02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970422023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-22
- Monat1897-04
- Jahr1897
-
-
-
3020
-
3021
-
3022
-
3023
-
3024
-
3025
-
3026
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs-Preis tze»pterp«Dttio« oder den im Stadt- t«trk »»d den Vororte» errichtete» vu«. aaoestrllen ob geholt: vierteljährlich ^i-.üO, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Han« bL0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ührlich ^l S^—. Direkte tägliche krrnzlxmdiendung ivs AuSlaah: monatlich 7.Ü0. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. dt» Abend-AuSgabe Wochentag- um b Uhr. Redaclisn und Lrveditisn: A»h»«ne-«ass» 8. Dielxpedition ist Wochentag- «»»nterbroche» Geöffnet vo» früh 8 bi- Abend« 7 Uhr. Filiale«: vtt« Klemm'« Lortim. (Alfred Hahn). Vniversitätsstraß« 3 (Paulinum), Lo«i« Ljische. Kacharinenstr. 14, vart. und KöaigSplad 7. Abeni>-Auögab^ TaMalt Anzeiger. Ästttslilatt -es Königtichen L-nd- und ÄmLsgenchtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Amtcs der Ltadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS die -gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem RedaetionSslrich t-g»- spalten) LO/H, vor den Aamiltennachrichten (6 gespalten) 40/^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und giffernsatz nach höhere« Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit den Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderu«, X SO.—, mit Postbesördernng ^ 70.—. Änuuhmeschlaß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filiale, und Annahmestellen je eia« halb« Stund« sriher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. a? M. Donnerstag kn 22. April 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. April. Wenn die Meldung der „Frankfurter Ztg.", daß die Münchener Mitglieder des Ausschusses der beiden Ber einigungen der organisirten Handwerker ibren Austritt erklären wollen, zutreffend ist, so ist der frühere langjährige und nur mühsam beigelegte Streit zwischen Nord und Süd in der zünftlerischen Bewegung — nicht im deutschen Handwerk — aufs' Neue entfacht. Eine Er klärung des engeren (Münchener) BorstandeS des Handwerker bundes betont zwar ihre friedlichen Absichten, aber sie scheint durch die erwähnte Nachricht überholt. Jedenfalls ist die Verwirrung, die sowohl io der Beurtheilung der Organi- sationöfragen, als in der taktischen Auffassung herrscht» eine allgemeine. Die Münchner geben zu, daß Pie Meinungen und Anschauungen über die HandwcrkSvorlage im Handwerk selbst „ungemein weit" auseinandergeben, und sie protestiren gegen die Abhaltung eine- deutschen Handwerkertages in der künftigen Woche, weil sie befürchten, daß dieser frühe Termin der Opposition gegen den NegierungSentwurf zu Statten kommen werde. Umgekehrt hat Herr von Boetticher wie in der Versammlung des rheinischen Handwerkerbundes, die am Ostermontag in Berlin stattfand, bekannt wurde, ge wünscht und durckgesetzt, daß der deutsche Handwerkertag „sehr bald" veranstaltet werde. Der Herr Staatssecretair, dem ja das Zustandekommen der Bundesrathsvorlage am Herzen liegt, scheint also — entgegengesetzt den Münchnern — der Ansicht zu sein, daß die Gelegenheit zur reiflicheren lieber» legung das von ihm vertretene Werk gefährde. Die Kölner Versammlung hat sich die Beschlüsse der hanno verischen Zwangsinnungsmänner angceignet: Antrag Gamp, d. h. principielle Umgestaltung der Vorlage, die die Entscheid ung, ob Zwangsinnung oder nicht, den Handwerkern anheinl- giebt, ferner Befähigungsnachweis als Voraussetzung deS Rechtes der Lehrlingsausbildung. Die DiScussio», die der Beschluß fassung vorberging, war sehr interessant. Herr Euler machte die Herren Zacobskötter und Frlisch sehr schlecht. In dieser ganzen Handwerkerorganisativnsangelegenheit be fremdet uns nichts mehr, sonst müßten allerdings auch wir erstaunt sein, daß HerrFelisch, dessen hauptsächlicherBeruf e» in den letzten Jahren gewesen ist, die Handwerker — wohlgemcrkt, alle ohne Ausnahme — für Zwangsinnung und Befähigungsnach weis zu entzünden, in einer Besprechung bei Herrn v. Boetticher auf einmal erklärte, er habe nie auf dem Boden der obligatorischen Innung gestanden und er wünsche den Befähigungsnachweis nur für VaS Bau gewerbe. Das war ganz genau der — nationalliberale Standpunkt, wie er auf dem letztenDelegirtentagegekcnnzeichnel wurde. Die völlige Uebereinslimmung dieser Partei mit seinem führenden Parteigenossen hindert das konservative Parteiorgan, die „Kreuzztg.", nicht, die Nationalliberalen auch jetzt noch als Feinde des Handwerks zu schildern. Dies nebenbei. Nachdem Herr Euler den — übrigens nicht als solcher tbätigen — Bau meister Fetisch als Mann, der nur die Interessen seines Gewerbes vertrete, abgclhan, kam Herr IacobSkötler an die Reihe. Ihm wurde gesagt, er scheine auf dem großkapitalistischen Standpunkt zu stehen, eine Bermuthung, die Herr Euler durch den Hinweis stützte, daß Iacobs- kötter in vielen Städten Filiale» unterhalte und große Lieferungen für die Reichspost ausführe. DaS hätte genügt, Herr Euler suchte aber auch noch einen ursächlichen Zusammen- Hang zwischen einem Händedruck des Herrn v. Boetticher und dem Gesinnungsumschwung bei Herrn Iacvbökötter in den Bereich der Wahrscheinlichkeit zu riehen. Sich dagegen zu verwahren, ist Sache de- Herrn JacobSkötter. Wunder» kann er sich freilich nicht, wenn ihm und Herrn Fetisch jetzt bemerklich gemacht wird, sie hätten die Handwerker jahrelang geführt wie ein MoseS, der weiß, daß eS kein Land Kanaan giebt. Aber gesagt wurde es ihnen in Köln doch nur, weil die beiden Herren — Conservative sind. DaS Centrum hat sich zur Bunke-ratbSvorlage nicht um ein Haar anders gestellt al- die Conservativrn, und gerade Herr Euler hat bei der ersten Lesung im Reichstage in der Kunst der „Einwickelung" der Handwerker alle Mit bewerber übertrvffrn. E« ist nicht- weiter als partei politische- Geschäft, wa- auch jetzt, wie von Anfang an, in dieserAngelegenheit vom Centrum und von den Conservalioen betrieben wird. Natürlich können mit den parteipolitischen auch sonstige private Interessen verbunden werden- Wir haben deshalb keinen Grund, Herrn Iacobskötter gänzlich den Glauben zu versagen, wenn er jetzt im „Ncichsboteu" schreibt: „Leider machen sich unter den Handwerkern selbst viele Quertreibereien bemerkbar, die, sei es aus Be schränktheit, au- persönlichem Ehrgeiz oder vielleicht auch aus politischen Gründen, den Entwurf bekämpfen bis aufs Messer". „Vielleicht auch auS politischen Gründen" ist die ziemlich rücksichtsvolle Entgegnung auf die klerikale Behauptung, den Conservative» sei e» nur um „Handwerkerfang" zu thun. Man sieht: unser Urtheil, daß in dieser Angelegenheit ein unerhörter Mißbrauch eines großen Erwerbsjtandes zu fremden Zwecken sich bemerkbar mache, wird immer häufiger von dethnligter Seite bestätigt. Geraume Zeit hat eS gedauert, bis der Schreck, der bei der Einführung der Deutsche» Locarde dem durch die Greizer Vorgänge entzückte» Redakteur deS „Bahr. Vaterland" Vr. Sigl durch die Glieder fuhr, sich so weil legre, daß er diese Neuerung in seinem Blatte einer „Würdigung" unter ziehen konnte. Um so ausgiebiger verspritzt nun diese Zierde des deutschen Reichstags ihr Gift gegen die Einrichtung, die dem verbissensten unter den deutschen Particularisten natürlich wie Alles, wa- den deutschen Einheitsstaat fester zu kitten vermag, höchst verhaßt und unbequem ist. Daß er annimmt, in Bayer» würden nur einige wenige Menschen für diese „preußische" Einrichtung sich erwärmen können, aber diese wenigen würden dadurch noch verrückter werden, ist bei seiner Denkart be greiflich. Von außergewöhnlicher Verschrobenheit zeugt eS schon, wenn er darauf schwört, die Einführung der deutschen Eocard« würde di« Zahl der — Social demokraten in Bayer» vermehren, und wenn er sogar prophezeibt, daß mindesten- 50 000 svcialistische Stimmen deshalb mehr in Bayern würden abgegeben werden. Wie weit vr. Sigl zu gehen wagt, zeigt sich daran, daß er da- bayerische Königshaus beschuldigt, sich durch das „Va sallenthum" gegenüber Preußen die Sympathien des bayerischen Volke- zu verscherzen. Den Gipfel der Vaterlands losigkeit aber erklimmt vr. Sigl, wenn er die vorjährige Rede de- Prinzen Ludwig in Moskau als den einzigen Licht punkt bezeichnet. Jeder gute Deutsche ist von jener Rede auf da-Peinlichste betroffen gewesen und bemüht sich, diese Episode aus seinem Gedächtnisse zu streichen. Es ist geradezu eine Beleidigung des Prinzen Ludwig, wenn man daran zweifelt, daß «r jene, in einer augenblicklichen Aufwallung gesprochenen Worte nicht schon tausendmal auf daS Schmerzlichste bedauert . . Nns, vr Sial wie einen Schlag ins Ä-si»" h ch Vorfrucht der deutschfeindlichen Gesinnung, d.e dem bayerischen Bauernbünde seine Erfolge ermöglich. Ans dem während der Osterfeierta§e G^nt °b- gehalten Congreß der belgischen ckok.aUstenpar-- L'S-LLL'».?«-st/ .000 Fwues, der Parteicasse Zufuhren Dabei wurde scharf getadelt, daß die socialM'schen Deputirten oft m teil Kanimersitzungcn fehle», und eS vutirte grundsatz ausgesprochen, daß jeder s^'alist' che Tepu allen Kammersitzungen vom Anfänge biS E^e wohnen muß. Für den I. Mal wurde eme möglich t allge meine Feier beschlossen, aber es soll keinerlei Zwa-'g bestehe,, Die antimilitaristische Bewegung und die soc,al>sti,che Agitation in der Armee sollen "W-Uert werden. Die Ab- schassuna der Stückarbeit wurde beschlossen, dagegen fand °7> °», «r,ichlu»i keine Annahme. Jever Arbeiterverband^soU eine Ausstands- casse errichten. Für die agrarische Orage, für die plan mäßige svcialistische Agitation auf dem flachen Lande soll ein i»i Juli stattfindender Sondercongreß die Grundsätze feststellen. Die Kran;osen. die bei dem Einbrüche Iameson'S in das Transvaal lebhaft für die südafrikanische Republik ein- traten, haben seitdem ihre Stellung verändert. Em Tbeil der französischen Presse greift sogar heftig die südafrikanische Republik an. Ob. wie ein deutsches Blatt sich wietrrbolt aus London bat berichten lassen, englisches Geld bei diesem Stimmungswechsel eine Rolle spielt, sei dahingestellt; aus geschlossen ist es bei der bekannten Bestechlichkeit der französischen Presse nicht. Mit dieser Parteinahme für England schädigen diese Blätter aber das französische Interesse. Eins der wenigen anständigen französischen Blätter, das „Journal deS Tsbals", hebt mit Recht hervor, daß, ab gesehen vo» den Sympatbien, die man für den tapferen kleinen Bocrenstaat begen müsse, eine Eroberung de« Landes England direct den französischen Interessen zuwiderliefe, da KraukrrichS AuSsubr nack der südafrikanischen Republik in einem erfreulichen Aufschwünge, der bei einer Annectwn durch England gehemmt werden würde, begriffen sei. DaS Blatt räth datier der französischen Negierung, die Absichten Eng land- auf da- Transvaal mit Aufmertsamkcit zu verfolgen. Dazu ist eben jetzt, wo ein starkes englisches Geschwader Durban, das nur etwa 60 geographische Meilen von dem Eingänge zur Delagoa-Bai entfernt ist, mit versiegelten Ordres verlassen hat, aller Anlaß vorhanden. AuchEecilRhodes ist, ohne daß ihm in London ein Haar gekrümmt worden wäre, in Capstadt wieder einactroffen und lebhaft begrüßt worden. Die Asrikanderpartei im Capparlamcnt hat ihre Absicht, die Aus stoßung deS Störenfrieds auS dem Parlament der Capcolonie zu beantragen, aufgegeben. Dadurch steigt daS Ansehen und der Einstuß des gefährlichsten Feindes der TrauSvaalrepubiik wieder erheblich und man wird bald erfahren, waS er darunter versteht, für das „gleiche Recht" aller Raffen südlich des Zambesi zu kämpfen. Auf dem thkssalischc» Kriegsschauplatz haben die Türken wieder einen bedeutenden Erfolg zu verzeichnen. Es ist Edhem Pascha gelungen, bas Gros der Armee nach Besetzung der die Ebene von Larissa beherrschenden Höhen aus dem Hohlweg von Meluna heraus und weiter nach Turnavo zu führen, dieses bereits am Dienstag nach verzweifeltem Widerstand zu erobern und die Griechen zum Rückzug zu zwingen. Es liegen uns darüber folgende Meldungen vor: * Köln» 20. April. Aus London erfährt die „K. Z.", nach einer Meldung au» Saloniki sei einer amtlichen Depesche Sdhem Paschas zusolge Turnavo von den Türken genommen. * Kanstautiuopcl, 21. April. Ter Rückzug der Griechen von Turnavo erfolgte ziemlich geordnet. Bei Larissa, dessen Besesliguiigeu in der jüngsten Zeit vollendet wurdeo, ist von griechi- scher Seit« ein hartnäckiger Widerstand zu erwarten. * London, 22. April. (Telegramm.) Nach einer Meldung der „Morningpost" auS Larissa begann der allgemeine Vor- marsch der Türke» am 20. Morgens. Nach mehrstündigem Artilleriekauipfe wurde Turnavo gegen Mittag von den Türken genommen. — Einer Meldung der „Times" vom 20. d. Mts. auS Larissa zufolge ist dir letzte Turnavo beherrschende Anhöhe von Len Türken genommen. Der Vormarsch der Infanterie beginnt. Die Feldtelrgraphie ist bis Meluna fertig gestellt. Tie weitere Konstautinopeler Meldung, daß die Divisionen Mcmduh und Naschav bereits am Dienstag vor Larissa an- gekommen seien und die Belagerung sofort begonnen haben, dürfte den Ereignissen vorauSgeeilt sein, doch ist es wahr scheinlich, daß die Cernirung des griechischen Hauptquartiers heute in Angriff genommen worden ist. Die griechische Nachricht vom Mittwoch Abend, der Kronprinz habe Larissa verlassen und sich auf das Schlachtfeld be geben, ist dagegen von den Ereignissen überholt, und die Hinzufügung, am Mittwoch Nachmittag hätten die Türken den Posten „Prophet EliaS" auf dem Wege nach Turnavo zu nehmen versucht, sr,rn aber zurückgeschlagen worden, kann sich, falsch datirt, ebenfalls nur auf eine überwundene Etappe be ziehen. Ebenso sucht die Athener Meldung, auch am Mittwoch habe ein Kampf bei Damassi stattgesunden und eine von Turnavo vorrückende griechische Brigade habe den Ort beschossen, den Tbatbcstanv zu verdunkeln. Damassi befindet sich südwestlich von Turnavo, die dort angekommene Brigade kann sich also nur auf dem Rückzüge von Turnavo befunden haben. Zudem wurde schon einmal gemeldet, die Griechen halten Damassi genommen; wenn es jetzt vo» diesen beschossen wird, kann eS entweder von den Griechen nicht besetzt gewesen sein oder sie sind von den Türken wieder daraus vertrieben worden. Ueberhaupt kommen diese vereinzelte» Kämpfe versvrenater griechischer Truppentheile gegen das, was sich vor Larissa ereignet, gar nicht mehr in Betracht, und wir erwähnen die Kämpft bei Damassi nur, um zu zeigen, daß es den Griechen bisher nicht möglich gewesen ist, jenseits der Grenze in Makedonien festen Fuß zu fassen, um die Bevölkerung, wie sie planten, zum Aufstand zu reizen. FeitiHetsir. Sneewittchen. 17j Roman von A. I. Mordtmann. Nachdruck knieten. „Wir glauben oft, daß Leute, die uns verbieten, wa« wir gerne thun, uns nicht leiden mögen," sagte er begütigend. „Aber es ist meisten« zu unserem Besten, wenn wir es auch nicht immer einsehen." Iuanita schüttelte trotzig den Kopf. „Nein, Tante Cäcilie meint es nicht gut mit mir", be- harrte sie. „Aber ich darf eS dem Onkel nicht sagen, weil es ihn traurig machen würde. Und er würde auch mit Tante Cäcilie nicht darüber reden. Das können Sie viel besser". Vergebens bemühte sich der Pastor, dem Kinde einzureden, daß eS sich irre. Sie ließ sich nicht davon abbringen, daß Cäcilie sie nicht leiden möge, man sehe eS ihr an, und der Herr Pastor werde eS ja selbst seben. Ihren eindringlichen Bitten und mehr noch dem ernsten Blick dieser tiefen Augen konnte Ritzau nicht widerstehen. Er versprach also, mit Tante Cäcilie auch über Iuanita zu reden. Damit schloß diese Unterhaltung ab. Ritzau ward nun von seiner neuen Freundin in das HauS und in daS Zimmer geführt, wo Cäcilie, mit einer seinen Handarbeit beschäftigt, in einem amerikanische» Schaukelstuhl saß. Als die junge Dame aufstand, um ihren Gast zu empfangen, und Iuanita hinausgehen hieß, warf sie auf diese einen Blick, der für Ritzau genügte: er wußte jetzt, daß da« Kind Recht habe. „Sie entschuldigen wohl meinen späten Besuch, Fräulein Friedrichsen", begann Ritzau, nachdem er in einem Sessel, der Dame gegenüber, Platz genommen hatte. „Ich bin ein alter Freund und Schulcollege de- Herrn Gerard, und durfte mir daher die Freiheit nehmen, zu ungewohnter und un gebräuchlicher Zeit einen Besuch abzustatten. „O ich bitte, Herr Pastor", antwortete Cäcilie. „Bedarf es da noch einer Entschuldigung? Mir thut eS nur leid, daß Herr Gerard noch nicht daheim ist. Wenn Sie ein weniaverweilen wollen . . ." ,Mein Besuch galt weniger Herrn Gerard als Ihnen, liebes Fräulein. Sie wissen, daß mein alter Freund mich gebeten bat, seine Trauung zu vollziehen. Ich war, offen gestanden, aus mehr al- einem Grunde sehr überrascht, als er mir seine Verlobung miltheilte." Cäcilie errötbete vor Unwillen. „Ich batte nicht geglaubt", sagte sie, „daß Bedenken, die bei gedankenlosen Leuten begreiflich sind, auch bei einem ernsten Manne aufsteigen könnten; und außerdem . . ." „Ist eS nicht meine« Amte«", ergänzte Ritzau den un vollendet gebliebenen Satz, „mich um diese Dinge zu be kümmern. Das ist unleugbar und unbestritten. Allein die Bedenken, die Sie im Auge haben, Ungleichheit des Alters und drraleichen Gründe sind nicht die meinigen. Ich habe mancke Ebe zwischen älteren Männern und jüngeren Frauen eingesegnel und gefunden, daß sie genau so viel Aussicht baden, glücklich zu werden wie die zwischen gleichaltrigen Brautleuten. Mich führt ein anderes Bedenken her. Ich bin eS meinem Freund« Gerard schuldig, nicht zu einer Ebe Beihilfe zu leisten, von der ich einigermaßen ungewiß bin, ob sie zu seinem Segen auSschlagen wird." „Herr Pastor I" „Bitte, mein Kind, zürnen Sie mir nicht, wenigsten« nicht eher, al- bis Sir mich au« und zu Ende gehört haben. Die Sache ist nämlich die: Ich kenne einen sehr braven und wacker» jungen Manu, dessen Lob auS meinem Munde um so unverdächtiger ist, al« er in vielen und wichtige« Dingen mein« Ansichten und Ueberzrugungen nicht tbeilt, und er au« Eigensinn und Hartnäckigkeit lieber auf und davongrgangen ist, ehe er sich mir «in ganz klein wenig fügte. Ah — ich sehe eS Ihnen an, daß Sie wissen, von wem ich rede: vr. Fritz Zarnow." War Cäcilie vorhin vor Unwillen erröthet, so war sie jetzt dunkelroth vor Verlegenheit. Sie wollte etwa« erwidern, aber sie fand di« richtigen Worte nicht. Sie verstummte und mußte die Augen, die sie fragend und unwillig auf den unberufenen Mahner richten wollte, vor dem scharfen, forschenden Blick deS alten Herrn Niederschlagen. „Sie waren, wenn ich nicht irre, Zarnow'« Braut?" „Nicht officiell — nur. . ." Sie verstummte abermals vor dem leichten Druck der Hand, dir sich auf die ihrige gelegt hatte. „Bitte, nicht weiter," sagte Ritzau. „Solche Worte höre ich ungern. WaS heißt da officiell? Sie hatten Zarnow versprocken, sein Weib zu werden. DaS ist für jeden guten Menschen ein so feierliches Gelöbniß, als ob eS vor hundert Zeugen ausgesprochen wäre. Oder sollten Sie anderer Mei nung sein?" „Das nicht, Herr Pastor, aber .. „Ich will Ihnen zu Hilfe kommen, mein Kind. Denn wahrlich, nicht um Sie zu beschämen oder zu demüthizen, bin ich hier. Nur eins möchte ich von Ihnen wissen, aber dies eine unbedingt. Für den Abbruch eines Verlöbnisse« kenne ich nur eine Entschuldigung: DaS Erlöschen und Auf- bören der Liebe, die es geschlossen hat. Können Sie diese Entschuldigung für sich geltend machen? Oder hat Zarnow Sie freigegeben?" .. glühenden Wangen und klopfendem Herzen saß Cäcilie da. Aber kein Wort kam über ihre zuckenden Lippen. Sie war zu stolz, um zu lügen, und der Wahrheit schämte sie sich. „Lieben Sie Herrn Gerard mehr als den armen Zarnow?" Jetzt fand Cäcilie die Sprache wieder: „Herr Gerard besitzt meine höchste Achtung und meine aufrichtigste Zuneigung", betheuerte sie lebhaft. „Gewiß — gewiß — aber da- ist nicht eigentlich eine Antwort auf meine Frage. Können Sie die nicht ehrlich und gradezu beantworten?" ^vlch weiß nicht, mit welchem Rechte . . ." Ritzau erhob die Hand wie zur Abwehr. Er wußte jetzt genug, und in warmen eindringlichen WortAi redete er dem jungen Mädchen zn, sich noch einmal ernstlich selbst zu prüfen und zu überlegen, ob sie den Schritt, den sie zu thun im Begriff sei, vor Gerard und vor Zarnow verantworten könne. Er war sehr beredt, der Herr Hauptpastor, und selten war er beredter gewesen, als beule — trotzdem fühlte er mit einer Empfindung der Eutmulhigung. daß er tauben Lehren predige. v°rte ihm mit einem Schweigen zu, da« ihn grünv icher entwaffnete als die entschlossenste Widerrede hätte au?gebe°n.n"' ^ "wßte »-» Versuch, Cäcilie umzust.mmen, „Lassen Sie un« jetzt von etwa« Anderem sprechen" -r endlich. Sie dürfen es einem alten Manne nicki verübeln, wenn er sich d.e Freiheit nimmt, die er uun einmal für e.» Attribut se.nrS Amtes hält. Ich hah« „.ch dringende und ernste Bitte an Sie. Herr Gerard bo. ! Pflegetochter — ein liebes und herzige« Mädchen ^ " „Iuanita, meinen Sie? O ja — sie ill Herz gewachsen, und sie verdient es." ^ ^ Die Worte klangen eisig kalt. Der Pastor war davon unangenehm berührt. „Ich möchte beredt sein, wie die Propheten und die Apostel", sagte er, „um Ihnen meine Bitte so recht ein dringlich vortragen zu können. Iuanita ist schön — auch Sie sind mit äußeren Gabe» reich ausgestattet -- ich beschwöre Sie, Fräulein Cäcilie, geben Sie nie der unseligen Versuchung nach, Vergleiche anzuslellen, die nur in Gehässigkeit endigen können. Ich sab Sie vorhin das Kind anblickcn — und e« war nicht der Blick einer Mutter. Ich habe eben Ihre Worte über Iuanita gehört, und es war darin nicht der Ton der Mutterliebe. Hüten Sie Ihre Seele, mein Kind, vor schwerer Verantwortung? Ein armes Menschen kind ist ja so leicht, so furchtbar leicht unglücklich gemacht — lassen Sie Iuanita nicht zur Waise werden in dem Augen blick, da sie hoffen durfte, zum Vater eine Mutter hinzu zu bekommen!" „Ich werde meine Pflicht nach bestem Wissen erfüllen", versicherte Cäcilie. „Fürchten Sie nichts." „Uno bedenken Sie, wie bitter unrecht Sie thun würden, wenn Sie, absichtlich oder unabsichtlich, da« Kind zum Mittel machten, um Gerard zu quälen. Sie würden sich nicht an dem Kinde allein, sondern auch schwer an dem Manne ver sündigen, der Ihnen eine Heimstätte bietet, und dessen Liebe Sie nicht einmal mit gleicher Liebe vergelten — dem Sie daher doppelte Verpflichtung schulden." „Sie beurtheilcn mich ungerecht, Herr Pastor", versetzte Cäcilie schwer athmend. Der Unwille über die Art, wie dieser ganz fremde Mann sie wegen ihrer Thaten und sogar Gedanken zur Rechenschaft zog, kämpfte mit der Beschämung über die dcmüthigend niedrige Stellung, die sie m der grellen Beleuchtung dieser an ihr geübten unerbitt lichen Kritik vor sich selbst einnahm. Sie fühlte, wie Ritzau durch alle äußeren Hüllen hindurch in die tiefsten Tiesen ihrer Seele schaute, und das raubte ihr die Fähigkeit, seine Angriffe fo zurückruweisen, wie sie gern gewollt hätte. Fast wie eine Entschuldigung klang eS, als sie hinzufügte: „Wir werden eine Hochzeitsreise machen, und Iuanita soll unterdessen in einem Pensionat Aufnahme finden." „In welchem?" Welches tiefe, beleidigende Mißtrauen lag in dieser Frage! „Bei Geschwister Wmkelmann in Brrgedorf". „Ab, bei denen! Ein sehr gut geleitete- Pensionat!" „Natürlich, sonst würden wir sie nicht dorthin geben.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode