01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-10
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis,. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. (»».tra-Beilage» (gefalzt), nur w?i d-e Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mtt Postbefürderuug 70.—. Anuahmeschluß für Auzeizeu: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgrn-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde sruher. Aiizeißkn sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 73 Mittwoch den 10. Februar 1897. 81. Jahrgang. Ver -rutsche Kaiser, die Socialdemokratie und das Mrgerthum Nachdruck verbot!». Man erinnert sich deS scharfen Wortes, das der Kaiser bei der 25. Jubelfeier des SedantageS der Social demokratie gegenüber gebrauchte. Damals hatte diese Partei sich nicht entblödet, in derselben Jubelzeit, in der ganz Deutschland sich der Großthaten des IahreS 1870 erinnerte, das Andenken deS ersten deutschen Kaisers in der schnödesten Weise zu verunglimpfen. Nun ist wieder ein großes Er innerungsfest in der Nähe, wieder hat die Socialdemokratie diese Gelegenheit benutzt, um den ersten deutschen Kaiser zu schmähen, und wieder hat Kaiser Wilhelm ein Wort der Abwehr gefunden. Dieses Wort, daS in dem kaiserlichen Danke an die Berliner Stadtverordneten für ihren Glückwunsch zum Ge burtstage des Herrschers enthalten ist, wird vielleicht seiner Milde wegen nicht so weithin beachtet werden, wie jenes scharfe Wort vom 2. September 1895. Hatte der Kaiser damals von einer Rotte von Menschen gesprochen, so sprach er diesmal den Stadtverordneten seinen Dank dafür aus, daß sie sich den Stimmen der Unzufriedenheit und der Ver blendung versagt hätten. Wahrlich, ein mildes Wort gegen über jenem unwürdigen Proteste, den die Socialdemokratie in der Berliner Stadtverordnetenversammlung gegen eine Feier des 100. Geburtstages Kaiser Wilhelms I. eingelegt hatte. Und doch verdient dieses Wort gerade wegen seiner Milde doppelte Beherzigung. Es sollte Diejenigen, von denen der Protest ausgegangen ist, tiefer beschämen, als eine zornige Wendung eS gethan hätte. UnS will scheinen, als ob auS dieser milden Form der Scknnerz darüber hervor- lrnchtete, daß die Socialdemokratie sich nicht nur unserm nationalen Leben feindlich gegenüberstellt, sondern daß sie den Monarchen, der so gern das Werk deS Friedens zwischen den Schichten der Bevölkerung fördern möchte, in seinen Schritten behindert. Nicht nur, weil das Ausland ihm sehr langsam oder gar nicht folgt, sondern auch, weil eS dem .Herrscher klar geworden ist, daß die Socialdemokraten sociale Reformen rück sichtslos zu ihren eigenen Gunsten auszubeuten wissen, ist er in seinem Streben nach Erweiterung dieser Reformen zurück haltender geworden. Denn das wird man von dem Herrscher nicht wohl verlangen dürfen, daß er dazu beiträgt, eine Partei, die systematisch die Monarchie, das vaterländische Wesen und die gesellschaftliche Ordnung bekämpft, zu fördern. Deshalb ist der Monarch gegen diese Partei besonders eingenommen, weil sie ihn in seinen Bestrebungen hemmt, und darum giebt er bei angemessener Gelegenheit seine Gegnerschaft zu erkennen, wie er es eben in dem Dankerlasse an die Berliner Stadtverordneten gethan hat. So machtvoll indessen die Stellung deS deutschen Kaisers ist, so kann er doch nicht allein den Kampf gegen die Social- demokralie wirksam durchführen. Er bedarf dazu der Unter stützung des BürgerthumS, an daS er sich schon oft und manchmal in wirklich herzbewegenden Worten gewendet hat. Leider hat sich ihm bisher das Bürgerthum versagt, was wohl zur Genüge schon daraus bervorgeht, daß es der Socialdemokratie gelungen ist, bei Nachwahlen zum Reichstage die Zahl ihrer Sitze noch zu vermehren, und zwar regel mäßig infolge der Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien. Verharren die bürgerlichen Parteien in dieser Uneinigkeit, so kann es schon jetzt als sicher gelten, daß die Social demokraten im nächsten Reichtstage die zweitgrößte Partei bilden werden und daß dadurch ihr Einfluß auf die Gesetz gebung und ihr Ansehen im Lande gesteigert wird. Ent schließen sich aber die bürgerlichen Parteien endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Socialdemokraten, so ist es möglich, den Besitzstand dieser Partei um ein ganz Beträcht liches zu verringern. Wir erinnern nur an die Wahlen von 1887, bei denen es gelang, die Socialdemokraten von 24 Sitzen, die sie im Jahre 1884 erlangt hatten, auf 1t Sitze hernnlerzubringen. Wenn eS auch kaum möglich sein dürfte, die Socialdemokraten auf diese bescheidene Zahl von Sitzen im nächsten Reichstage zu bringen, so ist doch bei ein- müthigem Vorgeben eine beträchtliche Herabminderung der Sitze wohl durchführbar. Ebenso wie im Jahre 1893 durch geschlossenes Vorgehen der bürgerlichen Parteien Lübeck, Bremen und Halle den Socialdemokraten entrissen wurden, so können jetzt z. B. der größere Theil der Berliner social demokratischen Sitze, die Breslauer und die Münchener Mandate und ein großer Theil der sächsischen nnd mittel deutschen socialdemokratischen Plätze von den bürgerlichen Parteien zurückerobert werden. Man sage nicht, daß eS kein wirklicher Erfolg sei, wenn die Socialdemokratie durch eine Koalition ihrer Gegner besiegt werde, weil ja thatsächlich die für die Socialdemokratie abgegebene Stimmenzahl dadurch keine Minderung erfahre. Schon die Thatsacbe der Einmüthigkeit der bürgerlichen Parteien würde die Zu versicht dieser Parteien stärken und den Muth der ziel bewußten Socialdemokraten sinken lassen; die Ersteren würden einsehen, daß die socialdemokratischen Bäume nicht in den Himmel wachsen können. Außerdem aber würde, wenn erst die Socialdemokratie einmal bei den Wahlen gründlich geschlagen wäre, die Zahl ihrer „Mitläufer" si:b sehr herab mindern; denn der Erfolg zieht an, der Mißerfolg stößt ab. Es würde weiter — und dies wäre vielleicht der Haupterfolg — ein gemeinsamer Kamps gegen die Socialdemolratie bei den bürgerlichen Parteien das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärken, ein Gefühl, das leider so gut wie ganz verloren ge gangen ist. Die Hoffnung, daß das deutsche Bürgerthum sich endlich auf sich besinnen werde, ist leider keine allzugroße. Sie wird besonders dadurch vermindert, daß zahlreiche Männer von Ruf und Einfluß den Arbeitern zu nützen glauben, wenn sie den Feinden derselben und jedes besonnenen Reformwerkcs Wasser auf die Mühle leiten. Erfüllt sich aber diese Hoffnung bei den nächsten ReichStagöwablen wiederum nicht, so mag man sich darauf verlassen, daß wir inneren Gefahren enigegengehen. die vielleicht nickt mehr mit dem Stimmzettel in der Hand bekämpft werden können. Auch auf diese Ge fahren bat der Kaiser schon des Oefteren hingewiesen, und es ist ihm manchmal auch von monarchisch gesinnten Kreisen nicht gut ausgenommen worden, daß er es gethan hat. Man mag sicher sein, daß er sich davon zurückhalten wird, wenn er erst sieht, daß das Bürgerthum durch einmüthiges Znsammen- stehen in friedlicher Weise der Socialdemokratie Herr zu werden weiß. Deutsches Reich. * Leipzig, 9. Februar. Nachdem Leipzig zum Sitz der neuen „national-socialen" Schule erklärt und damit zum Ausgangspunkt einer socialistischen Propaganda zunächst für Sachsen gemacht worden ist, dürste es von Interesse sein, zur Kennzeichnung des Wesens und der Tendenzen dieser Schule ein paar Sätze ans einer Schrift deS Hauptes derselben, des Pfarrers Naumann, anzusühre». Diese Schrift ist allerdings bereits erschienen, als Herr Naumann noch „christlich-social" war, aber da er seitdem mit keiner Silbe verrathen hat, daß seine An schauungen sich geändert haben, da vielmehr aus seinem neuerlichen Wirken deullich hervorzeht, daß er bei seinen national-socialen Freunden mehr Uebereinstimmung gefunden hat, als bei sein n alten christlich-socialen, so kann man mit vollem Rechte aunehmen, daß Alles, was er von den Christlch- Socialen sagt, von den National-Socialen gilt. Man ersieht daraus, daß das eigentliche Wesen dieser Schule in der Unklar heit, worin sie selbst sich über ihre eigenen Zwecke befindet, in dem „Nebelhaften" und „Mystischen", was sie umgiebt, besteht und daß nur das Eine klar ist, ihre Abwendung von der heutigen „bürgerlichen Weltanschauung", die Naumann für eine „zerbröckelnde" erklärt. In seiner 1894 erschienenen Schrift „Was heißt christlich-social" finden sich folgende Stellen: „Die christlich-sociale Zeit kommt erst nach der social- demokratischen Zeit. Wir halten es für vergeblich, wenn man das christlich-sociale Pferd vor den Wagen der alten Ordnung spannen will. Wie die Socialdemokratie den Libe ralismus beerbt-, so wird das Christlich-Sociale dirSocial- demokratie beerben. Darin unterscheiden sich die Gestaltungen des öffentlichen Lebens, ob sie vor oder hinter der Socialdemokratie stehen. Was vor der Socialdemokratie steht, die bürgerliche Weltanschauung, dzes heutige Gesellschastsgesüge, das ist nicht das Ziel unseres Denkens (!). Wir haben nicht vor, Schutzwächter einer zerbröckelnden Vergangenheit zu sein." (I) „Uns ist das Christlich-Sociale nichts Fertiges, sondern etwas Werdendes. Die neue Gedankenmacht schwebt über uns und wir ringen mit ihr. Wir haben kein fertiges Handbüchlein oder etliche wenige Hauptsätze, die unfern Kasten füllen, sondern die Zu- kunst umgiebt uns wie ein Nebel (I) voll von geistiger ZeugungSkrast. Wir suhlen, daß nicht wir das Christ lich-Sociale besitzen, sondern das Christlich - Sociale hat uns: es schiebt uns, hebt uns, trägt uns, läßt uns rudern und ringen, läßt uns jauchzen und seufzen; es kommt über uns als Kraft und Gnade, als Zwang und Truck. Wir wählen nicht einen Weg, weil er uns klug scheint, sondern eine neue Welle des Volks lebens rauscht heran, und wir liegen zufällig gerade da im Wasser, wo sie sich beängstigend emporhebt. Das mag meinen Lesern wie Mystik klingen, aber ich kann daran nichts ändern, daß eine religiös sociale Strömung, wenn sie ernst sein soll, etwas Mystisches in sich tragen muß". . . . Das heißt also: Wenn wir auch nicht wissen, wohin wir streben und kommen werden, jedenfalls müssen wir dem Be stehenden ein Ende machen. Ganz wie die Herren Bebel und Liebknecht. Berlin, 9. Februar. Der Cultusminister Di. Bosse empfing am 7. d. M. den Abgeordneten v. Schencken- dorfs, welcher dem Minister eingehend über den Plan der Einrichtung d eutscher Nativnalfeste, insbesondere darüber berichtete, wie durch dieselben auch die körperliche Erziehung in Schule und Volk gefördert werden würde. Wie wir hören, erachtete der Minister die geplante Organisation, die die Träger dieser Bestrebungen im Volke zu dauern der, gemeinsamer Arbeit vereinigen soll, für zweckmäßig und brachte den Bestrebungen warmes Interesse ent gegen. — In der „Berl. Eorr." ist bereits mitgetheilt worden, daß die Gerüchte über einen Wechsel in dem Ober präsidium der Provinz Posen jeglicher Begründung entbehren. Auch die weitere, an das Gerücht angeknüpfte Nachricht, daß über die Polcnpolitik Meinungsversch ieden- heiten zwischen dem Oberpräsidenten v. Wilamowitz Möllendorf und dem Regierungspräsidenten v. Jagow in Posen beständen, sind unbegründet. Wie wir vernehmen, besteht an Heiden amtlichen Stellen vollständige Ueber- einstimmung über die Maßnahmen, die der polnischen Agitation gegenüber zu ergreifen sind. * Berlin, 9. Februar. Tie „Berl. Pol. Nachr." schreiben heute, zweifellos ans Grund einer authentisch" Informell „Diö „ - siiuiiig- ^eituna" und ve-ch* *',r ». e „Ge-.., und andere Blätter des Eentrums fahren fort, in Leg zu machen. Sie behaupten sogar nach wie vor, daß der preußische Finaiizminister (wie sollte ein Mitglied des Buntesraths dies wohl machen?) einen Eonflict mit dem R e i ch s t a g e plane, die R e i ch s st e u e r r e f o r m p l ä n e w i e d e r ausnehmen wolle, daß er eine heftige Rede im Staats- Ministerium in Gegenwart des Kaisers über die Beschlüsse der Budgetcommission in Betreff der Einstellung neuer Summen in den Auszabeetat ohne Zustimmung der Reichsrezicrung gehalten und daß er für diese finsteren Pläne die Finanz minister der Einzelstaaten zu Hisse gerufen habe. Natürlich ist von allen diesen Dingen auch nicht das Geringste Feuilletsn. .... - Zur Entwickelung der Wissenschaft. In der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissen schaften zu Berlin zur Feier des GeburtssestcS Friedrich'S II. am 28. Januar 1897 hielt der Vorsitzende Secretair, Herr Prof. vr. Wald eh er, folgende vom „Reichsanzeiger" abge druckte Festrede: Ehrfurchtsvoll und freudigen Herzens zugleich bringt ihrem Erhabenen Herrn und Beschützer, Kaiser Wilhelm II., beim Antritt Seines neuen Lebensjahres die Königlich preußische Akademie der Wissenschaften in der heutigen Fest sitzung ihre Glückwünsche dar! Möge dem jugendfrischen Fürsten, der starker Hand und hohen Sinnes seines Amtes waltet, möge Ihm und Seinem blühenden Hause des Him mels Segen allewege beschieden bleiben! Pietätvoll gedenkt am heutigen Tage die Akademie aber auch ihres Erneuerers, deS großen Königs, welcher in der Geschichte des 18. Jahrhunderts die erste Stelle eininmmt, gleich groß als Kriegs- und FriedenSsürst, dessen geistiges Vermächtniß — mit Stolz dürfen wir es sage» — der Akademie bis auf den heutigen Tag verblieben ist und, so so Gott will, bleiben soll! Es ist rin eigenartiges Zusammentreffen, daß in jedes der drei letzten Jahrhunderte die lange und gesegnete Regierungs zeit eines großen Hohenzollern - Fürsten fällt, der dann auch berufen ward, sein brandenburg-preußisches Reich um einen gewaltigen Schritt vorwärts zu bringen. Wie Friedrich II. im 18. Jahrhundert einen Markstein in der Weltgeschichte bildet, so sein Vorfahr der Große Kurfürst im 17., so sein Nachfolger Kaiser Wilhelm I. glorreichen und unver- löschlichen Andenkens im IS. Alle drei Herrscher, die wir gehobenen Herzen» die unseren nennen, regierten in ihren Jahrhunderten fast um dieselbe Zeit; allen dreien war es beschieden, bestimmend in die Weltgeschicke einzugreifen: Friedrich Wilhelm, dem Kurfürsten, Friedrich, dem Könige, Wilhelm, dem Kaiser! Wenn die politische Entwickelung dieser drei Jahrhunderte für Brandenburg, Preußen und Deutschland eine hoch- bedeutende war, so war e» nicht minder die wissenschaftliche, nnd da« nicht nur für Deutschland allein, sondern für die gesammten Culturvölker. Deutschland tritt im 17. Jahr hundert, nachdem die Schrecken deS Dreißmjährigen Krieges verwunden waren, mit in die vorderste Reihe der in der Förderung der Wissenschaften wetteifernden Nationen. Aus diesem Wetteifer ist dann ein so frische» wissenschaftliches Leben entsprossen, daß wir weit zurückgreifen muffen, um einer ähnlichen Epoche »u begegnen, einer Epoche, iy der nicht nur die historischen Wissenschaften und die schönen Künste, sondern auch die Naturwissenschaften epflegt und zu hoher Blüthr entwickelt wurden. Wir nnen da kaum bei den Arabern deS 9. bis 12. Jahr -undertS Halt machen, sondern müssen uns bis zu den Zeiten Alcxander's des Großen und der von da anhebenden Periode griechischer und römischer Cultur zurückwenden. Gewiß haben einzelne Völker, wie die Italiener zu den Zeilen der Mediceer, in Kober Entwickelung von Wissenschaft und Kunst gestanden; doch überwog damals die Kunst, die Naturwissenschaften traten zurück. Auch war der Culturkreis noch ein kleiner ge blieben; mit dem 17. Jahrhundert aber beginnt er sich auf alle in der Geschichte laut werdenden Nationen und auf alle Wissenschaften, auch die Naturwissenschaften, auszudehnen, und — die Künste bleiben keineswegs dabei zurück! Aehnlich stand eS in der alexandrinischen Zeit und in der Blüthe der römischen Kaiserzeit. Die damals unter dem einzigen römischen Scepter vereinigte geschichtliche Welt nahm an der gesammten Eultur Theil. Wie weit diese Cultur in alle Kreise eingegriffen haben muß, lehrt die Thatsache, daß alle Völker, seien es Germanen, seien es Slawen, seien es Araber, welche das damalige Weltreich zertrümmern halfen und die Graeco Romanen besiegten, ihrerseits alsbald wieder von der griechisch-römischen Cultur gefesselt wurden. AuS dieser Zeit sind uns die Namen von Männern, welche m allen Gebieten des Wissens und der Kunst Großes und Unvergängliches geleistet haben, nach Hunderten erbalten. Dann kommen viele Jahrhunderte, auS denen nur einzelne Lichtgestalten hervortauchen; selbst die arabische Blülbezeit weist nur wenige Namen auf, an die sich wahrhaft große Leistungen knüpfen. Zahlreicher begegnen sie uns noch in den historischen Wissenschaften; fast ganz vermissen wir sie aus dem großen Gebiete der Mathematik und der Naturwissen schaften, auf welchem jene alte Culturepoche Männer wie Aristoteles, Archimedes, Euklide«, Her», Hip- parchos, Ptolemaeuö, Eratosthenes, HippvkrateS, Herophilus, ErasistratuS, GalenuS und den Ephesier Soranus aufzuweisen hat. Schon in den letzten Zeiten des römischen Weltreichs, insbesondere seit die Kaiser - Residenz nach Byzanz verlegt worden war, erfahren wir von keinen bedeutenderen wissen schaftlichen Leistungen mehr. Namen von gutem Klange in der Naturkunde, wie der deS Cardinal« Nikolaus de Cusa (Nikolaus Krebs auS Cuß an der Mosel), Peurbech und Johannes Müller (RegiomontanuS) aus Königsberg in Franken, tauchen im Mittelalter und zur Reformationszeit nur vereinzelt auf. Mehrere ungemein wichtige und um gestaltende Erfindungen stammen zwar auS dieser Zeit: die des Sprengpulvers, welches erst weit später als „Schieß pulver" Verwendung fand, der Brillen, der Glasspiegel und des CompasseS, ohne daß man jedoch die Erfinder kennt: n ist sicher, daß der Compaß und das Schießpulver den Chinesen lange vor der Erwähnung dieser Dinge in den abendlänv,scheu Schriften bekannt waren. Vorbereitet wurde daS Aufblühen der Wissenschaften im l7. Jahrhundert durch Gutenberg'SErfindung und durch die roßen geographischen Entdeckungen, deren 400jährige Säcular- este wir vor wenigen Jahren feierten nnd im nächsten Jahre feiern werden: die Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ostindien. Im 16. Jahrhundert mehren sich denn auch schon die Forschernamen guten und dauernden Klanges: wir finden Mathematiker wie Cardano und Danti, den Dominicaner, der vom Papst Gregor XNI. mit den Vorarbeiten zu seiner im Jahre 1582 ins Leben getretenen Kalender-Reform be traut wurde; vor Allen aber Kopernikus und Tycho Brahe! In der Chemie und Medicin mögen der Chemnitzer Bürger meister Georg Agricola, der Franzose Paliffy und der Schweizer Paracelsus genannt sein. Mit diesen wenigen, freilich hochbedeutenden Namen sind indessen diejenigen er schöpft, welche dauernden Werth in der Geschichte der Wissen schaften sich errungen haben. Die biologischen Wissenschaften wurden aus ihrem langen Schlafe» in welchen sie mit dem Niedergange der alexan- drinischen Schule versunken waren, erst im 17. Jahrhundert wieder erweckt. Mit diesem Jahrhundert, dessen politische Geschichte ins besondere für Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg gebrandmarkt ist, beginnt ein neuer, durch großartige Leistungen auf allen Gebieten deS Wissens, vor Allem durch eine Falle wichtigster Entdeckungen im Gebiete der Naturwissenschaften, hervorragender Zeitabschnitt. Es ist wunderbar, wie schnell sich Deutschland von den Wunden des langen Krieges erholt, va, wo thatkräftige und begabte Männer die Leitung haben. Der ausgehende Stern im deutschen Reiche, der so Vieles auch für die Förderung der Wissenschaften gethan hat, Friedrich Wilhelm von Kurbrandenburg, konnte schon kurz nach dem westfälischen Frieden im Westen und im Osten mit starker Hand in die damalige Weltpolitik mitbestimmend einareifrn, wodurch er seinem Staate äußerst wichtige Vortheile sicherte. Angesichts ferner deS erwähnten frischen Zugeö, der auch in Deutschland in die Wissenschaften hineinkommt, möchte man versucht sein, anzunehmen, daß die Schilderung der Schäden, welche Deutschland durch den traurigen Krieg erlitten hat, des Oefteren wohl zu stark aufgetragen worden ist. DaS, was die neu beginnende wissenschaftliche Epoche wesentlich kennzeichnet, ist die fast gleichmäßige Tbeilnahme aller Wissensgebiete, insbesondere auch der biologischen, an der aufstrebenden Entwickelung, ferner das Eintreten der germanischen und slawischen Völker in den wissenschaftlichen Wettbewerb, während bis dahin vorzugsweise die romanischen Nationen, insonderheit die Italiener, auf dem Plane er schienen waren. Es sei hierzu bemerkt, daß noch KopernikuS, der zuerst in Krakau Medici» studirt hatte, nach kurzem Unterricht bei Peurbach und RegiomontanuS in Wie» seine astronomische Vorbildung vorzugsweise in Italien erhielt, wo er mehrere Jahre (in Bologna und Rom) verweilte. E« ist vielfach üblich geworden, unser jetzt zur Neige gehendes 19. Jahrhundert als das naturwissenschaft liche zu bezeichne». Das iss sicherlich in dieser allgemeinen F si'sung nicht zulässig. Ich gedenke zu zeigen, daß die Fort- stritte der Naturwissenschaften im 17. nnd 18. Jahrhundert ebenso bedeutende waren wie im 19., und ferner, daß auch die historischen Wissenschaften ohne Ausnahme, ebenso wie alle Zweige der Kunst, im l9. Jahrhundert nicht geringere Fort schritte gemacht und nicht mindere Pflege erfahren haben, wie im 17. und im 18. oder in irgend einem Jahrhundert vorher, dessen Geschichte wir genauer kennen. Suchen wir zunächst in raschem Ueberblicke uns in die Erinnerung zurückzusühren, was die beiden dem unsrigen vorhergehenden Jahrhunderte in den Naturwissenschaften auf zuweisen haben. Es ist bemerkenswertb, aber auch naturgemäß, daß alle Naturwissenschaft mit der Mathematik, welche mit der Philo sophie als die Lcivotiu scientiurium über allem anderen Wissen steht, beginnt. Hierzu gesellt sich bald die Astronomie mit der Physik; ja, eS kann gefragt werden, ob nicht insbesondere die Astronomie die erste Veranlassung zu einer weiteren wissenschaftlichen Entwickelung der Mathematik abgegeben bat. Später erst kommen die Chemie und die biologischen DiScivlinen. Wir sehen diesen Gang der Dinge in der alten griechisch-römischen Blüthezeit der Wissenschaften genau so, wie in der mit dem 17. Jahrhundert beginnenden jetzigen, sich abspielen. Das 17. und 18. Jahrbuudert zeichnen sich vor Allem durch die hochbedeutendsten Leistungen der Mathematik aus, Leistungen, die in keiner Beziehung denen de» 19. «achzusctzen sind. Am Eingänge deS !7. Jahrhundert- stehen keine Ge ringeren als Bürgi, Napier (Neper) und Brigg« mit ihrer Erfindung der Logarithmen und Reu6 du Perron DeS cartes (1596 bis 1650), der als tapferer und unruhiger KriegSmann in französischen, holländischen, bayerischen und österreichischen Kriegsdiensten begann, um, «ach einem ruhigen, rein der wissenschaftlichen Forschung gewidmeten Leben in einem kleinen holländischen Oertcken, endlich am Hose Christinens von Schweden in der Vollkraft seiner Jahre, als einer der bedeutendsten Mathematiker und Philosophen sein Leben zu beschließen. ES genüge zu bemerken, daß DeS- carte« der Begründer der analytischen Geometrie ist und die negativen Wurzeln der Gleichungen u«S kennen und bestimmen lehrte. Dem 17. Jahrhundert blieb e< aber auch Vorbehalten, die größte mathematische That aller Zeiten zu vollbringen, die Erfindung der Infinitesimal - Rechnung durch Newton, den unvergleichlichen britischen Forscher, und durch Leibuiz, den wisienschaftlichen Begründer und ersten Präsidenten unserer Akademie! Sowohl die Differential wir die Integralrechnung wurde von Beiden sestgrstellt und damit der »eueren Mathematik, vor Allem der rechnenden Physik, die Bahne» geöffnet. Erwähnen wir dann noch der Erforschung einer Anzahl wichtiger und interessanter C»rve» — eS sei vor Allem die Radlinie oder Cykloide ge nannt — durch Pascal, Huyghens und die BernouilliS, so babei, wir mit diesen Namen zugleich di» mathematischen Kräfte genannt, welche neben den schon erwähnten dem 17. Jahrhundert zur ewigen Zierde gereichen. Insonderheit sind eS die Brüder Jacob uud Johann Brrnouilli, beid«
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