literatur mit, wirken bei socialdemokratischen Festen mit, gehorchen der socialdemo- kischen Parteileitung ohne Murren. Bei dem Boycott im vorigen Jahre unterstützten die Gesangvereine die social demokratische Parteileitung auf das Wirksamste, sie stellten ihre Vergnügungen in Localen, wo „Ringbier" geschänkt wurde, ab, alle ihre Mitglieder mieden die Wirthsckaften, in denen die Wirthe der socialdemokratischen Dictatur in dem Bierkrieg sich nicht unterworfen hatten. Also nur äußerlich sind alle diese Organisationen Vergnügungsvereine, innerlich sind sie politischer Natur, socialdemokratische Agitatvionsereine, die um so wirkungsvoller für die Partei Propaganda machen können, als ihre wahre Natur verkannt oder nicht sogleich erkannt wird. Es ist von bürgerlicher Seite versucht worden, ähnliche Institutionen inS Leben zu rufen: bis seist vergebens. U Berlin, 24. Mai. In dem Entwürfe zur Bekämpfung de« unlauteren Wettbewerbe«, wie er dem BundeS- ralhc zur Beschlußfassung vorliegt, ist bekanntlich gegenüber d.em im Januar dieses Jahres im „Reichsanzeiger" veröffent lichten Wortlaute auch eine Aenderuna bezüglich der criminellen Verfolgung der schwin de lh asten Recla me vorgenommen. Dem früheren Entwürfe, insbesondere seinem Z. 2, war von vielen Seiten das Bedenken entgegengehaltcn worden, daß der Versuch einer criminellen Verfolgung der schwindelhaften Reclame zur Belästigung der Organe der Strafrechtspflege gereichen und ckiicanöse Denunciationen Hervorrufen, hierdurch aber die Moral im Geschäftsleben eber schädigen als fördern werde. Diese« Bedenken ist als berechtigt anerkannt. Eine Strafanzeige bringt, sofern sie nicht wider bessere« Wissen erstattet ist (H l64 deS Strafgesetzbuches), für den Anzeigen- den — abgesehen etwa von der im Falle grober Fahrlässig. »I« °»p!>ich>-" und. auch w,»» f>, Um dieser Gefahr zu begegnen, soll nach K. 9 des jetzigen Entwurfs bei Ausschreitungen im Reclamewesen — ebenso wie bei Beleidigungen und leichten Körperverletzungen — cer Betrieb des Strafprocesses im Allgemeinen der Entschließung des geschädigten Mitbewerbers überlassen werden. Dieses Verfahren wird, ohne die Wirksamkeit der Strafandrohung abzlischwächen, jeden, der sich durch unwahre Angaben eines Milbewerbers benachtheiligt glaubt, zu einer sorgfältigen Prüfung des Sachverhaltes und des eigenen Interesses ver anlassen, bevor er den mit der Nolle eines Privatklägers verbundenen Mühewaltungen und pekuniären Opfern sich unterzieht. Dabei bleibt auch das öffentliche Interesse hin reichend gewahrt, insofern bei Verletzung desselben die Staats anwaltschaft von Amts wegen einzuschreiten berechtigt und verpflichtet ist. Auf das Verfahren bei der Privatklage inden die allgemeinen Bestimmungen der Proceßgesetze, ins besondere die FZ. 414 bis 434 der Strasproceßordnung, ent sprechende Anwendung. V. Berlin, 24. Mai. (Telegramm.) In Gegenwart deS Kaisers, der um 6 Uhr Nachmittags auf der Wild- parkslation eintrifft, wird Abends zur Feier des heutigen Geburtstages der Königin von England ein Diner zu 80 Gedecken im Neuen Palais stattsinden. V. Berlin, 24. Mai. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des Bundesrathcs wurde der Gesetzentwurf, betr. die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werth- papiere („Tcpotgesctz"), und der Entwurf eines Börscn- gesetzes von der Tagesordnung ab gesetzt. 8. Berlin, 24. Mai. (Privattelegramm.) Aus unterrichteten Kreisen bört die „Post", daß (Lraf (LoluchowSki bei seinem Amtsantritte von dem sonst üblichen Rundschreiben an die Mächte absehen werde. Cs wird betont, daß kein System-, sondern nur ein Personenwechsel stattgefiindeii habe, und daß Graf Goluchowski bei dem bevorstehenden Zu sammentritte der Delegationen Gelegenheit finden werde, ausführlich über die politische Lage sich auszulassen. 8. Berlin, 24. Mai. Major v. Wiffmann übernimmt, laut der „N. Pr. Z", die Stellung als Gouverneur am 5. Juni, an welchem Tage der Urlaub v. Scheele'« abläuft. Nach der Ankunft v. Wissmann's in Ostafrika wird Oberst lieutenant v. Trotha seinen Posten verlassen und einen Nachfolger al« stellvertretenden Gouverneur erhalten. 8. Berlin, 24. Mai. (Privattelegramm.) Geheim rath von Meviffcn hat, der „Nat.-Z." zufolge, auf den ihn» von der nationalliberalen Partei des Reichstages zu seinem 80. Geburtstag dargebrachten Glückwunsch folgende telegraphische Antwort zu Händen des Abg. Or. Hammacher gesandt: „Für die durch den verehrten Vorstand der nationalliberalen Partei mir zu meinem 80. Geburtstag in treuem Gedenken gemeinsamer Ziele gewidmeten herzlichen Glückwünsche meinen innigsten Dank." 8. Berlin, 24. Mai. (Privattelegramm.) Nach einer Meldung der „Kölnischen Volkszeitung" aus Rom hatte der klerikale LandtagSabzeordnete Porsch eine längere Audienz bei dem Papste. 8. Berlin, 24.Mai. (Privattelegramm.) Zur Feier der Eröffnung des Rordostscceauals sind nach der „Post" die Chefs sämmtlicher europäischer Missionen in Berlin, von den nichteuropäischen nur (?) der amerikanische Botschafter Runyon eingeladen. — Im Herrenhause ist, wie wir berichteten, eine Interpellation eingebracht über das Tempo, in welchem die Regierung die sogenannten kleinen Mittel zur Unter stützung der Landwirthschast durchführen wolle. Dies wird in der „Nordd. AUg. Ztg." beanstandet; nacb einer Einleitung voll Complimenten für das Herrenhaus wird bemerkt: „Unsere landwirlhichafttiche Bevölkerung darf mit vollem Ver trauen aus die Regierung blicken. Man durfte wohl annehmen, daß diese Thatsache gerade im Hcrrenhause hervorgchoben und freudig anerkannt werden würde. Daß mit der ermähnten Interpellation — dem unabweisbaren Eindruck nach — das Gegentheil geschieht, ist eine Erfahrung, die befremdet und betrübt. Wir mochten uns denn auch der Hoffnung hingeben, daß auf die Ausführung der Jnlerpellationsabsicht im Interesse einer gedeihlichen Entwickelung unserer inneren Verhältnisse verzichtet wird." — Der Consumgenossenschaft, die von einer Anzahl Anarchisten gegründet werden soll, sind erst 100 Mitglieder beigetreten. Die Verwirklichung deS Projekts soll erst dann erfolgen, wenn 300 Genossenschafter gewonnen sind. — In Stuttgart ist am Mittwoch der radikale, spätere social- demokratische Schriftsteller Wilhelm Eich hoff gestorben. Anfang der fünfziger Jahre veröffentlichte er in dem Loüoner Wochenblatt „Hermann" sehr scharfe Artikel gegen Stieber und seine Maßregeln. Die vo» Graf Arnim i» seinem Kampf mit Bismarck veröffent lichte Streitschrift „?ro Kitulo" hatte, dem „Vorwärts" zufolge, Eichhosfzum Verfasser. * Friedrichsruh, 24. Mai. In FriedrickSrub treffen noch immer Zeitungen aus den fernsten Erdtbeilen ein, in denen über festliche Acte berichtet wird, welche dort wohnende Deutsche zur Feier des 80. Geburtstages des Fürsten Bismarck veranstaltet haben. Namentlich aus Südamerika sind zahlreiche derartige Zusendungen eingelaufen, auö denen ,u ersehen ist, mit welcher Liebe und Begeisterung die dortigen Deutschen des Fürsten gedenken. * Brauuschtvcig, 22. Mai. Bei den gestern Abend hier statlgrhabten Wahlen zum Gewerbegericht erlitten die Socialdemokrateu in der Claffe der Arbeitgeber eine volle Niederlage. In der Claffe der Arbeitnehmer zeigte sich dagegen das umgekehrte Bild. * Ranmburg a.T.»24 Mai. (Telegramm.) Der General der Infanterie z. D. Frhr. v. Barnekow, Chef des 6. Rheinischen Infanterie-Regiments Nr. 68, zuletzt Eommandcur des 1. Armee korps, ist heute, 86 Jahre alt, hier gestorben. * Aachen, 24. Mai. (Telegramm.) Die Königin und die Königin-Regentin der Niederlande sind mit Ge folge zu mehrtägigem Aufenthalte hier eingetroffen. * Offendur«, 23. Mai. Nach der „Offenburger Zeitung", dem Organ Wackrr's, werden die bisherigen CentrumS-Ab- geordneten Gerber und Kiefer nickt mehr candidirrn. Auch bezüglich noch einiger bisheriger Abgeordneten deS Centrums sei dies zweifelhaft. * Karlsruhe. 24. Mai. (Telegramm.) Die Krön- Prinzessin von Schweden muß wegen leichten Unwohl seins auf einige Tage daS Zimmer hüten.
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