01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970319016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-19
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Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), aur mit d«r Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuua 60.—, mrt Postbefürderung >4 70.—. Ännahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margeu-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die VxpeLitian zu richten. Druck und Verlag von L. P olz in Leipzig. Itl. Freitag den 19. März 1897. 91. Jahrgang. Die Ztimmurigskrije. AuS Berlin wird uns geschrieben: Man verfährt nicht ganz richtig, wenn man einseitig von einer Marinekrisis spricht. Diese ist vielmehr nur ein Tbeil, ja bis zu einem gewissen Grade ein Ausfluß einer allgemeinen Stimmungskrise. Noch vor vier Wochen schienen die Aus sichten der Marineforderungen keineswegs ungünstig, in der letzten Zeit aber hat sich in weiten Kreisen des Volkes eine gewisse allgemeine Mißstimmung geltend gemacht, die von den ursprünglichen Gegnern der Marinr- forderungen für ibre speciellen Zwecke erfolgreich ausgenutzt wurde. Eine erste Veranlassung zu dieser Mißstimmung gaben gewisse Aeußerungen, die bei einem Diner des preußischen Finanzministers gefallen sein sollten. Da indeß diese Äeuße- rungen nicht mit aller Bestimmtheit als richtig festgestellt werben konnten, so wäre die dadurch hervorgerusene Miß stimmung rasch verwischt worden, wenn nicht bald darauf jene Rede bei dem Festmahle des Brandenburgischen Provinzial- landlagS gehalten worden wäre, die gerade in den Kreisen, auf die eine Regierung sich stützen muß, lebhaftes Unbehagen erregte und natürlich von radikaler Seite nach Kräften auS- gebeutet wurde. Ein Beispiel für diese Ausbeutung führt die „Straßburger Post" an, indem sie erzählt, daß der demo kratische Professor Quidde durch die Anführung gewisser Worte auS dieser Rede in einer Volksversammlung stürmischen Beifall bei Leuten fand, die nur zum geringsten Theile demo kratisch gesinnt waren. Die Marineforderungen selbst betraf dann jene von dem Admiral Hollmann urplötzlich vorgelegie „Denkschrift". War eS schon sehr fraglich, ob es sich auS taktischen Gründen recdtfertigen lasse, durch die Denkschrift den Gegnern Gelegen heit zu geben, die Ueberraschten und Erschreckten zu spielen, so war es zweifellos bedenklich, daß das Schriftstück — an geblich auf Wunsch des Kaisers — der Commission ohne vorherige Besprechung mit dem Reichskanzler und dem Reichs- schatzsecretair vorgelegt wurde. Man konnte es dem Reichs kanzler nicht verargen, daß er trotz seines warmen Eintretens für die Forderungen des Etats baS von einem ihm unter stellten Slaalssccrelair so plötzlich producirte Schriftstück kühl behandelte und daß er dieselbe küble Behandlung irnem Gesetzentwürfe über die Errichtung einer Grdenkhalle zu Theit werden ließ, der sicherlich weder seiner Initiative noch der des BnndesrathS zuzuschreiben war. Indessen nicht nur der Reichskanzler wird durch diese Art, in die Geschäfte einzugreifen, berührt, sondern ebenso das Parlament. Man kann eS nicht unrichtig finden, wenn der „Figaro" in einem übrigens sehr sachlich gehaltenen Artikel, den er „der Kaiser und der Reichslag" überschreibt, u. A. sagt, die deutschen Abgeordneten seien durch derartige Vorfälle noch mehr überrascht, als Europa, und die ausschlaggebenden Parteien müßten sich unangenehm berührt fühlen dadurch, baß man sich nicht die geringste Mühe gebe, mit der Meinung des Reichstages Fühlung zu nehmen. ES ist ferner leider nicht unrichtig, wenn daS französische Blatt behauptet, daß dieser Gegensatz zwischen Krone und Parlament sich seil einiger Zeit recht osl wiederhole. Derartige Vorkommnisse wirken nun natürlich nicht nur auf die Rathgeber der Krone und auf das Parlament, sondern auf daS Volk selbst ein. Auf dieses macht auch noch ein Anderes einen verstimmenden Eindruck, nämlich die Art, in der das große Nalionalfest begangen werden soll. Gerade die in dieser Zeit sich unwillkürlich regende Erinnerung an die unerfreuliche Vorgeschichte des National- tenkmals hätte eS geboten erscheinen lassen sollen, daß wenigstens das Fest selbst, das der Enthüllung des Denkmals gilt, in eine recht volksthümliche Form gekleidet worden wäre. Statt dessen ist das Fest, wenn man jo sagen darf, militarisirt worden. Die Enthüllungsfeier des Denk mals selbst ist so gut wie ausschließlich unlitairiscker Art, und man muß doch wohl sagen, daß dadurch das Andenken an einen Herrscher, der nicht nur Kriegsheld, sondern auch Friedensfürst war, nicht völlig erschöpft ist. Nun hätte wenigstens der für den 23. geplante Bürgerfestzug eine durchaus freie Form haben müssen. Auch er aber ist in militairische Formen gebracht worden. Auf ein ge gebenes Zeichen soll nickt „Hoch", sondern „Hurrab" ge rufen werden, rin dem Manne im Bürgerrock fremder Ausdruck der Begeisterung; der Vorbeimarsch soll mit „Augen links" genommen werden, also auch in einer specifisch militairischen Weise, wozu noch kommt, daß bei diesem „Augen links" der Blick der Vorbeimarschirentzen von dem Denkmale abgewendet ist; der Vorbeimarsch soll ferner binnen einer Stunde, einer bei der so großen Aubdehnung des ZugeS sehr kurzen Zeit, vollendet sein. Alles das sind, einzeln genommen, Kleinigkeiten, aber sie verkürzen dock die Freude an dem HuldigungSzuge, der für patriotische Männer eine monatelange Arbeit bedeutet. Ganz zweifellos ist eS wenigstens zum Tbeil ans die Miß stimmung zurückzufübren, wenn die Marineforberungen eine so geringe Aussicht auf unverkürzte Bewilligung haben. Denn wenn man Tag für Tag die maßgebende Centrumspresse ver folgt, so sinvet man, baß sie sachlich nach wie vor nichts gegen die Forderungen Vorbringen kann. So sagt die „Kölnische BolkSztg.", daS Centrum werde nicht gegen eine langsame Erweiterung der Flotte sein, eS werde in einem späteren Jahre die Kreuzer bewilligen, da man nicht leugnen könne, daß früher der Ausbau verlangsamt worden sei. Mit welcher Stimmurg man rechnet, wenn man ohne sachliche Gründe die Ablehnung wagt, daS ergiebt sich am besten aus der Ueberschrift eines Leitartikels der „Freis. Ztg.": „Kaiser Wilhelm'- H. Kriegsschiffe". Als es im Jahre 1887 darauf ankam, daS Volk der Heeresvermehrung geneigt zu stimmen, konnte von den Freunden der Vermehrung mit Recht und mit Erfolg ins Feld geführt werden, vaß der alte Kaiser die V.rmchrung lebhaft wünsche; heute glauben die Gegner einer Verstärkung der Wehrmacht den Forderungen dadurch Ab bruch thun zu können, daß sie die Marine als „Kaiserlich" hervorheben. Das ist ein höchst betrübender Unterschied zwischen dem Einst und dem Jetzt. Es wäre unnütz, sich darüber hin wegzutäuschen, unv es wäre unpalriotisch, eS nicht offen auszusprechen. Weit Wichtigeres, alS die Marineforberungen, die doch nur ein Einzelnes sind, steht auf dem Spiele; es gilt, einen stillen, aber sich mehr und mehr vertiefenden Gegensatz zwischen dem Träger der deutschen Kaiserkrone und einem namhaften Theilr des Volkes zu beseitigen. Hier können nur zwei Faktoren helfen: die Rathgeber der Krone, indem sie den höchsten Herrn offen auf die Stimmung, wie sie ist, aufmerksam machen, und der Träger der Krone selbst, indem er die offene Aussprache nicht verübelt. Bis jetzt ist noch nicht ein einziger Beweis dafür geliefert, daß Kaiser Wilhelm II. offene Aussprache nicht liebe. Be, den großen Zumulhungen, die er an sich selbst stellt, um daS von ihm mit so glühender Liebe umfaßte Reich zu einer immer höheren Stufe der Macht und veS Glückes zu er beben, muß man vielmehr von ihm voraussetzen, daß ihm nicht nur die Wahrheit, sondern auch ihre Verkünder stets willkommen sein. Er wird eS also auch an geeigneten Mitteln zur Beseitigung einer bedenklichen Verstimmung nicht fehlen lassen, wenn seine Rathgeber ihm zeigen, wo der Grund dieser Verstimmung liegt und wie erfolgreich sie von den klugen Gegnern seiner Pläue und seiner Regierung ge nährt unv auSgebeutet wird. Zur Orient-Debatte in -er frauMschen Lämmer. S. Parts, 17. März. Auf telegraphischem Wege sind die Berichte über die mit so fieberhafter Spannung erwartete vorgestrige Kammersitzung bereit- nach Deutschlanv gelangt. Man wird dort Uber den glänzenden Sieg der Politik Mbline-Hanotaux ebenso über rascht gewesen sein wie hier. Denn wenn man auch mit Sicherheit annehmen konnte, daß die in letzter Zeit so häufig erprobte Regierungsmehrheit vaS Ministerium nicht im Stiche lassen würde, eine derartig erdrückende Majorität (356 Stimmen gegen 143) hatten wohl auch feine optimistischsten Freunde nicht erwartet. Unerklärlich ist das Ergebniß allerdings nicht. Die jüngsten Ereignisse, daS Verhalten des Admiral» Reiaeck, die unvorsichtigen Er klärungen der griechischen Regierung haben den Pbilhellenis- mus manch harten Stoß versetzt, manchen begeisterten Schwärmer zum nüchternen Nachdenken gebracht. Vor Allem aber hat die Zeit Gute- gewirkt. Der Eifer der Griechen freunde, die anfangs keinen Tag ohne eine Entrüstungs versammlung oder eine Massendemonstration auf den Straßen verstreichen ließen, war bereits nach einer Woche verpufft, und tagtäglich einen Schmähartikel über den deutschen Kaiser, vom Stapel zu lasten, das hielten selbst die erprobtesten Meister der Sckimpfkunst auf die Dauer nicht aus. So hat daS Zaudern der Mächte doch sein Gutes gehabt. Heute sind sie allerdings alle wieder obenauf und mit um so größerem Muthe, als ja nun an den Thaksachen nichts mehr zu ändern ist, von Verantwortlichkeit also keine Rede mehr sein kann. Es ließe sich eine hübsche Blülhenlese aus den Zeitungen zusammenstellen. Einige Beispiele mögen genügen. Der Socialist Guesde überschreibt seinen Artikel: „Eine Mehr heit von Muschiks". Muschik ist dem „Jntransigeant" noch nicht stark genug, er redet von „abscheulichen das Palais Bourbon besudelnden Verbrechern, die für den jämmerlichen Hanotaux gestimmt haben." Und die monarchistische Rechte stebt den Socialisten in nichts nach. Nur eine Republik kann es fertig bringen, schreibt Cassagnac, sich so feig vor den Königen und Kaisern auf den Bauch zu werfen. Bezeichnend ist es, daß säst die gesammteOpposition die Hauptschuld auf das russische Bündniß wirft. Drumont, der übrigens auch in den Tagen der heißesten Russcnliebe stets seine warnende Stimme halte erschallen lassen, ruft auS: „Die Ansicht beginnt immer mehr Boden zu gewinnen, daß Rußland mit uns gespielt hat und daß es unserem begeisterten und edelmüthigen Volke, daS in ihm einen Verbündeten und Freund erhoffte, einfach daö Gesicht eines geschickten Börsenmaklers gezeigt, da er sich hat angelegen sein lassen, unS Deutschland zu nähern, indem er dabei allen Gewinn in die eigene Tasche fließen ließ." Besonders sanguinische Gemüther malen ihren Lesern schon die schrecklichsten Bilder aus; französische Soldaten, die Seite an Seite mit englischen Matrosen marschiren unv auf das Eommando eines deutschen Admirals aus die Griechen schießen! Am meisten empört aber ist man darüber, daß der Antrag Gauthier de Clagnys abgelehnt worden ist, dem Votum eine Clausel einzufügen, daß das Selbstbestimmung- recht der Nationen über ihr Schicksal nicht angetaslet werden solle. Damit ist nach der Meinung einiger Blätter das SchicksalEls aß-Lothringens besiegelt. „In fünf Stunden, schreibt der royalistische „Soleil", haben die Abgeordneten die Nichtigkeit des Rechtes gegenüber der Gewalt bestätigt, die Erinnerungen einer alten und treuen Freundschaft (mit Griechenland) verleugnet, das Völkerrecht für ungiltig er klärt und die elsaß-lothringische Frage liquidirt. Wenn Wilhelm II. nun noch nicht zufrieden ist, dann wird er es wohl nie werden." Ueber die Sitzung selbst ist nicht viel nachzutragen. Das Haus gewährte denselben Anblick wie an allen großen Tagen. Alle Plätze auf den Tribünen waren besetzt, einlge wenige von Leuten, denen die Sache wirklich etwas anging, wie den fremden Gesandten, weitaus die Mehrzahl von jenem Publi cum, das überall dabei fein muß, bei Rennen, feierlichen Akademiesitzungen, Premieren »c., unter ihnen natürlich viele Damen der ganzen und der DreivierkelS-Welt. Die Haltung der Abgeordneten war ausnahmsweise, wenigstens anfangs, sehr würdig. ES war, als Kälten sie sich verabredet, die Diplomaten zu spielen. Die Reden der beiden Jnlerpella- toren — (Jodlet und Delafofse — wurden selbst durch den Beifall ihrer Freunde nur wenig unterbrochen, und als der Minister des Auswärtigen sein Erklärung vorzulesen begann, herrschte sogar eine fast eisige Stille. Dann allerdings kamen bald die üblichen Zwischenrufe von der äußersten Linken und die darauf folgenden Ordnungsrufe des Präsidenten. Nach der Rede des Ministers war dir Schlacht so gut wie ge wonnen, aber die außerordentlich geschickte kurze Ansprache des Socialisten Millerand vermochte trotzdem noch einen solchen Eindruck auf die Kammer hervorzubringen, daß der Ministerpräsident selbst eS für gerathen hielt, die Tribüne zu besteigen. BemerkenSwertb an seiner Rede war außer der Erklärung, daß die französische Regierung sich in der letzten Zeit niemals im Schlepptau von Rußland befunden habe, sondern daß stets vollstes Einverständniß zwischen den beiden Regierungen geherrscht habe, die Lobsprüche, mit denen er seinen Collegcn wegen seiner „unermüdlichen Tätig keit, seiner Energie, seiner Intelligenz" überhäufte. „Niemand hat mehr das Recht dies auszusprechen als ich, da ich in leben: Augenblicke Zeuge seiner Anstrengungen gewesen bin, ich weiß, welche Dienste er Frankreich erwiesen bat." Was Millerand gut gemacht batte, verdarb sein Freund Jaurös wieder völlig. Dieser Herr scheint sich nach und nach vom Dnlant gilt«, vom verhätschelten Liebling seiner Partei, zum Lmkaut teiribls entwickeln zu wollen. Er ging sozusagen gleich in die Vollen und beschuldigte das Ministe rium indirect, seine Politik nach dem Willen der Finanz barone zu lenken. Das zog ihm zunächst entrüstete Protest rufe der Minister („DaS ist gehässig") und schließlich einen wohlverdienten förmlichen Ordnungsruf zu, dem ja im französischen Parlamente eine weit größere Bedeutung innewohnt als im deutschen. Die Mehrheit der Regierung hat er durch sein Verhallen jedenfalls nur erhöht. Deutsches Reich. * Leipzig, 18. März. Aus Leipzig, 15. März, wird der „Nat.-Zlg." geschrieben: „Unlängjt lief eine, auch von der „Deutschen Tageszeitung" übernommene Meldung durch sächsische Blätter, wonach der Bund der Landwirthe im 9. ländlichen Wahlkreise beschlossen habe, zu der im Herbst bevorstehenden LandtagSwahl Herrn Rittergutsbesitzer Bahrmann auf Taucha als eigenen Candidaten aufzuslellen. Der „Bund" tritt also hier, wie auch bei anderen Gelegenheiten, offen als politische Partei in einem Wahl kreise auf, der seit nahezu 30 Jahren unbestrittener Besitz des sogenannten sächsischen Kammer - Fortschritts, einer neben Conservativen und Nationalliberalen stehenden politischen Spielart, ist. Dem würde an sich schließlich eine besondere Bedeutung nicht beizumessen sein, wenn nicht für Sachsen auch beute noch das den gegenseitigen Besitzstand achtende, in erster Linie gegen die Socialdemokratie gerichtete Cartell der Conservativen, sächsischen Fort schritts- und national-liberalen Partei zu Recht bestände. Da die Fortschrittspartei den 9. ländlichen Wahl kreis keineswegs preisgiebt, sondern einen eigenen Candidaten aufstellt, bedeutet das Vorgehen deS „Bundes" und seiner führenden conservativen Elemente in jenem Kreise einen beabsichtigten oder unbeabsichtigten Bruch jenes Bündnisses, auf den aufmerksam zu machen wegen der möglichen Consequenzen dringend geboten erscheint. WaS hier Angehörige und Mit glieder der conservativen Partei unter der Firma deS „Bundes der Landwirthe" gegen einen kammerfortschrittlichen Wahlkreis zu unternehmen im Begriff sind, kann jeden Augenblick, z. B. auch aus national-liberale Wahlkreise mit dem Hinweis aus gedehnt werden, daß man als „Bund" nicht zum Cartell gehöre und unbeschadet oder trotz conservativer Parteistellung daher in seinen Entschließungen unabhängig sei. Es wird unumgänglich nothwendig sein, daß die conservative Partei leitung Sachsens sich darüber äußert, wie sie über das eigenthümliche Vorgehen eigener Parteigänger und Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder deS Bundes der Land wirthe denkt, und ob sie ihren Einfluß auf diese conservativen Elemente im Sinne loyaler Achtung deS CartellgedankenS geltend zu machen rückhaltlos bereit ist. Jedenfalls wird es Sache der national-liberalen und fortschrittlichen Partei leitung sein, hier auf unverzügliche Klarstellung zu dringen." * Berlin, 18. März. Ja dem Bericht zablreicber Blätter über die Freitaassitzung des Reichstages hieß eS in der Rede deS Fürsten Hohenlohe zu Gunsten der Gedenkhallenvorlage: „Daß es sich gezieme, in dieser Zeit und an dem Tage, an w-lchem »vir daS Gedächtniß de» siegreichen HeldenkaiserS feierlich begehen, auch neben ihm und den Herren, die ihm zur Veite standen — diese können ja nicht vergessen werden — daß es sich gezieme, auch des eiasachen Mannes zu gedenken . . Im Hinblick auf diese Worte macht der „Hannoversche Courier" aus ein eigenartiges Vorkommniß aufmerksam. Er schreibt: Die „Herren" wurden in dem Bericht allgemein als etwas steif empfunden, und sehr erfreulich war es, daß die „Nordd. Allg. F-uiUeton. Verstand un- Denken bei -en Thieren. Nachdruck »erbot«. 8. E- ließe sich leicht r priori Nachweisen, daß die Thiere Verstand haben und denken; wir wollen aber darauf ver nichten und unS auf die Jllustrirung durch Tbatsachen be schränken. Daraus mag dann Jeder seine Folgerungen ab leiten. Worin der geistige Unterschied zwischen Mensch und Thier beruht, werden wir zum Schluffe darzulegen suchen. Unzählige Beispiele giebt eS von der berechnenden Klugheit des Elephanten, noch zahlreicher sind die hinsichtlich de» Hunde« beobachteten Beispiele, weil er zu den häufigsten HauSthieren gehört und vielfach der unzertrennliche Ge>ell- schaster de- Menschen ist. Der durch seine Beobachtungen über da- Seelenleben der Thiere besonders bekannte englisch» Naturforscher Lubdvk besitzt »inen Hund, dem er im Verlauf weniger Monate gewissermaßen lesen lehrte, indem er ihm dir Fähigkeit beibrachte, auf gleichgekormten Eartonstücken verschiedene Aufschriften, welche sich auf feine Bedürfnisse de- ziehen, zu untrrscheiden und diese Bedürfnisse dadurch kund- zugeben, daß er den Earton mit dem entsprechenden Wort« berbeiholt und ihn seinem Herrn vorleg», also di« Karte mit -er Aufschrift „clrinlc", wenn er Durst bat, „koock", wenn er hungrig ist, „out", wenn er hinaus will rc. Irrt er sich, wa« zu weilen (wie beim Menschen) vorkommt, so verbessert er seinen Jrrthum, sobald er siebt, daß ein andere» Ergebniß als das Gewünschte folgt. Er trägt dann die falsche Karte zurück und holt die richtige. Ein Versuch, dem Hunde auch die Unterscheidung von Farben brizubringen, mißlang jedoch. Ein denkwürdige- Vorkommniß mit einem Hunde dürfte Folgende» sein. Einer meiner Freunde besaß in seiner Studienzeit einen Pudel, ru dessen Eigenheiten e» gehörte, daß er (als Studentenhund?) gern Bier trank. Bei einer Gelegenheit hatte er des Guten zu viel erhalten und trug einen regelrechten Spitz davon. In diesem Zustande beging er allerlei Tollheiten, warf Gegenstände, d»e ihm im Wege lagen, hoch in die Luft und dgl. m. Aber die Folge, e,u bösartiger Kater, blieb nicht auS. Seitdem rührte der Pudel kein Bier mehr an. so oft man ihn auch zu seiner alte» Liebhaberei wieder verleiten wollte. E» mag gestattet sein, auch einige Beispiele aus eigener Beobachtung vorzuführen; vielleicht regen dieselben dazu an, sich der Beobachtungen, die man selbst gemacht bat, um so leichter zu erinnern. Bei einem niehrjäbriarn Aufenthalt auf dem Lande hatte ich die Gewohnheit, Nachmittag» 5 Uhr einen Spaziergang zu unternehmen, wobei mich mein Hund, ein Rattenfänger, stet« begleitete. Versäumte ich einmal diesen Zeitpunkt, so wurde das Thier unruhig, kam zu mir unv schaute mich bedeutungsvoll an, al- wenn es sagen wollt«: „eS ist Zeit". Auch in die benachbarte Stadt begleitete mich der Hund, bi» ich ihn eines Tage-, bei einem Besuche, zum Draußen bleiben nöthigte. Ties nahm er sich so zu Herren, daß er seitdem bei meinen Stadtgängrn stet- vor dem Thor umkehrt«. Auf dem Heimweg pflegte ich in dem fünf Miauten vor der Stakt gelegenen Bahnhofsrestaurant »inzukebren, Las über» Haupt meine Stammkneipe war. Dort traf ich dann m»i«ea Hund an, oder er fand sich, wenn r- not etwa- früher war, um acht Uhr Abend» «in. Hielt ich zu Haus» diesen Zeit punkt, an dem ich gewöhnlich zur Kneipe ging, nicht ein, so trat er wieder m,t einem fragenden Blick vor mich hin. Zögerte ich noch, so lief er allein nack dem Bahnbof und legte sich unter den Stuhl, den ich zu benutzen pflegte. Blieb ich ganz aus, so fand er sich etwas nach zehn Uhr wieder vor meiner Wohnung ein, seine Ankunft durch ein kurzabgebrochenes, vorwurfsvolles (oder ärgerliche«) Bellen ankündigend. — Bei einem meiner Spaziergänge wich ich von dem gewohnten Wege seitlich ab. Mein Hund, immer etwa fünfzig Stritte voran-, merkt bald seinen Jrrthum uud stürzt, laut bellend, auf mich loS, al- wenn er sagen wollte: „Hast Du mich 'mal angeführt!" Seitdem blieb er bei meinen Spaziergängen an einer Weaabzweigung oder an einem Kreuzweg immer stehen, bi» er Gewißheit darüber erlangt batte, welche Richtung ich einschlagea würbe. Einmal und nicht wieder! Man konnte rinwenden, daß bei einem Thier, daS in be- ständigem Umgang mit dem Menschen steht, ein höherer Grad von Einsicht uad Fähigkeit schließlich nicht zu wunderbar sei. Die nachstehenden Beispiele dürften diesen Einwand entkräften. Homeyrr berichtet in seinen „Ornithologischen Briefen" Folgend«»: Ich fand im vorigen Sommer unter einem Weiden busche da» Nest einer Sumpsohrrule. Da« Weibchen flog ab und ich fand fünf bi» zum AuSschlüpfen bebrütete Eier vor. Da mir die Dunenjungen hiervon in der Sammlung fehlten, beschloß ich, dies» später zu holen, und machte mir rin Zeichen, indem ich ein Stück Weiße» Papier an der Spitze de» nächsten Busches befestigte. AIS ich nach acht Tagen die Eulen holen wollte, war da» Papier fort. Vielleicht war e« vom Winde losgelöst. vielleicht auch hatten e» di» Alten entfernt.... Ich mußte mich also in dem Dickicht auf» Neue auf die Suche begeben. Da kommt eine der Eulen angestogrn und fährt etwa zwanzig Schritte neben mir in einen Strauch. Deutlich hör« ich dann da» Piepe», welche» die Jungen auSstoßen, wenn sie gefüttert werden. Ich gehe dorthin, die Eule fliegt auf der anderen Seit« de» Strauche» heran«, aber da» Nest kann ich nicht entdecken. Kaum habe ich mich in einer anderen Richtung suchend entfernt, al» die Eule abermals in einen Busch fliegt, und ich wiederum das Piepen der Jungen höre. Nochmals durchsuche ich den Strauch, während die Eule umherfliegt. Da wiederholt sie das Manöver zum dritten Male. Jetzt erst wird mir klar, daß ich getäuscht bin. Ich schleiche möglichst leise nach dem Busch und sehe die Eule hinter demselben sitzend und jenes Gepiepe aus stoßend. Erst nach längerer Suche fand ich daS Nest, worin sich fünf Junge befanden. Aehnlich verfahren, nach Mittheilungen von Jägern, die Wildenten, Rebhühner und andere am Boden nistende Vögel, welche ihre noch nicht flügge gewordenen Jungen einer Ge fahr entziehen wollen. Sie flattern wie gelähmt auf dem Wasser oder auf dem Boden vor dem Verfolger der und suchen dadurch besten Aufmerksamkeit von den Jungen abzn- leiiken, indem sie sich scheinbar preisgeben und den Verfolger möglichst weit von der aefäbrdeten Stelle des Nestes ent fernen ober irrefübren. Ebenso geht in ähnlichen Fällen auch da« vierfüßige Wild zu Werke. Hierher gehört auch das Sichtodtstellen, da« von vielen Thieren insbesondere der niederen Arten angewendet wird, wenn sie in Lebensgefahr gerathen. Aber auch Rebhühner und besonder« Füchse wenden es an. Sie lasten sich dann ruhig in den Rucksack stecken, befreien sich aber bei der ersten passenden Gelegenheit und empfehlen sich auf Nimmerwiedersehen. Nun in die Regionen de» niedrrn Thierleben» hinab steigend, wollen wir zunächst von einem zwar ziemlich ver- haßten aber sehr nützlichen Thier, der Spinne, ein Beispiel böhererJntelligenz und Berechnung vorführen. An einem großen Spinngewebe erblickte der Beobachter eine» Morgen« die Eigen- tbümerin nicht wie sonst in der Mitte, sondern am unteren Ende de« Netze«, wir aus Beute lauernd. Den Grund zu erforsche«,
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