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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950621023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-21
- Monat1895-06
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4432 Horn, Ialau, ÄtwSbkuck, Krem-, Laibach, Leipa, Leitmeritz, Leoben, Linz, Marburg, Prag, Teplitz, Troppau, Wien und Rricbenberg. 3 Zweigvrreine fanden sich in Amsterdam, Brüssel und Mailand, 140 aber im Gebiete des deutschen Reiches. Im Königreich« Sachsen waren eS die Zwrig- vereiae zu Annabera, Chemnitz^ Dresden, Frriberg, Grimma, Leipzig, Pirna, Plauen, Zittau, Zschopau und Zwickau. Die stärksten Zweigverrine hatten folgende Mitgliederzahl: Coblenz 384, Cassel 388, Dresden 300, Braunschweig 295, Hannover 269, Bonn 265, Graz 205, Köln a/Rh. 200, Reichenberg 172, Leipzig 168, Lübeck 166, Mailand 165, Innsbruck 156, Elberfeld 155 und Marburg 153. Wenn auch einzelne Zweigvereine im Lause der letzten Jahre ein- gegangen sind, wie z. B. Bari in Apulien, Haida in Böhmen, Nagy-BocSko in Ungarn, so hat doch der Gesammtverein keine Verluste erlitten, denn eS gehören ihm jetzt 163 Zweig vereine an gegen 146 im Jahre 1890. * Berlin, 20. Juni. Wie das Centrum, welches sich ausdrücklich als „politische Partei" bezeichnet, de» Katho- liciSmuS für seine Zwecke auSbeutet, davon haben wir wieder einmal ein Beispiel. Am 14. Juni machte vr. Gäch auf einer Bauernbuudversammlung zu Pilstina nach der „Neuen Freien VolkSztg." folgende Bemerkung: „DaS neueste Mittel, den Bauernbund zu bekämpfen, seien die Missionen. Der Pfarrer von Raißing habe von der Kanzel herab gesagt: „Wer beim Bauernbund ist und liegt im Sterben, soll sich nur von Wieland und vr. Gäch versehen lassen." Wieland und Gäch sind bekanntlich die Haupt führer des niederbayerischen Bauernbundes. „Versehen" heißt, einem Sterbenden die Sterbesacramente der Kirche ertheilen. Der nächste Redner, Bierbrauerribesitzer Rieger auö Velden, sagte, daß in der Nähe von Velden eine Bauern versammlung stattgefunden habe. Diese Hab« Len Pfarrer veranlaßt, von der Kanzel herab zu erklären: „Ich habe an Pfingsten den heilige» Geist auf Euch und meine Pfarrei herabgcfleht. Der ist nun leider nicht gekommen. Dafür ist ein Geist gekommen, der nicht leuchtet, der aus „Böhm" und vom Teufel gesandt ist." Der Pfarrer habe ferner gesagt: „Ich taufe Niemand mehr und halte auch keine Procession mehr." Der Pfarrer habe wirklich bcuer eine Frohnleichnamsprocession nicht abgehalten. — Mit diesen Mitteln der Kanzel, deS Beichtstuhles und des SacramenteS arbeitet der UltramontaniSmus. — Der König von Württemberg, der gegenwärtig an der Canalfeier theilnimmt, wird laut dem „Hamb. Corr." am 1. September nach Berlin kommen, um, einer Einladung des Kaisers entsprechend, der Parade des GardecorpS beizu wohnen. — In der Versammlung des Provinzialverbands Schlesien und Posen der Vereine zum Schutze des Handels und Gewerbes wurde mitgetheilt, daß StaatSsecretair v. Börtlicher auf eine Anfrage folgenden Bescheid ertheilt habe: „lieber die Wiedervorlegung der in der letzten Tagung des Reichstags nicht erledigten Gewerbeordnungs- Novelle sei eine endgiltige Entschließung bisher nicht gefaßt worden; er glaube jedoch die weitere Verfolgung des Gegen standes alsbald nach dem Wiederzusammentritt deS Reichs tages als in hohem Grade wahrscheinlich bezeichnen zu dürfen. Ebenso sei mit Sicherheit anzunehmen, daß der zur Zeit dem BundeSrath vorliegende Gesetzentwurf, betreffend die Bekämpfung deS unlauteren Wettbewerbes, in der nächsten Session an den Reichstag gelangen werde." — Dem Herausgeber der Kritik", Karl Scho ei dt in Berlin und dem Schriftsteller Eduard Engels in Ulm a. D., ist nunmehr die Anklage wegen Majestätöbeleidigung zugestellt worden. Den Gegenstand der Anklage bildet ein von Eduard Engels geschriebener und in Heft 25 der Kritik" veröffentlichter, „Wilhelm II." überschriebener Artikel. Gegen den Verleger der „Kritik", Hugo Storni, der im Vorver fahren gleichfalls verantwortlich vernommen wurde, ist An klage nicht erhoben worden. — Wie die »Voss- Ztg." erfährt, sollen zur Feier der fünfundzwanzigsten Wiederkehr der vaterländischen Gedenktage des deutsch-französischen Krieges alle Beförde rungen der Armee, die sonst erst bei den Herbstübungen ftatt- sinden, in diesem Jahre schon am 18. Juli vollzogen werden. — Die für Mitte Juni in Aussicht genommene Reise von Commissaren des ReichSamtS des Innern und deS Handels ministeriums nach Oesterreich zur Prüfung der Wirkungen der dortigen Handwerksgesetzgebung, insbesondere der Zwangsorganisation der Handwerker, hat um kurze Zeit verschoben werden müssen, weil zunächst noch dringliche Verhandlungen mit Commissarien anderer Ressorts zu er ledigen sind. — Das Abschiedsgesuch des Mlnlsterresidenten in Port au Princr vr. Goering ist genehmigt worden. * Köslin, 20. Juni. Bei der am 18. Juni im ReichS- tagSwahlkreiS KöSlin-Kolberg-Körlin-Bublitz stattgefundenen Ersatzwahl erhielten Gerlach (cons.) 7087, Benoit (fr. Ver.) 4663, Lotz (soc.) 2418, Paasch (Antisemit) 1582 Stimmen. (Wiederholt.) zimmer der Stiefmutter erschienen war, um diese an ihr Versprechen, das Reitkleid betreffend, zu mahnen. Wirklich mußte Louise, die Kammerjungfer ValeSka'S, die nothwendigen Aenderungen an einem der Neitkleider vornehmen, um eS für Renates Figur paffend zu machen. Ein niedriger schwarzer Herrenhut mit langem blauen Schleier wurde besorgt, und die schlanke Amazone konnte sich in der neuen kleidsamen Tracht, vor dem hohen Ankleide spiegel in ValeSka'S Zimmer stehend, gar nicht satt sehen an ihrem Bilde. Eine Stunde spater trafen die Damen im Hofe der Scheitniger Villa mit Rittmeister von Strehlen und Viktor Saalfeldt zusammen. Fanchou wurde vorgeführt und der Reitunterricht begann. Renate zitterte zwar heftig, als Viktor sie in den Sattel bob, aber der sanfte Druck, mit dem er ihre Hand in der seinen gehalten, hatte ihr Muth verliehen, und sie hielt tapfer aus, dem „Pagen", wie der Lieutenant sich genannt, zuweilen durch einen verstohlenen Blick unter den gesenkten Wimpern hervor Dank sagend für bewiesene Ritterdienste. Ja — die Kleine war wirklich bildungsfähig. XIII. Siegfried Erbach hatte die besorgte Anfrage der Schwester, seine Verlobung mit Wilhrlmine v. d. Golze betreffend, durch ein kurz gehaltene- Schreiben — er war kein Freund von langen Briefen — beantwortet, auS dem volle HerzenSfreudig- keit sprach. In der That schienen seine Hoffnungen der Erfüllung nahe. Gestern hatte er nach einer Trennung von mehreren Monaten die Geliebte wiedergesehen und sogar einen Moment ohne Zeugen mit ihr plaudern können. Die Gräfin Charlotte hatte nämlich die Kissinger Cur gebraucht und darauf zur Nachcur eine Reise in das Salz kammergut gemacht, wo sie, am Gmundener See weilend, ein idyllisches Stillleben geführt, wie die Gräfin lächelnd sagte. Waren eS die Weltabgeschiedenheit, die stillen Freuden und die Natnrgenüsse gewesen, die Wilhelmioe'S Gemüth weicher gestimmt, ihr Herz zärtlichen Regungen zugänglicher gemacht — oder hatte die Trennung von dem Gegenstände ibrer Liebe die Gluth derselben gescbürt — genug, al« die jungen Leute sich endlick» allein gegenüberstanden, laS Sieg fried an« den leuchtenden Blicken de« Mädchen-, daß er geliebt sei, und da« gab ihm den Muth, leise ihren Namen zu nennen * HLWburs, 20. Juni. Auf dem ReichSpostdampfer „Kanzler", der nach Ostafrika abging, wurden heute 150 zur Ablösung der dort ihre Dienstzeit beendenden Mann schaften bestimmte Marinesoldaten «ingeschifft. (Post.) * Münster, 19. Iuui. Ein polnischer Verein ist hier durch den Redakteur de« „WiaruS" (Bochum) gegründet worden. Die Versammlung beschloß, sich an den Bischof von Münster mit der Bitte zu wenden, einen der daselbst weilenden polnischen Pfarrer zum geistlichen Patron deS Vereins zu ernennen und ihm zu empfehlen» mindestens alle 14 Tage eine polnische Andacht abzuhalten. V. Erfurt, 20. Juni. Die Ueberrrichung deS Ehren- bürgerbriefeS der thüringischen Städte an den Fürsten Bismarck verzögert sich. Der Fürst hat an den hiesigen Oberbürgermeister Schneider die Mittheilung gelangen lassen, daß ihm sein Gesundheitszustand den Empfang von Gästen gegenwärtig nicht erlaube. Ju Folge dieser Mit- theilung hat ein« gestern in Eisenach stattgefundene Ver sammlung von Oberbürgermeistern der größeren thüringischen Städte beschlossen, nach Verlauf von zwei Monaten wieder beim Fürsten bezüglich des Empfanges anzufragen. * Aachen» 20. Juni. Der Oberstaatsanwalt traf gestern von Köln hier ein, wie eS heißt, wegen der gegen einzelne Alexianerbrüder eingeleitcten und wieder eingestellten Untersuchung. Der Justiz minister forderte die Acten deS ProcesseS Mellage rin. — Von mehreren Seiten ist die Meldung, der Staatsanwalt babe gegen daö Urtheil im Proceß Mellage Revision zum Reichsgericht erhoben, au- gezweifelt worden. Dennoch ist eS, wie die „Franks. Z." be hauptet, richtig, daß sowohl der Staatsanwalt, wie die Alexianer Revision ringe leg t haben. Die Untersuchung gegen die beiden Brüder Heinrich und JrenäuS wegen Meineids nimmt ihrenFort- gang. Nicht nur diese beiden sind wiederholt vom Untersuchungs richter vernommen worden,sondern auch mehrere Zeugen,nämlich LandgerichtSrath Dahmen, der die Verhandlungen im Proceß geleitet bat, der LeidenSgenosse des Herrn ForbeS, Vicar Rheindorfs auS Köln und dessen frühere Haushälterin Ficsel, ferner BadehauSbcsitzer Ochse auö Burtscheid und die Ehe frauen Schuhmacher von NeulinzenShäuSchen. Die beiden Brüder bleiben dabei, daß sie die reine Wahrheit gesagt haben. Da Bruder Jrenäns angegeben hat, mehrere Personen hätten gesehen. Laß ForbeS die junge Frau Schuhmacher um armt habe, so erläßt der Untersuchungsrichter in den hiesigen Blättern eine Aufforderung, daß die Personen, die Zeuge des Vorganges waren, sich melden sollen. — Die „Köln. Ztg." berichtet: Sanitätsrath vr. Ca pell mann hat seine Stelle als Vorsitzender (!) im ärztlichen (!) Verein nieder gelegt. Wie verlautet, wird Geh. Sanitätsrath vr. Kribben von seinem Amte als Polizci-Arzt zurücktreten. (Daß der „Pastoralmedicinrr" vr. Capellmann der Vorsitzende eines Vereins von Aerzten werden konnte, zeigt deutlich die Klerikalisirnng der Aachener medicinischen „Wissenschaft". Red. d. „L. T.") * Straßburg, 20. Juni. In Basel, Krenzach, Loerrach (Baden) und St. Ludwig (Oberelsaß) ist ein GeneraIst reik der Posamentirer auögebrvchen, 2200 Posamentirer haben die Arbeit eingestellt. s Oesterreich-Ungar«. * Wie», 20. Juni. Finanzminister vr. v. Plener ver abschiedete sich heute von seinen Beamten mit einer Ansprache, in welcher er als besonders ungünstig das Zusammen treffen der politischen Krisis mit der ObstructionS- Taktik der Opposition bezeichnet?, wodurch die Steuer reform wieder i»S Stocken gerathen sei. Er hoffe, daß eS seinem Nachfolger gelingen werde, die Reform im Herbste zum Abschluß zu dringen. Die Verhandlungen mit der ungarischen Regierung über die Banknoten und die weitere Einlösung der StaatSnoten seien im Gange; die Valuta-Reform schreite langsam, aber sicher fort. Die internationale Regelung der Zuckerprämien sei als nächster Zug zu erhoffen. Er hinterlasse an Cassenbestäuden 13 Millionen freie- Gold, welches durch Valuta-Gesetze nicht gebunden sei; er hinterlasse also mehr, als er über nommen habe. — Die „Deutsche Ztg." wirft Plener vor, daß er als Minister auf die Einstellung der HauShaltSpost für da- slowenische Gymnasium in Cilli bestanden hat. Herr von Plener, bemerkt die ,,D. Ztg." weiter, der als Minister nach dem CoalitionSprincip für die Wahrung deS deutschen Besitzstandes zu sorgen hatte, Herr von Plener ließ eine Maßregel, welche unter dem schlauen Vorwände einer Cultureinrichtung die Slawisiruim einer wichtigen deutschen Stadtgemeinde ,m slowenischen Sprachgebiete, also eine un zweifelhafte Schmälerung des deutschen Besitzstandes bezweckte, nicht nur hingehen, sondern er warf noch die Autorität seiner Stel lung in die Waagschale, um diese Maßregel zur Durchführung zu bringen. — Als bestimmt verlautet, daß die Vertrauens männer der Linken dem Grafen KielmanSegg zusagten, daß sie in dritter Lesung für das Budget stimmen werden, auch wenn in zweiter Lesung die Forderung für Cilli angenommen wird. — In der neuesten Nummer der „Unver fälschten Deutschen Worte" erklärt Georg Schönerer, daß er seine Stelle als Obmann des Deutschen VolkSvereinS Sie wendete ihr erröthendeS Gesicht von ihm ab und einer duftenden Theerose zu. Die Beiden befanden sich nämlich in einer offenen Galerie, welche zu dem GlaShause führte, in da- die Gräfin, ihnen vorau-geheud, bereits ein- getreten war. „Darf ich Ihnen mindestens klagen. Wilhelmine, wie schwer ich durch die Trennung gelitten habe, und es auS- sprechen, daß ich Ihrer gedacht — ohne Rast und Ruh — wachend und träumend!" Wilhelmine nickte stumm — er wußte nicht, sollte daS heißen: „Ich glaube eS Dir" — oder: „Auch ich habe dasselbe gefühlt und gelitten" — ? Jedenfalls war eS etwa« Gutes, ZustimmenveS. Und jetzt lächelte sie sogar und flüsterte: „Ich bin recht herzen-froh, wieder in unserem lieben Heim zu sein." „Nur um Ihre Vögel, Ihre Blumen wiederzusehen." „Ganz recht." „Wie grausam!" „Sie Ungenügsamer, verlangen Sie wirklich von mir, daß ich Ihnen erzählen soll, wie sehr ich die Gegenwart eines lieben Freundes entbehrte, und wie herzlich ich mich freue, denselben endlich wiederzusehen?" Dabei lächelte sie schalkhaft; in ihrer Sicherheit als reiche Erbin und viel umworbene Schönheit erschien sie Siegfried doppelt anziehend. Wilhelmine von der Golze war weder eine kleine Pensionärin, die ihren ersten Roman durchlebt, oder die Jungfrau aus Schiller'- „Glocke", die mit schüchternen, verschämten Wangen vor dem Jüngling ihrer Wahl steht. Selbstbewußt und stolz, kannte sie ihren Werth und da- gab ihr eine so wohl- thuende Sicherheit. Sie besaß die Unbefangenheit und Ungezwungenheit junger Engländerinnen im Verkehr mit Männern. Trotz dessen erbebte sie jetzt leicht, als Siegfried ihre Hand erfaßte, um sie die Stufen hinab zu geleiten. Die Thür de« GlaShause» stand offen, man sah die hohe Gestalt der Gräfin in dem breiten Mittelgange stehen, vor ihr der alte Gärtner, die Kappe in der Hand. ES mußte geschieden sein. Noch einen innigen Druck der verschlungenen Hände, dann traten sie ein. DaS bindende Wort war freilich noch immer nicht ge sprochen worden, aber Siegfried hätte in seinem HerzenSjubel di« ganze Welt umarmen können, auch den alten Gärtner, der »hm eine schöne tiefdunkrlrothe Rose überreichte, und den uiederleae, aus diesem Vereine au-trete und dir Führung seiner Partei nirderlegr. Al« Grund hierfür bezeichnet Schönerer den Umstand, daß eia Tbeil seiner Partei sich in Beziehungen zu den unter Lueger'S Leitung stehenden Partei gruppen eingelassen babe. * Wien, 20. Iuui. In der heutigen Plenarsitzung der ungarischen Delegation wurde da« Budget des Miuisterium« deS Aeußern in General» und Special-Debatle genehmigt. Alle Redner hoben die friedliche Bedeutung de- Dreibundes hervor. " Wien, 20. Juni. AbgeoednetenhauS. Der neu ernannte Ministerpräsident Graf KielmanSegg giebt bet Beginn der Sitzung die nachfolgende Erklärung ab: DaS neue Ministerium hat die Aufgabe, dir laufenden Geschäfte bis zur Constituiruag eine» defini- tiven Cabinets zu führen, hiernach ist vor Allem der geregelte Gang des Staatshaushaltes sicher zu stellen. Das Ministerium, dessen neue Mitglieder Beamte sind, erkennt im stärksten Maße die Nothwrndigkeit an, behusS ordnungsinüßiger Gebabruog des Staatshaushaltes die Budgetberathung zum Abschluß zu bringen. Um hiersür die nöthige Zeit zu gewähren, wird der Finauzminister noch heute die Gesetz, entwürfe, betreffend die Forterhebung der Steucrabgabea und die Bestreitung des Staatsauswandes während des Monats Juli überreichen. Der Ministerpräsident bittet daher, die Regierung bei Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe im allgr» meinen Staatsinteresse wohlwollend unterstützen zu wollen. (Lebhafter Beifall.) Der Abg. Herold stellt mit Rücksicht auf die Noth» Wendigkeit, daß das Haus nach einer derartigen Erklärung des neuen Ministeriums sofort Stellung nehmen müsse, den Antrag, die Sitzung abzubrrchen und in der nächsten Sitzung die Debatte über die Erklärung einzuleiten. Der Präsident erwidert, angesichts der Erklärungen des Vorsitzenden im Ministerrathe und der Roth» Wendigkeit der Stellungnahme der verschiedenen Gruppen deS Hauses, schließe er die Sitzung und beraume die nächste Sitzung auf morgen an. Ter Antrag Herold wurde abgelehnt. Frankreich. * Paris, 20. Juni. Sämmtliche Zeitungen bringen aus führliche Drahtberichte über die Kieler Feier. Sie betonen, daß die französischen Seeleute deswegen nicht am Feste in der „Waldwiese" Theil genommen, weil sie nur zur ossiciellen Feier gekommen und daß „Surcous" in Holtenau zurückgeblieben, weil das Fahrwasser nach Hamburg ihm nicht lief genug gewesen. Prinz Heinrich'S Besuch auf „Hoche" wird höflich besprochen. Des Kaisers Rede in Hamburg macht einen günstigen Eindruck; „Figaro" bemerkt, sie entbalte zehn Mal daS Wort „Friede". * Paris,20.Juni. Die patriotischen Kundgebungen vor der Statue der Stadt Straßburg, der Jungfrau von Orleans, dem Gambetta-Denkmal und der VendSmesäule Ver la»,fen ziemlich ruhig, trotz maßloser Sprache einiger Hetz- blätter. Verkäufer des „Antiprussien" wurden wegen störenden Geschreis auf dem Concordiaplatz verhaftet, Kränze und Fahnen mit den Inschriften: „Hoffnung!", „tznanck meme!" „Hoch lebe Elsaß-Lothringen!" wurden von Gruppen der Patrioten verschiedener Viertel hcrbei^ebracht. Einige Hundert einzelner Manifestanten kamen mit Sträußchen. Erne Com pagnie des 74. Regiments »narschirte über den Con cordiaplatz; der commandirendc Officier ließ vordem Stand bild die Gewehre präsentiren, worauf jubelndes Vivat der umstehenden Menge erfolgte. — Einige Studenten haben vor der Redaktion der „Libre Parole" eine Kundgebung gegen die Kieler Feste geinacht. Drumont versuchteeinige Worte vom Balcou zu sprechen, die Polizei zerstreute jedoch die Menge. Belgien. * Der Gesetzentwurf der Regierung über die Elementar schulen ist nunmehr mit seinem BegründungSbericht den Kammern vorgelegt worden. Durch daS neue Gesetz wird der Religionsunterricht für obligatorisch erklärt und dreimal wöchentlich eine halbe Stunde dafür bestimmt. Die Familienväter können allerdings ihre Kinder diesem Unter richte entziehen, indem sie eine hierauf bezügliche Erklärung abgeben. Schweiz. * Bern, 20. Juni. Die Schweizer Blätter nehmen mit großer Genugthuung davon Notiz, daß der Kaiser auch den Schweizer Gesandten Roth nach Kiel eingeladen, obschon die Schweiz kein maritimer Staat ist. Italien. 1. * * Rom. 20. Junk. Kammer. Der Präsident erklärte, daß er nach sorgfältigsten Erhebungen die Uebrrzeugung gewonnen habe, daß bei sämmtliche» Abgeordneten, welche an dem gestrigen br- NagenSwrrthen Zwischenfalle mehr oder minder theilgenommen haben, ein einmüthigeS Gefühl des tiefsten Bedauerns herrsche. Cibrario und Genoffen bringen einen Antrag ein, welcher thua- lichste Verschärfung der Disciplinarbrstimmuogen der Ge schäftsordnung verlangt, wonach ruhrstörende Teputirte auf einen bis aus zehn Tage ausgeschlossen werden können. Dieser Antrag wird mit allgemeiner Zustimmung der GeschäftSordnungS» commtssion überwiesen, welche demnächst berichten wird. Sodann wird die Sitzung geschloffen. rothhaarigen Buben, der weiterhin die Dracerngruppe mit einem Sprühregen ausfrischte. Zum Abschiede küßte er die Hand der Gräfin Charlotte mit einem Feuer, daß die Mama unwillkürlich lächelnd zu der Tochter hinüberblickte. Neber Wilbelminr schien eine selten Weiche Stimmung gekommen zu sein, sie ah ernst und nachdenklich drein, aber aus ihren Augen strahlte die Gluth der Liebe, wenn sich ihre Blicke mit denen Siegfried'S kreuzten. Daheim angelangt, schrieb Siegfried der Schwester. Sie batte ihm mitgetheilt, daß Viktor Saalfeldt bei ihr einen Besuch gemacht habe und sich, wie eS den Anschein habe, längere Zeit in BreSlau aufzuhalten gedenke. Letzteres befremdete den jungen Officier. WaS hatte Viktor, der täglich darauf gefaßt sein mußte, seinen Abschied zu erhalten, in einer fremden Stadt zu thun, wo ihm weder Verwandte noch Freunde lebten? Hatte er vielleicht die Absicht, bei Hardenberg eine Anleihe zu machen? DaS würde ihm — Siegfried — sehr peinlich sein. Schon wollte er der Schwester einen Wink über die Lage geben, in der sich Viktor jetzt befand, aber sein Gefühl sträubte sich dagegen und eö erschien ihm wie ein Verrath an der Freundschaft. Trotz mancher Fehler war Siegfried doch eine vornehme Natur. Alle Klatschereien und Zuträgereien waren ihm in der Seele verhaßt und er hatte nie ein Vergnügen an der Medisance gefunden, der leider so Viele in seinem Gesell schaftskreise huldigten, und zwar nicht allein die Damen am Kaffee- und Theetische, sondern auch die Kameraden bei ihren Zusammenkünften, auf der Parade oder am OfficierStische und der Hauptwache. Schließlich hielt Siegfried eS für daS Beste, von Viktor Saalfeldt ganz zu schweigen, und ValeSka wunderte sich auch nicht eben darüber. Sie fand es natürlich, daß ihr Bruder eS vermied, den Namen Saalfeldt zu nennen. Die Er innerung an Klotilde mußte ihm ja immer noch peinlich sein. Froh darüber, daß Siegfried'S Verbältniß zu Wilhelmine wieder vollständig in das frühere Gleis gekommen zu sein schien, kümmerte sie sich nicht darum, daß Viktor'« Gruß un erwidert geblieben war. Sie würde minder zuversichtlich gewesen sein, WaS daS Glück des Bruder« betraf, wenn sie eine Woche später seine Nachrichten erhalten Die Saison batte begonnen. Fast Alle, welche längere oder kürzere Reisen gemacht, ein Bad ausgesucht oder aus * Ro«. SO Jans. Dir Sraat nahm ekit» AtzKsse zÄVÄtst. Wortung der Thronrede an. Gvame«. * Madrid, 20. Juni. Im Ministerrath erwähnte Can ovaS die gestrige Rede deö deutschen Kaiser- bei dem Festmahle in Hamburg und hob deren friedlichen Charakter hervor. Großbritannien. * London, 20. Iuui. Die „Westminster Gazette" ver öffentlicht ein von Bord de« „Tantallon Castle" datirteS Telegramm Gladstone'S als Antwort auf eine Anfrage wegen der gestrigen „TimeS-Meldung". DaS Telegramm sagt, die Meldung sei vollständig unwahr, so weit sie die Regierung und die Entstaatlichung der Kirche von Wale« betreffe. Glad- stone glaubt, die Regierung habe das Ueberrinkommen betreffs der Abpaarung aufgehoben, um ihre Unabhängigkeit zu wahren; von ,hm, Gladstone, sei die Aufhebung dieses Ab kommens nicht ausgegangen. * London, 20. Juni. Unterbau«. Der Seneral-Postmeister Arnold Morley erklärte, er habe verfügt, daß alle AngrbotS- circulare, welche zum Kauf von Lotterieloojen aus fremden Ändern rinladen, unter offenem Umschlag in das betreffende Land zurück- zujendea seien, aus welchem sie kommen. (Beifall.) Orient. * Belgrad, 20. Juni. Die serbischen Delegirten lehnten die auf die Unabhängigkeit de« Schulddienstes vou der serbischen Regierung bezügliche Forderung der Bank gruppen ab. — Der König empfing abermals die radi kalen Führer in Audienz. Marine. * Berlin, 20. Juni. Nach einer telegraphischen Meldung an das Ober-Commando der Marine ist S. M. S. „Hyäne", Com- inandaiit Capitainlirutenant Bachem, am 20. Juni in Port Elisabeth angekommrn und beabsichtigt, am selben Tage wieder in See zu gehen. Die Eröffnung -es Nord-Ojlsee-Canals. x (Specialbericht deS „Leipziger Tageblatt«".) k'. Kiel, 20. Juni, Abends 7 Uhr. War der gestrige Tag in Hamburg zum größten Theil gründlich verregnet, so klärte sich schon während der Fahrt, die die Journalisten unmittelbar nack Beendigung der Feier in Hamburg um 2 Uhr Morgens nach Kiel antraten, der Himmel auf, und heute herrscht wahres Hohenzollernwetter. Auch hier in Kiel hatte eS die ganze Woche zuvor gestürmt und gewettert, und gestern Abend noch hatte der Himmel mit seinen dunsten Gewitterwolken wenig Gutes verheißen. Aber wie mit einem Schlage war das heute geändert, und der 20. Juni brach mit einem Sommermorgen an, wie er nicht schöner gedacht werden kann. Ruhe und Erbolung wird den Vertretern der Presse auf der Fahrt zur Eröffnung des Nord-Ostsee-Canals nicht gegönnt. Da müssen wir denn doppelt dankbar sein, wenn wenigstens ein klarer Himmel über unserem Geschicke waltet. ES war nach der Ankunft deS Zuges vou Hamburg gerade Zeit genug, die durchnäßte Kleidung abzulegeu und sich sofort zu rüsten zur Fahrt durch den Kieler Hafen. Schon vor 9 Uhr fanden sich die 150 bei der Negierung beglaubigten Vertreter der einheimischen und auslänvischen Presse auf dem Dampfer „Prinz Waldemar" ein. Gleich beim Betreten des Schiffes wurden ihnen ein paar freundliche Angebinde eingehändigt: eine in gepreßtem Leder mit dem Reichsadler und dem Datum des 20. Juni 1895 geschmückte und mit Havannas gefüllte Cigarrentasche, eine Photographie des schmlicken Dampfers, der für die nächsten drei Tage unser Hauptquartier bilden soll, und eine hübsch auSgestattete Denkschrift für die im nächsten Jahr in Kiel stattfindende Ausstellung, sowie — last not least — ein Büchlein mit Blanketts, die dem Inhaber Küche und Keller des Dampfers öffneten. Bald nach 9 Uhr ging eS hinaus durch den inneren KriegS- hafen, auf dem jetzt sämmtliche Kriegsschiffe der an dem Fest theil- nehmenden Nationen sich cingesunden haben, beim Leuchtthurm von Friedrichsort vorbei in den äußeren Hafen. Wir brauche», von dem farbenprächtigen landschaftlich schönen Bilde, das sich uns bot, nichts zu berichten, denn schon verschiedentlich haben wir dessen in den letzten Tagen gedacht. Was heute daö Bild ganz besonders schön machte, war der Umstand, daß alle Fahrzeuge über die Toppen geflaggt und die einheimischen wie die auswärtigen am Großmast »u Ehren deS Tages die deutschen Farben gesetzt hatten. Um besonders den aus ländischen Journalisten zu zeigen, wie viel mehr als die gegenwärtig im Hafen liegenden 80 Kriegsschiffe noch in ihn» Platz hätten, wurde die Fahrt bis zur Heulboje (so genannt, weit ein auf ihr angebrachtes sirenenartigeö Instrument fort- während einen klagenden Ton von sich giebt) fortgesetzt. Die Heulboje bezeichnet den westlichsten Punct der Einfahrt deS Außenhafens, während auf der östlichen Seite eine sogenannte ihren Gütern geweilt hatten, waren hrimgekebrt zum häus lichen Herd, und da- Gesellschaftsleben nahm besonders Jene in Anspruch, die im geschäftlichen Müßiggänge da hin lebten. Siegfried hatte Wilhelmine nicht wiedrrgesehen, da Mutter und Tochter zufällig von Hause abwesend gewesen, al« er seinen zweiten Besuch geinacht. Und dann war die Gräfin mit Wilhelmine nach Berlin gefahren, um nothwendige Einkäufe zu machen. Die GolzeS besaßen ei» Haus in der WilbelmSstraße und pflegten stets dort abzusteigen, wo Alle» zu ihrem Empfange bereit stand. So gern nun auch Siegfried die Damen dort ausgesucht batte, was ja leicht geschehen konnte, so wußte er doch aus Erfahrung, daß Besuche — und zumal Herrenbesuche — der Gräfin Charlotte nickt angenehm seien. Man mußte von Laden zu Laden fahren, die« und das ansehen, anordnen, lange Conferenzen mit Schneiderinnen und Putzmacherinnen abhalten, kurz, sich mit allen jenen eitlen Dingen beschäftigen, die ernste Denker als Flittertaud be zeichnen, während andere sie den „schönen Schein" nennen. Endlick war auch diese „Campagne" überstandrn, wie der alte Oberst von der Golze zu sagen pflegte, und er konnte sich der Gattin und des lang entbehrten Töchterchen« wieder freuen. Besonders Wilhelmine, deren freie Zeit die Anordnungen für den Haushalt noch nicht in Anspruch nahmen, mußte dem Papa jetzt öfter Gesellschaft leisten. So befanden sich die Beiden auch wieder in dem kleinen Billardsaal, als der Kammerherr von der Golze gemeldet ward. „Willkommen", ries der Oberst mit seiner sonoren Baß stimme, „nur hier Herrin, wir spielen später unsere Partie zn Ende, die ich natürlich wieder gewinnen werde." Der Kammerherr näherte sich Wilhrlmine mit seiner ge wohnten süßlichen Freundlichkeit, dir dem jungen Mädchen so zuwider war. Wilhelmine mußte von dem Aufenthalt in Kissingen, von ihrer Reise berichten; sie that die« ziemlich kurz ab, wußte sie doch nicht, warum ihr Kurt heute unausstehlicher denn je war, er hatte etwa« so Lauernde«, Heimtückisches in seinen kleinen Augen. Wie häßlich war doch die vierschrötige Gestalt, wahrlich, der echt« Landjunkrr. (Fortsetzung folgt.)
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