02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970113022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-13
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Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. 22. Mittwoch den 13. Januar 1897. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 ge stalten» vor den Familiennachrichten (V gespalten) 404t. Größere Schriften laut unserem Preis- »erzeichntß. Tabellarischer und Ziffern!,tz nach häherem Daris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung ./t 60.—, mit Postbrsördrriing »> 70.—- Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. ?7o r ge n-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Politische Tagesscha«. * Leipzig, 13. Januar. Den Neujahrsgruß, mit dem gestern der Präsident von Buol den Reichstag «öffnete, nahm nur eine sehr geringe Anzahl der Mitglieder des Hause- entgegen; der weitaus größere Theil fehlte. Der Appell an das Pflicht bewußtsten der deutschen Volksvertretung bat also bisher nichts gefruchtet. Freilich hatten diejenigen conservativen und klerikalen Mitglieder de- HauseS, die zugleich Mitglieder des preutzischen Abgeordnetenhauses sind, in diesem Wich tigeres zu thun. Hier hatte das C e n t r u m wieder eine jener Rechnungen zu präsentiren, welche die preußische Regierung als Preis für die Zustimmung der CentrumSfraction des Reichstags zu der in Aussicht stehenden Artillerievorlage bezahlen soll. Und die preußischen Conservativen, die kürzlich im Abgeordnetenhause sich geweigert hatten, die erste dieser Rechnungen — Berücksichtigung der Wünsche der großpolnischen Agitatoren in Obers chlesien — mit ihrer Unterschrift zu versehen, trachteten gestern danach, die durch diese Weigerung verscherzte Gunst der Klerikalen wieder zu gewinnen. So stimmten sie mit den preußischen Ultramontanen für eine Resolution, welche die Einbringung eines V o l k s s ch n l g e s e tz e S nach Zedlitz'schem Muster verlangt. Der preußische Cultus- minister hüllte sich dieser Forderung gegenüber in Schweigen. Man muß also abwarten, ob das preußische Ministerium der Begleichung dieser, von konservativer Seile mitunterschriebene» Rechnung geneigter ist, als der lediglich vom Centrum präsentirten Polenrechnung. Für alle Halle hält die Partei deS Herrn vr. Lieber noch eine dritte Forderung in Bereit schaft, deren Bewilligung allerdings nicht ausschließlich von der preußischen Regierung abbängt, aber von dieser immerhin ganz wesentlich beeinflußt werden kann. Die „Germania" benutzt nämlich den Wiederznsammentritl des Reichstags, um über das I ibiläumSjahr tz-S Jesuitengesetzes einen langen Seufzer anszustoßen. Was dieser bedeuten soll, kann für Niemand, der die Praxis des Centrums kennt, zweifelhaft sein: bleibt oder wird die preußische Regierung den polnischen Wünschen gegenüber fest und läßt sie auch trotz der conservativen Befürwortung der klerikalen Forderung nach einem die Volksschule der Kirche ausliefernden Gesetze sich nicht zu Concessionen auf diesem Gebiete herbei, so mag sie wenigstens im Bundesrathe auf die Aufhebung des Zesuitengesetzes binwirken. In diesem Falle ist das Centrum nicht unerbittlich und wird sich über zeugen lassen, daß neue Feldgeschütze und vielleicht sogar einige neue Schiffe unentbehrlich sind. Hoffentlich vergißt die preußische Regierung nicht, daß einerseits das Centrnm des Reichstags zur Bewilligung einer Artillerievorlage nicht un bedingt nothwendig ist und daß andererseits das jesuitische Arsenal Waffen enthält, deren Gebrauch im Innern des deutschen Reiches kaum minder gefährlich wäre, wie der Ge brauch einer überlegenen fremden Artillerie gegen veraltete deutsche Geschütze. Wenn die „Germania" mit besonderer Betonung auf den deutschen Charakter vieler Jesuiten hin weist, so wird man sich wohl erinnern, daß der Jesuit kein Vaterland kennt und kennen darf» sondern ein willenloses Werkzeug in der Hand seiner ausländischen Oberen ist. Wenn die „Germania" auf eine baldige Entscheidung deS Bundes raths in der Iesuitenfrage drängt, so wird die große Mehr beit des deutschen Volkes mit ihr einverstanden sein, aber diese wünscht eine Entschließung in anderem Sinne. Die Mehrheit deS Volkes hofft, daß das Iesuitengesetz noch lange sein Jubiläum überdauern werde. DaS halbamtlich gegebene Versprechen der preußischen Regierung, die durch die Rentenumwandlung erzielte Ersparnis aus Erhöhung Ser Beamtcngchältcr zu ver wenden, ist redlich eingelöst worden. Die Aufbesserungen von 73 516 Beamten mit 19str Million Mark gehe» sogar noch etwas über das durch die Zinsberabsetzung herbeigeführte Ausgabenminus hinaus. Die Finanzlage Preußens ist allerdings derart, daß eS der Convertirung für den gedachten Zweck gar nicht bedurft hätte, und im nächsten Rechnungsjahre kommt — wegen der bewilligten „Galgenfrist" — die Zinsersparniß auch nur zum kleineren Theil zun: Vorschein, während die erhöhten Gehälter von Beginn des Etatsjahres (1. April) gezahlt werden sollen. Preußen schwimmt in der Tbat ini Ueberfluß und dies nicht nur, weil der Firianzminister die Einnahmen in den beiden letzten Budgets zu niedrig eingesetzt hat, sondern auch weil, Dank dem wirthschaftlichen Aufschwünge, der sich namentlich bei den Ueberschüssen der Eisenbahnen bemerkbar macht, und ver möge einer erheblich rationelleren Verwaltung der Eisen bahnen die Staatseinkünfte auch Erwartungen, die viel höher gespannt waren, als die, zu denen sich I)r. Miguel bekannte, weit übertroffen haben. Für das Jahr 1895/96 war ein Fehlbetrag von 20 Millionen Mark in Rechnung gezogen, das Ergebniß ist ein Uebersckuß von 60 Millionen. Der Etat des lausenden Jahres sieht einen Fehlbetrag von 15 Millionen vor, aber selbst der Finanzminister rechnet aus einen Ueber- schuß von 80 Millionen. Angesichts dieses Ueberscbnsses darf es noch immer als weises Maßhalten bezeichnet werden, wenn im neuen Etat, dem für 1897/98, die Nettoeinnahmen nur um 47 Millionen höher als im vorigen veranschlagt sind, dies allerdings bei Erhöhung der Nettoausgaben um 6l Millionen. Zu bemerken ist. daß die Ueberschüsse deS letzten und deS lau ^en Jahres, da sie zu außerordentlicher Schuldentilgung ve:. . » werden, den neuen Etat nur mittelbar und in sehr geringfügigem Müßr hcrinflussen. Obwohl der neue Voranschlag Ausgaben und Einnahmen beträchtlich höher haue be messen können, so gebt aus ihm doch bervor, daß selbst ein so peinlich bedächtiger Wirtb, wie vr. Miguel ist, der gegen wärtigen Besserung eine längere Dauer zuschreibt; eine An nahme, bei der aber immer die Frage im Auge zu be halten ist, ob das Reich dabei bleiben soll und darf, seine außerordentlichen Aufwendungen aus Anleihen zu be streiten. Als volkswirtbschaftlich bedeutsam sei noch Hervorgeboben, daß der Eisenbabnetat bei den Erträgnissen aus der Verfrachtung von Brennstoffen eine Mindereinnahme von 15 Millionen Mark in Aussicht nimnu; es sollen nämlich künftig alle Brennstoffe nach dem Robstofslarif besörterl werden. Daß das Weniger sich wirklich so bock belaufen werde, ist nickt gerade wahrscheinlich, aber Or. Miguel findet es auch für die Zukunft einfacher, dem Lande angenehme anstatt unangenehme Uebcrraschuugen zu bereiten, lieber die schon erwähnte Erhöhung der Beamtengehälter, mit der parallel die Aufbesserung deS Einkommens der Bolksschullebrer^ läuft, sind die Stimmen in den verschiedenen Zweigen des Staats dienstes natürlich getheilt; Alle vollkommen zufrieden zu stellen, ist eben ein Ding der Unmöglichkeit. Mit dieser Unumstöß- lichkeit wird sich auch der Landtag abzufinden haben; an einem Puncte dürfte es jedoch zu ernsten Kämpfen kommen, !die, da die beiden conservativen Fraktionen nicht die Mehr heit bilden, möglicherweise die Gehältererhöhung, wenigstens für die Justiz- und die Verwaltungsbeamten, gefährden rönnen. Es bandelt sich dabei nicht so sehr um eine Geldfrage, als um eine solche des neuerdings ja so viel besprochenen Ansehens des Richtersta»des. Die Land- und die Amtsrichter sollen nämlich im Gehalt gegen die Land- und die RegierungSrathe zurückslehen. Der Finanzminister hat zwar in Voraussicht einer sehr energischen Opposition gegen Liese ungleiche -ve- bandlung vorweg behauptet, der Landrath habe Ausgaben, die der Richter nickt zu machen brauche, aber er hat vorerst daniit nur bei den Landrathsparteien Eindruck hervorzerufen. Auch sonst ist die Verwaltung insofern bevorzugt, als die Gehaltserhöhung im Allgemeinen bei dem Tiensteinkommen von 12 000 Halt macht, aber bei den Regierungs präsidenten, Oberpräsidenten und Unterstaatssecretaircii, welche letzteren „aus Gründen der Gleichstellung mit den betreffenden Neicksbeamten" gleich um 5000 ^ aufgebessert werden sollen, Ausnahmen vorkehrt. Die Nichterbesoldungen werden bekannt lich in einem besonderen Gesetz geregelt, weil sie zum -dheil nach Tienstaltersstufcn erfolgen sollen. Zum Theil, denn die im vorigen Jahre wegen des „Assessvrenparagraphen" abgelehnte Vorlage ist zwar mehr wegen ihrer Begründung als wegen ihres Inhaltes ohne diese bedenkliche Bestimmung wiedergekehrt, aber auch ohnedasDienstaltersstufensystem für dieLand- und die Amts richter. Zwischen beidenDingen besteht ein engerZusammenhang. Für die Gehaltsverhältnisse ist nämlich das Dieiistalter, d. h. der Zeitpnnct der Ernennung zum Gericktsassessor und nicht der rer Uebertragung eines etatsmäßigen Amtes, maßgebend. Wenn die Anstellung eines Assessors sich verzögert, so erleidet er nur für die Zeit seines „Assessorats" Einbuße, denn bei der Bestallung als Richter überspringt er beim GehaltSbezng die vor ihm angestellten, aber später als er Assessoren gewordenen Richter. Geht man nun jetzt znm Dienstaltersstusensystem über, so wird der verspätet Angestellte dauernd geschädigt, wenn nicht bei der Anstellung in sehr hohem Maße aus daö Dienstalter als Assessor Rücksicht genommen wird. Diese Rücksicht will und kann die Justizverwaltung aber nicht nehmen» so tauge Jeder, der sich der vorgeschriebeuen Prüfung unterworfen, regel mäßig als Anwärter auf ein Richteramt angesehen werden soll, wie eS nach der Ablehnung des eine „Seicclion" be günstigenden Assessorenparagrapben tatsächlich der Fall ist. Bei den höheren Richtern, wo Liese Bedenken nicht obwalten, wird das Dienstaltersstufensystem Platz greifen. Einen gegen Deutschland äußerst gehässigen Ton schlägt die Wiener „Reichswehr", das an Stelle der alten „Presse" getretene officiöse mililairisch-politische Organ, an. Sie commentirt die Nachricht von der angeblichen Berufung des als Deutschenfeind bezeickneten russischen Gesandten in Kopenhagen, Grasen Murawjew. als Minister des Aus wärtigen nach Petersburg in folgender Weise: „Diese Besetzung der Lobanom'schen Stelle kommt einer Ab wendung von Deutschland gleich. Eine solche politische Umbildung braucht uns in Oesterreich nicht sehr zu be rühren. . . . Murawjew ist Teutschenfeind. Ob er auch ein Feind der Lesterreicher ist, weiß man gar nicht. Im branden- burgischen Diplomaten - Katechismus wird die Deuljchseindlich- keit in solchen Fällen bis noch Triest und Orjowa er- streckt. Hält Berlin mit Jemandem gute Freund schaft, dann hält es sie allein; wappnet es sich gegen Widersacher, dann sind ihm die Bundesgenossen in bester Erinnerung. So etwas ist praktisch, freilich nicht für die Bundesgenojje». Warum unser Auswärtiges Amt augenblicks von Schmerzen befallen wird, wenn Graf Murawjew Deuti'chenfeind ist, bleibt, im Grunde genommen, unerfindlich. Aus allzu großer Fürsorge und in allzu großem Eiier um das Wohl unseres Nächsten vergessen wir uns selbst. Vielleicht hätte man aut daran gethan, an den Grasen Murawjew heranzutreten. Vielleicht wäre es gut ge wesen, ihm zu jagen: Excellenz, wie denken Sie über Oester reich? Wir drücken uns gewaltsam zu einer Macht zweiter Güte herab, indem wir all unser Thun dem Berliner Vorbilde anpassen. Wir sind auch wer, sozusagen. Gesetzt den Fall, Graf Murawjew dächte daran, daß tn Li? russisch-französische Combination auch Oesterreich irgendwie mit eiubezogen werden könnte, ohne daß dessen Dreibundpositio» hierdurch irgendwie tangirt werden würde. Ver lohnte es gar nicht der Mühe, eine solche Chance im Auge zu behalten? Mußte sie schleunigst ans der Hand gegeben werden um eines befriedigenden Kopsnickens der Ber liner Diplomaten willen? Wie armselig denken wir von uns, welche unendlich bescheidene Rolle theilen wir uns selbst in der Triple-Allionz zu! Wir betrachten Deutschland als die Vormacht, die uns Alle- Vormacht. Wenn schon, denn schon. Wa-Z uns Deutschland einst vormachte, können wir ruhig nachmachen. Es hat einen Neutralitätsvertrag mit Ruß land gehabt, auch wir dürften ihn also haben. Die An- lasse zu einer freundschaftlichen Verbindung mit dem russischen Nach- barreiche sind für uns stets und in noch reichlicherem Maße gegeben. Ebe dieBaIkanknrte neu colorirt wird, muß eine Auseinandersetzung zwischen den nächsten Anwärtern auf das oSmanische Reich slattsinden. Erstrebeuswerth ist, daß diese Auseinandersetzung auf gütlichem Wege geschehe. Als Fürst Lobanow im August 1896 nach Wien kam, brachte er einen fertigen Theilungsplan mit. Sein plötz lich erfolgter Hintritt bedeutete auch die Zerstörung des Projectes. Nun gleichen die österreichisch-russischen Beziehungen wieder einer carts hlaoelio. Man könnte allerlei Erfreuliches darauf schreiben, wenn man nur wollte. Es gehört nur der Wille dazu, sich die Schwäche abzugewöhneu. Die Suggestion, welche unsere publicistische Diplomatie und durch sie die diplomolisirende Publicistik ausübt, ist eine ganz ungewöhnliche. Sie hat uns den Blick für die Wirklichkeit getrübt und läßt uns verkennen, daß wir ohne absolute Nöthigung der Verbindung mit Deutschland einen Charakter verliehen, welcher der Coordination nicht völlig entspricht. Wenigstens wird in den journalistischen Auslassungen, die aus Inspiration beruhen, eine übertriebene Bescheidenheit zur Schau getragen. In den aller nächsten Tagen wird man sehen, wie die Murawjew-Angclegenbeii hochobrigkeiltich ausgefaßt wird. Das osficiöse Hauptorgan muß schließlich auch mit der Farbe herausrücken. Wird es in ehrliche Entrüstung über die Bestallung Murawjew'S ausbrechen, dann wissen wir endlich, woran wir sind. Wir wissen, daß wir das Recht haben, Alles zu thun, was die Berliner Diplomatie für gut findet. Ter Fall Murawjew ist ein blendendes Exempel für unsere gute Ausführung. Fahren wir nur so fort und wir werden ein schönes Ziel erreichen." Selbst ein loyales Wiener Blatt giebt der Hoffnung Ausdruck, daß „von maßgebender österreichischer Stelle eine offene, ehrliche Erklärung dieser zum Mindesten sehr merk würdigen Auslassungen eines ofsiciösen Blatte- nicht aus sich warten lassen werde", damit man beuriheilen könne, ob der Artikel eine einfache redactionelle Leistung der „Reichs wehr" darstellt, oder ob er die Anschauungen der österreichisch ungarischen Regierung wiedergiebt. Immer ist es Wied« der Groll gegen Deutschland, daß es fick nicht dazu hergeben will, sich für die österreichische Orientpolitik zu engagiren, der in der Wiener und Pest« Tagespresse zum Durchbruch kommt und beweist, mit welchen Hintergedanken man in Oesterreich in das Bündniß mit Deutschland eingetreten ist, aber zu so anstößigem Ausdruck wie in der „Reichswehr" ist er noch in keinem der österreichischen Blätter gekommen. Sie sehen ein und sagen sich im Stillen, daß Oesterreich, auch wenn es in seiner Orientpolitik aus nicht mehr als eine moralische und vorsichtige diplomatische Unterstützung Deutschlands zu Feuilleton 9j Die Nirdorfs. Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck »erbotkn. JameS betrat, nachdem er an einer Reihe erleuchteter, zur Rechten sich ausbreitender Prunkgemächer vorübergegangen war, ein großes, in schwerem Dunkelroth tapeziertes Zimmer, in dem ältere Herren schwatzend und rauchend in grünledernen Divans sich niedergelaffen hatten. Gerade wurde von den Lakaien eine heiße Bowle berumgereicht. Beim Umschauen fand James jedoch weder Rudolf noch Axel, und zunächst einmal mit dem Letzteren in Berührung zu gelangen, war sein leb hafter Wunsch. Während er nach Begrüßung der Anwesenden noch un schlüssig verharrte, öffnete sich die Thür, und Rudolf mit seiner plumpen Gestalt und seinem rothcn Bart trat näher. Nun war wenigstens Gelegenheit gegeben, sich mit ihm in ein Gespräch cinzulasie». JameS versuchte es. Er redete den Grafen an und äußerte in erst« Linie seinen Dank für dir ihm gewordene Eintadung. „Ich bitte. — Meine Schwester sagte mir, daß eS Ihnen Spaß machen würde. Es war mir angenehm", entgegnete Rudolf mit knapper Kürze in Wort und Bewegung, aber auch mit jener Unpersönlichkeit im Ausdruck, die etwas Ver letzendes hat. Und ohne James zum Platznehmen aufzusordern schritt er auf einen Kreis lebhaft Converstrender zu und ließ sich hier neben ihnen nieder. James stand fast wie rin abgefertigter Bittsteller da und etwas Heißes stieg auf in seiner Brust. Doch bezwang « sich unv gab sich mit der gewohnten Ruhe. Auch griff er. da Rudolf ihm keine Cigarre geboten, selbst unter einem „Mit Verlaub, Herr Graf", »n die Kiste. „Bitte, bitte, zu Ihrer Verfügung!" folgte ebenso knapp auS Rudolf'S Mnnde. Keine Entschuldigung wegen unterlassenen Angebots, viel weniger eine Bewegung zur nachträglichen Darbietung von seiner Hand erfolgte. Freilich begegnete er auch seinen übrigen Gästen in dieser unverbindlichen Art und Weise. Einmal lachte er; sicher war eS selten. Dieses Lachen klang wie daS Bellen eines Schakals. Nun ließ sich James neben einem an der Mittelwand stehenden Bücherregal nieder, blätterte und laS in einem daraus entnommenen Buche. Was wir in die Dinge hineinlegen, das giebt ihnen ihren Inhalt und ihre Bedeutung. Der Hund vor dem Käsig deS Löwen zittert. Dasselbe Thier, mit dem Leuen auserzogeu, wagt gar die gefährliche Tatze des Gewaltigen als Kopfkissen zu benutzen. James lehnte sich zurück und übersann der Worte Inhalt. Ja, es war richtig, lediglick die Vorstellungen verlieben den Dingen ihren Inhalt, sie bestimmten auch das Urtheil über die Nebenmenschen. Und Niemand war unüberwindlich. Nur die Natur selbst setzte der Ueberlegenheit des Vernunftbegabten Schranken. Zufolge dieser Erwägungen gelang eS ibm leichter, das Gleichgewicht in seinem Innern wieder herzustellen, und seine Gedanken empfingen zudem eine veränderte Richtung, da ibn der alte Oberförster Witt in der zuvorkommendsten Weise anredete. Das Gespräch mit ihm und später mit andere» Herren nahm ihn sogar so sehr in Anspruch, daß er des Tanirs vergaß. Zufällig ward jedoch von dem Festordner der Cotillon angesagt. Nun schnellte er empor, eilte hinab und mischte sich unter die Gruppen der Tänzer und Tänzerinnen. Er fand Jsabella in einem lebhaften und, wie es schien, sehr intimen Gespräch mit ihrem Onkel Axel, und unwill kürlich kam Jrlaik die Erinnerung an die Worte seiner Tisch nachbarin. Zunächst aber wurden seine eifersüchtigen Regungen verwischt, Axel trat ibm mit ausgesuchter Höflichkeit entgegen und sprach in erster Linie sein Bedauern aus, daß er JameS bei seinem Besuche nicht andetroffen habe. Er hoffe ihn aber allernächstenS bei einem Mittagessen zu sehen; er würde sich erlauben, ihn einzuladen und sich sehr freuen, wenn er ihm eine Zusage geben wolle. Al« James Jsabella eben den Arm zu reichen im Begriff stand, fing er noch einen Blick auf, den sie mit ihrem Onkel wechselte. Und ein starke- Unbehagen blieb auch in ihm in der Folge; theil« den Vorschriften der Höflichkeit gegen die Nichte de« Hauses nachkommend, theilS von dem Verlangen geleitet, die Bevorzugung zu genießen, mit der vornehmen Comtesse von Todtleben zu tanzen, näherten sich ihr die Cavaliere fast ohne Ausnahme. Wenn sie jedoch kaum aus den Platz zurückgekehrt war, erfolgte schon wieder eine neue Bitte um die Vergünstigung einer Rundtour. JameS mußte sich, statt mit ihr, wie er gehofft hatte, eingehend zu plaudern, damit begnügen, seine Augen auf sie zu richten. So heftig steigerte sich James' Sehnsucht, sie endlich ein mal ganz allein für sich zu haben, sie auszuforschen, daß er all die sich ihr nähernden und tief verneigenden Gestalten innerlich verwünschte. Dieser Empfindung gab « auch Ausdruck, als Jsabella, schwer athmend, heiß und geröthet sich nun eben wieder neben ihm niederließ. „Was ich mir als ein Paradies vorgestellt hatte", begann er in einem stark accentnirten Ton, „ist mir schier eine Art Hölle geworden!" „Wieso?" Jsabella sprachS rasch, verwundert. „Ich bin nicht Ihr Herr, gnädige Comtesse, sondern gleich sam nur Ihre Schildwache. Man entzieht Sie mir fort während. Schon habe ich im Geist einige der Unermüdlichen mit Schwert und Dolch gespießt." Jsabella zog ein wenig die weißen Schultern; sie ent- aegncte nicht-. Es blieb unentschieden, ob sie seine Worte zu frei gefunden hatte oder auf eine Antwort sann. Sie «theilte sie zunächst dadurch, daß sie einem sich eben Wied« nähernden Herrn einen Korb «theilte. „Ich bitte, Herr von Schrenk, wählen Sie leine andere Dame. Ich muß eine kleine Pause machen. Ich bin zu sehr angestrengt", entschied sie und Jener entfernte sich tief verneigend. Und dann wandte sie sich zu JameS und sagte: „Der Tanz ist gleich beendet. Da stören wir nicht, wenn wir schon jetzt aufbrechen. Kommen Sie. Wir gehen hier gleich nebenan in eins der Gemächer und plaudern. Man soll uns etwas Erfrischendes bringen." Und ohne Antwort abzuwarten,'aber auch ohne Empfindung für die in nächster Nähe ,hr Nachschauenden, schob sie ihren Stuhl zurück und ging in daö anstoßende Gemach. ES war da« Vorzinimer, da- an den einstigen Arbeitsraum ihre» verstorbenen Großvater- grenzte. Da sich hier Herren und Damen zum Spiet niedergelassen, schritt Jsabella ohne Besinnen i» letzteres, und nach wenigen Augenblicken war James an ihrer Seite. Und dann nachdem sie sich niedergelassen in den um den Mitteltisch stehenden Sesseln, sagte sie sehr ernst, mit ge dämpfter Stimme: „Eine Frage, Herr Jrlaik? Wollen Sie sie offen be antworten?" „Comtesse? Ich bitte!" Der Mann sprach's zuvorkommend, aber deutlich betroffen durch den feierlichen Ton. „Heißen Sie wirklich Mr. James Jrlaik?" „Ja, Comtesse!« „Auf Ehrenwort?" „Ja, Comtesse!" „Hat Sie denn, wie man sagt, nur eine Laune hergefübrt?" Ein fester durchdringender Blick begleitete ihre Worte. Und ein ehrlich klingendes freimüthigeS „Nein", war die Antwort. „Ah, also doch!" stieß Jsabella betroffen heraus. „Was wollen Sie also hier?" Und da sagte der Mann, allen seinen Muth zusammen- nebmend und dock getrieben, zu sprechen, weil eS ibm plötzlich war. als ob ein unsichtbarer, im Zimmer weilender Geist ibm zuflüstelte. zu reden, „Etwas in meinen Besitz bringen. Co m teste!" Mn höchster Besremdung erhob Jsabella daS Auge. Sie forschte gespannt in James' Zügen, um den Inhalt zu deuten. Dann sagte sie mit wieder verändertem Ausdruck: „Also in der Tbat! Sie sind ein Anderer, als Sie sich geben! Ich wußte eS, und doch vertraute ich Ihnen, ver mittelte ich Ihnen den Eintritt in unsere Kreise. So über nahm ich eine schwere Verantwortung. Ich hoffe, daß Sie mir Befriedigendes sagm können. Ich rufe Ihre Ehren haftigkeit an, auch ferner mir wahr und ohne Rückhalt zn begegnen — oder aber — zum Dank für mein Vertrauen — diesen Ort unv diese Gegend unverzüglich wieder zu ver lassen. Wir Norddeutschen sind mißtrauisch. — Man fragt mich, wer Sie seien? Man will von mir Antwort! Ich werde mich nicht schämen, cinzugestchen, daß mein Blick mich täuschte, ich will aber nicht in unlautere Dinge verwickelt werden. — Also ich frage!" „Ich sah", Hub JameS an, „oben in den Empfangs gemächern das Bild einer strengen Frau! Sicher war « ein Vorfahr Ihrer Familie. Es hangt dort, wo Sie die Güte hatten^ sich mir zu nähern." „Nun ja — ich bitte. Welchen Zusammenhang hat meine Frage mit Ihrer Antwort?" „Verzeihen Sie! — Sie werden gleich über den Umweg aufgeklärt werden, den ich mir zu nehmen gestattete. Giebt es Bilder Ihrer Frau Mutter, Ihrer Geschwister, Ihrer Obei me?" „Allerdings. — Ich verstehe Sie nicht. Hier ist zum Beispiel ein Bild meine- ältesten Onkels Alfons —"
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