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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-31
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930831026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893083102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893083102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-31
- Monat1893-08
- Jahr1893
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«112 den maßgebenden Faktoren persönlich betreiben zu können. Bisher waren alle seine Bemühungen in dieser Richtung erfolglos. Diesmal aber dürste er sein Ziel erreichen, Wenigstens zunächst insoweit, als sein Entlassungsgesuch aller Wahrscheinlichkeit nach angenommen werden wird. Die Pforte steht somit wieder einmal vor der schwierigen Frage der Neubesetzung des GouverneurpostcnS von Kreta. In den diplomatischen Kreisen von Konstaiitinopel neigt man sich der Ansicht zu, dah der neue Gouverneur wieder «in Christ sein werde. Man stützt diese Erwartung auf den Um stand, daß gegenwärtig besondere Maßregeln gegen Kreta, also auch die seit dem letzten Ausstande währende interimistische Statthalterschaft, nicht mehr nöthig seien und die Krctenser sich wieder für einige Zeit beruhigt fühlen dürften, wenn sic einen christlichen Gouverneur erhielten. Ein derartiges Ent gegenkommen von Seiten der Psorte würbe jedenfalls im eigenen Interesse der türkischen Regierung liegen. Ihre mili- talrische Stellung auf der Insel könnte die Psorte durch einen energischen Militaircommandanten genügend sichern. Als Nachfolger Mahmud Dschellaleddin Pascha'S wurde in erster Linie Karalheodori Pascha, der seit 1885 Fürst von SamoS ist, genannt. Die Psorte soll ihn auch wirklich ernstlich als Candidaten ioS Auge gefaßt haben, in Aildiz-KloSk jedoch haben sich gegen seine Candidatur Bedenken sehr seltsamer Art erhoben. Es wurden nämlich Stimmen lallt, daß man Karalheodori, welcher der erste türkische Delrgirtr beim Berliner Eongrefse war, auf einen in politischer Beziehung markanten Posten aus dem Grunde nicht berufen dürfe, weil eS sonst den Anschein gewinnen könne, daß man sich in Konstantinopel mit dem Berliner Vertrage, welcher der Pforte so empfindliche Verluste deidrachte, nunmehr vollständig auSgrsöhnt habe. Als weiterer Eandidal, der auch die meisten Aussichten zur Berufung zu haben scheint, wird Christaki Anthohoulo Pascha genannt, der bekanntlich schon einmal, bis April l888, General-Gouverneur auf Kreta war, sich auf diesem Posten ziemlich bewährte und sich aus der Insel viele Sympathien erworben hat. Deutsches Reich. ä Berlin, 3V. August. Für die preußischen Land tagSwahlen, deren Termin immer näher rückt, ist es ein sehr ungünstiger Umstand, daß im Sommer erst die Wahlen znm Reichstage stattgefunden haben. Wenn nach den Änstren gungen und Aufregungen, welche jener Wahlkamps herbei- geführt hat, von Vorbereitungen für die Landtagswahlen noch nicht viel die Rede ist» so kann man das nur beklagen, den» wenn auch den nächsten Landtag voraussichtlich keine großen Resormgcsctze beschäftigen werden, so ist man doch vor Ueber- raschungen nicht sicher, um so weniger, wenn eS gelingen sollte, daß auch im künftigen Abgeordncleuhauje eine konservativ - klerikale Majorität wieder erschiene. Die beiden genannten Parteien machen alle Anstrengungen, um das, namentlich in der letzten Legislaturperiode, bewährte Vündniß von Neuem zu ermöglichen. DaS Eentrum kündigt an, daß es mit großer Umsicht und Rührigkeit Vorgehen müsse, um die Bildung einer mittelparteilichen Mehrheit zu verhindern und die Möglichkeit einer doppelten Mehrheils- bildung sich zu erhalten. Die Ultramontanen haben in diesen Tagen freilich noch mit ihren Congreffen zu viel zu thun, als daß sie schon an die eigentlichen Wahl vorbereitungen gehen könnten, viel eifriger sind aber die Conservativen bei der Arbeit, um die Parteiorgani sation zu beschleunigen. Die „Kreuzzeitung" blickt den bevorstehenden LandtagSwahlen mit großer Zuversicht ent gegen, sie hat „gegründete Hoffnung", daß die conservative Partei mindestens m der alten Stärke wiederkchren und den maßgebenden Einfluß auf die Geschäfte des Abgeordneten hauses, den sie seit mehr als einem Jahrzehnt besitze, auch fernerhin behalten werde; sie glaubt nicht, baß der „gemäßigte Liberalismus" trotz deö erhöhten EinfiusscS, den die Gelv- macht(!) durch das neue Wahlgesetz in Verbindung mit der Steuerreform erfahren habe, den Conservativen in ihrem bisherigen Besitzstände Abbruch thun werde. Wenn dann die „Kreuzzeilung" noch ferner der Ansicht ihren Beifall giebt, daß die beiden conservativen Gruppen hei den nächsten Wahlen allein die Mehrheit erhalten werden, so sind das vorläufig nur Bermuthuiigcn, die sich darauf gründen, daß die conservative Partei in ihrem Tivoli-Programm einen festen Boden gefunden zu haben glauht, auf welchem sie auch den bevorstehenden Wahlkampf mit Erfolg zu bestehen hofft. Daß aber das Tivoli-Programm doch kein unfehlbares Mittel zur Stärkung der conservativen Partei ist, dafür genügt eS, an ArnSwalde und Ncustettin zu erinnern. Die Antijemiten von der Richtung des Herrn Böckcl haben bekanntlich erklärt, daß sie sich die-mal an den LandtagSwahlen betheiligen würden, und wenn auch nicht zu befürchten steht, daß bei diesen Wahlen der fortgeschrittene Antisemitismus solche Erfolge erreichen werde, wie bei den ReichStagSwahlcn, so könnte eS Loch geschehen, daß die von der „Kreuzzeitung" erträumte Mehrheit nicht zu Stande käme, ganz abgesehen davon, daß es noch sehr fraglich ist, ob sich die Freiconservativen für die Pläne der Deutschconservaliven einsaugen lassen, wenn e« unter ihnen auch vereinzelte Mitglieder giebt, welche, namentlich io wirthschaftlichcn Fragen, mit der äußersten Rechte» zuweilen zu gehen lieben. Worauf es den Hoch- conservativen aber vor Allem bei der bevorstehenden Dabl- bcwegung anzukommen scheint, daß ist die reinliche Scheidung von den Nationalliberalen. Bei den Conservativen ist e- seit dem Jahre 1887 zur fixen Idee ge worden, daß sie auf ihre eigenen Unkosten bei den Wahlen die Geschäfte der Mittelparteien besorgt hätten, obwohl ihnen schon häufig genug nachaewiesen ist, daß sie von dem Wabl- bündniß dieselben Vorlbrile gehabt haben, wie die übrigen Parteien. Für die politische Haltung unserer Conservativen ist eS aber sehr bezeichnend, daß sie, während sie in allen nationalen Fragen aus die Unterstützung der Mittelparteien angewiesen sind, dort, wo sie ihre eigenen Pläne versvlgen, sich um die Hilfe des demokratischen Ccntrums eifrig bewerben; so groß muß also wohl der Widerwille der altpreußischen Cvnser- vativen gegen den „Mußprcußcn" Lieber, der sich so arg diScreditirt bat, nickt sein. Nu» ist cö allerdings nicht selten, daß die „Kreuzzeilung" Politik auf eigene Faust macht; vielleicht wird sich die conservative Fraktion noch be sinnen, ehe sie die Wünsche jenes Blattes zu den ihrigen macht. Aber angesichts der Stimmung, welche im censervativen Lager herrscht, darf die nationalliberale Partei keine Zeit mehr versäumen, um die Organisation für die LandtagSwahlen kräftig zu betreiben, vor Allem muß dafür gesorgt werden, daß die bestehenden localen Organi sationen der Cartelparteien nicht von den Conservativen für ihre Zwecke allein dienstbar gemacht werden. E- bedarf eines schnellen und zielbewußten Vergebens, damit der nationalliberalen Partei der ihr gebührende Einfluß gesichert und die schönen Absichten zerstört werden, welche die Hoch- conservativcn an die kommenden Wahlen knüpfen. — Der Kaiser bat sich heute nach Nudow zu Herrn v. Benda zur Jagd begeben und wirb am Nachmittag zum Neuen Palais zurückkchren. Morgen früh gedenkt er sich schon um 6 Uhr inS Manörerfeld deö GardccorpS zu begeben. Abends treten dann beide Majestäten kurz vor 1l Uhr die Reise nach Cobleuz an. — Dem „Hamb. Corresp." wird von hier telegraphirt: „Gutem Vernebmcn nach hat der Kaiser das Abschieds gesuch deSKriegsministers vonKaltenborn-Stachau nicht genehmigt". — Morgen bcziebt sich der KricgSministcr von bier zunächst nach Coblenz und wird alStann auch den Manövern in Elsaß-Lolbringen im Gefolge des Kaisers bei wohnen. Tic Rückkehr de» Ministers erfolgt etwa ani l7. nächsten MonatS. — Prinz Georg von Preußen weilt gegenwärtigem» Curaufenthalt in Rigi Kallbad und gedenkt erst Ende Sep tember nach Berlin zurückzukehren. — Der Herzog Ernst Günther von Schleswig- Holstein, welcher gegenwärtig in Berlin weilt, begab sich deute Vormittag zum Besuche bei dem Kaiserpaare von hier nach Potsdam. — Der deutsche Gesandte in Athen, Graf WeSdehlen, ist nach mehrtägigem Aufenthalte hier gestern nach Neuschatel abgcreist. — Fürst Mesch tscherSky ist heute mit Familie aus Peters burg hier eingelrossen. — Der englische Botschafter am hiesigen Hofe, Sir Edward Malet, hat sich nach den Beiietzungsfeierlichkeiten in Coburg wieder nach Homburg v. d. H. begeben. — Der englische Gesandte in Dresden, Strachey, ist aus Dresden hier eingelrofsen. — Der ehemalige LandtagSabgeordnete Bork, der eine Reihe von Jahren hindurch den Wahlkreis Biedenkopf im Abgeordneten- Hause vertrat, ist gestorben; er war Mitglied der nationalliberalen Fraktion, bis der Zedlitz'sche Schulgesetzentwurf zur Ber.ithung kam: er trat dann au- der nationalliberalen Fraktion auS uud legte bald daraus sein Mandat nieder. — In allen Betrachtungen der hiesigen Presse wird der Sieg de- Obersten v. Scheie mit großer Gcnugthuung besprochen und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß man nun mit dem Widerstande des Sultans Meli geendet haben werde. UebrigcnS beweist dieser letzte siegreiche Kampf aufs neue, daß man auch in Afrika, um zu siegen, über größere Truppcnmengcn verfügen muß. Den Lieutenant v. Bulow, der in diesen Gegenden geschlagen und getödtet wurde, hätte die- Schicksal vielleicht nicht erreicht, wenn er mit so starker Kraft hätte auftreten können, wie jetzt Herr v. Schele. Mit dem gegen Meli erfochtenen Erfolge ist aber die Beruhigung unserer Cvlonie noch lange nicht vollendet. Um diese zu erreichen, werden noch mehr Kämpfe durchgefochten werden müssen, und um auch in diesen siegreich zu scm und um dann die Rübe auch dauernd auf recht halten zu können, dazu bedarf es ausreichender Soldaten, mit anderen Worten, einer Vermehrung der Schutz truppe, ohne die man aus die Dauer nicht auSkommen kann. ES wird sich Herausstellen, daß man mit einer recht baldigen Verstärkung der Truppe auch finanziell viel besser fahren wird, als wenn mau aus Sparsamkeit sich der Möglichkeit von Niederlagen auSse^t, die dann nur unter unverbältniß- mäßigen Opfern an Geld und Blut wieder gut gemacht werden können. — Der „Schles. Ztg." zufolge hat der Cultu-minister einen Erlaß an die königlichcn Regierungen gerichtet, wel cher sich mit dem Geschichtsunterricht in den öffent lichen Volksschulen beschäftigt. Der Minister bemerkt darin mit Befriedigung, w:e er auS den Berichten feiner Commissare von dem Fortschreiten im Geschichtsunter richt der Volksschulen Kcnntniß erhalten habe; diese Fort schritte würden aber nach des Minister» Wahrnehmungen »och größer sein können, wenn sich nicht viele Lehrer durch em gut gemeinte-, aber oft verfehlte» Streben »ach Gründlichkeit verleiten ließen, zu lange bei den An fängen der deutschen und der preußischen Geschichte zu ver weilen, und dadurch genöthigt würden, im weiteren Verlause, gerade bei den wichtigeren Stellen zu kürzen. Nur dadurch erkläre eS sich, daß die Schüler zuweilen über die Einzelheiten in den Anfängen unserer vaterländischen Geschichte mehr als ausreichend unterrichtet feie», während sich ihre Kenntnisse über einzelne grundlegende Thalsachcn kcS weiter» geschichtliche» Ver laufs, insbesondere der neueren vaterländische» Euiwickelung, als lückenhaft und unzulänglich erwiesen. Der Minister legt den entschiedensten Werth daraus, daß die Heranwachsende Jugend im Unterricht der Volksschule ein klares und volles Bild von der Sorge erhalte, die der Große Kurfürst und die preußischen Könige der Förderung des VolkSwohlcL zugewendet haben, und daß ihr auch eine anschauliche Darstellung der glorreichen Zeiten gegeben werde, in welchen unsere Könige die Macht Preußens gegründet und gefestigt, sowie dem Deutschen Reiche seine Einheit wieder gewonnen haben. Die Regierungen sind ersucht worden, das Erforderliche danach zu veranlassen. — Zu den widersprechenden Meldungen, ob ein Schul- dotationSgesetz für die nächste LandtagSlagung zu erwarten ist oder nicht, wirb dcr „Voss. Ztg." geschrieben: Nach gegen wärtiger Sachlage ist kaum anzunehmen, daß die preußische Regierung gewillt ist, ernsthaft an das EchuldotationSgcsctz und waS damit zusammenhängt, heranzutreten. Es besteht die Absicht, die gcsanimten UnlerrichtSfragen in einer dem nächst abzuhaltende» Ministerialconserenz zu berathen. Greif bare Erfolge verspricht man sich jedoch zunächst davon nicht. Unterrichtsgesetz, ja vielleicht auch SchuldotationS- gesetz bleiben fürs Erste fromme Wünsche. — Im Hinblick aus den bevorstehenden Sedantag und die mit demselben verbundenen Feierlichkeiten habe» die Minister deS Innern und des Krieges die Ober-Präsidenten ermächtigt, »ach Benehmen mit Lei» tonigiichcn General-Commando denjenigen Kriegcr-Vereinen, deren Gesuche um Gestattung der Führung von Fahnen eüigercicht worden sind, aber noch nicht ihre Er- ledigung gefunden haben, die Führung ihrer Fakne» zum Sedan- tage widerruflich zu gestatten, josern hiergegen im Euizclsalle keine Bedenken obwaite». * stick, 30. August. Dcr gestern zurückgekebrte Prinz Heinrich wird nach Beendigung dcr Flottenübungen einen mehrwöchigen Urlaub antreicn. Die Prinzessin Heinrich begicbt sich in den nächste» Tagen nach Darmstadt. — Gestern ist derCorvellencapilai» Hirschberg im Alter von 44 Iabren verstorben. Er gehörte seil dem Jahre 1867 der Marine an und nab:» an der Zerstörung deS Lagers Buschiris hervor ragenden Antheil. * VreSla», 30. August. Wie der „Kattowitzer Zeitung" mehr- sach bestätigt wird, bat ein preußischer Grenzbeamter bei Milowiee einen russischen Soldaten aus deuttchcm Gebiete erschossen. Der Russe wollte eine entlausenc Kuh zurückholen. Ter preußische Beamte ries dreimal vergebens Halt und scueri« hierauf. * Würzbnrg, 30. August. In der dritten Geschäfl-sitznng erledigte der Katholikentag weitere Anträge über Schnl- wesen und Vereine. Benierkenswerth war das Auftreten deS historischen römischen Iudenknaben Mortara, der als römischer Anzustmerpater die Versanimlung begrüßte und die Deutschen ox zuro für eine katholische Nation erklärte. Als Ort für die nächste Geueialversammlung wurde Köln bestimmt. — In dem von dem Papste an den Katholikentag gerichteten Schreiben beißt eS u. A.: „Vor Allem versprechen wir unS von dem Zusammentritt so vieler Männer, dem Austausch von Reden und Rattsschlägen sicher die Förderung gegenseitiger Liebe und ein streng einheit liches Zusammenhalten der Katholiken Deutschlands. Sache Eurer Klugheit wird eS sein. Alles vorzukehren, was da ge eignet ist, die Eintracht der Geister bei Euch recht stark und den Zusammenhalt unverbrüchlich zu machen. Als einen gleicherweise überaus würdigen Gegenstand Eurer Bestrebungen und Sorgen erkennen wir die sociale Frage, wie solche ja schon seit geraumer Zeit in Euren Versammlungen verhandelt worden ist. Wir wollen zu Gott stehen, daß er Euch, die Ihr diese hochangesehene General versammlung vorbereitet, huldreich beistehe und all Denen, welche Eurer Einladung Folge leisten, in reichlichem Maße Hilse und da- Licht seiner Weisheit jpendc." * AuS Hesse», 30. August. Zu dem Partrlkest der Nationalliberalen auS Baden, Hessen, der Pfalz, Frankfurt a M., das am nächsten Sonntag in Neustadt a. d. H. slaltfindet, haben Ansprachen zugesichert: Rechtsanwalt Bassermann aus Mann- heim, Relchslagsabgeordneler vr. Bürklin aus Neustadt, Reichs- rath Vr. A. Buhl aus DeiLetbeli», Reichstagsabgeordneter Osann auS Darmstadt, Professor vr. Ziegler au« Slroßburg. Die meisten nationalliberalen Reichitag-abgeordneten au» Baden, Hessen und der Psalz werden anwesend sein. Oesterreich Ungarn. * Wien, 3l. August. Nach einer Meldung de» „Kuryer Lwowski" soll der Kaiser die Reise zu den galizischea Manövern aufgegeben haben. — Der deutsche Botschafter Prinz Renß ist gestern bierher zurllckgrkehrt. Der BotschaftS- Sccrctair Prinz vonRaiibor hat einen Urlaub angetrelcn. — Der bekannte Großindustrielle und Bankier Baron v. KönigS- warter, Mitglied deS Herrenhauses, ist gestern Abend vom Schlag gerührt worden. Er befand sich auf einer Reise nach Wien und wurde bei der Ankunft des Zuges bewußtlos aus- gesunden und nach einem Hotel übergefuhrt. * Pest, 30. August. (Telegramm.) Den ungarischen Kaisermanövern werden, wie nunmehr bekannt wird, die MilitairattachöS von Deutschland, Italien, Frankreich. Ruß land, England, Spanien, Rumänien, der Türkei, Schweden und Nordamerika beiwobnen. * Ischl, 30. August. Fürst Ferdinand von Bulgarien ist heute Vormittag hier eingetroffen. Bekanntlich weilt zur Zeit Kaiser Franz Joseph hier. Frankreich. * Paris, 30. August. Der italienische Botschafter Neß- mann hat sich auf kurzen Urlaub begeben. — Lasso», ein Angestellter der Firma Rothschild, hatte Boisandre, den Redactcur der antisemitischen „Libre Parole", wegen Beleidigung gefordert. Beim heutigen vierma ligen Kngclwcchsel wurde Boisandre durch einen Prell schuß am Unterleib getroffen. — Drumont schlägt sich beute mit dem Exdcputirtcn Camille Dreyfus ebenfalls wegen Preßpolemik. — Der „Liberts" zufolge sind bisher in südsranz ösischen Departements 7000 italienische Arbeiter entlassen worden, die nun mit Hilfe des italienischen Generalkonsuls in Marseille nach ihrer Heimat!, befördert werden. * Paris, 3l. August. (Telegramm.) Im Kohlen revier von LenS wurde in vergangener Nacht ein Mani fest an die Arbeiter erlaffen, welches dieselben zum AuS- sta»d veranlassen soll, wenn ihnen nicht sofort eine Lobn- erböbnng zugestanden würde. Die Arbeiter ließen das Manifest jedoch unbeackuer, da angenommen wird, daß ein Ausstand von der Grubengesellschaft gewünscht wird behufs Abschlusses höherer Contracle mit den Fabriken unv Brennereien. Niederlande. * Amsterdam, 30. August. Die Eröffnung der inter nationalen Conferenz zur Vorbereitung der einheitlichen Regelung des internationalen Privatrechtes soll am 12. September im Haag statlsinden. Schweiz. * Bern, 2«. August. Der Arbeitersccretair vr. mock. Wassiliew, seit einiger Zeit wieder in Freiheit, hielt gestern Abend einen öffentlichen Vor trag über den Berner Krawall vom 19. Juni. Mit lautem Jubel begrüßten die Arbeiter ihren befreiten Führer. Wassiliew nannte die Be- bauptung, er Hetze und wühle, eine Verleumdung. Er habe lediglich die Arbeiter zu organisiren gesucht, eine Aufgabe, die ibm, dem Arbeitcrsecretair, förmlich obgclczcn babe und noch obliege. Die eigentlichen Hetzer seien das „Berner Tage blatt" und der Berner Einwohnerverein (gegründet zur Be kämpfung der socialdeniokratischcn Auswüchse). Die Mitglieder deS EinwohiiervereinS seien so schlimm wie jene Anarchisten, die am Züricher Socialistencongreß binauSgeworfen wurden. Wassiliew erklärte, beim Krawall habe er die Arbeiter be ruhigen wollen. Da hätten die Bürger den Polizisten zugerufen: „Fasset den Wassiliew ab!" Verhaftet sei er später worden in folge einer von Apotheker Gerber (Bern) erstatteten Anzeige, die sich bintcrdrein als unbegründet erwiesen habe. Gerber habe seinen Knecht wiederholt geprügelt, weSbalb dieser sich an den Arbcitersecrctair wendete. Nachher habe Gerber mit seinem Knecht einen Vertrag abgeschlossen, worin der Knecht einerseits auf eine Klage gegen seinen Principal verzichtete, andererseits der Principal (Gerber) sich verpflichtete, seinen Knecht fortan nicht mehr zu prügeln und ibm überdies 50 FrcS. mehr Lohn im Monat zu geben. Wassiliew erklärte ferner, durch eine Reihe unparteiischer Zeugenaussagen sei fcstgestellt, daß er keinerlei Autbeil am Krawall gehabt habe. Die Berner Socialdemokraten streben nach der Herrschaft, nach dem Sturz de- GcmeinderalbcS, doch auf friedlichem Wege. Tic Welt werde nicht zu Grunde gehen, wenn statt eines Müller (der Stadt- präsitcnt heißt Müller) einmal ei» Meyer taö Gemeinwesen lenke. Am Schlüsse einer dreistündigen, mit manchen scharfen Ausfällen gespickten Rede kündigte Wassiliew an, er werde nächstens über die „verleumderische" Tbätizkeit des Einwobncr- vereins und de» „Berner Tageblattes" einen öffentlichen Vortrag kalten unter dem Titel: „Wer hetzt und wer wühlt?" Wenn Wassiliew gestern über den Stand dcr ihm ja be kannten amtlichen Untersuchung den Arbeitern klaren Wein eingcschenkt hat, so muß man fast bezweifeln, ob er bestraft, ja nur dem Gerichte überwiesen werden könne. Ueber die Theilnahme Wassiliew'« am Krawall ergingen in den auf geregten Tagen allerhand Behauptungen, die sich als grund los erwiesen, als die angeblichen Zeugen einvernommen wurden. wenn Konstanze mehr in ihrer Nähe wäre? Sie muß doch Freude an dem herrlichen Geschöpf haben?" „Gewiß! Wie sollte sie nicht?" „Weshalb steht sie aber dann der Tochter so fremd gegen über?" „Fremd? Nicht daß ich wüßte." „Verstehen wir un« recht!" fuhr der Freiherr etwa- ungedulgig fort. „Wie ich zu meinem Erstaunen höre, weilt Konstauze nur sehr wenig bei der Mutter. Warum?" „Ich dächte, das bedürfte keiner besonder» Erklärung", er widerte Fräulein von DombrowSky. „DaS leidenschafttiche, lebenslustige Wesen würde dir stille, kränkliche, weltmüde Olga nur peinlich erregen. Wa» dem unerfahrenen, in frohen Zukunfts- Hoffnungen schwelgenden Kinde begehrcn-wertb erscheint, davon vat sich die ernstdenkcnde Frau laugst mit Widerwillen und Verachtung abgewandt — und WaS sie, die Schwergeprüfte, als höchstes Gut erkennt, dafür fehlt dem glänzenden Schmetter ling Konstanze bis jetzt jedes Verständniß. UebrigcnS habe ich die Erziehung des Mädchen« geleitet und stets für sie gesorgt, al« ob sie meine eigene Tochter wäre, und deshalb schuldet sie mir Vertrauen und Gehorsam. Nicht minder weiß ich, wie Frau von Arnheim, die viel Trauriges erfahren hat und nicht immer durch kindisches Geschwätz gestört werden darf, zu behandeln ist. Ich bin mir bewußt, nur da» Beste zu wollen, und werde keinen Schritt breit von dem Wege weichen, den ich mir selbst vorgezeichnet habe." Sie neigte kühl grüßend den Kopf, und Gisbert versuchte nicht mehr, sie zurückzuhalten. DeS vorbergegangenen Austrittes gedenkend, mußte er sich selbst sagen, daß eia lunigeS Verhältniß zwischen Mutter und Tochter wohl kaum zu erzielen sein würde. WaS sollte das heitere, strahlende Weltkind bei der melancholischen Frömmlern,? 5. Eapitek. Seiner Nichte wegen hatte der Freiherr die frühern gesell schaftlichen Verbindungen wieder angeknüpft und verschiedene Einladungen ergehen lassen. In dem so lange vereinsamten Schlosse herrschte jetzt rege- Leben. Die Fremdenzimmer standen nicht mehr leer uud das Dienstpersonal war auS der ihm zur Gewohnheit gewordenen trägen Ruhe aufgerüttelt. Frau von Arnbeim blieb für dir Gäste unsichtbar. Sie dielt sich in ihren Gemächern auf und spazirie nur Morgens und Abend- in dem einfachsten Tbeile des Parke». Man wußte, daß sie leidend sei, und vermied e« daher, sie zu stören An ihrer Stelle übernahm Fräulein von DombrowSty die Pflichten der Dame des Hause« und kam ihnen als aufmerksame, zu vorkommende Wirthin »ach. Unter den Anwesenden befand sich Premier-Lieutenant Walter von Schölten. Der Freiherr war dem jungen Manne sehr geneigt und bemerkte, daß die seltene Schönheit Konstanzen« ihn mit unverkennbarer Bewunderung erfüllte. Dcr offene, streng ehrenwerthe Charakter Schölten'- und seine wabrbast vornehme DenkungSweise boten sichere Bürgschaft für das Glück dcr von ihm erwählte» Frau. Das sagte sich auch Gisbert und vermochte doch eine gewisse Gereiztheit nicht zu bekämpfen, wenn er dachte, daß die Herze» der beiden jungen Leute sich finden könnten. Konstanze verstand eS vortrefflich, sich zum Mittelpunkte der Gesellschaft zu machen. Geistsprübend liebenswürdig, vielleicht ohne eS zu wissen, alle Waffen dcr rafsinirtestcn Koketterie gebrauchend, feierte sie, znm ersten Mal in die Welt tretend, ein glänzende» Debüt. Sie berauschte sich förmlich an ibrem Triumphe, und wie der Künstler vor den Wogen deS Beifalls getragen eine Begeisterung in sich erwachen fühlt, die ibn hinreißt und seinen Leistungen den echten, fesselnden Zauber verleiht, so ließ auch sie ihre Vor züge im blendenden Lichte funkeln, alle Anwesenden unwider stehlich in den Bannkreis dieser seltenen bestrickenden Anmuth ziehend. Zu sehr später Stunde trennte man sich und Konstanze suchte nun, die Wangen glühend vor Stolz und Freude, ihr Zimmer auf. Jenny löste da- wundervolle, nachtschwarze Haar und kämmte eS durch. Es knistert förmlich, im Finstern müßte e- Funken sprühen! meinte sie, zwei üppige Zöpfe flechtend. PriSca schlich heran und nahm ihren bescheidenen Play zu den Füßen der jungen Herrin wieder ein. Diese schickte nun da« Dienstmädchen weg, trat vor den Spiegel und betrachtete ihr Bild mit brennenden Blicken. Sie wußte, daß sic schön war, und freute sich darüber. Rosigem Marmor gleich leuchteten Hals, Schultern und Arme au» dem sic wie eine Wolke umneselnden Nacbtgewand. Der rothc Mund lächelte sinnbetbörend, wie in süßer Ermattung senkten sich die Lider halb über die dunkeln Augcnsteinc, unv dennoch brach e« wie eine Feuergarbe unter dem Wimpernschleier hervor. Die zarte Brust wogte stürmisch. Plötzlich löste Konstanze die Flechten nochmals, so daß die seltene Pracht des herrlichen Gelocke« sie frei umfluthetr. „Bin ich schön?" Leise, wie unbewußt bebte die Frage von ihren Lippen „Schön wie eine Märchens«!" erwiderte die Dienerin. „Nimm die Rosen au« dem Blumenkorb, flicht sie in mein Haar, befestige sie an meiner Brust, streue sie mir zu Füßen und über mein Lager!" bcfabl da« Mädchen, und PriSca eilte, da- Gebot zu erfüllen. Sic fügte sich überhaupt wider spruchslos allen Launen ihre- Liebling-. Hätte sie der Sonne ihre goldigen Strahlen, dein Mond seinen matten Silberschimmer, den Sternen ihren Demantschein entreißen können, um daS reizend verwöhnte Geschöpf damit zu schmücken, so würde sie eS gcthan haben. Konstanze albmete mit Wohlbehagen den süßen Duft ei», zerpflückte dann die weichen, schwellenden Kelcbe, hob die Arme in anmuthiger Rundung empor und ließ die Roscnblätter niederriejel», daß sic in ihren Locke» hingen und auf den weißen glatten Schultern lagen, al« hätte dcr Sturm sie darüber hingewirbelt. Mitten in diesem Spiel hielt sie jedoch Plötzlich inne und fragte nach der Mutter. „Sie schläft schon längst", erwiderte die Dienerin und brach von Neuem in ein begeisterte- Lob dcr jungen Schönheit auS. Diese zeigte sich aber jetzt nicht mehr emplänglich dafür. „Sie schläft nicht!" sagte sie mit herrischem Ton. nachdem sie auf den Balcon getreten war und einen Blick nach den Fenstern der Frau von Arnbeim geworfen hatte. „AuS dem Zimmer schimmert noch Licht. Ich will sie aussuchen und ihr den heutigen Abend schildern." „Nein, nein — das geht nicht! Sie war den ganzen Tag leidend", wandte PriSca ein. „Du wirst mich nickt hindern, zu ihr zu gehen. Wie darfst Du Dir überhaupt erlauben, mir zu witerjprechcn?" lautete die stolze Entgegnung. „Sie ist krank — gerade heute muß sie Ruhe haben", erklärte die Dienerin mit zunedmrnker Acngstlichkeit. „Ich sage Dir, daß ich zu ihr will! Gieb mir den Weg frei!" wiederholte Konstanze, auS deren Wangen jeder Tropfen Blute« wich. In diesem kritischen Moment öffnete sich die Thür und Fräulein von DombrowSky trat «in. War es Zufall oder batte sie gelauscht? — „WaS soll dieser Wortwechsel?" Kühl unv streng klang die Frage. „Hier kann von keinem Wortwechsel die Rede sein", erwiderte daS Mädchen gereizt. „Du vergißt offenbar, in welchem Ber- bältniß PriSca zu mir stebt. Sie ist nicht» weiter als eine Dienerin, und wenn ich befehle, bat sie die Pflicht, zu geborchen " „Vorausgesetzt, daß Deine Befehle sich nicht im Widerspruch mit den memen befinden; da« ist aber gegenwärtig der Fall gewesen." „Und welches Recht hast Tu denn, meinem Willen hemmend entgegenzutreten? Ich bin kein Kind mehr, daS Deiner un bedingten Herrschaft unterworfen ist. Warum wehrst Du mir» was ich verlangen darf? Ich dulde eS nicht länger, daß Du mich von dem mir gebührenden Platze verdrängst." Alexandra gab PriSca einen Wink, sich zu entfernen, trat dann langsam näher, legte beide Hände aus die Schullern KonstanzciiS und blickte tief in die flammenden Augen. „Du lcbnst Dich auf wieder mich? Undankbare!" sagte sie halb grollend, halb schmerzlich. „Ich thuc eS!" entgegnete ba- Mädchen berauSsordcrnb. „Wofür soll icb Dir danken? — etwa für meine vereinsamte Kindheit? Sei e« endlich offen ausgesprochen: Du begingst einen unverzeihlichen Frevel, als Du mir da- Herz der Mutter entfremdetest. Deine Schuld ist eS, wenn ich arm an den süßesten und heiligsten Erinnerungen bin, die andere durch da- ganze Leben geleiten. Viel — unendlich viel hast Du mir genommen, mehr, al- Du jemals wiedergebcn kannst!" „Du bist ungerecht. — Sorgte ich nicht immer treu und gut für Dich? Ließ ich eS Dir an etwa- mangeln?" „Nein. Es fehlt« mir weder an Speise, noch an Trank. Meine Garderobe war stet« der Jahreszeit angemessen, ich batte Spielsachen und Lehrbücher", erwiderte Konstanze ver ächtlich, „nur ein- mußte ich vermissen: die Zärtlichkeit Der jenigen, die mir am nächsten steht. Unbeschreiblich wonnig stelle ick eS mir vor, der Mutier jeden Gedanken mitthcilen zu dürfen, deren mir so viele durch den Kops schwirren, ihr Auge stolz und bewundernd aus mir ruhen Lu sehen und die Ueberzeugung zu daben, daß sie sich meiner Erfolge freut, daß sie Autbeil nimmt an meinen Wünschen und Hoffnungen. Um diese« Glück hast Du mich gebracht. Dein Werk ist cS, wenn ich. unter demselben Dache mit ihr wohnend, dennoch eine Verwaiste bin. wenn ihr nachgerade mein ganze« Thun und Lassen gleichgiltia wurde. Zuweilen fühle ich mich fast versucht, Dich zu hassen." „Schweige!" unterbrach Alexandra mit einer gebietenden Geberde. „3ch will diese Worte nicht gekört haben. Wie über mein kostbare« Gut wachte ich über Dich unv ließ Dir die sorgfältigste körperliche und geistige Pflege angedeihen — und Du wagst eS, von Haß zu sprechen?" (Fortsetzung folgt.)
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