w o Wach, Joachim Religionswissenschaftler und Religionssoziologe, * 25. 1.1898 in Chemnitz (jetzt Karl-Marx-Stadt), f 27. 8.1955 in Orselina/Locarno (Schweiz); in neukantianisch protestantischer Tradition aufgewachsen, Beziehungen zur deutschen Jugend bewegung und zum George-Kreis; nach Ende des 1. Weltkrieges bis 1922 Studium der Philosophie, der vergleichenden Religionswissenschaft, Religionsgeschichte und -Philosophie in München (Friedrich Heiler), Berlin (Adolf von Hamack, Ernst Troeltsch), Leipzig (Hans Haas), Dr. phil., Dr. theol.; Priv.-Doz. Leipzig 1924, Prof, für Religionswissenschaft ebenda 1929; 1933 wegen seiner jüdischen Ab stammung gezwungen, Deutschland zu verlassen; zunächst gastweise, dann als Prof, für Religionsgeschichte an der Brown Univ., USA; seit 1945 Prof, an der Federated Theological Faculty der Univ, of Chicago. W., von Haus aus Religionswissenschaftler und Philosoph, knüpft mit seiner religionssoziologischen Arbeit ausdrücklich an die Begründer der Religionssoziologie, Max Weber und Emst Troeltsch, an (obwohl er die von Weber untersuchten Zusammenhänge von Religion und Wirtschaft nicht als religionssoziologisches Thema gelten läßt). Das Feld der Religionssoziologie, die er als eine konkrete Anwendung der allgemeinen Soziologie ohne nor mativen Anspruch auffaßt, ist nach W. nicht die „reine Religion“ (im Sinne der Idee einer bestimmten historischen Religion), sondern eine empirische Gestaltung der Religion, wobei den verschiedenen Gebieten des religiösen Lebens verschiedene soziologische Bedeutung zukomme: die Sphäre des theoretischen Ausdrucks (Mythus, Lehre, Dogma, Theologie) sage — ent gegen der Annahme der Ideologielehre — wenig über die gesellschaftliche Struktur aus, sei vielmehr durch ihre stark vergesellschaftende Kraft wirksam, während die praktische Seite der Religion (Kultus, Ritus, Feste) die religiöse Gemeinschaft begründe und festige. Aufgabe der Religionssoziologie ist die Erforschung der wechselseitigen Beziehungen und der Wechselwirkung zwischen Religion und Gesellschaft und der Ver such einer Typologie der religiösen Gruppen; sie untersucht also die Prä gung der religiösen Erscheinungen durch das Soziale (Unterscheidung der Religionen nach Herkunftsmilieu, Unterschiede innerhalb der Religionen durch sozial differenzierte Anhängerschaft, Ausfall oder Wucherung ein zelner Glaubensvorstellungen unter dem Einfluß sozialer Verhältnisse, stän dische Ausformungen einer Religion und ähnliche Problemkreise) — und umgekehrt die Einwirkung der Religion auf die gesellschaftliche Struktur (natürliche Gemeinschaften wie Familie, Stamm, Volk als religiöse Kult gemeinschaften; Sippen-, Stammes-, Nationalreligionen; Wirkung auf Ver einigungen und Verbände religiöser und profaner Art; Schaffung neuer, spe zifisch religiöser Organisationen wie Jüngergemeinschaften, Mysterienbünde, Gemeinden, Kirchen, Sekten, Orden, usw.). — Dieser zweiten Blickrichtung der Religionssoziologie gilt W.s besonderes Interesse, das sich aus seiner kritischen Einstellung zur Überbau-Unterbau-Lehre des historischen Mate rialismus erklärt. Die Religion sei schon deshalb nicht eine reine Funktion der sozialökonomischen Verhältnisse, weil sie nicht eine zeitlich gebundene Erscheinung sei, sondern einer „ewigen“ Anlage des Menschen entspreche.