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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189506240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950624
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950624
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-06
- Tag1895-06-24
- Monat1895-06
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1895
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44V6 im Marz d. I. auf die Ergreifung dieser vier angeblichen Emissäre hiagewiesen habe. Wenn nun seither kein anderer ähnlicher Fang gemacht wurde, so könne darin eia Beweis erblickt werden, daß dir makedonische Bewegung im Fürsten- thum nach Makedonien nicht hinübergreife. WaS speciell die Existenz macedonischer ComitSs in Bulgarien betrifft» so kann gegen dieselben, wie man in Sofia betont, so lange sie sich innerhalb der gesetzlichen Schranken halten, nach den Be stimmungen der bulgarischen Verfassung über Vereins- und Versammlungsfreiheit nicht eingeschritten werden. Die tür- kischerseit» erhobene Forderung, daß diese Comitös aufgelöst werden, ist denn auch von der bulgarischen Regierung mit eingehender Motiviruna abgelehnt worden. — UebrigenS muß e« Wunder nehmen, daß bei dem Grenzconflict mit den poma- kischrn Hirten bulgarische Truppen und keine Grenzgendarmerie betheiligt sind. DaS hat nun seine sehr einfachen Gründe. Im diesjährigen bulgarischen Budget wurde nämlich der Credit für die Gendarmerie um mehr als eine Million reducirt, was die Herabsetzung der Stärke der activen Gendarmerie auf zwei Drittel de- bisherigen Stande- zur Folge hatte. Zugleich wurde festgesetzt, daß der Grenzdienst so weit als nothig durch da- reguläre Heer besorgt werden soll. Dies geschah zu Jahresanfang. Seitdem aber die türkische Regierung au» Sicherheitsgründen längs der ganzen bulgarischen Grenze einen militairischen Cordon riehen ließ, hat sich die bulgarische Regierung veranlaßt gesehen, auch ihrerseits die an der Grenze echelonnirten Truppen zu verstärken. Es dürften sich nun bulgarischerseitS ungefähr 2000 Mann an der Grenze befinden, während die türkischen Truppen an der Grenze drei bis vier Mal stärker sein dürften. Die Herstellung einer Canalverbindung von der atlantischen Küste bis zu den uordamerikanischrn Binnen seen ist ein lange und viel besprochener Plan. Von Seiten amerikanischer Interessenten waren verschiedene Vorschläge gemacht worden, deren theilweise Ausführung auch in Aus sicht genommen wurde, während die Gesammtverwirk- lichung wegen der enormen Kosten auf Bedenken stieß. Nunmehr will Canada, daS in der Anlage von Canälen bedeutend mehr geleistet hat als die Vereinigten Staaten — für die Wasserstraßen, die vertragsmäßig von den Schiffen beider Nationen benutzt werden, hat Canada 50 Millionen, die Union nur 8 Millionen Dollars ausgegeben —, im Verein mit den Vereinigten Staaten auf canadischem Gebiet mit Benutzung der bereits bestehenden Verbindungen eine internationale Wasserstraße schaffen, auf welcher die größten Oceanschiffe von den euro päischen Häfen direct bis Duluth, dem Hafenplatz am äußersten Westende deS SuperiorseeS, also bis ins Herz des nord- amexikanischen ContinentS hinein, fahren können. Nach dem Voranschläge würden sich die Kosten für das Riesenwerk aus 65 Millionen Dollars stellen. Diese Kosten sollen nun nach Canadas Vorschlag gemeinsam getragen und die fertige Anlage unter die Controle der Vereinigten Staaten und Canadas gestellt werden. Bereits dem letzten Congreß war von Canada der Vorschlag unterbreitet worden, eine gemein schaftliche Commission für die vorbereitenden Arbeiten zu ernennen. Der Senat hatte eine diesem Vorschlag ent sprechende Bill angenommen; im Repräsentantenhause aber kam der Senatsbesckluß unter dem Drucke dringlicherer Angelegenheiten nicht zur Erörterung. Da die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten, voraussetzt, daß der internationale Charakter der Anlage sichergestellt werden kann, dem Projekt günstig ist, so ist eS wahrscheinlich, daß der 54. Congreß das Anerbieten CanadaS anaimmt und Beschlüsse faßt, welche die Inangriffnahme des großen Werke» ermöglichen und seine Ausführung sicherstellen. Deutsches Reich. * Berlin, 23. Juni. Der bekannte Erlaß deS früheren CultusministerS v. Zedlitz über den Unterricht der Dissi- denten-Kinder, der auch vom jetzigen Cultusminister vr. Bosse als zu Recht bestehend anerkannt wird, hat die städtische Schuldeputation genöthigt, die hiesigen Dissidenten durch Geldstrafen, nöthigenfallS durch Haft, dazu zu zwingen, daß sie ihre die Gemeindeschulen besuchenden Kinder wider ihren Willen an dem in diesen Schulen ertheilten Religions unterricht theilnehmen lassen. Dadurch sind Verhältnisse entstanden, welche nicht nur von den zunächst be theiligten Personen, sondern von weiteren Kreisen der hiesige» Bürgerschaft als schwere Mißstände em pfunden werden. Wie nun der Magistrat der Stadt verordneten-Versammlung infolge ihres Beschlusses vom 27. September 1894 mittheilt, ist er wegen Beseitigung des neu einaesührten Verfahrens bei dem Cultusminister unterm 18. d. M. vorstellig geworden; er hat seine Bitte vor Allem darauf gestützt, daß seiner Ueberzeugung nach daS neue Ver fahren mit dem geltenden Rechte nicht vereinbar sei, denn eS widerspreche im Allgemeinen der seit den Zeiten Friedrich'S de» Großen in Preußen herrschenden, im Allgemeinen Landrrcht und in der Verfassung gesetzlich und verfassungs mäßig gewährleisteten Glauben-- und Gewissensfrei heit, und eS verstoße speciell gegen die ausdrückliche Be stimmung im tz. N de» Allgemeinen LandreHt», Lheil ll Titü 12. Der Magistrat weist ferner darauf hin. daß die Stadtverordnetenversammlung die Auffassung deS Magistrat« thelle, da sie die Petition eines Dissidenten um Befreiung sein« Sohn«» vom Religionsunterricht in der Gemeiudeschule dem Magistrat zur Berücksichtigung überwiesen habe. — Die Cous ist orialverfügung, die den schlesischen Geistlichen zugegangeo ist, die den Aufruf gegen die Umsturzvorlage im .Volk" unterschrieben hatten, lautet nach dem genannten Blatte: BreSlau, 4. Mai 1895. In der Zeitung „TaS Volk" wirb ein Protest evangelischer Geistlicher gegen die Umsturzvorlage ver öffentlicht, unter welchem auch Ihr Name steht. Für den Fall, daß Sie in der Tdat daran bctheiligt sind, machen wir Ihnen be- merklich, daß der Inhalt dieser Erklärung, namentlich die Betonung des Rechte- der Geistlichen: „in freiem Worte auf der Kanzel und in der Öffentlichkeit die Schäden deS Volksleben» — zu geißeln —, Mißbräuche zu tadeln — auch in den Anordnungen der Obrigkeit, den Einrichtungen des Staats —" die Frage nahe legt, ob nicht die Be- theiligten die Stellung des evangelischen Pfarramtes und dir Aufgabe der Predigt verkennen und zu einer Thätigkeit sich verleiten lasten, welche im Widerspruch mit den Amtspflichten steht und weder der Gemeind« frommt noch das Reich Gotte» fördert. Da die in Rede stehende Angelegenheit auf den geordneten Wegen allseitig erwogen und zur Erledigung gebracht wird, so be schränken wir unS hier im Allgemeinen darauf, an die den Herren Geistlichen unseres Bezirkes zur Richtschnur dienenden und durch das Kirchl. Amtsblatt für 1890, S. 98. 1891 S. 1, 1892 S. 21. ihnen mitqethcilten Kundgebungen zu erinnern und empfehlen Ihne» auf das Dringendste, die darin eingehend erörterten Zielpunkte im Auge zu behalten, gez. Stolzmann. Darin, daß die politischen Angelegenheiten nicht auf die Kanzel gehören, wird man dem schlesischen Consistorium zustimmen. — Wie erst jetzt bekannt wird, bat der Kaiser zu den Ossicieren der Garde-Cavallerie-Division über den scheidenden bisherigen Inspekteur der 2. Cavallerie - Division General von Rosenberg auf dem Bornstedter Felde folgende ehrende Aeußerung gethan: „Zu Meinem großen Schmerz bat Mich der General von Rosenberg um seinen Abschied gebeten, und zwar in einer Art und Weise, wie es eben nur seiner Ver gangenheit und seinem Cbarakter zur Ehre gereichte, indem er einfach sagte, er sei nicht mehr felddienstfäbig. Alles, was die preußische Cavallerie jetzt ist und leistet, ist begründet auf den Namen Rosenberg, und derselbe wird glänzen, so lange eine preußische Cavallerie existirt." — Herbert Spencer verwahrt sich in einem Briefe an den italienischen Publicisten Lucio Fiorentini gegen den Vor wurf, socialistische Tendenzen zu hegen und zu ver breiten. Der Italiener hatte in seinen Schriften „Locialismo eck ^narclna" und „I-a Llaroia ckel Koeialismv" Herbert Spencer zu den Vorkämpfern deS SocialismuS gezählt. Da rauf entgegnet der englische Philosoph: „Es hat mich stark irritirt, daß Sie mich in Ihrem Buche socialistischer Neigungen anklagen. Ich muß sagen, es hat mich entrüstet. Kaum eine Behauptung über mich könnte so sehr der Wahrheit wider sprechen. In England und im Auslande werde ich doch als leitender Exponent des Individualismus be trachtet. Deshalb muß es mich Wunder nehmen, wie Jemand mich der Unterstützung des SocialiSmus zeihen kann. Eben so sehr wundere ich mich, wenn der Name Darwin'ö ähnlich gebraucht wird. Sobald ich zu schreiben anfing, er klärte ich mich gegen den SocialiSmuS. Die Lehre von der Ueberlebung des Tauglichsten, wie ich sie bereits im Jahre 1850 und 1852 und Darwin iu größtem Mastßabe in seinem „Ursprung der Arten" fcstgestellt hat, ist gewiß der socia- listischen Lehre diametral entgegengesetzt. Keiner, der meine Schriften gelesen hat, kann sagen, daß ich ein Socialist bin. Thut er es, so macht er sich grober Verstellung schuldig. Ich habe erst kürzlich erklärt, daß die Einführung deöSocia- liSmuS das größte Unglück sein würde, welches die Welt je gekannt hätte, und daß er nur im MilitairdeS- potiSmuS endigen würde." — Zur Auszeichnung deS Herrn von Boetticher durch den Kaiser schreibt die „Post" u. a.: „Der kaiserliche Erlaß an Herrn v. Boetticher mahnt in nachdrücklicher Weife an den Grundsatz deS preußisch-deutschen Staatörechts, daß der Monarch seine verantwortlichen Räthe nach völlig freiem Ermessen ernennt und sein Vertrauen allein über die Besetzung dieser höchsten Aemter entscheidet. Die Versuche der Presse, durch fortgesetzte Angriffe die von ihr gewünschten Personalveränderungen moralisch zu erzwingen, stehen mit diesem verfassungsmäßigen Grundsätze in Widerspruch und finden daher in dem Erlasse an Herrn von Boetticher eine zwar indirekte, aber um so nachdrücklichere principielle Zurückweisung. Dies gilt natürlich auch von den mehrfach bervorgetretenen Bestrebungen, noch weitere Personalver- änderunaen in den Centralstellen herbeizuführen. Aber ebenso selbstverständlich ist eS, daß diese staatsrechtliche Lage der Dinge die Verantwortung der Minister wesentlich verschärft. Je nachdrücklicher daS persönliche Regiment sich betont, um so ernster wird die Pflicht der Minister betreffs der ihnen obliegenden Verantwortung für die RegiernngS- politik im Ganzen wie im Einzelnen. Nur wen» die Ver antwortlichkeit rm strengsten Sinne deS Wortes auf gefaßt wird, erfüllen die verantwortlichen Räthe der Krone voll ihre Pflicht, nicht nur gegen da- Land und Volk, sondern auch gegenüber dem Herrscher selbst." — Wie. die „B. P. N." hören, liegt eS in der Absicht der NeichSregieruag, die durch da» Gesetz vom 22. Mai diese- Jahres genehmigten Beihilfe» au bedürftige ehemalige KriegStheilnehmer sobald al» möglich zu vertheileu. E- soll zu diesem Zwecke bereit» eine vorläufige Ausstellung entworfen sein, nach der die 1 800 000 „E be-- tragende Summe aufgetheilt werden soll. Die Unterstützungen belaufen sich auf 120 pro Jahr. Der Berechnung de« auf die einzelnen Bundesstaaten entfallenden Antheils wird die am l.December 1871 vorhanden gewesene staatSangehörige Bevölkerung zu Grunde gelegt. — Die „Münchener Medicinische Wochenschrift" mahnt auS Anlaß der Mariaberger Vorgänge und der schweren Vorwürfe, welche gegen die preußische Regierung gerichtet wurden, auckr andere Regierungen, Umschau zu halten. Speciell in Bayern hätte man allen Grund, den Zuständen in Wörishofen, welche mutatis mutsncki» denen auf Maria berg wenig nachständen, Aufmerksamkeit zu widmen. Damit sind die Verhältnisse im WöriShosener Kinderasyle gemeint. — Zum Fall Kock hat nun auch der Pommersche Pfarr-Verein Stellung genommen. Auf der Jahres versammlung, auf der 25 Bezirke mit 18 Delegieren vertreten waren, wurde die Angelegenheit deS Pastors Kock eingehend behandelt. Der Pfarr-Verein glaubte in dem Verfahren des Herrn v. Thadden und seiner Parteigenossen gegen Pastor Kock den Versuch erblicken zu müssen, dem Pastor daS Recht zu verschränken, daß er ohne Menschenfurcht und Menschen- gefälligkeit die Wahrheit nach allen Seiten hin zu vertreten habe. Mit seinem Vorgehen erklärte sich der Verein, ohne daS Auftreten des Pastors Kock in jeder Beziehung billigen zu wollen, für einverstanden und beauftragte den Vorstand, dem Amtsbruder für die Mannhaftigkeit seines Auftretens seine Zustimmung und dadurch Trost für die erlittenen Anfechtungen auSzusprrchen. — Mit Bezug darauf, daß Cardinal LedochowSki sein Jubiläum am 13. Juli in Rom feiern und sich dann nach Salzburg begeben wird, macht der „CzaS" hieraus besonders aufmerksam und theilt des Näheren mit, daß der Cardinal längere Zeit in dem Salzburger Kloster oder in Maria Plein bei Salzburg verweilen werde, was jenen, die dem Cardinal Huldigungen darbringen wollen, besonders bekannt gegeben wird. Man sucht eben polnischerseitS zu zahlreichen Kundgebungen für den Cardinal anzuregen. — Nachdem Großfürst Alexis L la euits der Marine gestellt ist, stehen in diesem Berhältniß zu unserer Kriegsflotte fünf fürst- licht Personen, nämlich der König von Schweden, der Erzherzog Karl Stephan von Oesterreich, der Herzog Alfred von Sachsen» Coburg-Golha. der Prinz Ludwig von Italien, Herzog der Abruzzen, und der Großfürst Alexis Alexandrowilsch von Rußland. Zu diesen fürstlichen Personen ohne bestimmttu Rang in unserer Flotte gesellen sich noch drei n ln suite stehende Contrc-Admirale: Graf v. Waldersee, von Eisendecher und der Hofmarschall des Prinzen Heinrich, Freiherr v. Seckendorfs, endlich Major Kolcwe im Reichs-Marineamt. — Dem bisherigen AttachS bei der französischen Botschaft in Berlin Vicomte de Treilhard ist der Kronenordeu vierter Classe verliehen worden. — Der „ReichSanz." meldet amtlich die Abberufung des Minister- Residenten in Luxemburg LegationSraths vr. Alfred vonBülow behufs anderweiter dienstlicher Verwendung. * Lübeck, 23. Juni. Auf die HuldigungSdepesche, welche bei der gestrigen Eröffnung der deutsch-nordischen Handels und Industrieausstellung an den Kaiser gerichtet worden war, ist folgende Antwort eingegangen: „Hermann Lange, Präsident des AusstrllungscomitLs, Lübeck. Se. Majestät der Kaiser und König lassen den Theilnehmern an der Eröffnungsfeier der deutsch-nordischen Handels- und Jnduslrieaus- strllung für die Versicherung treuer Anhänglichkeit besten» danken und dem AusstellungSunternehmrn guten Ersolg wünschen. gez. von LucanuS." * Breineu, 23. Juni. Der hiesigen Handelskammer ist vom LibauschenBörsencomitS folgende Glückwunsch adresse zugegangen: An den Vorstand der Börse der Freien Hansestadt Bremen. Vom Libauschen BörsencomitS. Veranlaßt durch das in diesen Tagen sich vollziehende welt geschichtliche Ereigniß der Eröffnung des Nord-Ostsee-Canals, dessen hochwichtige Bedeutung für die Entwickelung des Welthandels, insbesondere auch des Handelsverkehrs Rußlands und speciell Libaus mit dem gesammten Westen Europas, ja sogar mit den neuen Welttheilen, von der hiesigen Kaufmannschaft voll anerkannt wird, ist es dem Libauschen Börsencomitö eine angenehme Pflicht, die Kaufmannschaft von Bremen, als einer der an diesem Ereigniß zu allernächst interessirten Handelsstädte, aufrichtig zu beglückwünschen und der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß das neugeschaffene Kunst werk von so hervorragender Bedeutung sowohl dem deutschen Handel, wie dem deutsch-russischen Handelsverkehr und dem gesammten Welt handel zum dauernden Segen gereichen möge. Libau, den 7./19. Juni 1895. (Unterschriften.) * Hanuover, 22. Juni. Der Verband der deutschen Schuh- und Schäftefabrikanten hielt vor einigen Tagen hier seine diesjährige Hauptversammlung ab. Zur Frage deS QuebrachozollS wurde einstimmig folgende Resolution angenommen: „Die Versammlung erblickt in dem Antrag de- Freiherrn von Heyt und Genossen auf Kündigung deS argentinischen Handels vertrag«» eineu Angriff ans di« gesammt« Handelsvertrag-Politik und spricht den Wunsch an», daß di« geltenden Verträge nicht nur aufrechterhaften, sondern da» System der Handelsvertrag« noch weiter antqebant werden möge, damit die Stetigkeit nnsrrer Handels beziehungen zum Ausland« möglichst gewährleistet bleibt." * Ancheu» 22. Juni. Heute Mittag traf der Oberpräsi dent der Rheinprovinz Nasse hier eru und besichtigte in Begleitung de» LandeSdirector» vr. Klein im Laufe deS Nach mittag» die Alexianeraustalt Mariaberg. (Kölu. Ztg.) * Nürnberg» 22. Juni. Da» Schwurgericht verorthrilte den Redakteur der socialistischru „Tagespost" Varrtaer wegen groben Unfugs, verübt durch einen Artikel über die Fuchs mühlrr An gelegenheit und den damit zusammenhängenden Münchener Preß- procrß, zu 50^ Geldstrafe. Die „Münchener Post" und die „Oberfränkische BoltSzeitung" hatten de» gleichen Artikel unbean standet gebracht. Boa der Anklage wegen ReltgionsvrrgehenS wurde Gaertner freigesprochra. * Stratzburg, 22. Juni. Die Zahl der iu beiden Sprachen erscheinenden Blätter nimmt von Jahr zu Jahr ab. Wie unlängst die „Colmarer Zeitung", so erklärt jetzt auch die in Diedenhofen erscheinende „Mosel- und Nidzeitung", sie werde von jetzt ab vollständig deutsch erscheinen. DaS Be- dürsniß nach französischer Lecture ist demnach in stetem Rück gang begriffen. * Constanz, 21. Juni. Die „Constanzer Ztg." meldet: Gestern ist folgendes Telegramm an die Adresse de- präsi- rirendea Bürgermeister« der freien Hansestadt Hamburg, vr. Lehmann, zu dem feierlichen Festmahl im RatbbauS ad- gegangen: DaS große Friedenswerk ist vollendet. Mit Stolz und freudiger Erregung nimmt Alldeutschland Antbeil an den Festtagen rm Norden deS Reiches. Um Zeugniß abzulegen auch für die innere Einheit aller Deutschen in diesen denk würdigen Stunden, beauftragensunSjüber 7000 Männersvon den Ufern deS schwäbischen Meere« an deS Reiches Südgrenze, au« Bayern, Württemberg und Baden, der erlauchten Festversammlung ihren ehrerbietigen Gruß zu entbieten. Möge das herrliche Werk dienen aller Welt zu Nutz und Frommen, Deutschland zu Ehr und Segen! Heil Kaiser und Reich, Heil dem geeinten Vaterland! Der Oberbürgermeister zu Constanz: Weber. Der Stadtschultheiß zu Friedrichs- Hafen: Schmidt. Der rechtskundige Bürgermeister zu Lind au: Schützinger. Gestern Abend 8 Uhr traf an den Oberbürger meister Weber folgendes Telegramm «in: Mit Erlaubniß und unter Anerkennung Sr. Majestät de» Kaiser- ist Ihr patriotisches Telegramm an der Kaisertafel bekannt gegeben worden, vr. Lehmann, präsidirender Bürgermeister. Oesterreich -Ungar«. * Wien, 22. Juni. Dem heutigen ersten Diner bei dem Kaiser zu Ehren der Mitglieder der Delegationen wohnten bei: die Präsidien der beiden Delegationen, je 27 Mitglieder beider Delegationen, die gemeinsamen Minister, der ungarische Ministerpräsident Baron Banffy, der österreichische Minister präsident Graf KielmanSegg und der Minister a latere Baron Iosika. Ferner waren erschienen der Marinecomman- dant Freiherr v. Sterneck, der Präsident deS gemeinsamen Obersten Rechnungshofes Töth v. Szskely, der SectionSchef im Ministerium des Äeußern Freiherr v. Pasetti, sowie andere Beamte der gemeinsamen Ministerien. * Wien, 22. Juni. Plenarsitzung der österreichischen Delegation (Schluß). Nachdem der Abgeordnete Stalitz für und der Abgeordnete Biankini gegen das Ein gehen auf die Specialdebatte gesprochen, widerlegt der Abg. Ruß die Behauptungen der Opposition und er klärt, es sei Pflicht der Mehrheit der Delegation, Dem jenigen ihr Vertrauen auszusprechen, der feierlich ver sprochen habe, die seit Jahren von der Delegation ge- billigte auswärtige Politik fortzusetzen. (Lebhafter Beifall.) Nach Schluß der Generaldebatte widmete Abgeordneter Süß dem früheren Minister des Auswärtigen, Grafen Kaluoky, Worte der Anerkennung für die Stabilisiruna der Verhält nisse an der südöstlichen Grenze des Reiches. Da er, Redner, voller Zuversicht sei, daß der jetzige Minister deS Acußeren die friedlichen Bestrebungen seines Vorgängers fortsetzen werde, so votire er für Annahme des Budget» des Aus wärtigen (lebhafter Beifall). Abg. Herold erklärt, es fei falsch, von einem Zurückweichen der Opposition zu sprechen; seine, des Redners, Partei erhlicke im Dreihunde eine Gefahr für die Interessen der ganzen Monarchie. Nach einem Schlußworte deS Referenten Dumba wurde das Budget des Aeußcren in Generaldebatte und sodann auch, debattelos, in Specialdebatte angenommen und die Sitzung darauf geschlossen. — In der heutigen Plenarsitzung der ungarischen Delegation wurden die Voranschläge für die Marine, sowie für das gemeinsame Finanzministerium an genommen. Bei den Schlußrechnungen für 1893, welche zur Kenntniß genommen wurden» äußerte HoranSzky den Wunsch, daß künftig zugleich mit den Schlußrechnungen auch der CaffenausweiS und die VermögenSbilanz oder Inventur vor gelegt werden, damit festgestellt werden könne, ob die Aus rüstungen den jährlichen Dotationen entsprechen. Redner erklärte aber, keinen Antrag stellen zu wollen. Neichssinanz- minister Baron Kallay erwiderte, die gemeinsame Regierung werde diese Wünsche in ernste Erwägung ziehen und dieselben, wenn möglich, erfüllen. (Fortsetzung in der I. Beilage.) kommenen sind verschieden. Ich möchte Dich nur ersuchen, fürderhin vorsichtiger zu sein, WaS Dein Thun und Handeln betrifft, um keinen Anlaß zu bösen Deutungen zu geben. — Wie kam denn eigentlich Lieutenant Saalfeldt dazu, sich bei Frau Martha einzumiethen?" „Weil ich ihm den Rath gegeben, in der gewiß guten Absicht, beiden einen Gefallen zu thun." Hardenberg war durch die Offenheit seiner jungen Frau entwaffnet, er lächelte unwillkürlich und ergriff ihre Hand, die sie ihm nur zögernd überließ, denn sie war noch nicht ganz versöhnt. „Vally, gestehe eS nur, macht Dir der Lieutenant den Hof?" „Nun, daS versteht sich Wohl von selbst, oder meinst Du, daß Frau v. Strehlen —" „Nein, Du bist sicher viel schöner und liebenswürdiger als die kleine, spottlustige Clementine Strehlen, aber sieh, Kind, ich bitte Dich, doch dem Lieutenant Saalfeldt weniger Gelegenheit ru gehen, Dir seine Huldigungen darzubrinaen, die Leute haben scharfe Augen und böse Zungen — kurz gesagt, man hält sich über die häufigen Spazierritte auf, wobei der Lieutenant Euer unzertrennlicher Begleiter ist, und dann brachte man die Schenkung der Möbel, die Ein quartierung Saalfeldt'» bei Martha Winterfeld damit in Verbindung und —" „Ach, warnm leben wir nicht mehr im Mittelalter, wo man Verleumdern zur Strafe die Zunge herauSriß!" rief ValeSka entrüstet. „Kind, rege Dich nicht so auf, man muß nie die Herr schaft über sich selbst verlieren. Ich wollte Dich nur einfach warnen, habe aber kein Wort davon geglaubt." „Diese Versicherung ist überflüssig", sprach ValeSka tief aufathmend. „Ich habe Dir keinen Grund gegeben, mir eine Niedrigkeit zuzutrauen, und thätest Du e» infolge böser Ein flüsterungen, deren trübe Quelle ich zu kennen glaube, dann begingest Du ein schwere» Unrecht an mir, da» ich Dir nie vergeben würde." „So »„christlich denkt meine kleine Frau?" „Ja, in der Beziehung bin ich eine schlechte Christin, ich leugne eS nicht und will mich nicht bester machen, al» ich bin. Wer meine Ehre antastet, der greift mir ans Herz. WaS übrigens die Verdächtigungen betrifft, welche Tante Rosamunde oder diese liebe Aurelie Winterfeld ausgesonnen haben, so find dieselben ebenso grundlos wie abscheulich, denn ick bin besouder» iu Deiner Abwesenheit nie allein nach der Scheit niger Villa gefahren, um mit den Strehlen'S und Winter- feld'S zusammen zu treffen, sondern stets in Nenate'ö Be gleitung. Du weißt ja, daß Heinze das Pferd und den Damensattel schon seit Wochen abgeliefert, und daS Kind hat eine so ungeheuere Freude darüber an den Tag gelegt, baß eS eine Sünde gewesen wäre, Renate das unschuldige Ver gnügen zu rauben. Auch scheint daS Reiten, die viele Be wegung in frischer Luft günstig auf sie zu wirken, denn ich finde, daß Renate blühend aussieht und viel lebhafter und mittheilsamer ist als vordem." „DaS macht, weil sie eine so gute Stiefmutter bat", scherzte Hardenherg, dann fuhr er mit etwas bewölkter Stirn fort: „Aber sage mir, Vally, was hält denn eigentlich den Lieutenant Saalfeldt hier in BreSlau fest? Er ergeht sich zuweilen in mysteriösen Andeutungen über den Grund seines langen Bleibens, doch glaube ick kein Wort davon. Viel leicht war er Dir gegenüber aufrichtiger." „Nein, das nicht, selbst Siegfried, dem ich einige Male von Saalfeldt schrieb, hüllt sich m Schweigen. Dagegen hat mir Onkel Dietrich, der jetzt nach Berlin zurückgekehrt ist, heute von dort geschrieben, daß es mit Victor schlecht stehe und er wahrscheinlich seinen Abschied werde nehmen müssen, Schulden halber natürlich." „Ich dachte eS mir beinahe — aber WaS will er hier?" „Da fragst Du mich zu viel. Vielleicht hat er gemeint. Du könntest ihm in Deinem Bankgeschäft eine Anstellung geben, oder er hofft durch den Kammerherrn v. d. Golze in TüttniannSdorf etwa- für sich; erst neulick ist er wieder dort gewesen, ohne den Kammerherrn zu treffen, der schon nach Berlin zurückgekehrt ist." „Hm — wen» e» so ist, dann habe ich nichts dagegen, daß er nach wie vor unser Hau» besucht, obwohl ich ,hm kaum jemals eine Anstellung werde verschaffen können, am wenigsten in meinem Geschäft." „Vielleicht eher in Tiefensee", meinte eifrig ValeSka, „eS würde mich freuen, dem Jugendfreunde helfen zu können." „Wir werden ja sehen", erwiderte Hardenberg kühl, „vor läufig hat der Herr Lieutenant unsere Hilfe ncch nicht in An spruch genommen." Damit war die Sache abgemacht, und Victor bezog zu Tante Nosamunde'S und Aurelie'S Verdruß da» „moblirte Zimmer" im Hause der Frau Martha und fühlte sich sehr mobl in seiner neuen Wobnung. Es war zwar nur ein kleines alte-Han», in der Friedrichs straße gelegen, daS der Besitzer schon immer hatte niederreißen lassen wollen, um eine der modernen ZinScasernen aufzu richten, doch verstand eS Frau Martha, ihrem MiethSmanne de» Aufenthalt hei ihr behaglich zu machen. Seihst Karl kehrte seine beste Seite heraus und war artig und zuvorkommend gegen den Gast, der oft, von Langeweile geplagt, sich mit dem zungen Manne unterhielt und ihm von seinen Cigarren anbot. Karl'« Bildung war ja eine sehr lückenhafte, das ließ sich nicht leugnen, aber er war viel gereist und hatte „drüben" Manches gesehen und erlebt, über daS er unterhaltend zu plaudern vermochte. Selbstverständlich kramte er bald seine Pläne zur Weltverbessrrung au» und ließ eS an tönenden Phrasen nicht fehlen. Da kam er aber bei Victor gut an. Der lachte ihn ganz einfach aus und hatte ihm einmal zur Erwiderung auf eine wortreiche Tirade gesagt: „Mein lieber Winterfeld, ich leugne gar nicht, daß — so zu sagen etwa- faul ist im Staate Dänemark, vielleicht sogar mehr als wir ahnen — nur bezweifle ich ganz entschieden, daß Sie die Welt verbessern werden, und Sie würden ver nünftiger handeln, bei sich anzufangen, und Ihr eigenes LooS sicher zu stellen. Ihre Brüder, die Geknechteten, die Enterbten, wie Sie dieselben nennen, werden Ihnen weder eine» neuen Rock, noch etwa« zu essen gebe», schon aus dem einfachen Grunde, weil sie selbst nicht- haben. Lassen Sie also Jeden für sich sorgen, daS ist dann getheilte Arbeit, allein bringen Sie'S nimmer fertig." Im Herzen hatte Karl den jungen Officier zwar einen eingefleischten Aristokraten, einen unverbesserlichen Egoisten genannt, die Worte hatten aber doch einen gewissen Eindruck auf ibn gemacht, um so mehr, al- eS ihm ja eigentlich nie recht Ernst gewesen war mit dem socialpolitischen GlaubenS- bekenntniß. Letzteres war überhaupt einer trüben Quelle entsprungen, und zwar nicht der Liebe zu den leidenden Nebenmenschen, sondern dem Haffe gegen die bevorzugten Claffcu, die Vor nehmen, die Besitzenden. Zu Victor fühlte sich Karl hingezogen, weil dieser, dem daS Vorleben de» Apostels der Weltbeglückungslehre unbekannt war, ikn artig behandelte und zweitens, weil er bald heran hatte, daß eS mit den Geldmitteln deS schönen Officier» nicht weit her sei. Als der Aufenthalt in BreSlau sich immer weiter hinan» dehnte und eine Hilfsquelle nach der anderen versagte, hatte Victor sich sogar entschließen muffen, einen kostbaren Brillant ring zu veräußern, um sich die nothwendigen Existenzmittel zu verschaffen. DaS war kein geringe- Opfer für ibn, aber eS mußte gebracht werden. Bisher war eS ihm stets ge lungen, das werthvolle Erbstück den Klauen seiner Gläubiger zu entziehen. An Karl wendete sich nun Victor mit der Bitte, den Ring verkaufen zu wollen, da er selbst dies nicht Wohl thun könne. Ersten» sei er doch fremd hier, danne könne Gerede entstehen und die Sache bekannt werden, was er hauptsäcklich ver meiden möchte. Karl wiederum rieth dazu, den Ring nur zu verpfänden und erbot sich, dies Geschäft zu besorgen, womit der Lieutnant zufrieden war. Seine Laune wurde wieder zur rosigen, als er solcher Art über eine ganz nette Summe disponiren konnte und nicht gezwungen worden war, sich von dem lieben Kleinode ganz zu trennen. Noch ein wenig Geduld, daun wurde er wieder flott. Denn die angesponnene Liebesangelegenheit ließ nicht« zu wünschen übrig, und er steuerte mit vollen Segeln dem Hafen der Ehe zu. Hauptsache blieb, vorerst da» süße Gebeimniß noch vor aller Welt zu bewahren, und dazu half ihm die Erwählte mit seltener Ueberlegenheit und Gefühlsbeherrschung. Daß Renate, durch ungesunde Nomankost verdorben, in dem ersten interessanten jungen Mann — der znm Ueber- fluffe noch den bunten Nock trug — da« Ideal ihrer Träume, den Helden ihre« LebenöromaneS aesehea, war ja ganz natürlich, doch daß sie ihre sinnliche Natur so zu beherrschen vermochte, daß bisher Niemand etwa» von dieser Liebe ahnte, bewies, daß sie Anlage habe, eine gesckickte Heuchlerin zu werden. Die Gelegenheit war diesem eigenthümlichen Liebespaare bisher stet« günstig gewesen. Rittmeister v. Strehlen hatte zwar an einzelnen schönen Herbsttagen die versprochenen Reitlectionen fortgesetzt, da er aber bei weiteren Ausritten doch nicht immer neben dem kleinen „Pensionsfräulein" bleiben wollte, ließ er e» gern geschehen, wenn Victor Saalfeld seine Stelle einnahm, dicht neben der unsicheren Reiterin im Schritt ritt und ihr Pferd am Zügel nahm. (Fortsetzung folgt.)
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