02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970114023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-14
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Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend- 7 Uhr. Filialen: ktta Klemm'S Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraß« 3 (Panlinum), «out» Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und Königsplat! 7. Abend-Ausgabe ewMcr TaMatt Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfß. Reklamen unter demRrdactionsstrich (»go» spalten» vor den Aamilirnnachrichlen (6 gespalten) 40 < Größere Schriften lant «nserein Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Aisiernsatz aach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit bei Morgen - Au-gabe, ohne PoftbesörLernng » 60.—, mit Postbesörderung ^ 70.—. Anzeiger. ÄNttsölall -es Königlichen Land- und Änttsgetichtes Leipzig, -es Natljes un- Nokizei-Nmles -er Lladt Leipzig. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend«Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Norgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je »ine halb« Stunde früher. Anjeigeu sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 24. Donnerstag den 14. Januar 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. Januar. Die eonfervative Partei bringt in der Präcisirung ihre- Verhältnisse« zum Bunde der Landwirthe, d. b. zu der von Herrn v. Ploetz betriebenen Volksaufwühlung, eine Abwechse- lung, die, wenn sie berechnet ist, die Partei dem Vorwurfe des NasführenS der Landwirthe au-setzt und, wenn nothgedrungen in die Erscheinung gebracht, einen harten Kampf zwischen NnabhängigkeitSbestrebungen der Parteileitung und Unter- jochungSgelüsten der Bundesleitung anzeigt. Die „Kreuzztg." glaubt sich mit Scherzen behelfen zu dürfen über Zeitungen, die beute von schweren Zerwürfnissen und morgen von wiederher gestellter Eintracht unter den in ungeklärter Gütergemein schaft lebenden Gatten Bund und Partei berichten. Aber diese Feststellungen entgegengesetzten Inhaltes sind nur durch die konservativen Führer und Preßorgane hervorgerufcn, die sich beute so und morgen so zur Bundesleitung stellen und oft auch in einem Athem das Mögliche an Zweideutigkeit leisten. Gegen Ende des vorigen Jahres hat die parteiamtliche „Eons. Corr." unter schroffer Zurechtweisung der bundesamtlichen „Deutschen Tageszeitung" einen scharfen Trennungsstrich zwischen beiden Gebilden gezogen, in Breslau erklärt jetzt Graf Limburg - Stirum mit ausdrücklicher Berufung auf seine Eigenschaft als Vorstandsmitglied der conservativen Partei, „daß seiner Ueberzeugung nach kein Widerspruch bestehe zwischen den Ten denzen der Partei und des Bunves". Und die „Kreuzztg." er gebt sich beute über Identität und Nichtidentität der Partei mit dem Bunde in mystischen Sprüchen, deren Logik oder wohl richtiger gesagt Verwirrungstendenz sich dadurch charaktrrffirt, daß das Blatt im Eingang sagt, der Bund unterscheide sich von der Partei durch seine auf die WirthschaftSpolitik beschränkten Bestrebungen, und zum Schluffe auSführt, der Bnnd unterscheide sich durch eben diese seine Tendenzen von den Bauernvereinen, die bekanntlich in hervor ragendem Maße wirthschaftspolitisch zu wirken suchen. Zu diesen allgemein gehaltenen Abstoßungs- und Anziehnngs- reden ist nun aber eine Erklärung thatsächlichen Inhalts gekommen, von der eS wichtig sein wird, zu erkennen, ob sie die Dränger aus der Bundesleitung beruhigen sollte, oder ob sie einem Entschluß der Partei entspricht. Herr Graf Limburg-Stirum bat, wie mitgetheilt, in Breslau Be kämpfung eines jeden, die Bindung von Zöllen mit sich bringenden Handelsvertrages, also ledes mög lichen Handesverlrages als Parole für die nächsten Reichstagswahleu ausgegeben. Ist das ernst gemeint, so hat die „Germania" Recht, wenn sie bemerkt, man könne sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die politische konservative Partei sich dem Bunde der Landwirthe ergebe, vor ihm ihre Fahne senke, um seine Wahlunterstützung zu erlangen. Die Bundesleitung zeichnet sich bekanntlich durch einen manchmal schlecht verhehlten, sehr häufig aber, namentlich auch einmal hier in Leipzig verrathenen wilden Haß nicht nur gegen den Handel, sondern auch gegen die Industrie aus. Sie verkörpert die Negation deS Satzes von der Harmonie der handelspolitischen Interessen der Landwirth- schast und der Industrie. Die Bundesleitung handelt dem nach nur konsequent, wenn sie die Forderung nach einer allgemeinen Zollautonomie aufstellt, die der deutschen Industrie, die sich bei Ablauf der Handelsverträge voraus sichtlich ohnehin zu Amerika in einem dem Zollkriegszustande mindestens sehr ähnlichen Verhältnisse befinden wird, zu um o größerem Schaden gereichen muß, als die durch die Handels verträge ermöglichte Vermebrung der Ausfuhr iu großem Maße den Anstoß zur Erweiterung und Neuerrichtung industrieller Anlagen den Anstoß gegeben hat. Daß die Landwirthschaft, die sich der Stabilität der Zölle beraubt sähe, gleichfalls in Mitleidenschaft geratben würde, daß^also die Interessenharmonie in der That besteht, ist eine ^eite der Frage, die die Berliner Bundesleitung nicht zu kümmern braucht. Der Vorstand deS Bundes besteht aus Nichtland- wirthen oder auS Personen, für die die Landwirthschaft gewerblich erst in zweiter Linie steht, und die Richtigkeit des Urtheils, daß die Unzufriedenheit mit künstlich erzeugten ökonomischen Mißständen den Urhebern der wirthschaftlichen Verschlechterung nicht so leicht zum politischen Nachtheil ge reicht, seben wir an der Socialdemokratie alle Tage erhärtet. Ob diese Wahrkeit aber auch der conservativen Partei berechtigte Hoffnungen cinflößen darf, das ist eine andere oder vielmehr keine Frage. Berliner Zeitungen, die wirthschaftlick durchaus auf dem Boden des Freisinns stehen, sind durch die Parole des Grafen Limburg-Stirum sichtlich elektrisirt worden. Sehr erklärlich; denn wenn es ein Mittel giebt, die Industrie auf die Seite des Freisinns zu treiben, so ist es der konservative Vorsatz, im Falle eines Wahlsieges unbedingt mit der HandelSvcrtragspolitikzu brechen. Daß dabei die Conservativen nichts gewinnen würden, ist sicher, Gegenstand von MeinungSverschieoenheiten könnte nur die Höhe ihres Verlustes sein. Die „Germania" stellt der Breslauer Parole entgegen, daß der nächste Reickstag gar nicht in die Lage kommen würde, über die Erneuerung oder Nichterneuerung der bestehenden Handelsverträge zu befinden, und es ist richtig, daß daS so eingerichtet werden kann. Aber wenn dir Ankündigung des Grafen Limburg-Stirum als eine amtliche der conservativen Partei anzusehen ist, so muß die damit gezeigte Möglichkeit, daß jeder Handels vertrag unbesehen verworfen wird, ohne Rücksicht darauf, in welcher Legislaturperiode die Entscheidung zu fallen hat, eine Bewegung entstehen und stark werden lassen, welche nicht nur handelspolitisch in den Radikalismus einmünden würde. Die conservcMve Partei hat also triftigen Grund, sich über die Autorisation deS parolevertheilenden Herrn Grafen Limburg-Stirum in nickt stöckerischem Deutsch zu äußern. Der Hamburger HaseuarbeiterauSstand geht ersichtlich seinem Ende entgegen, und zwar auf dem Wege, den wir kürzlich als den allein zum Ziele führenden bezeichnet haben, dem Wege der Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ohne Vermittelung Unbetheilizter. Daß dieser Weg betreten wurde, ist der im heutigen Morgenblatte mit- getheilten Eingabe deS Hamburg-Altonaer Arbeitgeberver bandes an den Senat zu danken, welche die Anstellung eines Hafeninspectors vorschlägt, der ständig die Controle über die Arbeiterverdältnisse im Hafen führen und als nothwendig sich herausstellende Verbesserungen herbei führen soll. Durch diesen Vorschlag erhielt die schon in früheren Stadien deS Streiks öffentlich gegebene Zusage deS Verbandes, zur Abstellung etwaiger Miß stände die Hand zu bieten, eine praktische Bethätigung, die um so schwerer ins Gewicht fallen mußte, je aussichts loser die Lage der'Streikenden sich gestaltete und je weniger von der Wiederaufnahme der Arbeit als Vorbedingung jener Anstellung die Rede war. Der Eindruck der Eingabe des Arbeitgeberverbandes auf die Arbeiter war denn auch ein tiefer, wie die folgende, ein bereits im heutigen Morgenblatt mitgetheilteS Telegramm auS Hamburg ergänzende Meldung beweist: Hamburg, 13. Januar. In dreizehn stark besuchten Ver- saminlungeii der Ausständigen wurde ein von den Führern aus« gearbeiteter Beschlußantrag vorgeschlagen, der in der vom Arbeit geberverband dem Senat vorgeschlagenen Anstellung eines Hafen« Inspektors eine Erledigung der Streitfragen nicht erblickt, weil die Machtbefugnisse eines solchen Inspektors sich auf Lohn» und Arbeilsbedinguug der Arbeiter nicht erstrecke. Eine bedingungslose Ausnahme der Arbeit bleibe eine Demüthigung für die Arbeiter und sei deren Ehre zuwider. Die Arbeiter wollten aber auch nicht ihre Arbeitgeber durch die Forderung einer be« dingungslosen Unterwerfung d e i» ü t h i g e n. Ein dauernder Friede könne nur herbeigesührt werden, wenn der die Vaterstadt schwer sckiädigende Ausstand einen versöhnenden, keine der beiden Parteien verletzenden Abschluß finde. Hierzu bieten die Arbeiter die Hand. Nachdem olle bis herigen Bermittcluiigsversnche durch nicht unmittelbar betheiligte Personen vergeblich waren, beauftragen wir sieben Be riet er verschiedener Branchen, sich sofort mit dem Arbeitgeber- Verbund in Verbindung zu setzen, und sind überzeugt, daß bet gleichem Entgegenkommen unserer Arbeitgeber es gelingen wird, einen beide Theile befriedigenden Modus zur Be endigung des Ansstandes zu finden. Dieser Antrag wurde »ach eingehender Begründung durch die Führer in allen 13 Ber- sami» lunge» angeno »iine ». Mehr als eine» solchen Beschluß bat sicherlich auch der Arbeitgeberverband von den Ausständigen nicht erwartet; wie er an die Einsetzung eines Hafeniuspectors nickt die Vor bedingung einer Unterwerfung der Arbeiter geknüpft hat, so wird er auch den Eintritt in Verhandlungen mit den Ver tretern der Arbeiter nicht an die Bedingung der vorherigen Wiederaufnahme der Arbeit knüpfen. Und mit wirklichen Arbeiterverlretern, die eine bedingungslose Unterwerfung der Arbeitgeber nicht fordern, wird eine Verständigung nicht allzuschwer herbeizuführen sein. Daß die Arbeitgeber vollkommen berechtigt waren, ein Schiedsgericht zurückzuweisen, in dem s o c i a l d e m o k r a t i s ch e Agitatoren und andere Unbetheiligtc die Mehr heit bildeten, haben die Ausständigen durch ihre gestrigen Beschlüsse selbst anerkannt, diese bedeuten .'tsoeiueEman.cipation von den socialdemokratischen Hetzern, die freilich im Grunde ihrer Seelen froh sein werden, daß die ihre Kassen erschöpfende und einen Sieg doch nicht in Aussicht stellende „Kraftprobe" mit einem Aus gleich endet. Die Ernennung des Grafen Michael Murawjew zum russischen Minister des Aeutzeren kommt allgemein Uber raschend, da unter den für diesen hervorragendsten Peters burger Ministerposten genannten Persönlichkeiten sich die Murawjew's nicht befand; ernstlich kamen bekanntlich nur Sclsischkin und v. Nelidow in Betracht. Murawjew hat bis jetzt eine bemerkbare diplomatische Rolle nicht gespielt. Er war zuerst als Secretair der russischen Gesandtschaft im Haag atlachirt, dann erster Secretair der russischen Botschaft in Paris während der letzten Jahre, die Fürst Orlow dort als Botschafter verbrachte, kam 1885 als BotschastSrath nach Berlin, wo Graf Schuwalow sein Chef war, und ging vor vier Jahren als Gesandter nach Kopen hagen. Man sagt ihm Befähigung. Energie, große Arbeits kraft und Verschlossenheit nach. Mil europäischer Bildung ist er vollständig vertrant und ein Freund deutscher Kunst. Aber man sagt auch, er sei keinFreund desdeutschenReicheS ja ein österreichisches Blatt hat ihn bekanntlich zum Deutschen eind gestempelt, nnd in Frankreich ist alle Welt außer sich vor Freude über die Wahl des Zaren, die man als eine neuerliche Festerknüpfung der Bande zwischen dem Zarenreich und der Republik ansieht. Für uns ist Murawjew ein neuer Mann, und wir halten es für angezeigt, erst abzuwarten, iu welchem Geiste er die Geschäfte deS Auswärtigen Amtes im Ganzen wie im Einzelnen führen wird, ehe wir ein end' gütiges Urtbeil abzugeben uns sür berechtigt halten. Allerdings bat Murawjew als Neffe des Generals Skobelew und Bot- chafter in Kopenhagen, wo deutschfeindliche Einflüsse auf ibn eingcwirkt haben können, den Schein gegen sich, wie auch die Tbatsache, daß er seine Berufung der Kaiserin- Wittwe Marie Feodorowna zu verdanken hat, dafür zu prechen scheint, daß er keine freundschaftlichen Gesinnungen ürDeutschland hegt. Man erzählt sich andrerseits einerZuschrisl aus diplomatischen Kreisen an die Wiener „Neue Fr. Pr." zufolge davon, daß er sich während seiner Thätigkeit »i Berlin des besonderen Wohlwollens deS Kaisers Wilhelm II. erfreute und daß er selbst sich auch stets als Freund und Verehrer der deutschen Nation bekannt habe. Allein, abgesehen davon, daß er die deutsche Reichs- Hauptstadt ohne die landesübliche Abschiedsdecoration verlassen haben soll, ist cs nicht ausgeschlossen, daß in Kopenhagen, wo er viel am Hofe verkehrte und poiLonu Kratissima war, eine Anschauungen und Gesinnungen sich geändert haben. Wie dem aber auch sei. Niemand kann sich auf irgend eine Handlung oder Aeußerung des Grafen berufen, die ihn nach der einen oder der andern Seite hin charakterisirte, und speciell sür seinen Deutschenhaß liegt ein positiver Anhalt nicht vor. Wenn einige Berliner Blätter schreiben, der Graf habe in Berlin aus seinen anti deutschen Gesinnungen kein Hehl und aus seinem Herzen keine Mördergrube ge macht, so ist das uncontrolirbareS Gerede. Daß er der sranzösischen Nation Sympathien entgegenbringt, daß er, wie Pariser Blätter betonen, ein entschiedener Anhänger des franco - russischen Bündnisses ist, erscheint so selbst verständlich, daß eS kaum der Erörterung bedarf. In Ruß land giebt eS nicht einen Menschen, der nicht den größten Werth auf intime Beziehungen zu Frankreich legt, und eS ist nichts cingct-ücu, ,oaö auf eine Aenderung der Politik Alexan ders III. und NicolauS' II. auch nur im Entferntesten hin deute» könnte. Das Letztere ist auch bei der Beurtheilung der Ernennung Murawjew's ausschlaggebend. In Rußland macht der Zar die Politik, vor Allem die auswärtige, und deren Führung bängt wiederum von der Gestaltung der inter nationalen Lage ab. Diese und daS Interesse Rußlands sind cs, welche dem Herrscher aller Reußen die Richtung seiner Politik verzeichnen, und man muß gestehen, daß der jugendliche Zar es verstanden hat, die allgemeine Welt lage richtig aufzufassen und aus ihr die richtigen Eon sequenzen zu ziehen. Er braucht sür sein Reich noch auf Jahrzehnte hinaus Ruhe und Frieden, er braucht zur Lösung der internationalen Probleme im Orient, in Asien, wie im Mittelmeer einen unbedingt ergebenen Verbündeten, und daher muß er auf der einen Seite die ausgesprochene Hinneigung zu Frankreich pflegen, auf der andern Seite aber Alles vermeiden, was die guten Beziehungen zu den übrigen europäischen Groß mächten, namentlich Deutschland und Oesterreich-Ungarn, irgend wie trüben könnte. Das ist der Grundcharakter der russischen Politik, an ibm kann auch ein Graf Murawjew, selbst wenn er feindliche Gesinnungen gegen Deutschland im Herren hegte, nicht ein Iota ändern. Da« weiß Nicolaus II. sehr genau, und davon wird auch der neue Minister des Aeußeren durch- Die Rirdorss. » vrümeo o 1,«ip-!ir 91) voll Xe" I 1,1», ksliiiii- >xs) von >!-»- (12/1) »> Äsi«r" (13,1» V,rr»- tU t-I leo. Roman von Hermann Helberg. Nachdruck verboten. Mit rücksichtsvollem Klopfen sich bemerkbar machend, rief er in sanften Tönen Martha's Namen. Und dann: „Oeffaen Sie, Martha! Was gewesen, wollen wir ver gessen. Ich bitte darum. Ich meinte eS nicht so arg, ich meinte eS überhaupt nicht bös. Ich war den ganzen Tag in meinem Innern verödet. Mir einen ruhigen «sinn be, Ihnen zu holen, war der Anlaß meine- Kommens. Da reichten Sie mir gerade Das, waS ich nicht gebrauchen konnte! Statt Milde, Trost und Theilnahme, wie sonst oft, gab'« kalte Worte, Worte, wie sie Niemand je gewagt, zu mir zu sprechen. Da schwoll's in mir auf, aber nicht gegen Sie und Ihren Baker. — ES war die Ueberfülle des Drückenden, da« aus mir lastet. Ich bin Ihnen gut, Martha Witt! Ich, Graf Rudolf von Rixdorf, bitte Sie, daß Sie vergeben, daß Sie kommen und Ihrem guten Freunde ein gute» Wort sagen I" Er hielt inne und lauschte voll Spannung. Was er gesprochen hatte, drang aus einem ehrlichen Herzen. Die Liebe batte ihn weich gemacht, ließ ihn wohl zum ersten Mal in seinem Leben «inen fügsamen Ton anschlagen. Sie aber regte sich nicht. Trotz seiner Unterwürfigkeit that sie nicht, warum er sie bat. „Geben Sie mir wenigstens ein Zeichen, daß Sie da sind, Martha!" bat der Mann. Erst blieb'« wiederum still, dann sagte sie in einem rauh abweisenden Tone: „Wer so UnaeheuerlicheS thun konnte, wie Sie vorbei,>, kann auch ein Heuchler sein! Ich traue Ihnen nicht! Sie wolle« mich locken und verderben. Drohten Sie doch vorher! Ich aber bin ein freigeborener Mensch. Rur Gott, der in mein Herz sieht und weiß, daß ick da« Rechte will, steht über mir. Ziehen Sie Ihre Straße, Herr Graf. Fügen Sie zu Dem, wa« Sie grthan haben unv da- ich Ihnen zu verzeihen mich mühen will, nicht AergereS! Bisher waren Eie in Ihrem Leben nur gewalttbätig, voll Eigenliebe und Menschenhaß! Ein niedrige« Verbrechen an sich und Ihrem, von Ihren Borfahren rein gehaltenen Wappen würden Sie begehen, wenn Sie nicht nur in das HanS eines wehrlosen Mädchens eindringen, sondern gar sie dafür züchtigen und strafen wollten, daß sie Ihnen einen Spiegel Ihrer selbst vorhielt. That sie es, so geschah's nicht auS Uebermuth unv Bevormundungsdrang, sondern auS den besten Absichten. Es geschah — weil sie — doch gleichviel — ich habe nichts mehr zu sagen. Nur noch einmal: Entfernen Sie sick! Ich gebe als Herrin dieses HanseS keinen Befehl — obschon ich dazu berechtigt bin! Ich bitte darum! Es soll mir ein Zeichen sein, daß Sie es eben ehrlich meinten, daß — wir Freunde sind und bleiben wollen!" „Gut!" tönte es zurück. „Damit Sie erkennen, wie Werth ich Sie halte, will ich Ihren Wunsch erfüllen. Zum ersten Mal füge ich mich eines andern Menschen Gebot. Aber, Martha, giebt Ihnen das nicht zu denken?" „Hier, durch diese Scheidewand von Ihnen getrennt, sage ich Ihnen, was heute mein Mund sprechen wollte: Ich liebe Sie, und Sie zu meinem Weib« zu machen, ist mein höchste« Begehren! Nicht jetzt will ich Antwort — ich komme wieder im Verlauf einer Woche — mir sie zu holen. Nur eins noch, Martha Witt", hier senkte sich, ob solcher Entäußerung seiner selbst, des Mannes Stimme in Scham. „Wenn e« einen Menschen auf der Welt giebt, der mich fügsam, milde und gottesfürchtig machen könnte, so sind Sie es. — Nnd ich will« Ihnen lohnen, wenn Sie den verödeten Mann an Ihr Herz nehmen, Mädchen, wenn Sie ihn spüren lassen, was Wärme und Liebe ist, die ihm nie ward, vielleicht, weil er sie nicht auSzutheilen vermochte. Nur einmal, Martha Witt, hat mein Mund so zu einem Menschen gesprochen und nie wird er sich je zu solcher Rede, die nur Knaben und Weiberart, wieder öffnen. Ich würde gar Ibnen leugnen, daß dergleichen je über meine Lippen kam. Aber in diesem Augenblick will ich Sie in mein innerste« Herz sehen lasten, Sie sollen wissen, daß nicht Alle« erstorben ist. Also hören Sie, Martha! Sie können eine Menschen- seele retten. — Thun Sie eS, und ich will « Iburn vergelten im Umfang meiner Kräfte. Sie sollen sitzen auf einem Thron von Gold, die Kniee der Menschen sollen sich vor Ihnen beuge», neben mir sollen Sie Würde, Ansehen und Reich- thum genießen und abseit«, im stillen Winkel de« Hause« in mein Herz schauen. — Nun, Martha, Mädchen! Sprich!" Und al« sie nicht antwortete, aber Laute von drinnen an sein Ohr drangen, die er zu seinen Gunsten zu deutep wagte-. „Oeffne die Thür auf Schattenweite und reiche mir die Hand zur Versöhnung. Heute nur daS. Auch dieses soll Dir für alle Zeiten gedenkt sein! Nun Martha? —" Noch blieb's still. Dann aber hörte er sie sagen: „Ich will thun, was Sie wünschen, Herr Graf! Ich glaube Ihnen!" „Dies Wort und — hier meine Hand —" sie drehte den Scklüffel und ihre Rechte streckte sich ihm entgegen — „sei Ihnen Beweis und Pfand für meine Gesinnung! —" „Ah, süßes Mädchen!" rief der Mann jauchzend, ergriff, WaS sie ibm bot und drückte einen langen heißen Kuß auf die bebenden Finger der Försterötochter. Dann aber ließ er sie. Mil einem: „Auf Wiedersehen!" daS er ihr zurief durch die Wand, die sie trennte, verließ er da« Gemach und wenig später galoppirte er aus seinem Hengst davon. Während dieser Zeit saß James Jrlaik in seinem Gemach im Hotel und überlegte mit unruhigen Sinnen. Der erste Schritt war gethan. Er batte das während dieser ersten Zeit noch zurückgehaltene Geheimniß enthüllt, er hatte bereits einem seiner Verwandten gesagt, wer er sei, und er mußte nunmehr ohne Zögern vor sie alle hintreten. Allein auf der Welt, vor kaum HalbjahreSfrist selbst erst in Kenntniß gesetzt, wer sein Pater gewesen, ausgeschlossen von der Erbschaft, aber doch voll Hoffnungen, zu Rechten und Besitz zu gelangen, hatte er sich nach Eutin begeben, um die von Hamburg auS eingezogenen Informationen über seine Familie z» ergänzen, um erst einmal bei seiner schwachen Position sich die Beachtung und Achtung seiner Verwandten als Mensch zu gewinnen. Und nun war ihm Jsabella zuvorgekommen, ja, zu seinem Schrecken hatte er gehört, daß man ibn als daö an zusehen geneigt war, dem er gerade ausweichen wollte, als einen Abenteurer. Sich seiner Cousine ru näbern, um nun auch ihr zu be weisen. daß er der sei, für den er sich ausgegeben, von ihr Raih einzuholen, wie er sich bei dem Charakter der Nixdorf'S und bei den Erbschaft« Verhältnissen verhalten, wie er Vor gehen solle, — war ibm bisher nicht gelnngro. Aber der Zufall hatte eS gesügt, daß am Tage nach ihrer Begegnung Daniel als früherer Diener auf Steinhorst sich enthüllt und daß er von diesem geschwätzig Berichtenden noch Einzelheiten über die Familien-Perhältniffe in Erfahrung gebracht hatte, die ibm die Schwierigkeiten seiner Aufgabe doppelt schwer erscheinen ließen. Aber noch mehr! Durch diese Beichte sanken seine Aus sichten schier auf ein Nichts zurück. Rudolf, dem er gerade das Erbe streitig machen wollte, batte er selbst schon genugsam studirt, daß Ulrike nur ihrem Bortheil nachging, war nickt minder sicher, und den zwar ehrenhaften, aber Friede suchenden und aus steten Neben rücksichlen leicht schwankenden Axel aufzustören, war nicht minder für einen Erfolg ungünstig. Endlich und zuletzt aber batte er von verschiedenen Seiten gerade in diesen beiden letzten Tagen die Bestätigung empfangen, daß die Verlobung zwischen Jsabella und Axel bevorstehe. Und Jsabella mußte erwarten, daß er weiter von sich hören ließ, und dennoch wußte er nicht, wie er solches be ginnen solle. Ihr zu schreiben, wagte er nicht. Vielleicht erhielt er nicht einmal eine Antwort. Er war völlig darüber im Dunkeln, wie sie seine Enthüllung ausgefaßt, ob sie ibm glaubte oder mißtraute, ob sie ihm wohlwollte oder ihn ab- zufertigeu wünschte. DaS Einfachste war, ihr einen Brief zu senden und sie um eine Unterredung zu bitten, noch einfacher, sich bei seiner Tante nunmebr zunächst auch als James Rixdorf zu melden. Aber ein unbestimmtes Gefühl rietb ihm davon ab. Er mußte erst Jsabella höre», sie allein sprechen. Was sie rieth, wollte er thun. Nock unter di sen Erwägungen fiel ihm rin, daß Daniel von einem alten Diener, von Ole, gesprochen hatte. Er hatte ibn als da- frühere Faktotum de« Hauses be zeichnet, ibn als eine» G gurr von Rudolf, als einen Freund der klebrigen hingestellt. Vielleicht war er der richtige Mann, auch ihm sich zu eröffnen, und ihn zu bitte», Jsabella einen Brief einrubäudigen Iu Folge dieser zum Entschluß erhobenen Ueoerlequngen bestellte er noch an demselben Taae gleich nach dem Mittag essen einen Wagen und gab dem Kutscher Befehl, die Richtung nach Steinhorst zu nehmen. Als er dir Grenzen des Dorfes erreicht hatte, ließ er in einem vor der Landstraße liegenden Krug« auSspaniien und nahm den Weg ins Dorf. Da er in Eutin absichtlich keine näheren Erkundigungen nach Ole'S Wohnung eingezogrn hatte, wurde e« ihm schwer, den Alten ausfindig zu machen. Ein Kind, das er fragte, sab ibn statt zu antworten mit offenstehrndem Munde an, und als er etwa- energischer auf die Kleine einredete, nahm
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