01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970313012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-13
- Monat1897-03
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Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbefürderung SO.—, mit Poslbesvrderuug ^l 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mattzes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Annahmeschluß siir Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgr u-AnSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. ^ 131. Sonnabend den 13. März 1897. 81. Jahrgang. Die Gedenkhalle für die gefallenen Krieger. Nachdruck verboten. ^ Äe näher der Tag der Centenarfrier heranrückt, desto lebhaft« wird da- deutsche Volk von patriotischen Em pfindungen bewegt. War doch das lange und reiche Leben des ver storbenen großen Herrschers allein dem Baterlande geweiht und war es «hm doch vergönnt, an der Spitze der wehr haften Söhne des deutschen Vaterlandes die Einheit des Reiche» zu erkämpfen. Daß man in solchen Tagen vater ländischer Erinnerung nicht nur des großen Herrschers, sondern auch Derer gedenkt, die ihr Leben freudig für das Vaterland dahingegebea haben, ist selbstverständlich. Es ist darum nur zu erklärlich, daß in eben diesen Tagen dem Reichstage eine Vorlage »»gegangen ist, die den gefallenen Helden ein dauernde» Denkmal zu setzen vorschlägt. Zweifellos ist die Vorlage hochherzigen Anschauungen der Pietät rnlprungen und zweifellos wird das von Jedem im Volke, wie von den Männern der Volksvertretung gern an erkannt werden. Trotzvcm herrscht in weilen Kreise des Volkes sowohl wie des Reichstags keine große Neigung, dem Plane zuzust>mmen. Die Gründe für diesen Mangel an Neigung sind mancherlei Art, aber sie entbehren sämmtlich nicht der Berechtigung. Der eine Grund, der sicherlich nicht wenig mitspricht, wirb auS begreiflichen Gründen nicht besonder» scharf hervor gehoben wrrdrn und er soll auch hier nur nebenbei berühr werben. Er hängt mit der «izenthümlichen Geschichte der Errichtung deS Nation« Iden km als, das eben enthüllt werden soll, zusammen. Das Nationalvenkmal wird hoffent lich dem deutschen Volke mehr Freude machen, als ihm seine Vorgeschichte bereiten konnte, aber eben die Erinnerung an diese Vorgeschichte kann di« Neigung, Mittel zur Errichtung von Denkmälern zu bewilligen und trotz dieser Bewilligung ohne Einfluß auf die Gestaltung dieser Werke zu bleiben, nicht fördern. Die anderen Gründe sind mehr ästhetischer Natur. Man ist ziemlich allgemein der Ansicht, daß eine Gedenkballe, die hunderttausend und vielleicht noch mehr Namen enthält, recht eintönig wirke» müsse. Bei dieser Riesenzahl von Namen würde selbst die geschickteste Vertheilung auf den Raum, selbst die Unterbrechung der Namentafeln durch allegorische Figuren, Säulen und sonstigen Zierrath den Eindruck der Langweilig keit nicht heben können. Abgesehen aber von ästhetischen Gründen, ist es doch noch sehr die Frage, ob die Gedenkhalle dem Gemüthe etwas geben, d. h. ob sie ihren Zweck erfüllen würde. Denn der Zweck soll doch darin bestehen, nicht nur die Tobten zu ehren, sondern auf das Gemüth der Lebenden zu wirken. Nun würde aber, selbst wenn eine Gliederung nach geographischen, oder nach Armeecorps-Bezirken, oder nach den verschiedenen Zeitpunkten des Krieges, in denen die einzelnen Helden ihr Leben dabingeden mußten, oder, was sehr schematisch wirken würde, nach dem Alphabeth erfolgte, der Besucher der Gedenkhalle stundenlang herumsuchen müssen, ehe er Namen fände, die ihm theuer sind. Und wenn er nun selbst diese Namen herausgefunden baden wird, dann wird der Eindruck für ihn abgeschwächt sein, gerade weil eine so ungeheure Anzahl von ihm völlig gleichgiltigen Namen den einen, der in ibm Erinnerungen weckt, umgiebt. Glaubt man aber, daß die Massenbaftigkeit der Namen einen be stimmten Eindruck auf den Besucher macken würde, etwa den Eindruck der Bewunderung, daß so ungezählte Tausende für das Vaterland in Kampf und Tod gegangen sind, und baß man darum an dem Reiche, dessen Einigung nur durch jo ungeheure Ströme von Blut erkämpft werden konnte, fest- hatteu müsse, so täuscht man sich. Denn auf die große Mehr zahl der Besucher würden in dieser Hinsicht 10 000 Namen genau so wirken wie 100 000, und 100 000 nicht weniger als eine Million, weil bei derartigen Rirsenziffern da- Schätzungs- Vermögen vollständig verloren gebt. Bon welcher Seite auS man also die Sacke betrachten mag, so muß der Gedanke als wenig glücklich bezeichnet werden. ES ist deshalb auch schon mit Recht Hervorgeboben worden, daß, wenn man den 22. März zu einem Acte der Dankbar keit gegen die Mitkämpfer deS großen Kaisers benutzen will, man richtiger der Lebenden als der Todten gedenken würde. Man muß es wahrlich dem deutschen Volke nachsagen, daß eS von Memel bis zum Bodensee, von der ReichSbaupt- stadt bis zum kleinsten Dorfe hinab, die gefallenen Helden des großen Krieges zu ehren gewußt hat. Kaum ein Dorf, in dem nicht zum Mindesten eine Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen angebracht ist, kaum eine kleinere Stadt, in der man nicht schon in einer mehr künstlerischen Form die Todten der großen Zeit geehrt hat. Mag man also, statt wiederum Quader aufzubäufeo, die lebenden Männer der großen Zeit bedenken, soweit sie einer Unterstützung bedürftig sind. Für manchen von ihnen hat diese große Zeit «inen bitteren Nachgeschmack dadurch gehabt, daß er angewiesen wurde, weil er nicht Nachweisen konnte, die Schädigung, die ihn ganz oder theilweise arbeitsunfähig machte, sich im Kriege rugezogeu zu haben. Mag man in Zukunft liberaler ver- fabren und daran denken, daß es einem Staate, Ver sein Bestehen seinen beldenmülhigen Söhnen zu danken hat, bester austeht, wenn auch gelegentlich einmal ein Unwürdiger der Unterstützung theilhaftig wird, als wenn sie einem Würdigen versagt bleibt. Möge sich der Reichstag nicht scheuen, die Vorlage der Regierung abzulehnen. ES wäre eine tbörichle Auffassung deS Begriffes „Patriotismus", wenn man etwa verlangen wollte, daß jeder patriotische Gedanke auch zur Ausführung gelangte. Erst muß er auf seine Verständigkeit hin geprüft werden, und wenn sich dann berauSstellt, daß rin besserer patriotischer Gedanke an seine Stelle gesetzt werden kann, so führe man eben diesen besseren Gedanken aus. Deutsche- Reich. (7) Leipzig. 12. März. Der heutige „Vorwärts" das Winterfest, welches di- Parteigenossen d-s°ierten Berliner Wahlkreises (Südoü) Zargen S°nnadend. ..^T°^ ^ Sanssouci veranstalten. "Is " g«„den Gesa ngskräste S?».e /7-°rkeig.7ö!Mn'Li"nnkg^- u°nd wer.h- °°"Ä7Liz"v«dient eine kleine Glosse. ^Wir^sehen^z von dem Eifer ad, den die „Genossen d - ^ Wahlkreises an den Tag legen, noch vor dem kalender 8 g Frühlingsanfang ein Winterfest zu feiern; w.r spr ck n auch 'ich von der herrlichen Perspective, d.e der zuku ^ G-sangskunst damit eröffnet wird, daß sie sur -ne „m parteigenössiscken Sinne gute und Haltung" zu sorgen bat; wir beben nur die U"befangenbe t Hervor, mit welcher bier der „Vorwärts' einraumt, >8 sogenannten geselligen V-ranstal,ungen der soc.alvemokranschen Organisationen der socialdemokratischen Propaganda dienstbar gemacht werden. Wenn irgendwo eine Beborde zu derselben Ansicht gelangt, kann die soc.altemokratische Presse nicht laut genug ihre Nichtigkeit abstretten. * Berlin 12. März. Dem Plane einer in Berlin zu Kosten, welche im Vergleich zu der Ab ehnung des Ver- langen« einer Besserstellung der Invaliden st-S ein n Stein deS Anstoßes bilden werden, ist mit zutreffenden Gründen namentlich die praktische Durchführbarkeit und die Möglichkeit der Erstellung eines künstlerisch wirkungs vollen HallenbaueS, an dessen Wänden gegen hunverttauleiir Namen eingemeißelt werden sollen, in Zweifel gezogen worden. Beide Schwierigkeiten wären vermieden, wenn «lall eines eigenen Neubaues ein geeignetes, bereits vorbandeneS Bau wesen benutzt und zur Verewigung der Namen der Gefallenen an Stelle von lapidaren Jiischriflru kunstvoll gearbeitete Pcr- gamentbände gewählt würden, die in Schlanken oder sonit ,n angemessener Weise verwahrt würden. Die Zi^ckmaßigkeit deS zuletzt genannten Vorschlags wird einerweileren Begründung kaum bedürfen. Wo aber ist ein Bauwesen, daS würdig und geeignet wäre, die Sammlung dieser Pergamentbände aufzu nehmen? Hierzu möctuen wir da« von den deutschen Landes kriegerverbänden errichtete und in deren Eigenthum und Ver waltung stebenke Denkmal für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyff Käufer in Vorschlag bringen. Bekannt ist, daß, waS tiefe Erfassung und stimmungsvolle Wiedergabe welt historischer Momente, verbunden mit künstlerischer Voll endung und großartiger landschaftlicher Wirkung, anbelangt, dieses Denkmal zu den gelungensten Werken der neueren 70 m hohen ThurmeS dieses Denkmals füllt eine mächtige Rotunde auS, an welche rechts und links zwei kleinere Halleiisich anschließen und welcher nach rückwärts eine weitere Halle leicht angehängt werden könnte. Dieser Raum ist ur sprünglich gedacht als Versammlungsraum für die Abgeordneten der Kriegerverbände, allein seiner großen Dimensionen und seines monumentalen Charakters wegen eignet er sich wenig zu einer Versammluiigsställe, während er zu einer Gedächtnisihalle obne irgend welche Schwierigkeiten auSgebildet werden könnte. Mit den Kriegerverbände,, würde sich ohne Zweifel leicht eine Verständigung erzielen lassen über die Einrichtung und Neber- lassnng deS Raums zur Aufbewahrung der Peraamcnt- blätter, welche der Nachwelt die Namen der gefallenen Kämpfer von 1870/71 zu erbalten bestimmt sind. Welcher Ort wäre aber geeigneter zur Aufbewahrung dieser Urkunden, als der sagenumwobene Kyffbäuser, der für alle Zeiten einen Wallfahrtsort bilden wirb für Alle, welche dem großen Begründer der deutschen Einheit ihre dankbare Verehrung bekunden wollen?" * Berlin, 12. März. In colonialen Kreisen wird vielfach über ein Vorkommniß gesprochen, daS, wenn «S von zuständiger Seile nicht aufgeklärt worden wäre, der colo nialen Bewegung Schaden zuzufügen geeignet war. Es bandelt sich um die Einrichtung eines AuSkunftSbureaus für die Auswanderung, an dessen Spitze ein Beamter der Deutschen Colonialgescllschaft, der Secretair Seydel, sich gestellt batte, und das den Anschein erweckte, als handle er gänz und gar im Interesse der Colonialzesellschaft und der maßgebenden Kreise Deutschlands. Nun stellt sich beraus, daß dieses AuskunflSbureau an die Gesandtschaften der südamerikanischen Republiken um eine namhafte Unter stützung sich gewandt hat, um deren Interessen wahr- zunebmen. Mit anderen Worten, das Bureau hat sich geradezu unter Flagge eines deutsch-nationalen, von der Colonialgesellschafl geförderten Unternehmen» zu der Ver treterin nichtdeutscher Interessen gemacht. Da die Coionialgesellschast in der Auswanderungsfrage stark interessirt ist und ihren Standpunkt, der von dem deS Auswärtigen Amtes vielfach abweicht, immer offen vertreten hat, ist leicht zu ermessen, in welche nnangebme Lage sie durch die Hand lung ihres Beamten gebracht ist. Wie es heißt, hat das Auswärtige Amt sich in dieser Angelegenheit an die Colonial gesellschaft mit der Bille, Reinecur zu schaffen, gewandt. Letztere bat, wie die „Tagt. Rundsch " von zuverlässiger Seite hört, inzwischen bereits aus freien Stücken Schritte in der selben Richtung geihan. Autdrücklick sei nochmals Hervor geboben, daß an der Sache Herr Seydel nur mit seiner Person betbeilizt ist. V. Berlin, 12. März. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen heule Vormittag eine gemein same Spazierfahrt. Um 1 Ubr Mittags fand im Schlosse anläßlich des Geburtstages deS Prinz-Regenten von Bayern eine Frübstückstasel statt, zu welcher geladen waren: der Oberst- Fsrrilletoir. Der Augenblick -es Todes. Nachdruck verboten. Unrrachtet der weisen Lehren und deS Vorbildes des SokrateS sehen noch viele Menschen mit Furcht dem Augen blicke entgegen, der für unS Zeit und Ewigkeit scheidet — dem Augenblicke de» Todes. Jndeß haben dre Aerzte längst festgeftrllt, daß der Tod selbst thatsächlich als eine Erlösung, als ein schöner, keineswegs schmerzlicher UebergangSzustand empfunden wird und daß hiermit nicht die Erscheinungen zu verwechseln find, die aus einer dem Tode vorangehenden schmerzvollen Krankheit entspringen. Aber was geht nun im Menschen vor, wenn er sich dem Tode nähert? Da die Beantwortung dieser Frage jedem Menschen von Interesse ist, so ist sie der Gegenstand vieler Studien gewesen, und erst neuerdings wieder haben einige französisch« Gelehrte, wie B. Egger, vr Sollier und de Varigvy, die Materialien zusammengestellt, die erreichbar waren. Das sind natürlich nicht allzu viele, aber man erhält durch sie immerhin einen Fingerzeig. Es handelt sich hierbei um Aufklärungen von solchen Personen, die im letzten Augen blicke vom Tod« errettet worden sind, und diese Erfahrungen sind vielleicht nicht einfach auf Die anzuwenden, die an ihrem Alter sterben. Aber man ist doch wobl berechtigt, zu ver- nluthrn, daß die Leggenannlen, deren Leben mangels der Er neuerung der Lebenekraft langsam verlöscht, in Bezug auf die Art ihrer Empfindungen kaum ungünstiger gestellt sind, als Die, die mitten in ihrer ungeschwächten Lebenskraft dem Tobe von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Nun ist eS hinlänglich bekannt, daß Löwenjäger und Andere, dir sich in den Klauen und Zähnen wilder Thiere befunden haben, übereinstimmend erklären, daß die Kralle, die ibr Fleisch zerriß, und die Zähne, die sich in Arme oder Beine embobrten, ihnen keine Schmerzen, sondern im Gegen- theil eine Art behaglicher Erschlaffung verursachten. Erst wenn sie befreit waren und di« Folaea der Risse oder Bisse sich geltend machten, begannen sie Schmerzen zu empfinden. Aehnlichrs berichtete uns selbst «in Bekannter, der das Un glück batte, in einem Flusse mit dem Boote umzuschlagen und nach langer vergeblicher Gegenwehr von einer reißende» Strömung zu einem tiefen Wehr und damit anscheinend zum icheren Tobe getrieben zu werden; er trieb nach Aufgabe einer Bemühungen in einer friedlichen Betäubung dahin, lnd auch dir Ermittelungen der Franzosen stimmen mit diesen Beobachtungen überein. Sie bezieden sich zunächst aus die Tbatsache, daß Der, der sich bei einem UnglückSfalle plötzlich dem Tode nabe fühlt, alle wichtigeren Begebenheiten seines Lebens — oder sozusagen sein ganze» Leven — in einem kurzen Augrndliae vor seinem Bewußtsein vorüberziehen sieht — ganrso, wie es vom Traumleben erwiesen ist, daß ein einziger Moment genügt, um eine schier unendliche Reihe von Begebenheiten zu umfassen. Mehrere Personen, die dem Ertrinken nahe waren, und eine Person, die von einem Schnell zuge überrascht wurde, und sich zwischen den Schienen nieder warf, um den Zug über sich binwegbrausen zu lassen, gaben in dieser Hinsicht ganz übereinstimmende Auskunft. Der Züricher Pioseffor Heine, der selbst bei einer Berg besteigung abstürzle, hat auch andere Touristen, die in der gleichen Lage waren, befragt. Er selbst sagt: „WaS ich in den wenigen Sekunden, die der Fall dauerte, fühlte, würde in der Erzählung wohl eine Stunde beanspruchen; alle Ge danken und Bilder stellten sich mit einer außerordentlichen Schärfe und Klarheit dar." Und nachdem er eine lange Reihe von Mitteln zur Milderung des Falles, die sich ihm aufvrängtrn, aufgezädlt hat, fährt er fort: „Darauf sah ick alle Begebenheiten meines Lebens in unzähligen Bildern sich gleichsam vor mir abrollen." Der englsiche Alpist Wbymper, ver von einer Höhe von 70 Metern heradstürzte, sagt: „Ick hatte volle- Bewußtsein von Dem, was vorging, und ich zählte jeden Stotz; aber wie ein chloroformirter Kranker fühlte ich keine Schmerzen. Jeder neue Stoß war natürlich deftiger al» der vorbergegangene, und ich erinnere mich sehr gut, daß ich klar überlegte, wenn der nächste Stoß noch deftiger sei, so sei eS zu Ende .... Aber da» Wunderbarste war, daß diese wiederholten Würfe durch die Luft keineswegs etwas Unangenehme» an sich hatten." Der engtische Admiral Beaufort fiel einmal al» Kind ins Wasser, und er erzählt darüber: „Von dem Augenblicke, da meine Anstrengungen aufhorten, machten die stürmischen Empfindungen einer fast vollständigen Ruhe Platz; cS war Apathie, nicht Resignation, denn eS kam mir nicht mehr so vor, als ob Ertrinken ein Unglück sei. Ich dachte nicht mehr an Rettung und litt doch gar nicht. Im Gegentheil, meine Gefühle waren eher angenehm." Ein Mann, der ja als scharfer Beobachter nicht unbekannt ist, nämlich — Darwin, erzählt, baß er al« Schuljunge, wie er einmal in ShrewS- bury aus dem Walle spazieren ging, von einer Höhe von 7—8 Fuß herabfiel, und daß die Zahl der Gedanken, die in diesem kurzen Augenblick seinen Geist durchliefen, über- raschend war. Ein französischer Militair, Namen» DerepaS, erzählt auS dem Jahre 1870: „Am 2. Decrmber lag ich mit zerschmetterter Hand 50 Schritt von deu Preußen. Die Kugeln Pfiffen so anhaltend um mich, daß ich meinen Tod als unausbleiblich ansah. In diesem Augenblick trat mein ganze» Leben bis in seine geringsten Einzelheiten mit außerordentlicher Klarbeit vor mich. Ich glaube noch vor meinem inneren Blicke dies vollkommen scharfe und klare Bild zu sehen." Geht man diesem Phänomen der panoramenartigen Erscheinung de« vergangenen Lebens im Augenblicke veS Tode« näher zu Leibe, so scheint es, daß die Vision au» einer ziemlich beschränkte» Anzahl von Scenen zusammengesetzt ist, die die Einbildungskraft später vergrößert. Kinder, deren Ich auS weniger zahlreichen und klaren Elementen sich zu- sammensetzt, haben di«se Erinnerungen fast nie; ste denken btoS daran, daß ste ibr« Eltern nicht wirderseben sollen. Dafür giebt eS zahlreiche Beispiele. Nun ist eS allerdings in dieser Hinsicht gewiß, daß eS Erwachsene giebt, die noch XlNver lilio, uno »cinoer, oic oe,o»vrrv ,t»v, vrt, Bewußtsein ihren Jahren vorauseilt. Als Beispiel kann ei französischer Schuldirektor genannt werden, der in seiner Jugen bereits als ungewöhnlich intelligent galt, überdies aber zeiti durch Sorgen reiste, indem er erst seinen Vater, dann zw Brüder, darauf seine Mutter und endlich seinen besten Freur verlor. DaS Alles geschah zwischen seinem 4. und 7. Leben, jabre. Er war 8'/r Jabre alt, «IS er in einem Brunnen, ar dem er oft mit einem schwerem Kruge Wasser holte, beinal ertrunken wäre. Er erzählt darüber: „Eines Tages glitt mein Fuß aus und daS Gewicht d, KrugeS trug dazu bei, daß ich in den Brunnen hinabfu Es erschien mir als ein Zeitraum, dessen Dauer ich je! nicht ermessen kann, der mir aber jedenfalls unendlich lar vorkam, bis ich meine Gedanken soweit sammelte, daß ich a den Versuch dachte, festen Fuß aus den Stufen zu fassen ur auf allen Vieren in die Höbe zu klettern. Darauf batte i ein ganz klare« Gefühl davon, daß dieser Versuch vergebli sein würde und daß ich sterben müsse; ich blieb unbeweglic während da» Wasser mit starkem Geräusch mir in Ohren ur Mund drang. In diesem Augenblicke geschah eS, daß a meinem Geiste äußerst schnell und kaleidoskopisch zahlreicl Episoden aus meinem Leben vorbei defilirten, offenbar di die den stärksten Eindruck aus mich gemacht hatten und damal den wesentlichen Inhalt meines JchS auSmachten. Den Auskru „defiliren" gebrauche ich absichtlich, denn mir schien, als c diese Bilder nicht gleichzeitig waren. Außerdem glaube i sagen zu können, daß ich nickt eine vollständige Reibe sa sondern daß Lücken darin waren, und daß die Bilder in ein bestimmten Ordnung, und zwar chronologisch umgekehrt, vo beiglitten. E« waren außerordentlich scharfe, klare, plastisü Alver. Och lah mich selbst objektiv, wie einen Andere Die Bilder, die ich in meiner Erinnerung bebalten bai waren eine Vorstellung von dressirten Hunden, die ich v> einigen Tagen gesehen batte; niedrere Scenen aus meine Schiitleben, Prügeleien mit meinen Kameraden, den Unte ncht des Lehrers^ der Wettbewerb um den Platz in d Classe und um Schulprämien; ferner Züge auS der Katech lation und au- religiösen Eeremonien; Einzelbeiten vom To meiner Eltern, speciell meiner Mutter, und endlich ein groß Rathsel, das ich vor zwei Jahren erlebt hatte, dessen i mich aber wohl kaum noch jemals erinnert batte, wenn nicht auf diese eigenartige Weise wiederholt worden war an einem stürmischen Sonimertage sah ich einmal dir Son ohne Strahlen wie eine blutige Kugel durch dir Wolk scheinen, ich glaubte, sie solle erlöschen und die Welt so un,ergeben Diese Revue von Ereignisien ging nicht t zur Kindheit zurück, sondern umfaßt, nur 3-4 Jab!? , weder weil es m,r aus meinen frühesten Jabren an E mnerungen fehlte, oder weil ich da- Bewußtsein verl. Augenblick de- Todes entfernt nickt so schrecklich ist, wie ibn sich viele verstellen, sondern im Gegentheil in der Regel schön und mild. vr. Sollier berichtet über eine junge Frau, die Morphinistin war; er behandelte sie nach der Methode, die obne Uebergang die Anwendung von Morpbium vollständig abschneidet, und bei der wiederholt Bewußtlosigkeit einzulrelen pflegt. Sie batte die feste Vorstellung, daß sie sterben müsse. Auge und Gehör Hallen eine außergewöhnliche Schärfe. Nach den, Erwachen a»S einer Obnmacht rief ste: „Ach, wie weil war ich weg! Wie schön hatte ick e«!" Und sie erzählte darauf, daß sie bei dem Gefühl, daß sie das Bewußtsein verlor, ein außerordentliches Wohlbefinden empfand. Man darf mit Rücksicht auf diese wissenschaftlichen Erfahrungen behaupten, daß unser großer Dramatiker die Empfindungen der Jungfrau von Orleans im Augenblicke ihre» Todes instinctiv sowohl psychologisch als physiologisch richtig ge schildert hat: „ . . . Leichte Wolken tragen mich, Ter schwere Panzer wird zum Flügelkleide . . . Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude." Allerdings haben Ertrinkende neben den erwähnten Phäno menen auch schmerzhafte Brustkrampfe erwähnt; aber der artige Vorkommnisse scheinen doch nicht häufig zu sein. Für die meisten Individuen kommt nun allerdings der Tod erst nach viel längerer Vorbereitung. Wir wissen, daß bei schwerzbasten Krankbeiten der Tod oft als eine Erlösung berbeigerufen wird, und Alle, die viele Menschen haben sterben sehen, sind darin einig, daß gerade der Augenblick des Todes dnrch ein angenehmes, ein Glücksgesübl bezeichnet wird, so daß Viele unmittelbar davor die Empfindung haben und aus sprechen, als ob sie nun genesen und dem Leben zurückgegeben werden würden. DaS ist auch pbysisch erklärlich genug, da der Tod fast immer der Abschluß einer ASpbyxie ist. Der Alters schwache, der Verwundete, der an Blutverlust leidet, der Kranke, der an einem edleren Organe angegriffen ist, das also seine Function nicht mehr erfüllt, — sie Alle unterliegen einer Blut- Veränderung, die den Mangel an dem lebenspendenden Sauerstoffe und die Anhäufung der Kohlensäure, des anästhetisirenden Stoffes, de« FühllosigkeitSstoffcs, rur Folge bat. Daher sieht man den Sterbenden nach Luft schnappen, dir Haut ist brennend heiß oder mit Schweiß bedeckt, und Die, die an dem Todtenbette sieben, werden von Mitleid er faßt, indem sie in alledem Zeichen schwerer Leiden in dem sogenannten Todeskampfe erblicken. Aber das ist nicht der Fall. Wenn sich diese Zeichen zeigen, bat die barmherzige Kohlensäure schon ibr Werk gethan, das Gefühl genommen, das Bewußtsein betäubt. Gewöhnlich ist der Todeskampf schmerzlos Selten klagt der Sterbende. Selbst wenn das Bewußtsein klar erscheint, lebt der Sterbende eher in der Vergangenheit als in der Gegenwart, und die Rübe, die man oft als daS Product einer außerordentlichen Willenskraft ansieht, ist ein Zeichen wirklicher Gefühllosigkeit. „Hätte ich nur die Kraft, eine Feder zu halten", murmelte W. Hunter wenige Augenblicke vor seinem Tode, „so wollte ich sie benutzen, um auszudrücken, wie leicht und gut cs ist, zu sterben." Vr. M. P.
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