02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960124024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-24
- Monat1896-01
- Jahr1896
-
-
-
598
-
599
-
600
-
601
-
602
-
603
-
604
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
VezuflSPreiA kn der Hauptrxpeditkon oder den im Stadt, dezirt und den Vororten errichteten Aus- -obetzeven abgrholt: vierteljährlich ^l4L0. bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau« ^ b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Lesterrrich: vierteljährlich 8.—. Direkte tägliche Kreuzbandjendung in- Ausland: monatlich 7.50 Die Morgen-Ansgabe erscheint um '/,7 Ubr. dir Abrud-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. Lrdartion uu- Erpe-ittou: Johannet-affe 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen gebffnet von früh 8 bi« Abend- 7 Uhr. Filialen: Ltt« Klemm'- Lorlim. «Alfred Hahn). Unioersitätsstraße 1, L-niS Lösche. Katbarinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. An-eigeri-Preis dir t'»gcipallene Petitzrilc 20 Pfg. Reclaiuen u»ter dem Redaclivukjlrich <4g«. spallem 5>0>/., uvr de» Fainilieiiuuchrichreu 16gespalten! 40^. Größere Schrislen laut unserem Preis, perzeichniß. Tabellarischer und Zisfernio^ »ach höherem Tarif. Vxtra-Brilaaen lgrialzl). nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung 70 -" Anuahmetchlub für Anzeigen: Abrnd-Ausgabr: Bormittag- 10 Uh, Morgen-An-gabe: Nachmittag- 4 Uhr Für die Montag-Morgen-Au-gobe Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet- an die Expedition zu richte». Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 24. Januar 1896. ^°12. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Januar Wenn die Tonart, in der die gestrige Debatte deS Reichstags zum Abschluß gelangte, im weiteren Verlause der Tagung an Schärfe noch zunimmt und der Präsident inzwischen nicht eine sicherere und festere Hand in der Leitung des vielstimmige» Orchesters sich aneignet, so können wir im Jubeljahre der deutschen Reichseinheit noch wundervolle Dinge erleben. Die Redepfeile werden dann wohl noch nach anderer und höherer Stelle schwirren, als nach der Brust einzelner Abgeordneten. Der freiconservative Abgeordnete Vr. Arendt giebt uns in seinem „Deutsch. Wochenbl." bereits einen Vorgeschmack von der Kritik, die der Bund eSrath sich gefallen lassen muß, wenn er mit seinen Marine- rorderungcn nicht die Höhe erklimmt, auf die der genannte Abgeordnete sich geschwungen hat. Rach seiner stets sach verständigen Ansicht muß eine Anleihe von „mindestens 900 Millionen" aufgebracht werden, und einer seiner Mit arbeiter erklärt den verbündeten Regierungen für den Fall, daß sie nicht Ordre pariren. rund heraus: „Dann könnte man Sr. Majestät nur rathen, dem deutschen Volke, welches seine weltgeschichtliche Rolle verkennt und verschmäht, das Ministerium wieder zu geben, Las es verdient, weil es nur ein solches versteht. Für die Spitze einer solchen Regierung brauchte man nicht lange zu sorgen." Jedenfalls ist eine solche Sprache mehr frei als conservativ und näbert sich der Ausdruckweise der Anhänger des Antrags Kanitz ebenso, wie der der fortgeschrittensten Demokratie. Man sollte doch meinen, der Kaiser habe durch seinen Trinkspruch am 18. Januar den Dank und das Vertrauen gerade der Freunde und Befürworter einer kräftigen Ausgestaltung unserer See macht sich in einem Maße erworben, die ihn vor solchen An zapfungen schützen sollte. Bevor man sich über neue Marinefordcrungen den eignen Kops und die Köpfe deS Bundesralhs zerbricht, sollte man fich übrigens erinnern, daß die alten noch lange nickt vollständig zur Erfüllung gelangt sind. Die Denkschrift, welcke dem Etat der kaiserlichen Marineverwaltung für 1880/80 beigegeben war und die letzte, den Ausbau der Flotte bebandelnte Dar stellung bot, verlangte den Bau von 4 Panzerschiffen. 9 Panzer- fabrzeugen, 7 Kreuzercorvetlen, 4 Kreuzern, 2 Avisos und 2 TorpedodivisioiiSbooten. In der der Denkschrift beigegebenen Uebersickt über die Kosten und die Baupläne hatte man daraus gerechnet, daß man mit dem Ban sämmilicher geforderten Schiffe am Schlüsse des Etatsjahres 1884 85. fertig sein würde. Man ist jetzt noch nicht damit zu Ende gekommen, und der Haiipttkeil ver Reuforderungen für den Bau von Schiffen im Etat für 1886,87 ist auf Bauten zurückzuführen, welche ihren Ursprung in der erwähnten Dclikickrifl haben. Es sind auch bei Weitem nickt annähernd alle Schiffstypen, welche damals gefordert wurden, in der Zwischenzeit gleichmäßig zum Ausbau gelangt. Wäbrend die Panzerschiffe sämmtlich schon vor Jahren zur Fertigstellung gelangt waren, hatte man bis zum Beginn des laufenden Etalsjabres infolge der vom Reichstage mehrfach beobachteten ablehnenden Haltung von den geschützten Kreuzern (Kreuzercorvetlen) erst einen, „Gefion", Herstellen können. Erst durch den Etat deS laufenden JahreS ist es möglich geworden, den Bau zweier weiterer in An griff zu nehmen. Im Etat für 1896/97 sind dann noch zwei gefordert. Auck von den anderen Typen harren noch einzelne Schiffe der Jnangriffnabme. So wird durch den Etat für 1896/97 von den in der Denkschrift als notbwendig bezeichnten StationSkrcuzern wieder einer gefordert. Man ersieht hieraus, daß noch manche Summe bewilligt werden muß, ehe den alten Marine forderungen Genüge geleistet ist. Ob es au« technischen Gründen möglich ist, auch nur Das zum beschleunigten Aus bau zu bringen, was in der Denkschrift zum Etat für 1889/90 in Aussicht genommen war, werden alle „Land ratten" nicht zu entscheiden vermögen, am wenigsten, wenn bei ihnen der Mund den größeren Theil deS Kopses bildet. Die „Nordd. Allyem. Ztg." schloß vor einigen Tagen einen Leitartikel über die Feier deS 18. Januar mit folgenden Sätzen: „Wenn einmal die Geschichte die Ereignisse unserer Zeit in die richtige Perspective gerückt haben wird, so dürste sich leicht ergeben, daß ein durch entschlossene Verwendung der Macht des deutschen Volkes friedlich erreichter Erfolg an welthistorischer Tragweite hinter keiner jener Errungenschaften znrücksteht, an die wir in letzter Zeit durch die nationalen Gedenkfeste erinnert worden sind. Was bisher noch nie in der Bölkergeschichte verwirk licht gewesen: die Herrschaft des Völkerrechtes aus Sen Lecanen — das ist in unseren Tagen gesichert worden, gesichert durch Kaiser Wilhelm II." Eine Erklärung dieses ebenso pathetischen, wie geheimniß- vollen Satzes hat man in den bisher bekannten Ereignissen der letzten Wochen vergebens gesucht. Die Intervention Deutschlands in der Transvaal-Angelegenheit kann ja selbst im gehobensten Stile unmöglich mit den Ausdrücken gefeiert werden, die das officiöse Organ hier anwendet. Es bleibt vaher nichts Anderes übrig, als an etwa- für Len Augenblick noch Unbekanntes zu denken, an einen in der letzten Zeit ganz in der Stille zur Tbatsache gewordenen Erfolg unseres Kaisers, bezw. seiner Diplomatie, aus dem Gebiete desVölkerreckls. Vielleicht trifft die Münchener ,,Allg. Ztg." das Richtige, wenn sie schreibt: „Prüft man Len Ausdruck „Herrschaft des Völkerrechts aus den Oceanen" genauer, jo kommt man zu dem Resultat, daß er sich auf nichts Anderes beziehen kann, als auf die Sicherung des Privat eigenthums zur See im Kriege. Wie bekannt, ist durch die von allen Mächten außer den Vereinigten Staaten von Nord' amerika und einigen kleinen amerikanischen Staalen angenommene Pariser Declaration vom 15. Anril 1856 die Kaperet ab- gcschafft worden, und es kommen deshalb für dos Seekriegsrecht im Wesentlichen nur noch das Blockaderecht, das Durchiuchungsrecht und das Recht der sog. Seebeute in Betracht. Bezüglich der letzteren hat die Pariser Declaration bestimmt, Laß die neutrale Flagge Las feindliche Gut decke (frei Schiff, frei Gut), neutrale- Gut oder auch an Bord eines feindlichen Schiffes zugelassen sei (unfrei Schiff, frei Gut). Die völlige Abschaffung der Seebcute scheiterte damals nur an dem Widerspruch Englands, der dann seinerseits den Wider spruch Amerikas gegen die Abschaffung des Kaperrechts zur Folge hatte. Zu Beginn des Krieges von 1866 batten sodann Lester, reich, Preußen und Italien unter Vorbehalt der Gegenseitigkeit erklärt, daß feindliche Handelsjchiffx der Wegnahme nur unter den gleichen Bedingungen wie die der Neutralen unterliegen jollten (Führung von Kriegscontrcbande, Durchbrechung einer Blockade), und der Norddeutsche Bund batte dies durch Verordnung vom 18. Juli 1870 unbedingt ausgesprochen, seine Erklärung jedoch zurückgenommen, weil Frankreich an der Seebeule feslhielt. Im Jahre 1874 hatte dann England seine Theil- nalnne an der Brüsseler Conserenz über das Kriegsrecht von der Bedingung abhängig gemacht, daß das Seekrieg-recht aus dem Berathungsstoff ausgeschieden werde, und hatte seither ebenso wie Frankreich nur das Zugeständniß gemacht, daß den feindlichen Handelsschiffen eine bestimmte Frist sür die ungefährdete Rückkehr vom Tnge der Kriegserklärung an bewilligt werde. Wenn es nun Kaiser Wilhelm gelungen sein sollte, die genannten Nationen zum Entgegenkommen in dieser Frage zu bewegen, so hätte man es hier allerdings mit einem Triumph der Humanität von weltgeschichtlicher Bedeutung zu thun." Hoffentlich säumt der „Reichsanz." nickt, Aufklärung darüber zu geben, ob diese Vermulhung sich bestätigt. Unerwartet ist ein Wiener Beamtenhall für Lester reich zu einem politischen Ereigniß geworden. Bekanntlich war Kaiser Franz Josef am Dienstag zum Winterfest der Beamtenschaft in Wien geladen und auf eine Ansprache deS ComitsvorsitzcnVen erklärt er, eS freue ihn, der Beamtenschaft durch sein Erscheinen ein Zeichen seiner Zuneigung zu geben und er sei überzeugt, daß die Beamtenschaft sich derselben nickt nur durch Eifer und Treue im Dienste, sondern auch durch ihre politische Haltung in jeder Hinfickt stets würdig zeigen werde. Seit es in Oesterreich ein verfassungsmäßiges Leven giebt. ist an die Beamtenschaft eine solche Mahnung nicht «richtet worden. Noch nie bat der Kaiser e- sür nothwendig efunden, die politische Haltung der Beamten zum Gegenstände einer persönlichen Meinungsäußerung zu machen. Der Monarch vernnbeilt damit unverkennbar die rege Antbeilnahme der Beamtenschaft an der demagogischen antisemitischen Be wegung. Niemals hätte in das WienerRatbhaus eine antisemi tische Mehrheit einzieben können, wenn nicht die im 2 Wahl körper ausschlaggebende Beamtenschaft sich zum allergrößten Tbeilc auf die Leite der Antisemiten geschlagen hätte. Die Beamtenschaft fordert seit Jahren vergebens eine Gehalts aufbesserung und da die Regierungen sich über eine grund sätzliche Anerkennung dieser Forderung wegen des Kostrn- viinctes nicht hinau-wazten, wendete /ich die unzufriedene Beamtenschaft der aus agitatorischen Beweggründen für die Gehaltsaufbesserung eintretenden antisemitischen Demagogie zu. Das Cabinet Badeni hat nun die Lösung der Beamtenfrage ernstlich in Angriff genommen und im nächsten Jahre sollen die neuen erhöhten Beamtengebalte in Kraft treten. Davon verspricht sich die Regierung eine Wendung in der politischen Haltung der Beamten, die sie um so angelegentlicher hrrbei- wünscht, als ein neuerlicher Sieg der Antisemiten bei den be vorstehenden Gemeinderatbswahlen ihr schwere Verlegenheiten zu schaffen droht. Diese Wendung zu fördern und zu sichern, dazu ist offenbar die Mahnung des Kaisers ergangen. Ob sie den gewünschten Erfolg haben wird, bleibt freilich abzu warten. Die Beamtenschaft, namenilich die jüngere, ist heute in Folge des langjährigen Zusammengehens mit den Antise miten Lei den Wahlkämvfen großentheils von einem so leiden schaftlichen Parteigeist erfüllt, daß ein plötzlicher durch greifender Gesinnungsumschwung leider nicht besonder-wahr- jchcinlich ist. Die Antisemiten schäumen natürlich vor Wulh und können sich in Beleidigungen gegen den Kaiser und sein Ministerium nicht erschöpfen, allen voran natürlich Lueger, der Wiener Bürgermeistercandidat, der es daraus abgesehen zu haben scheint, seine „Hofsähigkeit" außer allem Zweifel zu stellen. Niemals wird er, zumal nach seinem letzten Auftreten im niederösterreichischen Landtage, so lange Franz Joseph Kaiser ist, den Bürgermeistersessel von Wien besteigen und, wenn die Regierung fortsährt, Alles zu thun, um die Beamtenschaft zufrieden zu stellen, wird überhaupt keinem Antisemiten diese Ebre zu Tbeil werden Das Schicksal der spanischen Politik in üuba er scheint mit der Ernennung des Generals Weyler, bis herigen Generalcapitains von Catalonien, einzig und allein auf die Spitze des Schwertes gestellt. Der Marschall Martinez Campos batte sich nicht dazu entschließen wollen, den Aufständischen den Krieg „bis aufs Messer" anzukündigen, er hoffte immer noch, daß jene sich eines anderen besinnen und zu einem Ausgleiche die Hand bieten würden. General Weyler hat nichts vom Diplomaten an sich; er ist Soldat und kennt keine anderen Rücksichten, als die sich vom mili- tairischen Standpnncte aus rechtfertigen lassen. Seine Ueber- nadme des ObercommanvoS auf der Perle der Antillen bedeutet daher den Krieg in seiner schroffsten, ab schreckendsten Gestalt. Die Ernennung dieses Mannes wird seitens der öffentlichen Meinung Spaniens mit ungetheilkem Beifall begrüßt. Den Politikern wie der Nation dauert der Feldzug aus Euba ohnehin schon viel zu lange. Man besorgt, daß wenn nickt baldige, durch schlagende Waffenerfolge die Action der Truppen krönen, die Angelegenheit, welche bisher eine streng interne Spaniens war, einen internationalen Charakter annebmen könnte Bor nichts hat man in Madrid eine solche Sorge, als von einer amerikanischen Einmischung zu Gunsten der In surgenten. Je eher man den Amerikanern einen jeglichen Vorwand dazu nehmen kann, umso bester, deshalb hat auch SO. Jahrgang. General Weyler unbeschränkte Vollmacht erhalten, alle Mine anzuwenden, von denen er sick Erfolg verspricht. In längstens i4 Tagen dürfte der neue Oberbefehlshaber aui seinen Posten cingrtrvffen sein. Nach dem, waS über seinen Feldzugsplan verlautet, wird er AlleS daransetzen, die Insur genten zum Stehen zu bringeu und ihre Macht in offener Schlacht zu breche». Wenn Vieser Plan glückt, so wäre allerdings das Schicksal deS Aufstandes wohl so ziemlich bc siegelt. Ader cs ist nichts weniger denn sicher, daß die Zu surgenten den« General den Gefallen thun und sich ihm an dem Orte, der ihm passend erscheint, zum Kampfe stellen werden. Bald sind sie hier, bald dort, überall Schrecken ver breitend und plötzlich wieder verschwindend, woraus dann in spanischen Berichten regelmäßig eine Flucht der Aufständischen gemacht wird, oder es heißt: sie wurden zer sprengt, aufgerieben, vernichtet. So ist auch die folgende Meldung zu verstehen: * MatzriV, L3. Januar. Der Jnsurgentensührer Gom > z näherte sich durch einen raschen Vorstoß (!) der Stadt Habalinh bis aus 15 lcm (!I) General Marin verließ mit 1500 Man» uiw 4 Kanonen die Stadt. Gomez zog sich aber schnell zurück. Tic spanische Colonae traf alsdann bei Ciensuego» aus die Abthcilung LasltUo's, welcher getödtet wurde Die Abtheilung ist zersprengt worden. Wie oft ist Gomez schon in die Flucht geschlagen, verfolgt und vertrieben worden, jetzt steht er wieder unmittelbar vor Havanna! UeberkieS weissagt auch die Opposition, zu welcher sich die autonomistische Partei der Insel dem Nachfolger des Marschalls Martinez Compos gegenüber rüstet, nichts Gutes. Der Personenwechsel im Höchst commando verscheucht den letzten Zweifel daran, daß Spanien beute so wenig als je zuvor zu einer durchgreifenden Aenderung seines VerwaltungssystemeS, welches Cuba nur als Aus beulungSobject gelte» läßt, die Hand bieten wird. Die Auto nomisten, d. h. die erdrückende Mebrzahl der bis jetzt dem Aufstande noch fern gebliebenen Bevölterungsschichten, werten mithin zu einer Entscheidung gedrängt, die sie gern vermieden hätten, der sie sich nun aber nicht länger werden entziehen können; daß diese Entscheidung zur Vereinfachung der Lage beitragen werde, ist wenig wahrscheinlich Deutsches Reich. 6. ü. Berlin, 29. Januar. Die Conserenzen der Central stelle für ArbeiterwoblfabrtSeinrichtungen haben von Jahr zu Jahr immer größeres Interesse gefunden; alle nabmbasten Socialpolitiker sind auf diesen Conserenzen erschienen, die Debatten belebend und neue Anregungen gebend Tic dies jährige Conserenz, die wiederum in Berlin abgehalten werden soll, wird am 1l. und 12. Mai statlfinden, und schon jetzt bringt man ihr allseitig das lebhafteste Interesse entgegen, weil die Berathungsgegenstände sehr aclneller Natur sind. Zunächst wirb über den Arbeitsnachweis verhandelt werten, als Referent hierüber ist der BezirkSpräsident a. D. vr. Freiherr v. Reitzen stein in Freiburg i. Br. ge wonnen Die Frage deS Arbeitsnachweises ist eine sehr brennende; viele Stätte haben bekanntlich städtische Arbeits nachweise errichtet und sind dabei nicht schlecht gefahren Berlin verhält sich ablehnend gegen die Errichtung eines städtischen ArbeitSnachwkisrs; wohl aber wird der hier be stehende Eentralverein sür Arbeitsnachweis, der nach jeder Richtung hin seine Thätizkeit erweitert, von der Statt nach Kräften subvrntionirt. Bei der ungebeueren Comvlicirtheil gerade der Berliner Verhältnisse glaubt man, daß ern privater, von der Stadt unterstützter Verein bessere Erfolge erzielen könne, als wenn die Stadt selbst den Arbeitsnachweis in die Hand nähme. Vielleicht werten aus der Conserenz die Ansichten soweit geklärt, daß man sehen kann, welche Einrichtung die bessere ist. Al- weiterer Gegenstand der Tagesordnung ist die „Verwendung weiblicher Hilfs Fei-rlletsn. Annalise's Pflegemutter. I9j Roman von L. Haid heim. Nachdruck verboten. Adele Jwanowna duldete nickt, daß auch nur der Name ihrer Pflegetochter vor ihr genannt wurde; sie sann überhaupt nichts Anderes als ibr Geld, und was je von krankhaftem Geiz oder unnatürlicher Habsucht geschrieben oder erzählt wurde, das berichteten ihre Pfleger und nannten es „Wahn sinn". Aber dieser Wahnsinn hatte Methode, und Adele Jwanowna war in jedem anderen Punct so klar und logisch, wie je. Das waren die Gedanken, die den Gutsherrn von Ellern beherrschten, während er neben den arbeitenden Leuten stand. Er wußte oder argwölmte, sie flüsterten hinter seinem Rücken alle von dem „Brandstifter, den vornehmen Dieben, die man laufen ließ", und er mußte stillbalten. Bor einem Jahre noch war er ein allgemein beliebter, geachteter Mann, trotz seiner Schulden! Jetzt, das wußte er ebenso gut, batte er sich durch seine Greiztheit und seinen schroffen Hochmuth, eine Folge der Verleumdungen, Feinde über Feinde gemacht. Und nun, das Aergste, eine öffentliche Anklage, eine gerichtliche Nntersuchung auf Brandstiftung in betrügerischer Absicht! Eine unbeschreibliche, haßerfüllte Menschenveracktung beherrschte ihn ganz und gar: sie eine Meute, er das Wilv! War'- nicht, um rasend zu werden? Au« dem Verwalter- Hause kam ein Fremder. WaS hatte der nur dort wieder zu suchen gehabt? Tag für Tag gingen da jetzt Leute aus und ein, die er nickt kannte. War er überhaupt noch Herr auf seinem Hofe? Und warum war er's nicht? Weil er vor der Erbkante ganz würdelos gekrochen und sie zur Herrin über sich und die Seinen gemacht, noch obendrein nutzlos sich so tief geben,ütbigl hatte! Adele Jwanowna hielt fest, was sie einmal ergriffen; sie herrschte despotisch, es kostete sie ja nichts. Seine Laune wurde immer schwärzer. Er fühlte wieder, wie ihm heiß und eng wurde. Fort ins Freie! Das war ja gar nicht zu ertragen! Er nahm seinen Stock und ging ins Feld. Ueberall regte sich das frobe Erwachen der Natur, die Lerchen saugen. Tausend Vogelstimmen trillerten und zirpten, aus den frisch gepflügten Felvern stieg der Ervgeruch belebend empor. Das tbat ihm gut! Gott sei Dank, daß Ellern ihm noch gekörte! Diese Frau! Ihre nächsten Verwandten wollte sie schmählich übervortbeilen! Ein Mann trat zu ihm, mit devoten Manieren den Hut ziehend. Der Fremde, der vorbin bei Adele Jwanowaa gewesen. Wo batte er den Man» schon früher gesehen? „Verzeihung! Habe ick die Ehre, Herrn von Linowitz —?" „Der bin ich, waS wünschen Sie?" „Ich war vorhin bei der Baronin von Platow, die Kranken schwester ließ mich nickt vor, die Gnädige sei todlkrank, sagte sie mir." „Tann wird sie dazu wohl Grund gebäht haben!" „Würden der gnädige Herr mich anbören? Ich — ich weiß ein Gebeimniß, welches den gnädigen Herrn reich macken kann!" Linowitz faßte de» Mann schärfer inS Auge, testen harter Accent ihm schon den Gedanken geweckt hatte, der Mensch spreche wie ein Deutschnifse. „Wer sind Sie?" fragte er in seiner jetzt stets barschen Weise. „Ich habe mir die Erlaubniß genommen, im vorigen Herbst schon an die gnädige Frau Gemahlin zu schreiben —" „Ab! Wer Sie sind, habe ich czefragt." „Ich beiße Boris Steramin; ich war beim Herrn von Platow in Dienst." „Und nackber im Gesäiigniß. wegen Diebstahl«?" Boris Steramin wurde aschfahl. Eine tigerbafte Wuth lobte in seinen Auge» auf. „Unschuldig! Gott ist mein Zeuge! Die Gnädige soll'« verantworten!" keuchte er und stammelte dann hastige Worte, halb russisch, halb deutsch. Er batte sich Kleinigkeiten aus des Verstorbenen Sachen angeeignet, eine Ciqarrentascke, einen Revolver, nichts von Werth, aber die Gnädige habe ihn beseitigen wollen. Dem stolzen bochmüthigen Herr« kam gegenüber dem einstigen Diener ein leises Gesübl der Sympathie. Warum sollte es nicht möglich sein, daß auch dieser Mensch ungerecht angcklagt Worte»? — derartige kleine Entwendungen kielt man in seinem Stande oft genug nicht für großes Unrecht. „Und was wollten Sie jetzt bei der Baronin?" Der Mann wurde verlegen. Unter dem festen Blick deS Gutsherrn sagte er dann aber gehässig: „Sie bat sich hier versteckt in dem Gedanken, daß ich sie hier nie finden würde. Aber sie bat sich verrechnet." „Und was wollten Sie bei Ihrer Herrin?" „Sie ist meine Herrschaft nickt mehr, sie isl'S nie gewesen. Sie haßte mich, weil ick meinem Herrn anbmg und weil ich Excellenz geschrieben, dem Herrn Staatsrath, gegen ihren Willen, renn der wurde ihrer dock endlich Herr!" Linowitz verstand nicht, vorläufig interessirte ihn das Andere mehr. „Sie hassen die Baronin? Sie wollten sich also an ibr rächen?" fragte er drohend. „Ich wollte sie fragen, ob sie mir —? Sic weiß, ich könnte sie in Rußland ins ZucktbauS bringen." „Mensch! Elender!" „Seien Sie nur still, gnädiger Herr, Sie sind es, den sic betrogen hat. Ihre Gnädige follte die Hälfte erben. Die Baronin hat daS Testament wieder geholt, nachdem sie die alte Großmutter, die im Slerben lag, zwang, den Schein zu schreiben." „DaS ist nickt wahr! Ist unmöglich!" „Ich bab'S im vorigen Herbst an Frau von Linowitz ge schrieben. So ist'«, und ich kann'« beweisen. Ich habe meinen letzten Lob» daran gesetzt, um nach Kiew z» reisen. Der Rechtsanwalt lebt nock, der Alle« weiß, die Kammer- frau der gnädigen Seligen lebt ancb noch, sie kan»'« bezeugen! Und Excellenz weiß e- auch, denn mein armer Herr bat rS ihm am Abend seines Tode- bekannt —" ,,Wa«? Baron Platow? Mitschuldig?" „Er mußte schweigen! Wollt - nicht, jaber er hatte alles Geld vom Herrn Grafen verspielt —" „Ich müßte ja ein Narr sein, wenn ich daS glaubte!" rief Linowitz. „Machen Sic, daß Sie forlkommcn." „Sie können das Geld noch retten, das viele Geld; ick habe die Beweise", bestand der Andere auf seiner Aussage „Kommen Sie mit, erzählen Sie!" forderte Linowitz Und zu fick selbst sagte er: „Ruhig Blut! Der Kerl ist ein rachsüchtiger Halllinke! ein loSgekassener Sträfling!" ü> In dem ehemaligen Ltudirsiübchen des Vogeldoctors lag Annalisc in einem kiffenbedeckten Lehnstuhl am Fenster, ab gemagert und blaß zum Erschrecken, aber in den großen blauen Äugen neben einem jetzt nie mehr daraus weichenden tiefen Ernst die Freute am neugeschenkten Leben. Man batte sie bier herauf gebracht, damals nock auf Joachim - Veranlaffiing. der von Or Mohoreul unterstütz! wurde. Ter alte Vogeldoctor mußte seinen ungeladenen Gast be halten. Keiner ahnte, wie lange; al» man ihm aber seine Stube und Vögel wieder allein überließ und er einsah. daß sein einsames Leben nickt weiter gestört werden würde, hatte er sich mit aulwilliger Ergebung in die Umstände gefügt. Seine Wirlbschasterin war schnell gewonnen al» Joachim ibr ein blankes Zwanzigmarkstück in dir Hand drückt« und ibr niehr. davon i» Aussicht stellte, falls sie Annalist gut verpflegte. Das Alle« batte sich am ersten und zweite» Tage ab gespielt, dann aber Joachim sich mit blutendem Herzen los- re ßen muffen von seiner in Fieberpbantasirn daliegenden Braut, und nun waren jene langen öden Wochen schwerer Krankkeit vorüber. Weder Frau von Linowitz noch Carola durften Annalist besuchen; ihre Pflegemutter schien nicht einmal an sie zu zu denken, nannte niemals ihren Namen und erlaubte nicht, daß er in ihrer Gegenwart genannt wurde, kalt und fühllos stieß sie da- widerstrebend« Pflegekind von sich und al« Alfred GlozowSky dann durch den Staatsrath auf nun mehrige Auszahlung feines Vermögen- drängte, da war sie
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode