02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970109024
- PURL
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-09
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Es geschah dieses cmS dem Grunde, weil durch die genannte Bewilligung jene Anschauungen Unterstützung fanden, die in einem weiteren Ausbau unseres Genossenschaftswesens eine bessere Gewähr für die Beseitigung von Uebelständen in Landwirthschasl und Hand werk sahen, als in einer die Freiheit VeS Handels unv des Arbeiters stark beengenden Gesetzgebung. Obgleich also die Wirkung jene« Darlehens, soweit dasselbe der Landwirlhschaft zu Gute kommt, in der bäuerlichen Bevölkerung Sachsens politischen Forderungen, wie sie namentlich von preußischen Großgrund besitzern ausgestellt werden, nicht forderlich, sondern hinderlich sein wird, stellen die Sociatdemokraten jetzt die Sache so dar, als handle es sich bei jenem Darlehen lediglich um eine „agrarierfreunbliche" Maßregel und zwar im „steigenden Maße". Wie kurzsichtig das ist, geht schon daraus hervor, daß die Vorlbeile des Darlehens hauptsächlich solchen landwirthschastlicben Kreisen zu Gute kommen werden, die auch nach socialdemokratischen Darstellungen in dürftiger materieller Lage sich befinden. Thatsäcdlich ist in den lanb- wirthschaftlichen Genossenschaften Sachsens nicht der Groß- besitz, sondern der kleine und der mittlere bäuerliche Besitz vorwiegend vertreten. Aber auch die in Aussicht genommene Verwendung der Millionen, welche dem „Verbände landwirrh- schaftlicher Genossenschaften im Königreich Sachsen" aus jenem bewilligten Capital in einzelnen größerenNaten zufließen sollen, sobald er juristische Rechte erlangt, läßt keinen Zweifel darüber, daß die Verwendung des Darlehens völlig im Sinne genossenschaftlicher Selbsthilfe und nicht im Sinne einer „agrarierfreundlichen" Politik geschehen wird. Wie wir er fahren, will der „Verband landwirthschastlicher Genossen schaften" oas ihm zufließende Capital zunächst als Betriebs- mittel für seine Gelbausgleichstclle, dann aber auch namentlich dazu verwenden, an Genossenschaften Darlehen zum Bau von Lagerhäusern, zur Unterstützung des gemeinsam«» Einkaufs von Düngemitteln, Sämereien rc. und besonders des genossen schaftlichen Getreideverkaufs gegen geringen Zinsfuß zu geben. Auch die Gründung genossenschaftlicher Molkereien und ObstverwerthungS - Gesellschaften -c. soll gefördert werden. Wie erheblich der genossenschaftliche Ge danke durch derartige Maßnahmen in den sächsischen Dörfern gekräftigt wird, zeigt sich schon jetzt. Seit der Be willigung jenes Darlehens ist in Sachsen die Zahl der sich aus kleinbäuerlichen Kreisen zusammensetzenden landwirth- schaftlicken Genossenschaften verhältnißmäßig erheblich gestiegen, und diese sind bestrebt, sich dem sächsischen Verbände anzu schließen. Die Socialdemokratie sieht aus natürlichen Gründen eine Äu-dehnung des Genossenschaftswesens in den bäuer lichen Bezirken ungern. Sie hat es oft genug ausgesprochen, daß sie in den nach ihrer Ansicht langsam zu Grunde gehen den kleineren und mittleren Landwirlhen die zukünftigen „Genossen" erblickt. Von den landwirthfchaftlichen Genossen schaften ist aber eine erbebliche Kräftigung der wirthschaft- lichen Lage ihrer Mitglieder zu erwarten. Das preußische Atgesr-netenha«« ist gestern, nachdem Finanzminister Vr. Miguel den StaatShauSbaltsetat für 1897,98 eingebracht hatte, wider Erwarten noch in die Be- ralhung der Interpellation des Centrums und der Polen eingetreten, dre Aufschloß über die Auflösung poli tischer und anderer Versammlungen in Beneschau, Brutschen und Wieschoma in Oberschlesien verlangt, in denen in einer anderen als der deutschen Sprache verhandelt worben war. Der CentrumSabgeordnete Stephan, der die Interpellation vertrat, suchte nachzuweisen, daß die Versamm lungen lediglich religiösen Zwecken gedient hätten. Der Minister des Innern, Freiherr von der Recke, zog mit erfreulicher Bestimmtheit die Consequenzen, die ans dem Rechte de« Staates, politische Versamm lungen zu überwachen, und aus der Pflicht, in den östlichen Grenzdistricten die staatliche Autorität zu wahren, sich ergeben. Ein« in Westfalen abgehaltene fremdsprachliche Versammlung hatte, wie der Minister weiter darlegte, die Anregung dazu gegeben, gegen jene Versammlungen die ge setzlichen Bestimmungen mit voller Schärfe zur Anwendung u bringen. Er wies weiter darauf hin, daß die Versamm- ungen politisch und in hoch polnischer Sprache abgehalten waren, während Hochpoinisch nicht die Volkssprache in jener Gegend ist, sondern das sogenannte „Wasserpolnisch", und daß der Staat weder im Stande, noch verpflichtet ist, wenn politische Versammlungen innerhalb seiner Grenzen abgehallen werden, seine Beamten alle die Sprachen und Dialecte lernen zu lasten, um den Berathungen folgen zu können. Der heftige Widerspruch im Centrum unv bei den Polen, der sich in einem langanhaltenden Zischen äußerte, deutele an, daß heute in der Fortsetzung der Beratbung von dieser Seite ein lebhafter Widerspruch zu erwarten ist. Der Aufstau- der Belschuanen macht den Engländern mehr zu schaffen, als sie anfangs glaubten. Dabei ist es eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß in demselben Augen blick, in dem wir in der letzten Nummer der „Times" eine nette kleine Infamie gegen Deutschland lesen — die von Deutschen nach Afrika gelockten indischen Kulis würden bar barisch behandelt, Freiheit und anständige Behandlung seien unbekannte Dinge bei dem despotischen Militairregime in den deutschen Colonien —, dir Nachricht zu uns gelangt, der Aufstand im englischen Betschuanalande nehme einen höchst bedrohlichen Charakter an. Die„bumane" Behand lung in englischen Colonien scheint also die Eingeborenen nicht eben sehr freundlich gegen die englische Herrschaft zu stimmen. In der That sind die Engländer an dem Ausstande selbst Schuld. In einem der angesehensten holländischen Blatter, dem „Amsterdamsche Allgemein Handelsblad" wird von offenbar sachkundiger Seite geschildert, wie sich die Eng länder, vor Allem durch die unglückliche Regierern von London aus verhaßt gemacht hätten. Bon London her habe man einfach decretirt, daß immer mehr Land occnpirt würde, unv daß die Häuptlinge der Eingeborenen ihres Besitzes beraubt würden. Ein auf diese Weise geschädigter Häupting ist Galishwe, anscheinend der Leiter des gegenwärtigen Ausstandes. Er befindet sich in steter Fehde mit den Engländern, die bereits dreimal gegen ihn Expeditionen ausgesandt, und für diese Eoelwildjagd -'/« Millionen Pfund Sterling ver ausgabt haben. Galisbwe hat sich zu dem ebenfalls den Engländern feindlich gesinnten Häuptling Luka Iantjie ge flüchtet und Beide scheinen den Aufstand gegen die Engländer zu organisiren. Gelingt eS ihnen, die verichievenen Stämme der Betschuauen gegen die Engländer zu vereinen, so dürfte der Aufstand recht bedenklich werden, da die Belschuanen etwa s/« Millionen Köpfe zählen. Allerdings ist diese Ver einigung kaum anzunehmen, einmal weil die Belschuanen auf ein ungeheure- Gebiet verstreut wurden, zweitens, weil die Stämmeeinander ziemlich fremd, ja zuiuTheil seindlich sind. Diel« Uneinigkeit unter denBetschuanen dürftedenEngländern schließlich die Niederwerfung deS Aufstande» ermöglichen; immerhin zeigt die Aufforderung an alle Freiwilligen der Cap es loa ie, sich rum Kampfe bereit zu kalten, daß man im Kaplande die Lage als sehr ernst ansieht. Wollten die Boeren die bedenkliche Lage der Engländer ausnutzen, so würde es diesen herzlich schlecht gehen. Wir sind aber über zeugt, daß sich die Boeren loyaler verhalten werden, als eS die Engländer verdienen. Es ist wie eine Fügung einer übernatürlichen Macht, daß in demselben Augenblicke, in dem der Prahlhans Cecil Rhodes die Bereinigung von ganz Südafrika, natürlich unier britischer Führung, proclamirt, e» sich zeigt, ans wie schwachen Füßen die englische Herr schaft steot. Dem Rothstand in Indien soll nun, nachdem Ruß land längst vorausgegangen, endlich auch durch Samm lungen in der Hauplnavt der vereinigten Königreiche von Großbritannien entgegengewirkt werden. Schou vor mehreren Wochen Halle der Lord Mayor seine Bereitwilligkeit zu Sammlungen erklärt, die Regierung aber Halle abgelehnt, weil zunächst die Lage sich noch nickt übersehen lasse. Darauf machte Lord Kinnairv am I. Januar ein ähnliches Anerbieten. Der Staatssecretair für Indien erklärte in seiner Erwiderung, ehe man zu Sammlungen schreiten köune, muffe man eine besondere Maschinerie einrichten für Empfang, Dertbeilung und Ueberwachunz der gesammelten Gelder. Darauf meldete sich der Secrelair des großen UnlerslützungsfondS, der 1877 ge sammelt wurde, mit dem Anerbieten, der Regierung die Papiere über Anordnung und Leitung der damaligen 120 Ausschüsse zur Verfügung zu stellen. Lord Georg Hamilton, augenscheinlich schon in übler Laune, lehnte auch diese» An erbieten mit dem Bemerken ab, eS seien in den letzten zwanzig Jahren so viele Verbesserungen in der Methode der Unterstützung von Regierung» wegen eingetreten, daß man auf ihnen unv nickt auf den Erfahrungen vom Jahre >876 den Unterstützung« - Apparat aufbaucn muffe. Im klebrigen sei die indische Regierung damit beschäftigt, die Grundlage für einen Aufruf an das Volk nieverzulegr«, und werde dabei ohne Zweifel die Erfahrungen mit den >n der Vergangenheit so großmülbig zusammengtsteuerlen UnterstützungSfonks zu Nutze macken. Ob man nun thatsächlich mit dem „Aufbau des UnlerstützungSapparatcS" fertig geworden ist, entzieht sich unserer Kenniniß, jedenfalls wirb heute mit den Sammlungen begonnen werden. Daß es höchste Zeit dazu ist, zeigt sich mit erschreckender Deutlichkeit, wenn man bedenkt, daß bereits eine Viertelmillion Menschen aus der Arbeiterklasse Bombay aus Furcht vor der Pest verlassen bat, um, die Seuche jedenfalls weikerverschlcppenv, in Gegenden zu strömen, in denen die Nothlage kaum minder groß ist, als in der Hauptstadt selbst, zeigt sich, wenn man erwägt, daß der Regen zu spät für dir Herbsternte gekommen ist und zur Erniedrigung der Kornpreise wenig oder nichts bei- gelragen hak. Die «-childeruugen aus Bombay über Pest und Hungersnot!) sind schaudererregend und werden sicher noch entsetzlicher werden, denn raS ausgedörrle Land soll nicht weniger als einer Viertelmilliarde Menschen Lebensunlerbalt gewähren I Soweit hat es die vielgecübmte englische Für sorge für diese wichtigste Colonie des britischen Weltreiches kommen lasten. Aber immerhin, ein Fortschritt ist nicht zu verkennen, denn bei dem Unglück von 187?—78 hat man sich nicht eber gerührt, als bi- — fünf Millionen Menschen ver hungert waren! Verschiedene Berliner Blätter berichten über einen großen Hofscan dal in Japan. Danach hat zuerst di« in Osaka herausgcgebene Zeitschrift „Nisiu-Roku-Sseiki" einen Artikel gebracht, in dem der Hofmiaifter Graf Hisa- moto Hisikata beschuldigt wurde, in Verbindung mit dein früheren Premierminister Marquis Hakubun I t o seinen hoben Vertrauensposten au» Eigennutz mißbraucht zu haben Marquis Jto war selbst schon vor Gras Hisikata Hosminister gewesen und hatte, als er vor über zehn Jahren Premier minister wurde, dem Grafen seinen bisherigen Posten ver schafft. Graf Hisikata blieb seitdem Hosminister, so oft auch in den letzte» zehn Jahren die Cabinete unv die übrigen Minister wechselten. Wie die erwähnte Zeitschrift idm vorwirfr, soll er dem Marquis Jto, auch wenn Vieser nicht Minister war, jederzeit Zutritt zu den kaiserlichen Privalzemäckerik verschafft haben, wobei sich Marquis Jto mit dem Kaiser auch über Politik unterhielt, im Gegensatz sogar zu Mitgliedern der ältesten, mit dem Kaiserhause verwandten Familien, wie den Fürsten Konoje, Nisi» und Anderen, die sich gewöhnlich nur nach dem Befinden der allerhöchsten Herrschaften erkundigen durften, ebne jemals die Politik z« berühren. Dieses vertraute Verbältniß zwischen Marquis Jto und Gras Hisikata soll zur Folge gehabt haben, daß sie bei der Vertbeitung von kaiserlicben^nicht staatlichen) Ehrengeschenken nach dem Kriege mit China sich durch gegenseitige Empfehlung die höchsten Summen von 100 000 und 70 000 Den verschafften, während die ver dientesten Feldherren, die Obergenerale Aamagata und MarquiS Ojam a nnv VerAdmiralMaraniS Saigo, kaum ein Drittel oder die Hälfte, nur je 30 000?)en erhielten, obwohl sie zuerst da- Doppelte bekommen sollten. Es wurden noch andere Beschuldigungen gegen Hisikata und Jto erhoben. Als der besagte Artikel in der „Nisiu-Roku-Sseiki" am 5. November erschien, herrschte Anfangs einigt Tage lang allgemeine- Stillschweigen. Bier Tage später druckte die in Tokio erscheinende Zeitung „Nippon" den ganzen Artikel ab und begleitete die „Enthüllungen" mit bekräftigenden Zusätzen. Darauf nahmen auch fast alle übrigen Zeitungen zu dem Artikel Stellung, und eS entstand im ganzen Reiche ein äußerst lebhafter Federkrieg. Da wurde plötzlich der „Nisiu- Roku-Sseiki" sür immer und der „Nippon" auf unbestimmte eit da- weitere Er'cheinen untersagt, obwobl da- neue abinet bei seinem Antritt größere Preßfreiheit ver sprochen harte. Deutsche- Reich. * Berlin, 8. Januar. Ueber den preußischen Staats- haushalkSetat für 1897/98 schreiben die „Berl. Pol. Nachr": „Der 2-Milliarvenelat für 1897/98 bildet auch insofern einen Markstein in der Entwickelung der preußischen Finanzen, als er seit 1893 94 der erste Erat ist, der ohne Deficit schließt. Schon in dea Jahren 1891/92 und 1892 93 «, batte die Rechnung ein Deficit ergeben, aus die Periode reicher Ueberschüffe, deren Höbepunct die Jahre 1888/89 und 1889/90 bildeten, war eine solche überaus magerer Jahre gefolgt. Die Gründe dieser ungünstigen Veränderung der finanziellen Lage Preußens lagen nur zum Theil aus dem Gebiete seiner eigenen Finanzwirchschaft, indem die Ueberschüffe seiner Ein- nakmevei Wallungen, insbesondere seiner Betriebsverwaltungen, wenn sie auch nur ausnahmsweise zurückgingea, so doch nicht Fereilletoi,. H Die Kirdorfs. Roman von Hermann Helberg. NaLdnick »erböte«. Nun erhob sich Rudolf, der in den Schriftstücken ge blättert, richtete fick an dem Tisch empor und hielt eine Rede. Er erklärte Alles, wie es war, sagte dem, welcher den Thäter nennen, oder den Rixdorf'S auf die Spur des Verbrecher- verhelfen könne, eine reiche Belohnung zu. „Ein Hausvieb war'-. Es unterliegt keinem Zweifel, da alle« an seinem Platz ist wie ehedem!" schloß er seine Rede. Und als sie dann nach angestelltem, aber ergebnißlos ver- saufenen Verhör sämmtlick entlassen waren, richtete Rudolf leine Augen auf seine Nichte unv sagte: „Nun, wie ist'«. Hältst Du einen von denen für den Thäter?" Isabellcr schüttelte, ohne zu ibrem Verwandten empor- zublicken, den Kopf. Und: „Nein" fügte sie dann, ibn er bebend und ihrem Onkel mit kalter Miene begegnend, hinzu. „Nun!" zischle Rudolf mit einer höhnisch lachenden Grimasse zu seinem Bruder gewendet. „Dann bleibe» also nnr wir zurück, Axel, — Du oder ich. Einer von uns muß eS gewesen sein! Wie warS? Nahmst Du die Schlüssel nach dem Tode unseres Vater- an Dich? ES scheint nicht! Weshalb, wenn ich fragen darf?" Plötzlich hatte sich der Gedanke in ihm festgesetzt, sein frommer Bruder könne ein Interesse daran gehabt haben, wenigstens vorläufig das Testament bei Seite zu bringen. Es lautete vielleicht doch nicht za seinen, Rudolf», Un- gnnsten. Ulrike sah größere Vortbeile, mit Asel zu geben! Sie und er spielte» unter einer Decke. Alles, was erster« ihm aus dem Inhalt deS Testamentes mitgetheilt, war mög licherweise Lug und Trug gewesen! Axel aber maß nach den empörenden Worten seinen Bruder mit einem einzigen verachtenden Blick, und als die» ans Rudolf keinen Eindruck hervorries, sagte er in einem ein fachen Ton: „Es ist mir unfaßlich, daß Du Dich so ereiferst, da Du allein von unS Geschwistern ein Interesse daran haben kannst, daß kein letzter Wille unseres BaterS vorhanden ist. Aber mir könnte nicht einmal der Gedanke kommen, daß einer meine- Fleisches und Blutes ein so niedriges Verbrechen begehen könnt», wie da-, welches Du nun eben auch mir unter dem Deck mantel roher Scherzworte unterschieben wolltest! Doch etwas Anderes, da es müßig und, wie Isabella schou hervorhob, mehr als beschämend ist, solcherlei Gespräche überhaupt zu führen: Wir müssen alsbald beim Justizrath PaterouS in Eutin anfragen, was geschehen soll, was, im Fall daS Testament nicht wieder zum Vorschein kommt, Jedes Recht ist! Ich will das übernehmen und Euch wieder zusammen berufen, sobald ich Auskunft erhalten habe. Ich denke, wir schließen sür beute. — Und noch rin-! Wollt Ihr zu Tisch bleiben? Der Koch ließ bereit- fragen, ob er sich daraus zu richten habe?" Die Frauen stimmten zu. Rudolf verneinte, er brach auf. Aber er wandte sich in dem alsbald vorfahrendrn Gefäbrt nickt nach Flugsaude, sondern nach Eutin. Er wollte den Iustizrath sprechen, bevor ihm sein Bruder zuvorkam und vielleicht Alle- verdarb. Während er aber dabin fuhr und während die Tafel be reitet ward, setzten dir beiden Geschwister und Isabella da« Gespräch über das Geschehene fort. Ulrike Todtleben war entschlossen, sich gänzlich von Rudolf frei zu mache». Der letzte Vorfall neben der Ueberreugung, daß er weder Erbe von Stei«horft werden, noch daß Isabella jemals ibm die Hand reiche» werde, machten ihren bisherigen Schwankungen ein Ende. Sir wollte mit all' ihr »u Gebote stehenden Mitteln darauf hinwirken, baß ihr« Tochter de« Erben von Steinhorst, Asel, heirathrte. Wenn ihr das gelang, halte» ihre ehr geizigsten Wünsche sich erfüllt. Sie sah trotz de« Nichtvorhandensri»« de« Testamente« sür A^el keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Sie konnte beschwören, daß ihr Vater zu seinen, ihren und Isabella- Gunsten testirt hatte. Sie würde endlich vor Gericht auS- sage», daß sie das Testament i» Händen gehabt «ad ge lesen habe. Auch blieb noch die Möglichkeit, daß sich eia« Copie de« letzten Willens ibreS BaterS bei Paternus fand. Es wurde die Abrede getroffen, daß Ulrike noch am selben Tage den Abvocaten aussuchen, und womöglich am folgenden mit ihm — vorläufig ohne Rudolf — nach Steinhorst kommen solle. Als endlich nach vollendeter Mahlzeit auch der Todt- leben'sche Wagen vor der Thür stand, trat Ulrike noch einmal zurück, zog ihren Bruder bei Seite und sagte dem nach seiner Art mit gesenktem Haupte Zubörenden: „Nock dies, bevor wir auseinantergeben, Axel. Bereits beute spreche ich mit Isabella. Was an mir liegt, wird ge schehen, Euck zu vereinigen, und auch ick hoffe es zu Gott, den Rixdorfschen Besitz ,n Eure Hand zu vereinigen. Wir müssen und werden siegen, wenn wir zniammenbalten — Rudolf wird abgesunden, ick erhielt dasselbe als Braut gabe, alio bist Du als Aeltester der alleinige Erbe von Steinborst!" Und als der zartgesinnte Axel sie hastig verlegen unter brach, nicht jetzt schon mit Isabella zu reden, erst die Trauer zeit verstreichen zu lassen, auch wegen der Ungewißbeit der Dinge noch zu warten, schüttelte sie abweisend den Kops. „Ich wünsche selbst Klarheit, Axel", erklärte sie. „Was bat die Trauer um unsere» Vater mit Eurer Liebe zu thun? Daß Ihr nickt vor schicklicher Frnt an den Altar tretet, versteht sich. Aber Euch zu vereinigen, nachdem ick weiß, wie eS in Dir auSsieht, ist meines Leben» höchster Wunsch. — Ich bin sicher, daß auch unser Vater nicht- lieber gesehen hätte. Du und Isabella waren seine Lieblinge, und Ihr, Jbr paßt zu einander." Sie drückte ibm nach kiesen Worten mit schmeichlerischer Zärtlichkeit die Hand und wich von ihm zurück. Er aber folgte ihr. gehoben durch seine Hoffnungen, und gedrängt, Isabella noch einen Blick zuzuwrrfen, aus die Raupe. Unv den kandte er ihr hinüber, »nv sie erwiderte ibn mit einem gütigen Ausdruck ihrer stillen Augen, bis dann der Wagen davvnstob. — Wichtige Dinge ereigneten sich am nächsten Tage. Am Nachmittag fuhr, bald nachdem Ulrike von einer bedeutsamen Besprechung mit Paternus zurückgekehrt war, der Stiin- borster Wagen vor Ulriken's Haus und Axel trat, von dem eilfertig berbeieilendeo Diener geleitet, in die Wohnung seiner Schwester. Zu derselben Zeit raffelte rin Gespann, rin Reiter voran und ein Jäger neben dem Kuticher, auf die Rampe des Steinborster Schlosse» und Rudolf sprang, bevor noch der Haiduck, Ole und Daniel ihm behilflich sein konnten, hrra»s und eilte die Treppe empor. Kaum in di» Halle eingetreten. nahm er finsteren Blickes ras Wort und besabl, daß sich alle auf dem Hofe befindlich,» Personen sofort in den Räumen zur Linken einfinden sollten. „Also hört, begann er. Der Inspector, Verwalter, die Kneckte, die Mädchen und das Schloßgesinde sollen un verzüglich erscheinen!" „Tu! befahl er fortfabrrnd dem kleinen angstvoll auf- borckenden Haiklicken, läufst ins InspectorhauS und sagst den Herren an, auch dem Unterförster, dem GutSsecretcnr und den Schreibern in der Kanzlei." „Du!" wandie er sich, während Jener fortjagte, zu Daniel, „entbietest alles Gesinde aus den Ställen, auch den Schäter, den Hoswäctnrr und Feldhüter." „Und Du, Ole Unke!" herrschte er den ob dieser Rede zusammenfahrenben Ole an, besorgst von unten das müßige Volk." Nach diesen Befehlen entledigte er sich mit Hilfe des Jägers seine- UeberrockeS und begab fick zunächst in das ArbtikSgemach Axel'S. Hier zog er alle Schlüssel ab uno verschloß auch daS Zimmer selbst. Dann schritt er wieder zurück und betrat die Räume zur Linken, »nd als gerade ein großer mit Kisten, Kasten und einigem Mobiliar beladener Wagen von Flugsande ver fuhr, riß er das Fenster auf und rief in polterndem Tone hinaus, was geschehen solle. Sämmtkiche Gegenstände seien zu ibm in- Zimmer zu bringen. Aber er begnügte sich damit nicht. Während Jene eilfertig seinem Gebote nackzukommen suchten, trat er ans den Flur, öffnete selbst die Hauslhüren »nv gab, ohne das bereits herbeieilend» Gutsprrsonal eines besonderen Blickes z» würdigen, weitere herrische Anweisungen. Endlich war Alle», was der Packwagen geborgen batte, abgelaren und in das neben dem großen Empfangszimmer befindliche Gemach gebracht worden. Noch einen Blick wari Rudolf über jegliches, dann richtete er sich vor den inzwischen eingetretenen GutSeinwobnern auf »nd begann nach allseitig bejahter Frage, ob sämmtliche zur Zeit ans der Herrschaft anwesenden Personen erschienen se,en, wie folgt : „Nachdem mein Bater, Excellenz Graf von Rixdorf ge storben und jüngst in unserem Erbbrgräbniß in Flogsande beigesetz» ist. bin ich nach des Landes Erdrecktgesetzen und nach den Fideicominißbestimmnnge» unseres Hause« Herr geworden, der Herrschaft Steiuhorft und Allem, was dazu gebört. Meine Krau Schwester, die Gräfin von Todtleben, wurde schon bei Lebzeiten mrines Vaters abgrflinren, und meinem Herrn Bruder, dem Grafen Axel von Rixvors, fällt nunmehr das bisher mir von meinem Herrn Vater über lassene adelige Theilgut Flugsaude zu.
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