02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970610021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897061002
- OAI-Identifier
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-10
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Anzeigeu-Prei- die 6gespaltme Petitzeile 20 Pfg, Reclameu unter dem RrdactionSstrich (4 g» spalten) 50-H, vor den Familiennachrichtrr (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Prei»- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjas nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesördcrunz; 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. ZAorgr n»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 10. Juni. Nachdem das Pfingstfest vorüber ist, wendet sich das Interesse allmählich wieder der politischen Cardinaltagesfrage zu, als welche die Angelegenheit des preusztschcn Bcrrinsgcsctzcs trotz des ProcesseS Tausch sich behauptet bat. Zwar wird auch der Gerichtsfall sein Theil an den hochsommerlichen Berathungen des preußischen Abgeordnetenhauses beanspruchen. Wenn schon die „Köln. Ztg." eine Interpellation über gewisse Ergebnisse des großen und ach! so kleinen ProcesseS verlangt, wird man auf der äußersten Linken und im Centrum die Gelegen heit zu einigen fulminanten Reden sich erst recht nicht entgehen lassen wollen. Es kann nicht ausbleiben, daß dabei auch dieFragc der politischen Zulässigkeit der Einleitung des ProcesseS Leckert noch einmal erörtet wird. Die Regierung ist nach beiden Seiten hin in einer üblen Lage. Der Minister, ter im Reichstage seine „Flucht" zwar nicht rechtfertigen konnte, aber Entschuldigungsgründe für dieselbe mit der ihm eigenen Gewandtheit so geschickt zu gruppiren wußte, daß er Vielen eine Rechtfertigung vorgetragen zu haben schien, Herr von Marschall, ist verreist. Und was die politische Polizei anlangt, so thut sie unS, die.wir das Institut an und für sich für unentbehrlich halten, herzlich leid, daß sie auf die Vertheidigung des VertheidigerS des Stolper Landraths v. Puttkamer angewiesen ist. Die Tausch-Debatte wird im Abgeordnetenhause vermuthlich die Zeit auSfüllen, in der sich Commission und Plenum des Herrenhauses mit der Novelle zum Vereinsgesetze beschäftigen; für Motion in der vierten Zuniwvche ist also ausreichend gesorgt. Wir glauben aber, das Herrenhaus wird ausnahmsweise den Löwenantheil der öffentlichen Aufmerksamkeit davontragen. Denn die Angelegenheit des Vereinsgesetzes ist ohne Zweifel die politisch wichtigere, da sowohl etwaige Folgen der „Flucht", sowie die Reform der preußischen Polizei der parlamentarischen Ingerenz entzogen sind, die Frage der Auf hebung des K 8 des preußischen Vereinsgesetzes hingegen ihre Schatten selbst auf das Gebiet der Reichsgesetzgebung wirft, und weil ferner der Ausgang der Verhandlungen des Herrenhauses nicht mit der Sicherheit vorauSzusehen ist, wie der Abschluß einer Interpellation und Debatte, die über- baupt kein greifbares Ergebniß haben können. Von unterrichteten Politikern wird eS nicht für ausgeschlossen erachtet,daß dasHerren- haus den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses — Beseitigung des CoalitionSverboteS und Fernbaltung von Minderjährigen von politischen Vereinen und Versammlungen — zustimmr. So viel ist auch sicher, daß außer den liberalen Mitgliedern der ersten preußischen Kammer streng conservative Herren, „Hochtories", es für verständig und darum für geboten erachten, gegen eine unhaltbare, zur Bekämpfung der revolutionären Propaganda auch ganz unbrauchbare Vor schrift einige nach der gleichen Richtung werthvolle Be stimmungen einzutauschen. Allein das ist eine sachliche Er wägung, und eben deshalb glauben wir für unfern Theil nicht, daß die nun einmal der Führung des Nurtaktikers v. Manteuffel folgende Mehrheit deS Herrenhauses sich von ihr bestimmen lassen werde. Die conservative Fraktion der Abgeordnetenkammer hat den an das andere HauS gelangten Beschlüssen bekanntlich nur zugestimmt, um den hier sitzenden Parteigenossen zur Wiederherstellung des wesentlichen Inhalts der Regierungsvorlage oder der Ein fügung des freiconservativen Antrags in das Gesetz die Handhabe zu geben. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Herr v. Manteuffel einen Strich durch diese Rechnung machen werde, die angestellt worden ist, um nach oben hin äiliZeutiam zu prästiren. Zn der Sache freilich leistet diese Politik weniger als die nationalliberale. Denn wenn das Herrenhaus die Erwartungen der Conservativen des Ab geordnetenhauses rechtfertigt, erhält der preußische Staat gar nichts. Man wird sich — wir konnten Las kürzlich als Vermulhung äußern, heute ist eö beschlossene Sache — in der zweiten Kammer auf Aenderung von Herrenhansbeschlüssen gar nicht einlassen, sondern sogleich das Ganze fallen lassen. Die ganze Lage, insbesondere die Nothwendigkeit nochmaliger Abstimmungen nach drei Wochen, schreibt dieses Verhalten vor. Auf der andern Seite ist der 8 8, den man ohne „Compensationen" nicht preisgeben zu können vorgiebt, bekanntlich ohne den preußischen Landtag zu beseitigen. Der BundeSrath braucht nur ter schönen Friedfertigkeit, aus der heraus er die ur sprünglich von ihm scharf bekämpften Erweiterungen des Margarinezesetzes angenommen hat, rem sachlich gar nicht angefochtenen Notb-Vereinsgesetzc zuzustimmen, das der Reichs tag sogar zweimal beschlossen hat und dem zur Gesetzes kraft zu verhelfen soeben die hessische Kammer, eines der wenigen zur Zeit versammelten Parlamente, ihre Ne gierung einstimmig ersucht hat. Wir lesen in der „Kölnischen Zeitung": „Unter den zahlreichen Eingaben, die an den Reichskanzler von wirihichastlichen Körperichasten zum Zwecke der Abwehr der nmeri- kanischcn ZoUmnsjrcgkjtt gerichtet sind, verdient diejenige des Vereins zur Wahrung der gemeiniaine» Interessen der Färberei» und Druckerei-Industrie von Rheinland und Westfalen in Langen berg ihres mannhaften Tones und folgerichtigen Schlusses halber Erwähnung. Es heißt in ihr nämlich: Es liegt ja die Befürchtung nahe, daß ein entschiedenes Auftreten Nordamerika gegenüber für unsere exportirende In dustrie große Gefahren in sich birgt. Unserer Industrie kann es aber gleichgiltig jein, ob sie infolge unerschwinglicher Zölle oder aber infolge eines Zollkrieges das betreffende Absatzgebiet verliert. In letzterm Falle wäre nur gegründete Aussicht vorhanden, das verlorene Absatzgebiet wieder zu gewinnen, da die Nord amerikaner bei ihrem viel bedeute ndern Export nach Deulchland, als von hier dorthin, bald das Schädigende eines Zollkrieges einsehen und andere Saiten ausziehen würden. Ein entschiedenes Auftreten Nordamerika gegenüber wäre um so mehr am Platze, als der Amerikaner geneigt ist, eine rücksichtsvolle Behandlung als Schwäche auszulegen, und in feinen extrem egoistischen Bestrebungen unbekümmert fortfahren und durch die ewigen Schwankungen seiner Handels. Politik eine stete Gefahr für unsere gesummten nurthschaft- lichcn Verhältnisse bleiben wird. Man kann nur wünschen, daß die gesammte deutsche Ausfuhr industrie sich aus den gleichen Standpunct der richtigen Erwägung und der für ein selbstbewußtes Volk gebotenen Folgerung aus der gegebenen Sachlage stellen wird. Deutschland kann schlimmstenfalls amerikanische Landeserzeugnisse eher entbehren, als Amerika das deutsche Absatzgebiet für sein Erdöl, Samen, Weizen und seine Baumwolle. Man muß nur den Muth haben, lieber die etwa nothwendigcn Umwälzungen im Gewerbe- und Handelsbetrieb durchmachen zu wollen, als sich auf unwürdige Bedingungen zur Aufrechterhaltung der gewohnten Beziehungen bereit finden zu lassen. Auch auf dem Gebiet der wirlhschafllichen Thätigkeit ist eine starke Nation nach dem Dichterwort „nichtswürdig", wenn sie ihre Ehre nicht höher hält» als die Rücksicht auf vorübergehende Unbequem lichkeiten und Schäden, die mit einer durchgreifenden Aenderung in der Ordnung eines Theiles ihrer Geschäststhätigkeit verknüpft jein könnten." Der stark beschwörende Ton weniger der Eingabe des industriellen Vereins als der Auslastung der „Köln. Ztg." muß aufsallen. Wir sind weit davon entfernt, Kritik zu üben, aber wir halten eS für Pflicht, die nach Amerika exportiren- den sächsischen Gewerbe auf die Kundgebung Les rheinisch westfälischen Färbereivereins und die Verallgemeinerung, die sie durch das einflußreiche rheinische Blatt erfährt, aufmerksam zu macken. Um eine nationale Ehrcnfrage, die das Schiller'sche Citat rechtfertigen würde, bandelt es sich gegenüber der Mac-Dingley-Bill sicherlich nicht; ob die Zweckmäßigkeitsfrage hinsichtlich der für uns hauptsächlich in Betracht kommenden Erzeugnisse richtig so beantwortet werden kann, wie eS in der Eingabe des Langenberger Vereins und in der „Köln. Ztg." geschieht, das sei hiermit den Betdeiligten in Sachsen zur Er wägung auheimgegeben. Diese werden zu ermessen verstehen, ob es ihren Interessen entspricht, die ermähnten Kund gebungen stillschweigend oder ausdrücklich gutzuheißen oder ihnen gegenüber öffentlich Bedenken zu äußern. Seit König Leopold von Belgien in seiner an die Kammer gerichteten Botschaft vom 5. August 1889 auf die Nothwendigkeit für eine industrielle und handeltreibende Bevölkerung wie diejenige Belgiens, hinwies, auswärtige Ab satzmärkte für alle productiv thäligen wirthsckaftlichen Kräfte zu eröffnen, sowohl für die Arbeiter des Capitals als für die Arbeiter des KopfeS und die Arbeiter der Hand, ist die Frage wegen Schaffung einer belgischen StaatS- marine in den Interessentenkreisen nicht mehr zur Ruhe ge kommen. Der belgische Marineofficier, Lieutenant Lecointe, widmet dieser Frage eine eingehende Untersuchung. Eine eigentliche Kriegs- und Schlachtflotte scheidet er von vornherein auö dem Programme einer belgischen Zukunftsmarine aus, nur für die Vertheidigung Ant werpens und der Scheldemündung will er schwimmende Batterien u d ein Marineartilleriecorps nebst dem nöthigen Matrosenpersonal zur Verfügung der obersten Kriegsbehörde wissen. Für den Fall eines ConflicteS zwischen überseeischen Nationen würden einige Kreuzer genügen, um bedrohte belgische Staatsangehörige in die Heimath zurückzubesördern. Was nun aber die Schaffung einer belgischen Handels marine betrifft, so müßte eine solche gleichsam aus dem Nichts hervorgcrufen werden und da dieser Aufgabe die Initiative privater Unternehmer nicht gewachsen erscheint, so soll die Staatsinitiative subsidiär eintreten und eine StaatS- niarine ins Leben rufen, welche als Krystallisationspunct für die künftige belgische Handelsmarine zu dienen haben würde. Zur Zeit hat Belgien,von jenen paarsubventionirtenDampfern abge sehen, welche den UeberfahrtSverkehr zwischen den belgischen nnd englischen Nordseehäfen besorgen, keinerlei Handelsfahrzeuge, ebensowenig Schiffsbauwerften und SchiffSbemannungen. Der ganze belgische Ueberseeverkehr liegt in den Händen aus wärtiger Rhedereigesellschaften, und wenn man in Belgien auch keinerlei Ursache hat, über mangelnde Coulanz der fremden Unternehmer, namentlich der deutschen Gesell schaften, zu klagen, im Gegentheil die Blütbe des belgischen Exporthandels zum wesentlichen Theile den guten Diensten der deutschen Transport- und Commisionsfirmen zu danken ist, so bleibt nach belgischer Ueberzeugung noch immer die Nothlage, in welche der ganze belgische Export verkehr gerathen würde, wenn jemals eine größere Conflagration der europäischen Mächte zur See eintreten sollte. Denn in diesem Falle würden gerade die größten, schnellsten, überhaupt leistungsfähigsten Ocean-Handelsdampfer ihrem eigentlichen Berufe entfremdet und in den Verband ihrer resp. Kriegsmarinen übernommen werden. Wir glauben indessen nicht, daß die Ausführungen Lecointe's zur baldigen Lösung desProblemS führen werden. MaritimeOrgauisationen lassen sich nicht improvisircn. In der Haupsache würde auch dann noch der belgische Ueberseeverkehr auf die Ver mittelung durch ausländische, in erster Linie der bewährten deutschen Firmen, angewiesen bleiben. Daß gleichwohl die maritime Frage nicht von der Tagesordnung verschwinden will, zeigt, wie sehr man auch in Belgien von der Erkenntniß rer Bedeutung einer angemessenen Entwickelung zur See als einer Quelle staatlicher Prosperität durchdrungen ist. Nun sind schon vier Sitzungen der Botschafter auf die Herbeiführung günstiger Friedensbedingungen für Griechenland verwendet worden, aber alle sind resultatloS verlausen, da die Pforte, wie eö heißt, wegen der steigenden Erregung der Mohamedauer die Zurückgabe Thessa liens nicht zugestehen will und die Botschafter andererseits ans ihren Forderungen beharren. Wie dem „Hamb. Corr." aus Berlin gemeldet wird, sind sichere Anzeichen dafür vor handen, daß in Konstantinopel ein ernster diplomatischer Ansturm auf die Pforte bevorstebt, Thessalien nicht nur überhaupt aufzugeben, sondern es noch vor dem Ab schluß des Friedens, und zwar sofort, zu räumen. Von Athen aus werden diese Bemühungen durch den Hinweis auf die bevorstehende Ernte unterstützt, die bei fortdauernder Occupation Thessaliens den Griechen verloren gehen würde. Auch die scheinbaren Bemühungen der griechischen Regierung, den Zuzug bewaffneter Banden nach Kreta angeblich mit Hilfe eines österreichischen Kanonen bootes zu verhindern, und die Auslösung der philhellenischen Legion haben keinen andern Zweck, als das vorgebliche FriedenSbedürfniß Griechenlands in das hellste Licht zu setzen und dadurch die Pforte zu Nachgiebigkeit zu bestimmen. Sobald aber Thessalien von türkischen Truppen geräumt wäre, würde man in Athen andere Saiten auf ziehen und im Vertrauen auf die bewährte Ohnmacht der Mächte alle Friedensbedingungen ablehnen. Unter diesen Umständen kann von einer restitutio iu iutegrum, d. h. von einer Wiederherstellung der Lage vor Beginn des Krieges, nicht die Rede sein, bevor eine Verständigung über die Friedensbedingungen nicht nur mit der Pforte, sondern auch mit Griechenland erzielt und Garantien für die Erfüllung der von Griechenland übernommenen Verpflichtungen ge schaffen sind. ES erscheint auch völlig ausgeschlossen, daß die Pforte dem, man kann nicht anders sagen als unbegreilichen, Verlangen einer voreiligen Räumung Thessaliens nicht den heftigsten Widerstand entgegensetzen sollte. Die Pforte ist der europäischen Bevormundung gründlichst müde, und wenn man ihr mit solchen Forderungen kommt, braucht man sich nicht zu Wundern, wenn sie dieselben schon im Voraus mit weiteren Truppensendungen nach Thessalien beantwortet. Der „Times" - Correspondent in Konstantinopel theilt folgende Einzelheiten über die von den Botschaftern aus gearbeitete neue Verfassung für Kreta mit, das ein auto nomes Fürstenthum unter der Oberhoheit des Sultans werden soll: X. Der Fürst. 1) Er wird ein Christ und ein Fremder sein, erwählt von den Mächten und anerkannt vom Sultan; 2) er wird haben ein Vetorecht gegen alle von der Nationalversammlung angenommenen Gesetzentwürfe; 3) das Recht zu begnadigen und Amnestien zu erlassen; 4) das Recht, alle Beamten zu ernennen, Christen und Mohamedauer, wobei persönliche Tüchtigkeit und locale Bedürfnisse in Betracht zu ziehen sind; 5) die oberste Controle über die bewaffnete Macht des Landes. L. Die Nationalversammlung 1) wird aus Feitttlrtsn. Zwei Frauen. 24j Roman von F. Mariou-Crawford. Nachdruck verboten. Von dieser Stunde an behandelte der Professor merk würdigerweise den Kranken mit viel größerer Aufmerksamkeit als zuvor, dennoch schien sich der Zustand Greif's immer mehr zu verschlimmern. Rex pflegte und hütete ihn mit unermüdlicher Sorgfalt. ES schien ihm, als wolle das Schicksal den Knoten gewaltsam lösen, den eS für seinen Vetter geschürzt hatte. Wenn das schreckliche Fieber dem jungen Leben Greis'S ein Ende machte, so war daS Haus Greifenstein erloschen, Greif, der pfenniglose und namenlose junge Mensch, würde als Greif von Greifenstein, der Letzte seines Stammes, beigesetzt werden und daS Vermögen nach den gewöhnlichen gesetzlichen Bestimmungen auf die Wilden- berg's übergehen, denen eS von Siecht» wegen gehörte. Aber wenn Greif genaS und auf seiner Weigerung, Hilda zu beirathen, beharrte, würde der Wittwe und ihrer Tochter das größte Unrecht widerfahren. Rex' Ansichten von dem, waS recht war, genügte eö nicht, wenn die Wildenberg'- nur einen Theil deS Vermögens erhielten, das ihnen rechtmäßig zukam, und er dachte mit Grauen des Augenblicks, wo er vielleicht genöthigt sein würde, Greif die Wahrheit zu ent hüllen. In dem matt erleuchteten Zimmer ruhte sein Blick aus deS Bruders Gesicht. Er hatte sich so sehr an daS summende Geräusch seine« unaufhörlichen Irrereden« gewöhnt, daß er eS kaum bemerkte, wenn er an seinem Bette saß, ob gleich e» ihn überall hin verfolgte, wenn er allein war. Er fragte sich, WaS aus ihm werden sollte, wenn Greif starb. Dem Einsamen blieb dann nichts, wofür eS sich zu leben lohnte. Für Frauen batte er sich niemals ioteressirt, und noch keine halte e« vermocht, ihm Liebe einzuflößen. An seine» Vaters Gesellschaft hatte ibm niemals viel gelegen, zunächst weil ihm all' die frühen Erinnerungen aus der Kindheit fehlten, auf die allein sich eine solche Neigung oft stützt, sodann aber, weil er in all' seinen Reibungen und Gedanken von ihm verschieden war. Ihre Beziehungen zu einander waren immer freundschaftliche ge- wefrn, denn Rex war nicht der Mann, auch in jüngeren Jahren nicht, der leicht über unwichtige Dinge in Streit gerieth, und der alte Rieseneck hatte ihn sehr früh nach Deutschland geschickt und ihn immer reichlich mit Geld versehen, in dem Glauben, eS sei seine Pflicht, den Sohn für all' die Nachtheile zu entschädigen, die er durch des Vaters Schmach zu erdulden batte. Später batte Rex sich der Mühe unterzogen, seinen Vetter ausfindig zu machen, ihn immer lieber gewonnen und endlich erfahren, daß er nicht sein Vetter, sondern sein Bruder war. Greif wurde täglich schwächer, und die Gehirnentzündung zeigte noch keine Spur einer Abnahme. Der berühmte Professor unterließ nichts, was ärztliche Kunst und Erfahrung zu thun vermochten. Unter dem Blicke der undurchdring lichen steinernen Augen, die so oft fragend und aneifernd auf ihm ruhten, hatte er das Gefühl, als ob sein Ruf auf dem Spiele stehe. Als der Zustand deS Kranken am bedenklichsten war, wachte er die ganze Nacht an seinem Bette. Der Morgen dämmerte, und er und Rex standen vor Greif, der nur noch leise ächzte. Beide fürchteten, jeder Augenblick könnte der letzte sein. Der Professor meinte, wenn Greif noch bis zum Sonnenaufgang lebte, würde der Nach mittag herankommen, ehe er stürbe. „Herr Rex", sagte er ruhig, „eS wäre gut, wenn Sie nach der Baronin von Wildenberg schickten für den Fall, daß sie ihn noch einmal zu sehen wünschte. Sie sagten mir, er habe keine anderen Verwandten in der Nahe." Rex' Kovf sank auf die Brust, als ob er einen schweren Schlag empfangen bätte, obgleich der Arzt ihm nicht« Un erwartetes sagte. Einen Augenblick später verließ er das Zimmer. Im Vorsaal traf er nur einen Diener. „Bestellen Sie Karl, er soll die Trakehner anspannen und, so schnell die Pferde laufen können, nach Wildenberg fahren", befahl er. „Bis Mittag muß er mit der Frau Baronin zurück sein. Ihr Herr liegt im Sterben." „Ein Bote ist eben von Wildenberg angekommen, sich nach dem Befinden de« gnädigen Herrn zu erkundigen", meldete der Diener. „Ich will ihn sprechen. Karl soll sich beeilen", ge bot Rer. Nach wenigen Minuten wurde rin seltsam auSsehender Mann vor ibn gebracht. Er trug geflickte Leverbosen, au« deren Seitrnlaschc der Horngriff eines langen Messer« her vorragte. Seine Beine waren nackt, sein Hemd am Halse offen, seine Weste mit den silbernen Knöpfen hing ibm lose über die Schulter, uud eine kleine Pelzmütze war au- der Stirn gestrichen, auf der schwere Schweißtropfen sichtbar waren. Seine kleinen durchdringenden Augen begegneten denen Rer' unerschrocken. „Die Frau Baronin schickt mich, zu fragen, wie es dem gnädigen Herrn geht", sagte er. „Der Herr Baron von Greifenstein liegt im Sterben", antwortete Rex ernst. „Dann will ich nur machen, daß ich fortkomme, um eS der gnädigen Frau zu melden", sagte Wastei ruhig, obgleich sein Gesicht bei der schlechten Nachricht einen sehr traurigen Ausdruck annahm. „Sind Sie zu Fuß gekommen?" fragte Rex, den Burschen neugierig musternd, der von Wildenberg herüberlaufen und, ohne sich auszuruhen, wieder zurückgehen konnte. „Natürlich, gnädiger Herr." „Sie können mit dem Wagen zurückfahren, den ich eben bestellt habe. Geben Sie dem Mann rasch etwas zu essen, ehe Karl fertig ist", wendete er sich an den Diener. „Ich werde vor dem Wagen dort sein", bemerkte Wastei gleichmüthig, „besonders wenn Sie mir einen Schluck Kirsch branntwein geben wollen." „Dor dem Wagen?" „Ich kann wenigstens um eine halbe Stunde schneller sein, als Ihre Pferde." „Wie heißen Sie?" fragte Rex, während der Diener fort ging, den Trunk zu holen. „Wastei." „Sebastian, vrrmutbe ich!" Wastei zuckte die Achseln, al« ob er sagen wollte, daß ihm an einem so civilisirten Namen wenig liege. Rex zog seine Börse und gab ihm rin Goldstück, eine Grvßmutb, dir durch sein« Bewunderung drr Kraft deS Burschen hervor- gerusen worden war. „Nehmen Sie da«, Wastri, und hier ist Ihr Kirsch branntwein." Wastei nicktr, steckte da« Geld in seine Westentasche, trank ein Viertel der Flasche auf einen Zug, berührte sein« Mütze und war au« dem Zimmer, ehe Rex noch ein Wort sprechen konnte. Rex kehrte schweren Herzen» in Greif'« Zimmer zurück und fand den Arzt an dersrlbrn Stelle, wo er ihn zurück gelassen hatte. Beide setzten sich schweigend nieder, da« Gesicht de« Sterbenden beobachtend und auf seinen Atbem lauschend. Es war nicht« zu thun, al« ihme jede Viertel stunde etwa« Nahrung einzuflößen. Die Dämmerung wich langsam der Helligkeit, bis ein schwacher rosiger Lichtschimmer den Schnee draußen übergoß und an der Zimmerdecke einen Widerschein zurückwarf. Als endlich die ersten Sonnenstrahlen in« Zimmer fielen, standen Rex und der Arzt auf und neigten sich über den Kranken. Er athmete noch sebr schwach und anscheinend ohne Schmerzen. „Noch ist eine Möglichkeit", sagte Rex mit leiser Stimme. „Wir werden sehen, WaS bis Mittag geschieht", ant wortete der Arzt, aber der Ton seiner Stimme verricth den Zweifel. Der Professor hatte in Wahrheit alle Hoffnung aus gegeben. Wenn er dennoch am Krankenbette aushielt, geschah es mehr aus Neugier, Rex in der Todesstunde Greis'S zu beobachten. Er vermuthete, daß Rex ein tiefes Interesse an der Erhaltung deS mngen Leben« habe, das jetzt dem Ende zuneigte, aber er and e« ganz unmöglich, zu entscheiden, ob seine Besorgniß liebevoller Zärtlichkeit oder einem selbstsüchtigeren Beweggründe seinen Ursprung verdanke. Die Zeit verstrich sehr langsam. Rex' Nerven waren so fest wie sein ganzer merkwürdig stark gebauter Körper, und er wurde nicht müde, die mechanische» Pflichten eines Wärter« zu erfüllen, die er täglich wenigstens zwölf Stunden hindurch keinem Anders überlassen wollte. Endlich legte der Doctor seine Hand auf Rex' Arm und führte ihn vom Bett nach dem offenen Fenster. „Herr Rex, ich möchte Ihnen ein Wort sagen", flüsterte er. „Ich glaube bestimmt, daß Ihr Vetter in einigen Minuten sterben wird." Rer neigte den Kopf, er war überzeugt, der Professor täuschte sich nicht. „Ich habe eine Theorie", fuhr der Arzt fort, „daß die Sterbenden sich dessen weit mehr bewußt sind, wa« um sie her vorgeht, al« man allgemein annimmt. Auf alle Fälle wollen wir in unseren Aeußerungen sehr vorsichtig sein." Rex nickte ernst, und Beide kehrten an da« Bett de« Sterbenden zurück. Es war gerade Mittag, Greif lag mit offenen Augen da, der Arzt beugte sich über ihn und drückte sein Ohr lauschend an da« Herz. Al« er den Kopf wieder erhob, sah er sich im Zimmer um, bemübt, die Augen de« neben ibm Stehenden zu vermeiden. Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit durch da« Geräusch eilender Schritte gefesselt. Auch Rex halte da- Geräusch gehört. Bei Greif begann jetzt, wie oft im Augenblick de« Tode«, ein heftiger körperlicher Kampf. DaS Licht kehrt« in dis
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