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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893113002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893113002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-30
- Monat1893-11
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8Ü24 da» ähnliche Gelichter ist hier schon längst erkannt worden. Daß Rußland sich »»stimmend verballen wird, darf Wohl al« bekannt vorausgesetzt werden. Rur die Haltung von Frankreich und Italien ist ungewiß; da» Ministe rium Dupuy würde wobl bereit gewesen sein, aber die ^Ministerien in Frankreich sind von kurzer Dauer und habe» >»iit den verschiedensten «trömungen zu rechnen. Wenn nun v<>u sranzösischer Seite mit einem gewissen Nachdruck bc- bauptel wird, der oder die Absender der Höllenmaschinen an 5taiser und Kanzler wären deutsche Anarchisten, so liegt absolut keine Thatsache vor, woraus diese Behauptung sich stützt. Der Anarchismus hat Riesensorlschritte in Frankreich gemacht und Beziehungen mannigfacher Art zwischen deutschen und französische» Anarchisten bestehen. DaS Erstarken de» Anarchismus in Orleans muß allerdings sehr jungen Datums sein; bis jetzt hatte mau sehr wenig von Anarchisten in Orleans gehört. ES ist anzunekme», daß etliche Mdrvbuben sich in der letzten Zeit in Orleans niedergelassen haben. Jedenfalls muß aussallen, daß der Postbeamte in Orleans, dem die beiden Sendungen an Kaiser und Kanzler durch die Hände gingen, nicht sofort Ver dacht schöpfte. Es dürste Wohl noch nicht vorgekomnien sein, daß der Kaiser und der Kanzler eine Kiste aus Orleans erhalten haben. Ob man die Anarchisten in Berlin so schalten und walten lassen darf, wie iu der letzten Zeit, wird wohl auch erwogen werden; eine Lobeshymne aus Ravachol folgte der anderen und von französischen Anarchisten oder vielmehr au« Frankreich ist Geld für die Angehörigen der io Deutschland vrrurtheilten Anarchisten gekommen. * Berit», 29. November. Der Kaiser hat, sicherem Vernehmen der ,N -Z." nach, die Nachricht von dem am Sonntag erfolgten Ein ressen der Höllenmaschine im Civilcabinet erst am Dienstag Morgen, als er sich zur Jagd in NeugatterSlebcu befand, durch den Chcs des Civil- cabinetS, Geheimratb von LueauuS, erhalten. Dem Reichs kanzler oder dem AuSivärtigen Amte war bis dahin eine daraus bezügliche Nachricht des CivilcabinelS nicht zugcgangen — Zu den AtlentatSversuchen liegt jetzt das der Polizei eingereichte Gutachten des hiesigen Hosbüchsen- rnacherS Förster (Taubenstraße 50) vor, das den Befund anders schilderte, als er nach der anfänglichen Schätzung erschien. Danach war der Kegel, auf dem das Zündhütchen saß, nadclscharf zugespitzt. Da ferner der Explosivstoff, mit dem da» Zündhütchen gefüllt war, dem ähnlich zu sein scheint, den tue frühere Zündnadelpatronr hatte, so dürfte doch der durch die Gunimischnüre zurückgeschncllte Bolze» zur Ent zündung des Pulvers ausgercicht haben. Ferner steht jetzt fest, daß daS Pulver, das frei im Kasten lag, mit Nitro glycerin gemischt war. Major Ebmeyer hatte bereits eine dahingehende Befürchtung ausgesprochen, weil das von ihm in dem Aschbecher entzündete Pulver eine bedeutende Stichflamme ergeben hatte. Bezüglich der Gesammtlabung des Kästchens ist nun mehr mit Sicherheit anzunehmcn, daß sie Nicht bloS auS- gereicht hätte, den Oeffncr des Packets zu zerreißen, sondern auch noch Schaden an dem Gebäude zu verursachen. Interessant ist, wie Herr Förster das Kästchen geöffnet hat. Er hat eS, nachdem eS etwa l8 Stunden im Master ge legen halte, zwischen eine Copirprefse eingeklemmt, eine Schnur daran befestigt und mittelst dieser vom Nachbar zimmer aus den Deckel langsam abgelöst. * Berlin. 29. November. Wie der Reichskanzler von „conservativ monarchischer" Seite behandelt wird. daS ist geradezu unglaublich. Im „Volk", dem Organ des Herrn Stöcker, liest man: „lieber daS seuillctonistische Schil- LerungStalent hinaus reicht Gras Caprivi'S Berständuiß für die Landwirthschast nicht. Bildet er sich doch ein, wie er ausdrücklich erklärte, die Landwirtbschast durch die Herab setzung der Zolle sichern zu können. Nun schlägt« aber dreizehn! „Mehr mein« Gras Caprivi ferner, als ich im December I89l zu Gunsten der Landwirthschaft gesagt habe, kann man überhaupt nicht sagen." Sehr richtig, aber auch — sehr scherzhaft. Hier haben wir einen Staatsmann, der sich allen Ernstes einbildet, schöne Reden seien ein Ver dienst. . . . Graf Caprivi glaubte, seinen konservativen Gegnern damit imponiren zu können, daß er ihnen vorhielt, er sei ein alter conservativer Mann. Zugegeben! Kürzlich hat ein Antiseniit, ein l>r. Schläger, in Sachsen die Conser- valiven mit Fröschen verglichen. Nehmen wir diesen Ver gleich auf, so ist Caprivi ein Frosch, der im Ent- wickelungSstadium der Kaulquappe stecken geblieben ist. Die Fortentwickelung der conservativen Partei ist spurlos an ihm vorübergegangcn." — Der Kaiser hatte henke Vormittag eine Unterredung mit dem Reichskanzler Grasen von Caprivi. Morgen Nachmittag treffen der Kaiser und die Kaiserin dem „Hann. Kur." zufolge in Hannover ein. Ai» Freitag wird der Kaiser militairische Uekungen abballen. Am Sonnabend Morgen erfolgt seine Abfahrt zur Jagd nach Springe, von der er Nachmittags wieder nach Hannover zurückkommt, um dort mit der Kaiserin gemeinsam die Rückreise nach Potsdam anzutreten. — Der neue französische Gesandte für Peking. M Görard, ist, wie die „Köln. Ztg." iu Erinnerung bringt, kein anderer als der frühere Vorleser der Kaiserin Augusta. Seine, Feder entstammt der größte Theil de« unter den Auspicien der Madame Edmvnd Adam heraoSgeaebenen BucheS „l-a 8oniSts cko Lerliu" vom Grafen PaulVasili. Seine schnelle diplomatische Beförderung wird au» dem Um stande erklärt, daß er früher der sranzösischen Regie rung gute Dienste geleistet. Welcher Natur sie sein können, ist nicht schwer zu rrrathra. — Der ehemalig» Minister der öffentlichen Arbeite», EtaatS- mlnlster v. Maybach, vollendet heult sein 71. Lebensjahr. — Au- Hoskreisen verlautet, daß DiScipliuirungen der am Hannoverschen Proceß betheiligten Ofsiciere nicht bevorstehen, daß die Angelegenheit vielmehr als erledigt gelte. — Nach der Rede des Kriegsministers Bronsart v. Schellcndors haben wir keinen Grund, dies zu bezweifeln. — Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus hielt gestern Abend seine Generalversammlung ab. Rickert erstattete de» Geschäftsbericht, der einen unbedeutenden Rück gang der Mitglieder constatirt und bedauert, daß die Geld mittel durchaus nicht so reichlich fließen, wie eS die Anti- seniiten darstcllen. Der bisherige Vorstand wurde wieder- gcwählt. * Lübeck, 29. November. Der Dudgetentwurf des Lübeckischcn Freistaates für 1894 ergirbt 4 536 972 Aus gaben, 4 l8l 1I9-« Einnahmen, 355 853 »S Fehlbetrag. Der Senat beantragt, denselben durch 50 Procent Zuschlag aus die Einkommensteuer bei Einkommen über 1200zu decken. * Löba», 29. November. Hier ist gestern i» der Landtags- Nachwahl, dem „Bert. Tagcbl." zufolge, der polnische Candidat vr. Rzepnikowski mit 136 gegen II Stimmen gewählt wo» den. welche ans den deutsche» Candidate» Obuch sielen. Deutsche» seitS ist sonach bei der Aussichtslosigkeit der Wahl ein« starke Wahlen! Haltung geübt worden. Q Saga», 29. November. In »nserem Landtagswahkkreise, wo ein Mandat durch Todesfall erledigt ist, wird von den Industriellen statt de» Herr» vo» Älitzing jfreiconj.) der Fabrikbesitzer Ur Pfeiffer (müteipaiteilich) als Candidat vorgcschlagen. Tie Ersatzwahl findet am 2. December statt. * Aus Schlesien, 29. November. Die Wablen zum Ab- gcordnelenbanse, so still sie verlaufen sind, scheine» dech in einigen Kopsen eine bedenkliche Verwirrung angericbtek zu haben. So lheilt die „BreSl Ztg." ein Schreiben aus einem Dorse Jakob ine im Kreise Ohlau mit, das der dortige Gemeindcvorstand unter dem 8. November an den Nacht Wächter Franz Winter gerichtet hat. DaS Schreiben hat folgenden Wortlaut: „Sie hoben sich bei der letzten Wahl in Ihrer Person als Nachtwächter durch u »ziemende Handlungen in der Art ver gangen, daß Sie in einer conservativen Gemeinde als Nachtwächter nicht mehr sungiren können. ES wird Ihnen solgeLesse» aus Grund dieses, und bei Ihrem vorgerücktem Atter, vom unierzeichnelen Gemeindevorsiand vom 15. d. Mts. ab Ihr Dienst als Nachtwächter und Wegeaufseher in hiesiger Ge- meinde gekündigt, so daß sie am 15. Februar küiisligen JohreS Ihres GemeindediensitS quitt, bezw. erledigt sein. Sollten Sie bei Ihrem vorgerückten Alter den besagten Dienst zum I. Januar d. I. quitliren, so ist diese« ebenfalls oiiiiehnibar. Ein Berlrag, der uiit aus irgend eine andere Weise zu binden hätte, liegt nicht vor." Wenn e«, meint hierzu die „Voss. Ztg", auch erfreulich ist, daß die Nachtruhe der gute» conservativen Jakobiner nicht mehr durch «inen anscheinend freisinnigen Nachtwächter behütet wird, so ist es doch grausam, einem alten Manne in einer so bescheidenen Stellung sein spärliches Brod zu ent ziehen. * RrgenSburg, 29. November. Die Umstoß nng des einstimmigen LehrerrathöbcschlusseS des hiesigen Gy» nasiuiiiS, über die wir seiner Zeit berichteten, bildet imm noch den Gegenstand von Erörterungen. Tie Frage ist dur^ daS Gerückt, bei der Entscheidung seitens de« Ministeriums hätte» noch andere Factoren als die allein berufenen mit gewirkt, von dem rein pädagogischen Gebiet ans daS po verlegt worden. Die Bcrtheikigung und Rechtfertigung ministeriellen Erlasse« in einer Reihe von Blättern sch. ... der obigen Annahme, so schreiben die „M. N. N.", einige Berechtigung zu geben. Alle diese Gerückte und Erwägungen werden auch nicht aus der Welt zu schassen sein, wenn nicht eine ofsicielle Erklärung von maßgebender Seite erfolgt * München, 29. November. Kammer der Abgeordneten. Der NachtragSctat zum Militairetat pro 1892/93 wurde genehmigt und die Berathung des Militairetat« für 1893/94 begonnen. Der Kriegsminister erklärte, die Pensionirung der im Avancement übergangenen Ofsiciere sei wegen Auf- rechtbaltung der Autorität unvermeidlich, die Abnahnie des Verkehr- dcS OsficicrstandeS mit den Civilständen infolge Gründung von Officiercasinos sei keineswegs nachzuweisen. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 28 November. Zur Erncunung deS vormaligen Finanzministers vr. Emil Steinbach zum SenatS- Präsidenten am Obersten Gerichtshöfe ist zu melden daß der Kaiser den Justizminister ermächtigt hat, die Ar- ortnung zu treffen, daß l)r. Steinbach als erster SenalS- Präsident zu amtircn habe. Diese Anordnung ergiebt sich au- dem Umstande, daß Steinbach auch nach seiner Er nennung zum Senats-Präsidenten seinen Rang als Minister beibehält, al« Minister aber der Anciennrtät nach dem Grafen Kuenburg vorgeht. Nach dem Statut für den Obersten Gerichtshof sind fünf Senat» - Präsidenten für den Obersten Gerichtshof vorgesehen. Eon diesen fünf Posten waren in den letzten Decennien nur drei be setzt; zwei SenatS-Präsidenten-Stellen blieben unbesetzt, weil dir ständigen Senate, für welche dies« Präsidenten- Stellen bestimmt waren: der ungarische und der lombardo- venetianischr, al- solche nicht inrbr existirten. Jo den Senaten, welche nach dem Bedürfnisse gebildet wurde-, führten, so weit die Zahl der SenatS-Präsidenten nicht .»»reichte und so weit nicht der erste oder der zweite Präsident einen Senat unter seinen Vorsitz nahm, die rangältesten Hosräthe den Vorsitz. Nun ist einer der erledigten Plätze besetzt worden. Da da« Statut sür den Obersten Gerichtshof fünf SenatS- Präsidenten verlangt, war ein legislativer Schritt sür die Erncunung eine« neuen Senats-Präsidenten nicht erforderlich; doch wird für die Dotirung des Postens durch eine Ergänzung deS Justizbudget» vorzusorgen sei». * Wie», 29. November. Die hiesigen ofsiciösen Blätter kommen bei Besprechung der AttentatSver- suche auf Kaiser Wilhelm und den Grasen Eaprivi zu dem Schluß, daß c» Pflicht der menschlichen Gesell schaft sei, einen erbarmungslosen Krieg gegen den Anarchismus, den wirkliche» Erbfeind, zu führen, damit deren jüngster Attentaisvcrsuch auch ihr letzter bleibe. — Der Coroniniclub sprach einstimmig seine Geneigtheit aus, die Regierung zu unterstützen und mit der vereinig ten Linken die besten Beziehungen zn pflegen. Im böh mischen AuSnahmcauSschusfe erklärte der Minister des Innern, Marquis Bacauehem, die Regierung übernehme die Verantwortung für den Ausnahmezustand und sei bereit, die Vorlage im Ausschüsse und im Plenum zu vertreten. * Wien, 30. November. Der Kaiser hat für die Saline» in Galizien und in der Bukowina eine neue Regulirung der Arbeitslöhne verfügt, nach welcher eine lOprocentige Lohnerhöhung einlritt. * Pest, 29. November. A»S der nächsten Umgebung deS Papstes ersähet der hiesige „Lloyd", daß die Gerüchte über die Spannung zwischen dem Wiener Hofe und der römischen Curie vollständig unwahr seien. Der Papst fühle sich allerdings verpflichtet, gegen die Civilehe iu Ungarn z» protcstiren. An einen Abbruch der diploma tischen Beziehungen oder an einen Culturkampf sei nicht zu denke», auch wenn die Civilebe als Gesetz durchgeführt wird. WaS die jüngste Reise Kalnoky'S nach Italien betreffe, so habe der österreichische Botschafter dem Balican versichert, daß weder von einen, HeirathSproject, »och von Verhandlungen über den Besuch deö Erzherzogs Franz Ferdinand dir Rede sei. — Der Entwurf des VerwaltungSgericktS - Gesetzes wird äußerst bei fällig ausgenommen. Zum ersten Mal ist eine Appell- »istanz gegen administrative Willkür geschaffen. Jedes Co mital erhält ein Gericht erster Instanz mit dem Obergespan als Vorsitzendem und drei gewählten Richtern. Die oberste Instanz ist der VerwaltungSgerichtshof in Pest. Lemberg, 29. Novembrr. „Dzieiinik Poltki" meldet 4' gebiich sicherster Quelle, daß die Regierung daS Wahl» A i-Project vor seiner Eindringung im RcichS- rc. ämmtlichen Landtagen zur Begutachtung vor- lecz rd. Frankreich. * ß ',29. November. Bei einer in der Wohnung «ver .igen JndividuumSvorgenommencn HauS- hung »t-urde ein zwanzig Meter langer unterirdischer e-vang entdeckt, in welchem die Polizei Pulver und zur Bereitung von Dynamit dienende Mineralien, ferner ^ ' und Blechbüchsen Versand. Drei Personen erhaftet. ».,«ea»S, 30. November. (Telegramm.) Die an- gestellte Untersuchung ist bisher erfolglos geblieben. Es ist sestaestellt worden, daß beide Packele mit den Höllenmaschinen beim Spediteur aufgegeben und mit der Bahn verschickt worden sind. Mehrere GeHeim es m miss» re sind gestern von Paris hier augekommeu. Großbritannien. * London, 29. November. Nach einer Mittheilung von competcnter Seite wäre der Dubliner Mord die Wieder aufnahme der Thätigkcit der „Jnvincibles", die unter dem vorigen Cabinct ganz verschwunden waren. Spanien. * Madrid, 29. November. Der Ministerrath be schäftigte sich in seiner heutigen Sitzung mit finanziellen Fragen, doch wird eS für unrichtig erklärt, daß e» sich bei den Beraihungen um die Ausgabe von Schatzbon« gehandelt habe. — Nach Meldungen au» Melilla hatte General Martine; CampoS heute eine Zusammenkunft mit dem Bruder des Sultans von Ma rokko, Araaf. * Madrid. 39. November. Martinez CampoS lehnte nach Nachrichten aus Melilla, den vom Bruder deS Sultans erbetenen Waffenstillstand ab. die Operationen würden heute beginnen. — Au- Malaga wird gemeldet, daß die Landung t^r nach Melilla entsandt«» Truppen durch eine» Sturm verhindert worden ist. * Borcel««», 29. November. Heute Morgen erfolgte die Abfahrt der Truppen nach Melilla. Aus den Dampfern „Conde" und „Wilsredo" befanden fick 2300 Mann der Regimenter Luchana und Ban Oumtiu Zugleich fuhren die Generale MolinS und Salcedo und verschiedene Stabsossieiere ab. Die Spitzen der kirchlichen, der Civil- und Militairbehörden und eine ungeheuere Vclls menge war am Landungsplätze erschienen, um sich von den Truppen zu verabschieden. Die Patriot ische Begeisterung war unbeschreiblich. Die Stadtverwaltung, die Redaktion deS hiesigen Blattes „Publicidad" und viele Private be schenkten die Soldaten reichlich mit Geld und Tabak. Verschifft wurden weiter 200 Fuder Wein, 150 Feldzelte und Schießvorräthe. Schweden und Norwegen. ?.6. Stockholm, 29. November. Der Zustand der seit einiger Zeit leidenden Königin Sophie, die sich in dem in der Nähe der Hauptstadt liegenden Schlöffe Ulriksdal befindet, hat sich in den letzten Tagen bedeutend rer- chlim inert, so daß die Aerzte ernste Besorgnisse hegen. — Der portugiesische Gesandte in Stockholm, ViScondc de Solo Major, ist lebensgefährlich erkrankt; eS ist geringe Hoffnung auf feine Genesung vorhanden. Rußland. * Petersburg, 29. November. Die „MoSkowSk, Wjedomosti" besprechen in einem gegen Deutschland ai,S- allenden Aussatz die Maßnahmen, welche gegen die u Rußland lebenden Personen deutscher Abkunft, gleichviel ob sie deutsche oder russische Unterthanen sind, zu treffen wären, sali« der deutsch-russische Handelsvertrag cheitern sollte, insbesondere die Ausdehnung des lW argen Ausländer in den Grenzprovinzen erlassene»» Gesetze« betreffs Tomicilerwerbung aus ganz Rußland. Auch solle die Ansiedelung von Ausländern in ganz Rußland aus dem lachen Lande verboten und ein Erwerb nur »och m Le» Städten zugelaffen »erden. Die Deutschen seien den Jute» und Polen gleich zu behandeln. — Der „Grashdanin" chreibt: Rußland wolle lieber gar keinen als einen Rußland ungünstige» Handelsvertrag. Auch die russische Landwirthschast theile diese Ansicht und sei über zeugt, Rußland werde auch ohne eine Verständigung mit Deutschland auskommen könne». Tie Deutschen sollten mit dieser festen Stimmung Rußlands rechnen. * Kowno, 29. November. Aus Befehl der russischen Regierung sollte die katholische Kirche in Krosche, im Gouvernement Kowno, 59 Werst von der preußischen Grenze entfernt, geschlossen werden. Die Gläubigen, welche hiervon seit Wochen wußten, versam Hielten sich de« NachlS iu der Kirche. Nacht- 2 Uhr umzingelten Truppe» unter Ansührnng de« Gouverneurs v°» Kowno, Klinaenberg, die Kirche, drangen, als die Gläubigen dieselbe nicht verlassen wollten, mit Gewalt hinein, wobei sie aus die Menge mit blanker Wasse einhiebeo. 20 Personen sind lodt, über l00 schwer ver letzt. eine große Anzahl fand durch Verfolgung von Kosaken den Tod »m naben Flusse. Einige hundert Personen wurden von Truppen verhaftet und sollen wegen Wider- stände« gegen die Staatsgewalt vorS Kriegsgericht ge stellt werden. Orient. * Bukarest, 29. November. Die Kammer wäblte heule zu Vicepräsidenten Triandafil, Pogor, Sturdza und dru Fürsten Alexander Stirbey. Die drei Erst genannten bekleideten schon im vorigen Jabre diese« Amt, wäbrend Fürst Alexander Stirbey an die Stelle Pcucefa'o tritt, wecher diesmal von der Opposition als Candidat aus gestellt war. k. 0. Lalauicht, 29. November. Dem Eintreffen dei russischen MittelmcergeschwaderS im hiesigen Hasen wird im Laufe deS December entgegenqescben. Das Geschwader dürste in diesem Hafen etwa 2 t»S 3 Wochen verbleiben. Amerika. * Washington, 26. November. Nach dem Jahresbericht: deS Ver. Staatcn-SchatzineisterS Morgan bat die ordent liche BundeSeinnahme im letzten FiScaljabre Netto 385 820 000 Dollar-, d. h. 30 831 000 Toll, mehr als l8S2 betragen. Die ordentlichen Ausgaben beliefen sich Netto auf 383 477 000 Doll., d. h. 38 454 000 Doll, mehr als im Jahre zuvor. Einschlicßlich der öffentlichen Schuld ginge» insgesammt ein 732 87 l 000 Toll, und wurden verausgabt 773 007 000 Doll. In den letzte» sieben Monate» vom letzten December an sind 5l 000 000 Toll, zur Einlösung von Noten verwandt worden. Dir Goldreserve nabm während der Zeit um 29 000000 Doll. ab. Der Betrag de« in» Ausland geflossenen Geldes war im letzte» FiScaljahr der größte, der jemals vorgekommen ist, nämlich 108 000 000 Doll. Alles in Allem befand sich Geld aller Art im Lande am 30. Juni im Betrage von 2 323 547 000 Doll. Diese „Ja, liebe Bertha, eine Hausfrau ist sogar unter Umständen gezwungen, ihre Tbätigkeit zu verdoppeln oder gar zu ver dreifachen — wenn sie nämlich eine vcrbeiratbcte Tochter hat, die zwei Drittel ihrer Zeit in Anspruch nimmt " „Mutter bat eS bier viel behaglicher als zn Hause", sagte Bertha, mit ihrem Kleinen tändelnd. „ES ist nicht recht vo» Euch, ihr die Erholung zu mißgönnen." Hildegard sab sich in ihrer Umgebung um. Von der Veranda halte man einen hübschen Blick ans wohlgehaltcne Rasenplätze, prächtig blühende Gebüsche, die in frischem Frühling-grün prangenden Baumwipfcl des Parks und einen blauen Wasserspiegel im Hintergrund. Mit Seuizen backte Hildegard an den verwilderten Garten daheim, zu dessen Pflege weder Geld noch Arbeitskräfte verfügbar waren. Da kam ein rascher Schritt durch den Gartensaal, Waldemar erschien in der Thür und rief mit schneidender Stimme: „Ist daS Deine Veranstaltung. Frau, daß die Taglöbner iin Park arbeiten, oder bat der Esel, der Heinz, daS aus eigner Machtvollkommenheit verfügt?" Bertha war in nervösem Erschrecken in dir Höbe gefahren und stammelte bebend: „Ich habe — ich wünschte — die Gänge uuten sind so vergrast — und Heinz meinte —" „Meinte er was, der Gimpe ? Er meint, sund Du com- mandirst — und der Klee draußen kann verfaulen. In Zu kunft wirst Du die Gnade haben, mich zu sragen, bevor Du Deine Befehle ertbeilst." Dröbnendcn Schritte« ging Waldemar über die Veranda, sprang die Sinsen hinab und verschwand dinier de» Gebüschen. Bertha warf sich ru ihre Kiffen zurück und brach iu nervöse« Weinen auS. „So mißhandelt zu werden — so bloß gestellt — in Gegen wart Dritter!" Hildegard sorgte sür einen kühlenden Trank und Bertha berubiate sich allmälig „WaS würde Mutter Wohl dazu sagen, wenn Vater ihre Anordnungen iu solcher Weise durchkreuzte?" sragte sie bitter. „Da» Schlimmste ist, daß Heinz so wenig Bescheid weiß, und daß Waldemar ihn so schlecht behandeln darf", seufzte Hildegard. Erst bei Tisch bekam sie den Bruder zu Gesicht. Er sab übellaunig aus. man merkte, daß eS zwischen ibm und seinem Principal etwa« gegeben batte. Nelly S Neckeicicii gelang e« edoch, seine srvbe Laune bervorzulocke». Wieder, wie bei rüheua Begegnungen seit jener verhängnißvolleu »> Königs berg, gab cS Hildegard einen Stich ins Herz, wabrzunehmen, daß sein Auge dein ihren nicht »nbesangen Stand hielt, — sein früher so offenes, lachendes Kinccrauge. Er war über haupt nicht zum Bortbcil verändert. Hildegard erzürnte sich im Stillen, wenn er mit der Miene deS blasiiten Weltmannes über Dinge spöttelte, dir ihm hätten heilig sein sollen, aber vor den herben Witze» seines Herrn und Meisters Götz klein laut die Segel strich. War er schuldig oder nickt? — Hildegard bekannte sich so gern zu dem Glauben, daß Oskar ihm mit seinem schweren Verdacht Unrecht gethan, daß die Entrüstung, mit welcher Heinz die ibm gestellte RechenscbastSsorderung znriickaewiesen, der Ausdruck eines reinen Gewissens gewesen sei. Es hatte sich unverkennbar herauSgestelll, daß der GemütbSznstand der Gioßmutter kein normaler war. Wie leicht konnte sie in ihren Angaben sich geirrt, oder eines der Werthpapiere verlegt oder verbrannt haben, ohne eine klare Erinneiunz davon, oder den guten Willen, dies einzugesieben Nach dem reichliche» und vorzüglichen Mittagessen trat Götz gutgelaunt aus seine Frau ^u. „Na, ausgedrummt, Sckatz?" umfaßte und küßte sie trotz «träubenS und Schmollen« derb ab. Erhitzt und lackend saß sie endlich in enger Um schlingung auf seinem Schooß. Fast unzarter noch als vorhin der eheliche Zank berührte Hildegard dieser Ausbruch ehelicher Zärtlichkeit. Abend« hatte sie sich auf ein hübsche« Plätzchen am Weiber zurückgezogen und betrachtete sinnend den Widerschein der Abend- rölhc cm Wasser, als ihr Schwager drüben au« den Gebüschen »rat, die Flinte über der Achsel, von einem Hühnerhunde ge folgt. Er sah vortrefflich aus in dem abgetragenen Jagdanzug, breiter und kräftiger al« früher, voll feurigen Lcbensniulhc» und gebieterischen Srlbstgesüdls. Hildegard klappte da« Buck, da» auf ihrem Sckooß lag, zusammen und legte es neben sich, ohne die Hand davon wegzuzichcn. Waldemar unischrilt den Teich, kam heran »nd fetzte sich zu ihr, nicht ohne vorher um Erlaubniß zu fragen. „Nun. wie gefällt Dir Dannenberg?" „Alle«, was ich bi« jetzt geseben, erregt meine Bewunderung", erwiderte Hildegard. „Der Park ist großaitig, da« Hau« wohnlich. Jedes ist, was e« sein soll, überall herrscht Ordnung tind nirgends ausdringlicher LnxnS." 'Waldemar s Augen glänzten, er zog seinen langen röthlichc» Schnurrbart befriedigt durch die Finger. „Solch' Lob hör' ich gern, da« ist « gerade, WaS ich erstrebe", sagte er. „Morgen wollen wir einmal durch die Felder fahren. Ich denke, wir werden uns recht gut miteinander vertragen, Hildegard, wie? ES bat mich lange schon gewurmt, daß ich Dich nicht bier haben sollte. Ich hätte nie gedacht, daß Du so unversöhnlich sein könntest." „Ich bin nicht unversöhnlich", erwiderte Hildegard vor sich nieterblickend. „Na höre! Ich habe doch die bestimmte Empfindling, daß Du mir mein Vergeben noch beute »ackträgst, obgleich ich fast aus frischer Thal dafür abgcstrast wurde." Es zuckle, halb Lächeln, halb Bitterkeit, um Hildcgard'S Mundwinkel. .Da« ist S nicht — WaS ich nicht — niemals vergessen kann, Waldemar." Sie hob langsam den Blick und streifte sein Auge, da« sich verdüstert von ihr abwandtc. Er saß eine Weile schweigend, beschäftigte sich mit seinem H»»te, der an ihm hinaiiff'prwaen, ihm die Vorderpfote» aus die Achseln legen und sein Gesicht lecken durste. Endlich stand er auf und reckte sich in den Schultern. „Ach, Ihr Mädchen mit Eurem bimmelblauen Idealismus! — Na, ich babe Dick in besserer Unterhaltung gestört, Hilde gard, und bitte um Entschuldigung. Schmökert man noch ge legentlich? Aber nein — da« hat ja eia gelehrtes Ansehen. Ist'« erlaubt?" Er streckte die Hand nach dem Buche auS. Hildegard legte die ihre unwillkürlich fester darauf. „Ach so, verzeih — da« ist nicht» für profane Augen", sagte er, mit einem Spottlächeln; fügte dann aber ritterlich hinzu: „Vergiß nickt Hilde. Du bist bier ru Hanse und dir Herrin. Bia ich Dir irgendwo lästig, l» schicke mich einsach fort." Er grüßte und ging, von dem Hund« gefolgt, ein Liedchen rseifenk, weiter, und es war Hildegard, als pfiff er ihr zum Hohn und seinem besseren Selbst zmn Trotz seine finsteren Er innerungen sort. Erst al- 'Waldemar längst hinter den Bäumen verschwunden, nabm Hildegard das Buch aut, befreite e» von dem soliden blauen Uinfchlag, fuhr liebkosend Uber da» gelblich» eiße Sch reinSleker de» Einbände» und schlug r» an der Stelle auf, wo ein alter, vielgelesenrr Brief al« Zeichen eingelegt war. A»ck den Brief schlug sie flüchtig au«einai>der. Sie kannte jede» Wort davon auswendig, aber es war so süß, in Ge danken de» Augenblick wieder zu erleben» al» ihre Luge» zum ersten Male aus diese charaktervollen Schristzüqe gefallen waren und nicht hatten glaube» wollen, was sie sahen. Das trat nun Alles schon in die Vergangenheit zurück. Die SchreckenSpost von der schweren Erk»a»k»»q de« Vater«, mitten in die peinliche unlösbare Verwirrung im großmütter lichen Hause binein? Die überstürzte Abreise, die Siunken voll Angst und Unruhe vorher! DaS beängstigend seltsame Wesen der alten Frau, die den Augenblick ihrer Entfernung kaum ern-artcn konnte, und kein Wort der Sorae um den todtkranken Sotm, kein« dcS Trostes sür da» verstörte Mäd chen hatte. Ack, cS gab nur Einen, der zu trösten, aufzu- richten vermochte! — Und er war nicht da, er kam nickt — auch in dieser bangen Abschiedsstunde blieb er unerreichbar — nicht vorbanden sür sie. Und dann die einsame Fahrt in die Nacht hinaus — Oskar batte sie nur bis zum Bahnhof begleitet, er wollte ein zweite- Telegramm abwarten und nur im Falle c- die Todes nachricht brachte, nach Hanse reisen. Einsamkeit und Dunkel in ihr und außer ihr! —Wie sie dann an des Vaters Lager getreten, beruhigt, glücklich, ibn lebend zu finden. Ach, aber konnte man da« Leben nennen? — Gelahmt, sprachlos lag er da, hilflos wie ein kleine« Kind, nur die Augen unverändert, liebevoll ansleuchtend bei ihrem Erscheinen. Dann die ersten, angstvollen Wochen am Krankenbett, mit ihrem gäiizlichen Selbstvergessen, dem Versinken der Außenwelt, dem Ausbörcn jede« Unterschiedes zwischen Tag »nd Nacht, jede« AbwägenS der Kräfte und Möglichkeiten. Und fast gleichzeitig mit brr Wendung zum Besser» dieser Brief, die« Geschenk — eine KöuigSkrcne, die einem Dettler- kind in den Schooß fällt! — Hildegard batte an die Rolvff» geschrieben, nachdem die Nothivendigkeit ihre-Verbleiben- im Elternhaus« sich hrrau»- gestcllt, batte sür all' die empfangene Güte gedankt — ach. mit so armen, ungelenken Dorlcn! Die- war die Antwort — rasch und erreg« aus« Papier geworfen — übereilt und unüberlegt, dachte Hildegard manchmal. DaS Uebcrwallen eine« großen, unendlich reiche» Herzen», da» hunderlfällij giebt, wo e» etwa« schuldig geblieben. (fforlsetz-a, folgt.)
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