02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970621023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-21
- Monat1897-06
- Jahr1897
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Anzeigerr-Pret- die -gespaltene Petitzeile SS Pf^ Reclame» unt«r dem Rrdartion-strtch (4««» spalten) ÜO^, vor de» Familiennachrichie» (6g,spalten) 40^. Größere Schriften laut »nserrm Pr«lS- verzeichaib. Labellarischrr uad Zifffrnfol uach höhere«» Laris. Extrq-Veilagc» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postb»förd«r«Njt SO.—, mit Postbesorderuag 70.-—. Ännahmeschluß für Älyelgeu: Abeud-Ausgabe. vormittag» 10 Uhr. tyorge»-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. vri den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen siud stets an di» Expedition zu richten. Drück und Verlag von E. Polz in Leipzig. 311. Montag den 2l. Juni 1897. 81. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Juni. Je länger die Entscheidung über die künftige Stellung des Herr« Dr. p. Miquel sich verzögert, um so wilder und verworrener wird begreiflicher Weise das Dickicht von Gerüchten, das auS dem Boden der Ungewißheit stets empor schießt. Und da der ehemalige nationalliberale Parteiführer, obgleich er seit seiner Berufung an die Spitze des Preußischen Finanzministerium- von seinem National- liberali-muS keinen Gebrauch mehr gemacht hat, zahlreiche Feinde hat, so kann e« nicht überraschen, daß unter die auS- gestreuten Gerüchte auch solche sich mischen, die den Zweck haben, Herrn vr. Miquel „in die Suppe zu spucken", d. h. ihn beim Fürsten Hohenlohe und an noch höherer Stelle deS Strebens nach alleinigem Einflüsse zu verdächtigen. In diese Kategorie gehört ohne Zweifel daS von der „Berl. Ztg." aufgetischte Gerücht, Herr v. Miquel habe seit Donnerstag eine „General vollmacht" in Händen; er sei nicht Reichskanzler und nicht Vicereichskanzler, aber dennoch daS Haupt der Regierung. Es werde ihm fortan diejenige Stellung im Staate angewiesen werden, die in Frankreich einst Rouher als „Vicekaiser" und dann in ähnlicher Weise Fürst Bismarck unter Kaiser Wilhelm I. eingenommen habe. Jedenfalls ist es ein nicht ungeschickter Schachzug, Herrn Miquel die Absicht unterzuschieben, die Erbschaft des Fürsten Bismarck anzutreten. Aber trotz seiner Geschicklichkeit wirb dieser Schachzug Herrn vr. Miquel nicht matt setzen, denn gerade an den Stellen, an denen er als Machtstreber an geschwärzt werden soll, weiß man zu gut, daß nicht der jetzige preußische Finanzminister eine Aenderung seiner Stellung angestrebt hat, sondern daß ihm mebr aufgedrungen werden sollte, als er übernehmen mochte. Nach unseren Informa tionen ist nämlich vollständig zutreffend, waS der „Allgem. Ztg." aus Berlin geschrieben wird: „Herr v. Miquel hat sich zwar trotz seiner Gesundheitsverhältnisse und trotz des Rothes seiner Familie und persönlichen Freunde, dem Wunsch des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe entsprechend, bereit erklärt, diesen nach Thunlichkeit zu entlasten, um ihm rin längeres Verbleiben auf seinem Posten, das er für eine dringende Roth- wendigkeit hält, zu ermöglichen. Aber er hat dem Kanzler aus Grund seiner intimeren Kenntniß der parlamentarischen Verhältnisse zu erwägen gegeben, ob nicht Graf Posadowsky besonders im Hinblick auf Las Lentrum berufener wäre, den Kanzler im Reichs tage zu vertreten, abgesehen von seinen persönlichen Dispositionen, die ihm nahe legen, das ihm so vertraute Finanzportefeuille nicht mit den ungewohnten ReichSgeschäften zu vertauschen und den ihm günstigen Boden im preußischen Abgeordnetenhause nicht zu verlassen." Es ist denn auch sehr wahrscheinlich, daß Herr v. Miquel sein Ressort behält und Herrn vr. v. Boetticher lediglich als Vicepräsidenl deS preußischen Ministerium-ersetzt, während mit dem StaatSsecretariat deS Innern und der Vertretung des Reichskanzlers im Bundesrathe und im Reichstag eine andere Kraft betraut wird, die in größerer Uebereinstimmung mit dem Fürsten Hohenlohe und Herrn v. Miquel handelt, als die- Herr vr. v. Boetticher infolge seiner bestimmbaren und den verschiedensten Einflüssen zu- gänzlichen Natur that. Für eine solche Lösung der Frage sprechen überhaupt zahlreiche Gründe, welche die „Nat.-Lib. Corr." folgendermaßen entwickelt: „Es handelt sich darum, die Stellvertretung deS Reichskanzlers im Reich und in Preußen unter Fortentwickelung der bisherigen Traditionen derartig zu reguliren, daß eS hier wie dort auch wirklich eine Stellvertretung wird, namentlich aber in Preußen und hier nicht nur der Form nach. Nun ist es überaus schwierig, die Vertretung Les Reichskanzlers im Reiche und in Preußen in einer Persönlichkeit zu vereinigen, weil eine ergiebige Wirksamkeit in Preußen der Unterlage eines Ressorts nicht entbehren kann und die Uebertragung des Reichsamtes des Innern an den Stellvertreter des Ministerpräsidenten jenen in seinem Specialressort so vollständig in Anspruch nehmen würde, daß für die stellvertretende Leitung der preußischen An gelegenheiten wenig Initiative übrig bliebe. Ueberdies bleibt das Schwergewicht des preußischen Staalsministeriums doch weiter im Finanzministerium. Der Finanzminister nimmt für die Einwirkung Preußens nach dem Reiche hin die in der Regel ausschlaggebende Stellung rin, da die meisten Angelegenheiten eben finanzieller Natur sind unv in Finanzfragen der preußische Finanzminister im Staalsministerium nicht überstimmt werden kann, wie eine Cabinetsordre vom Jabre 1852 bestimmt. Ebenso aber, wie es nicht von Vortheil erscheint, wenn in Preußen eine wirksame Vertretung stattfinden soll, diese von einem Reichsressort aus bewirken zu lassen, und wie es ins- besondere nicht rbunlich ist, das Vicepräsidium in Preußen gerade mit dem arbeitsschweren Reichsamte des Innern zu vereinigen, läßt sich auch kaum befürworten, die Stellvertretung des Reichskanzlers im Reiche gerade vom Reichsamte des Innern zu trennen. Vom Reichsamte des Innern ressortircn alle Reichsangelcgenbeiten, die nicht besonderen Behörden übertragen sind. Das sind die Angelegen heiten des Reichstags, in welchem er zugleich Sprechminister sein und fast in jeder Sitzung anwesend sein muß. Zu diesem Amte gehören ferner das Auswanderungswcsen, die technische Commission für die Seeschifffahrt, die Reichsprüsungs- inspectoren und das Schisfsvermesjungsamt, das Nordostseecanalamt, das Bundesamt für das Heimathswesen, die DiSciplinarbehörden, das Ober seeamt, die Reichscommisjare bei den Seeämtern, die Reichsschuldencommission, das statistische Amt, das Gesundbeitsamt, die physikalisch-technische Reichs anstalt, Patentamt, Reichsversicherungsamt, Handel und Gewerbe; dazu kommt die repräsentative Seite des Amtes, insbesondere der umfangreiche Verkehr mit den Bundes staaten sammt der Unzahl von Formalitäten, die dabei zu beobachten sind. Diese Ausgaben alle erscheinen so sehr als der Ausfluß der persönlichen Wirksamkeit des Reichskanzlers, daß es kaum möglich ist, vom Reichsamte des Innern die Stellvertretung desselben im Reiche zu trennen." .—— Herr v. Miquel ist nicht der Mann, der mehr oder Anderes übernimmt, als er bewältigen zu können sich zutrauen varf. Und erlangt er für das Programm, über das Fürst Hohenlohe und er sich geeinigt haben, nicht nur die Zu stimmung des Kaisers, sondern auch in der Person des künftigen StaatSsecretairs des Innern und Stellvertreters des Reichskanzlers eine neue mit ausführende Kraft, so ist erreicht, worauf eS ihm in sachlicher Hinsicht ankommt: Stetigkeit und Uebereinstimmung in der inneren Politik Les Reiches und Preußens und damit eine allmähliche Wieder herstellung der mehr und mehr in die Brüche gegangenen Regierungsautorität. Das „Berliner Tageblatt" läßt sich zu dem „Capitel deS Wettlaufens oder richtiger gesagt des Wett schnappens der Mächte in China" von seinem Welt reisenden Eugen Wolf unlerm i4. Mai d. I. Folgendes melden: Die russische Specialgesandtschaft unter Führung deS Prinzen Uchtomski, die dem Kaiser von China Geschenke des Zaren bringt, ist in Hankow von den Chinesen so groß artig empfangen worden, wie es noch nicht dagewesen ist. Eine Escorte von Kriegsschiffen geleitete sie. Diners, Feuerwerke feierten dasEreigniß. DieGesandtschaft wohnte bei dem Taatai, der ein besonderes Gebäude für sie aussühren ließ. „Wo bleiben wir da?" Nun, wir bleiben leider vorläufig genau da, wohin uns die ultramontane, freisinnige und social demokratische Mehrbeitsauffassung von deutscher Welt- Politik gelegentlich der Abstimmung über die Ausgestaltung unserer Marine gewiesen bat: als Aschenbrödel an letzter Stelle, obgleich wir doch, dank der in der Nation vorhandenen geistigen und materiellen Kräfte, an erster Stelle stehen könnten und müßten. DaS „Berliner Tageblatt" hält die Frage Eugen Wols's für um so berechtigter, als auch die Franzosen alle Anstrengungen machten, bei der Theilung Chinas am lebendigen Leibe möglichst fette Bissen zu erraffen. Daß und welche Entfaltung äußerer Mackt- factoren in Gestalt gewaltiger Kriegsschiffe hier von Seilen Rußlands und Frankreichs — von England ganz abgesehen — bei rer nachdrücklichen Geltendmachung Kandels- und wirthschafts- politischer Vortbeile milsprechen, ist so offenkundig, daß die ganze Einfalt trostloser Partei- und FractionSpolitik dazu gehört, zu glauben, cs ginge auch so, besonders einem Volke gegenüber, über dessen Charakter derselbe Herr Eugen Wolf im Augenblick die werthvollsten Beiträge liefert. Es kann sich für uns nicht um das „Erraffen möglichst fetter Bissen" ban deln, wohl aber darum, die vorhandenen, nicht gering einzu schätzenden deutschen Interessen in ihrem Umfange energisch zu schützen und ihnen durch eine ebenso weitblickende wie kraftvolle Politik diejenige Entwickelungsmöglichkeil zu sichern, die andere interessirte Nationen gleichermaßen für sich in Anspruch nehmen. Die Zeiten jener ebenso lächerlichen, wie für die Entwickelung unseres Vaterlandes traurigen deutschen Bescheidenheit, die immer erst zaghaft anklopste und vergebens um Eintritt bat, liegen hoffentlich für immer hinter uns. Haben wir im Jahre 1870 kraftvoll die deutsche Faust auf die Klinke des Weltentkores gelegt und dasselbe der bis dahin stiefmütterlich behandelten deutschen Nation weit geöffnet zur friedlichen Bethätigung und Entfaltung aller seiner Kräfte, so versage man sich der Einsicht nicht, daß starke Hände seit 1890 eifrig an der Arbeit sind, das Weltenthor der deutschen Nation wieder, wie ehedem, zu verschließen und dem jüngsten, überall fühlbar auftretenden deutschen Concurrenten auf dem Weltmarkt das Leben dort, wo er bereits ist, schwer, wo er neu hinkommt, unmöglich zu macken. Es giebt daher auf die durch daS „Berl. „Tagebl." vermittelte Frage des Herrn Wolf „Wo bleiben wir da?" nur die Antwort „Genau da, wohin wir uns selbst stellen!" Die Entwickelung derDinge, wie sie sich, erkenn bar für Jeden, auf der Weltenbühne vorbereitet, werden wir ebensowenig wie irgend eine andere Nation aufzuhalten oder zu bestimmen vermögen; aber sorgen müssen wir rechtzeitig dafür, daß diese Entwickelung sich nicht ohne unsere Antheilnahme vollzieht und daß überall dort, wo cs nöthig und für die Zukunft nützlich ist, deutsche Interessen geschützt und gefördert werden. Geschützt und gefördert durch eine der Leistungsfähigkeit und dem Ansehen der Nation entsprechende Marine, nicht um nebelhaften Machtgelüsten nackzujagen, sondern jene Welt politik forlzusetzen, zu der sich Deutschland 1870/71 unter schweren Opfern durchgerungen und 20 Jahre lang unter der unvergleichlichen Führung deS Fürsten Bismarck, geachtet und — gefürchtet, wohlbefunden hat. In Ungarn bereitet sich ein mächtiger Ausstand der Erntearbeitcr vor, die, in einer starken socialistischen Organisation über daS ganze Land hin verbunden, den Grundherren durck Verweigerung der Erntearbeit weitgehende Zugeständnisse abringen wollen. Die Lage dieser Arbeiter ist in der That sehr reformbedürftig, an eine durch greifende und planmäßige Besserung der Verhältnisse — die namentlich in Alföld, der großen ungarischen Tiefebene, dieser Kornkammer Europas, von Jahr zu Jahr offener ru Tage traten, haben weder die Arbeitgeber noch die Negierung gedacht und darauf ist es zurückzusühren, daß endlich die sociaidemokratiscke Agitation, die in Oesterreich in den Städten schlechte Geschäfte macht, fick das plane Land als fruchtbares Feld ihrer Thätigkeit aussuchte. An, 29. Juni soll der Schnitt beginnen, fast alle Erntearbeiter baben erklärt, keine Hand regen zu wollen, wenn ihnen die Löhne — bislang bekamen sie durchschnittlich 70 kr. pro Tag — vorher nicht wesentlich aufgebessert werden und so steht die ge- sammte Ernte auf dem Spiel. Unruhen und blutige Zusammenstöße sind bereits vorgekommen und sind noch zu erwarten. Unter diesen Umständen hat die Regierung alles aethan, um Ersatz für die Ausständigen zu schaffen und Aus schreitungen mit Gewalt zu unterdrücken. Tiefe SickerheitS- maßregeln sind vollkommen gerechtfertigt, aber gleichzeitig muß mit einer energischen, gesetzgeberischen Action zur wirtbschastlichcn Besserstellung der Lage dieser auf die Dauer nur schwer zu ersetzenden Arbeitskräfte begonnen werden. Es scheint auch, daß die Negierung ihre bisherige Lässigkeit in dieser Frage von großer socialer Tragweite auf zugeben entschlossen ist. Im Ackerbauministerium wird ein Gesetzentwurf vorbereitet, der bezwecken soll, die Verhältnisse der landwirthschaftlichen Arbeiter zu regeln, sowie die berech tigten und billigen Interessen der Arbeitgeber und der Arbeiter in gleicher Weise zu wahren und der Ackerbauminister hat beschlossen, für die Erledigung aller einschlägigen Angelegen beiten eine besondere Commission zu errichten. Hoffentlich bleibt die ungebahnte Reform nicht in den Vorbereitungen stecken, denn sonst dürfte die jetzige Gefahr sich mit jedem Jahre erneuern und verstärken. Im Uebrigen geben die Er eignisse in Ungarn die bedeutsame Lehre, daß die Landbevöl kerung unserer Tage durchaus nicht gegen die socialistische Ansteckung immun ist; auch in Italien beginnt, wie an anderer Stelle mitgetheilt wird, der landwirthschaftlichen Ar beiter eine bedenkliche Unzufriedenheit sich zu bemächtigen. In türkischen Regierungskreisen hegt man die Hoffnung, daß die im Schoße des jungtürktschen ComitöS entstandenen Friktionen allmählich den Zerfall desselben herbeiführen werden. Vielfache Anzeichen sprechen übrigens dafür, daß diese Zwistigkeiten von Konstantinopel aus angestiftet wurden und daß hierzu schon durch jene zwei Delegirten des Sultans beigetragen wurde, die vor einigen Monaten in Paris und London weilten, um die Einstellung der Publicativn der jungtürkischen Blätter zu bewirken. Es wäre jedoch allem Anscheine nach eine Illusion, wenn die erwähnten Kreise das Erlöschen der jungtürkischen Bewegung erwarten. Die Organe des junglürkischen ComirSs werden gewiß auch weiter hin erscheinen, wenn auch die Organisation und die einbeit- liche Leitung des ComitSs, welche erst im Vorjahre festgestellt wurde, schwinden sollten. Die Ansicht, daß die Majorität der Jungtürken sich aus Unzufriedenen oder Strebern, ferner auck aus compromittirten Perfonen recrutire, trifft jedenfalls bezüglich der leitenden Persönlichkeiten des ComilöS nicht zu. Es ist allerdings nicht anzunehmen, daß die Leiter dieser Bewegung, eine so heftige Sprache sie auch gegen daS in der Türkei herrschende System führen, ihren Worten bald Thaten folgen lassen werden. Andererseits darf man diese Bewegung auch nicht unterschätzen. Die Ansicht, welcher sich viele türkische und nickttürkische Kreise zuneigen, daß die Be wegung durch die Waffenerfolge der Türkei gegenüber Griechenland allen Boden verliere, ist jedenfalls eine irrige. Zwei Frauen. 33j Roman von F. Marion-Crawsord. Nachdruck verboten. „Ueberlege Dir Alle-, WaS Du willst, mein Ge liebter, bedenke so viel Du willst," sagte Hilda sanft, „Du wirst immer nur daS zu bedenken haben, waS ich schon bedachte." Einem rechtskundigen Mann wäre eS in diesem Augen blick leichter gewesen, Greif an der Hand der Gesetze zu be weisen, daß ihr Vorschlag der unumstößlich richtige war und ihn zu ihrer Auffassung zu bekehren, als der Frau, die er mehr liebte als Alle- auf der Welt. Wie in den alten Tagen erschien ihm die geliebte Frau in dem Lichte einer Versucherin, schön wie die strahlende Sonne und beredt wie die süßeste Musik. Zunächst erkannte er auS dem CbaoS, daS ihn umwogte, seine« ValerS beschwörende Worte, Alles auszugeben, was ihm nicht gebührte, den Namen, den er getragen hatte, abzulegen und in die Welt hinau-zuziehen, mit nichts Anderem ausgerüstet, als mit seinem Muth und seiner Beharrlichkeit. Da- war klar und deutlich genug. Wenn der Brief ohne Verzug in seine Hände gekommen wäre, wie eS vom Vater beabsichtigt gewesen war, würde er Les Verstorbenen letzten Willen in jedem Puncte erfüllt haben. Auch wenn er die Botschaft erst am Abend vor seiner Hochzeit, al- er sich schon Wildenberg zu nennen be gonnen, erhalten hätte, würde er dasselbe gethan haben. Ungeachtet der Tode-qualen, die r- ihn gekostet haben würde, hätte er keinen Augenblick gezögert, - zu der Baronin von Wildenberg zu gehen, ihr die Wahrheit zu gestehen, den Brief vorzulegen und die Folgen auf sich zu nehmen. Jetzt war die Entscheidung eine viel schwierigere. Sein Gewissen drängte ihn, unverzüglich zu Hilda'» Mutter zu aehen und ihr Alle* zu sagen, aber ihn graute vor den Folgen, die er heraufbeschwor. Er wußte besser als selbst Hilda, welch rin Opfer die gute Frau ihm in Bezug auf den Namen gebracht hatte und wclck hohe Wichtigkeit sie ihm beilegte. Unter den vorhandenen Bedingungen war sie voll kommen glücklich, sie aufzuklärr«, hieße ihr Glück für immer, bi» zum letzten Tage ihre- Leben», vernichten. Und dennoch glich da« Verbergen der Wahrheit einem Verbrechen. Sonate er d«r rdlen wrißhaarigrn Frau, di« ihn so sehr liebte und alle ihre Hoffnungen in ihm verwirklicht sah, täglich begegnen, sie Mutter nennen und doch beständig fühlen, daß er sie betrog, daß er in dem Besitz alle» dessen blieb, was das Gesetz ihr zuerkannte? Es war nicht zu leugnen, daß einst Alles auf Hilda übergehen und Niemandem ein Nacktheil zugefügt werden, da der ganze Besitz später Hilda- Sobn zufallen würde, aber noch gekörte er nicht Hilda, und sie, der er wirklich zukam, der daS Recht zustand, nach Gutdünken zu verfahren und Greif und ihre eigene Tochter von Hau- und Hof zu weisen, wenn eS ihr beliebte, durfte nicht von der Großmuth ihrer Kinder abhängig erscheinen und nicht zugegeben werden, daß sie glaubte, Vergünstigungen zu empfangen, während sie in Wirklichkeit solche erwies. Greif mußte auS diesem Grunde zu ihr gehen, ihr seine Geschichte erzählen und anerkennen, daß er für jedes Stück Brod, das er aß, auf ihr Mitleid angewiesen war. Er würde auch den Muth, eS zu thun, gefunden haben, wenn ihm dieser Schritt unbestreitbar richtig erschienen wäre. Wenn er aber auf diese Weise seine Liebe zur Gerechtigkeit befriedigte, fügte er der schuldlosen Frau daS bitterste Leid zu. Es wäre eine Grausamkeit gewesen, ihr die Wahrheit zu enthüllen, und Hilda hatte nicht übertrieben, als sie sagte, eS würde ihr das Herz brechen, zu wissen, daß sie den Namen, der ihr ein fleckenlose- Heiligthum war, auf einen Namenlosen übertragen, und sie halte ihm noch mehr, sie hatte ihm ihre einzige Tochter gegeben. Sollte er durch sein Grständniß Schmach uad Schande über sie bringen und den Abend ihres Leben- durch Gram und Kummer ver- düstera, nur um ihr Geld zu geben, oder sollte er da-, was ihr gehörte, zur Verwaltung behalten, damit sie ihre Tage in Glück und Frieden enden könne? Für einen Menschen wie Greif war die Lüge bloS um einen Hauch weniger schlimm al- der Mord, und wie er die Lag« aufsatzte, war er zu beständigem Lügen verurtheilt, um da- Glück der Baronin zu sichern. Zu der ererbten Schmach fügte er durch sein eigene- Ver halten neue hinzu. Seine fleckenlose Ehre in Gedanken, Wort uad Tbat, da- Einzige wa- ihm noch geblieben war, aufgeben zu sollen, schien ihm daS Furchtbarste. Wie er auch sann und grübelte, er entdeckte keinen Aus weg. Wenn er Hilda'» Mutter seine gramvolle Geschichte erzählte, würde nur noch eine Person mebr im Geheimniß sein, denn Therese von Wildenberg mochte sterben vor Weh, aber nirmal- würde sie sich entschließen, einem menschlichen Wesen zu verrathen, was sie erfahren hatte, noch könnte sie jemals durch den Hinweis auf die wahnsinnigste Ueber- treibung der Grundsätze der Ebre dazu veranlaßt werden. Sie würde entsetzlich leiden, aber niemals den ihr zuge wiesenen Besitz antreten, für den sie keine andere Verwendung haben könnte, als ihn der Tochter zu übertragen, die bereits den Nießbrauch deS umstrittenen Vermögens hatte. Seine moralische Befriedigung würde Greif mit der Zerstörung alles Glückes der von ihm so kochverebrten und geliebten Frau erkaufen müssen. Sein Wunsch nach Wahrheit um jeden Preis zeigte sich ihm plötzlich im Lickte einer höchst selbstsüchtigen Leidenschaft, die denen endloses Web wfügen wollte, die vor allem Leid zu behüten sein sehnlichster Wunsch war. Erschöpft von dem inneren Kampf, aber noch immer un entschlossen, waS er thun sollte, lebnte er sich an die Mauer deS grauen ThurmeS. Hilda saß regung-loS neben ihm. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen und errieth die meisten seiner Gedanken, bereit, ihn mit ihrem Rath zu unterstützen, aber ebenso bereit, mit der ganzen Kraft ihrer ungebändigten Natur ihn zu bekämpfen, wenn er an seinem ersten Standpunkt festbalten sollte. Eine lange Zeit war im Schweigen verstricken, aber Hilda mochte nicht sprechen, noch den Gang seiner Erwägungen unterbrechen. Sie wußte, daß dies der entscheidende Augenblick ihres Lebens war, und sie verstand ihres Gatten unbeugsam ehrenbafte Natur zu gut, um ihm nicht Muße zu gönnen, alle Puncte seiner Lage genau zu überlegen. „Es ist schwer, darüber zu sprechen", sagte er endlich, „und dennoch muß ich es thun, denn ich kann nicht denken obne Worte. Ich muß mich entscheiden und schnell entscheiden. Schon in der nächsten Stunde treffe ich vielleicht mit Deiner Mutter zusammen. Ich muß ihr dann entweder Alle- ent hüllen, und wenn ich eS thue —" „Wird sie sterben", unterbrach ibn Hilda. „Nicht heute oder morgen, vielleicht noch nicht in diesem Jahre, aber der Gram wird ihr Herz verzehren. Ich kenne sie. Die Arme wird stundenlang allein in ihrem Zimmer sitzen, zu Papas Bild aufschauen und über seinem Degen heiße Thronen weinen. Alle ihre beseligenden Träume werben erlöschen wie ein Licht im Dunklen, alle ihre Hoffnungen in Stücke geben. Du wirst ihr nie wieder daS sein, waS Du ihr jetzt bist, ein Sohn, in dem der Stamm der Wildenberg'- von Neuem er blühte. Sie wird immer schweigsamer, immer durchsichtiger werden und granigebeugt sterben. DaS wird geschehen, wenn Du mit Deinen Enthüllungen zu ihr kommst." „Und weshalb geschieht Dir, die Du Alles weißt, nicht dasselbe?" „Weil ich in Dir nicht eine Idee, sondern Dich selbst liebe", antwortete Hilda. „Wenn Du mir entrissen würdest, müßte ich sterben, wie meine Mutter sterben wirb, wenn Du die Idee tödtcst, die sie liebt." „Und ist es besser, daß mein ganzes Leben eine Lüge sein soll, als daß sie die Wahrheit erfahre und damit fertig zu werden suche?" „Wem bist Du die Wahrheit schulvig, Greis? Der Frau, die Du geheirathet hast, der Mutter Deine- KinkeS, ober irgend einer anderen Person? Welches Gute könnte meiner Mutter daraus entstehen, waS könnte sie dadurch erlangen? Dein Gelb? Sie bedarf dessen nicht. Was ist ihr Gelb im Vergleich zu dem Andenken dessen, Len sie lieble, wie iw Dich liebe, oder im Vergleich zu der Ehre seines Namens, für die sie freudig ihr Blut hergeben würde?" „Würdest Du gewünscht haben, daß ich auck Dir die Wahrheit verberge, wenn ich den Brief allein gelesen hätte?" „Würde ich wünschen, daß Du irgend etwas allein trügest, waS wir zusammen tragen können? Wenn Du meine Liebe so wenig kennst, zu glauben, solch ein Umstand vermöchte sie zu ändern oder abzuschwächen, dann würde mir nichts daran liegen, WaS Du thätest, noch was auS mir Würde." „Und meine Schmach ist Dir nicht»?" „Nichts, denn sie wurde von Anderen über Dich, den Unschuldigen, den Guten, Redlichen verhängt." Und Du wünschtest Deiner selbst willen, daß wir nie davon erfahren hätten, Hilda?" „Um meinetwillen? Nein. Deinetwegen würde ich sterbe», die Geschichte für immer auslöschen zu können. Meinet wegen, sagst Du? O, Greif, ist ein Haar Deines Hauptes, ein Blick Deiner theuren Augen weniger mein, weil Deine Mutter sündigte? Bist Du für mich nicht Greif und nichts andere-?" „Und so liebst Du mich noch, ganz so, wie Du mich zuvor liebtest?" „Kann ich noch mehr sagen, al- ich schon sagte, mebr thun, al- ich schon that? O, dann muß Liebe ein zu kaltes Wort für das sein, was ich meine, was ich empfinde." ,/Tu würdest mich nicht lieben, wenn ich rin Lügner und rin Feigling wärt."
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