01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970728017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-28
- Monat1897-07
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Durch verschiedene Zeitungen geht die Nachricht, daß eine Anzahl deutscher Männer in Posen sich zusammengethan habe, um eine Credit- genossen schäft zu errichten; eS wird der regen Thätig- keit der polnischen Credit- und anderer gewerblichen Ge nossenschaften gedacht, diese als Muster hingestellt und daran wird der Wunsch geknüpft, daß auch von deutscher Seite bald Genossenschaften auf wirthsckaftlichem Gebiete errichtet werden möchten, damit auf diese Weise eine „nachdrückliche Hebung des Deutschthums", wie die „Post" sagte, stattsinden möge. Man übersiebt dabei offenbar, daß deutsche gewerbliche Creditgenossenschaften nach dem System von Schulze-Delitzsch in der Provinz Posen seit langer Zeit bestehen, in Posen seit 1874 der Creditverein mit ca. 800 Mitgliedern, die allen Berufsständen angehören; außerdem giebt es deutsche gewerbliche Creditgenossenschaften in den meisten Städten der Provinz Posen und 33 derselben sind zu dem Verbände der deutschen Erwerbs- und WirthschaftS-Ge- nossenschaftcn der Provinz Posen vereinigt, welcher ein Glied des von Schulze-Delitzsch gegründeten Allgemeinen Der- besonderer Wünsche in das „Programm" und nach ihrer Er füllung durch die Gesetzgebung. Wenn irgendwo, so haben in dem Donaustaate die Deutschen die Pflicht, vom Staate und der Gesetzgebung nur DaS zu verlangen, was ihre gemein same Forderung ist, was ihre gemeinsame Stellung sichert. Alles Uebrige müssen die einzelnen Gruppen durch Selbsthilfe zu erlangen suchen. Nur wenn sie daS einsehen, wird es ihnen möglich sein, im parlamentarischen wie im Wahlkampfe zu einer festen gemeinsamen Basis, zu einer festen Geschlossen heit ihrer Reihen gegen den gemeinsamen Feind zu gelangen. Wir verkennen nicht, daß eS großer Selbstverleugnung bedarf, um auf die Erfüllung von LieblingSwünschcn durch die Gesetzgebung zu verzichten; aber ohne diese Selbst verleugnung läuft die deutsche Bevölkerung Oesterreichs trotz des momentanen Zusammenschlusses in Zeiten schwersten äußeren Druckes immer wieder Gefahr, nicht nur auf die Erfüllung von Sonderwünschen, sondern auf ihren ganzen Einfluß als Deutsche Verzicht leisten zu müssen. Internationaler Congreß für ArbeitsunMe und Socialverjicherung. 8. L 8. «rüffel, 26. Juli. I. Heute Mittag trat unter dem Vorsitz des belgischen Kammerpräsidenten Bernaert der außerordentlich zahl reich besuchte internationale Congreß für ArbeitS- unfälle und Socialversicherung zusammen. Aus Deutsch land ist zwar keine ofsicielle Vertretung zu verzeichnen, jedoch ist die deutsche Gruppe nahezu — abgesehen von Belgien — die stärkste. An ihrer Spitze steht der hisherige Präsident des Reicysversicherungsamtes vr. Bödiker, der als Ehrenpräsident des permanenten internationalen Comitss anwesend ist. Außerdem sind von deutscher Seite unter Anderem anwesend: Unterstaatssecretair a. D. v. Mayr (Straßburg), Landrath Brandts (Düsseldorf), zahlreiche rheinische und süd deutsche Industrielle, sowie Mitglieder deS Reichsversicherungs amtes. Die französische Regierung hat mehrere ofsicielle Ver treter entsandt, ebenso Oesterreich, England, Italien, Ungarn, Schweiz, Brasilien, Niederlande, Luxemburg, Rußland, Nor wegen, Schweden und Griechenland. Der belgische ArbeitS- und Gewerbe-Minister NysseuS begrüßte den Congreß im Namen der belgischen StaatSrezierung. Er gab besonders seiner Genugthuung Ausdruck, daß vr. Bödiker auf dem Congreß anwesend sei, da dieser auf dem Gebiete der Social versicherung die bedeutendste Autorität sei (stürmische Zustimmung). Auch der folgende Redner, Generalinspector Linder, Vicepräsideut deS Generalraths der Minen in Frankreich, hob die Verdienste vr. Bödiker'S her vor und sprach die Hoffnung auS, daß derselbe auch ferner seine Kräfte und reichen Erfahrungen dem inter nationalen Congreß widmen werde. (Großer Beifall.) vr. Bödiker: ES ist mir als Ehrenpräsident des Landes, welches sich zuerst bemüht hat, die Worte in Thaten umzusetzen, eine Ehrenpflicht, der Regierung deS Landes, besten hochherziger Monarch eine ihm gemachte Der Zusammenschluß der Deutschen in Oesterreich. Der alte Erfahrungssatz, daß hadernde Freunde und Brüder sich rasch einigen, wenn ein feindlicher Dritter sie bedroht, wellte sich lange Jahre hindurch an den Deutschen in Oesterreich nicht bewahrheiten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten waren sie der immer mehr wachsenden Ge fahr ausgesetzt, auS ihrer Stellung verdrängt und ihrer Rechte zu Gunsten ihrer Gegner beraubt zu werden; aber je schwerer der Druck auf ihnen lastete, um so stärker kam auch in ihnen die im deutschen Charakter liegende Neigung zur politischen Zersplitterung zur Geltung und desto größere Rücksichtslosigkeit konnten die Gegner deS DeutschthumS bei seiner Unterdrückung entwickeln. Jetzt hat diese einen Grad erreicht, der das Bewußtsein der Gemein samkeit aus langem Schlummer weckt. Der berüchtigten Sprachenverordnung deS Grafen Badeni ist es gelungen, den Hader unter den Brüdern zumSchweigen zu bringen und einen engeren Zusammenschluß zwischen den deutschen Parteien herbeizusühren. Freilich ist dieser Zusammenschluß nicht auf einen Ruck erfolgt, vielmehr standen von den deutschen Gruppen die verfassungstreuen Großgrundbesitzer zunächst diplomatisirend bei Seile, während die Christlich-Socialen und die Klerikalen sogar in den Reihen der Gegner fochten. Der Kampf für die Sache des Deutschthums verblieb somit in der Haupt sache den fortschrittlich-liberalen und den deutsch-nationalen (antisemitischen) Deutschen. Diese Kämpfer für die Sache des Deutschthums verstanden es aber, die große Masse der deutschen Bevölkerung so unzweifelhaft auf ihre Seite zu ziehen, daß zunächst der verfassungstreue Großgrundbesitz und nun auch die Christlich-Socialen daran denken mußten, sich dem Kampfe anzuschließen, um nicht in die Gefahr zu kommen, die Sympathien der Wählerschaft zu verlieren. Schon gegen den Schluß der Parlamentstagung hin begann der verfassungstreue Großgrundbesitz sich den für des Deutschthum kämpfenden Gruppen zu nähern. An dem für die innere Geschichte Oesterreichs wohl unvergeßlichen Tage der „Schlacht von Eger" faßte der Großgrundbesitz in Wien eine Resolution, die trotz der außerordentlichen Sachlichkeit und Mäßigung der Sprache doch keinen Zweifel daran ließ, daß auch der Großgrundbesitz in den Reihen der Opposition zu sinken sein werbe, so lange nicht die Regie rung die Sprachenverordnungen beseitigt. Man wird von dem Großgrundbesitz nie erwarten dürfen, daß er in der vordersten Linie der Kämpfenden zu finden sein werde, aber eS ist schon genügend, daß er sich überhaupt dem Kampfe gegen die Regierung anschließt. Etwas länger Zeit als der deutsche Grundbesitz haben sich die Christlich-Socialen gelassen; sie mußten es sich darum gefallen lassen, daß sie nebst den Klerikalen in der Egerer Resolution als volkSverrätherisch gebrandmarkt wurden. Jetzt aber haben auch sie sich auf ihre Pflicht be sonnen. Dafür spricht die einstimmig angenommene Kund gebung des Wiener Gemeinderatbs, in welcher dieser seine Ent rüstung über die von der Regierung den Deutschen gegenüber beliebten Maßregeln ausspricht. Der Wiener Gemeinderath Stiftung für die Arbeiter verwendete und damit den Weg für die einzuschlagenden Schritte gezeigt bat, meinen Dank für die uns gewordene Aufnahme auszusprechen. Zugleich muß ich dem Schmerze Ausdruck geben, daß un» wieder eine Reihe bedeutender Männer verlassen hat, ich nenne nur: JuleS Simon und Leon Say. Wir Alle werden ihnen ein warme» Andenken bewahren. (Beifall.) Die Menschen gehen und schwinden, die Institutionen aber bleiben! (Beifall.) Zur Genugthuung muß eS uns gereichen, daß unsere Arbeiten immer mehr Früchte zeitigen. In England hat man große Fortschritte gemacht, in Ruß land und Skandinavien regt es sich, und hoffentlich folgen die romanischen Länder bald nach. Zum Schluffe möchte ich noch persönlich aussprechen, daß ich zu keinem Congreste so gern gekommen bin, als zu diesem. Freilich, hätte ich gewußt, daß der Herr Minister meine bescheidenen Verdienste so hervor heben würde, so hätte ich nicht kommen dürfen. Meine Freude wurzelt darin, daß es mir ein Bedürfniß ist, aue- zusprechen, daß mein Ausscheiden auS dem Staats dienst mit der socialen Politik in Deutschland absolut nichts zu thun hat. (Beifall.) Es führen viele Wege nach Rom; wir in Deutschland haben nach dem Rom der Arbeiterfürsorge eine Eisenbahn gebaut, und sowohl von meiner Seite als auch seitens meiner Freunde werden unsere Institutionen aufs Schärfste in den folgenden Erörterungen vertheidigt werden. Wer zum Ziele gelangen will, muß marschiren oder wenigstens, wenn er, wie wir, fahren will, den Wagen besteigen. Fahren Sie mit uns, meine Herren, Sie werden uns liebe Gäste sein; ku voiturs, Llessieurg, vu voiturs! (Heiterkeit und stürmischer Beifall.) Morgen (Dienstag) früh beginnen die eigentlichen Be ratungen des CongresseS. schwimmt vollständig im Fahrwasser Lueger'S und die große Mehrheit deS RatheS besteht auS fanatischen Anhängern der christlich-socialen Partei. Wenn also der Gemeinderath ein- stimmia eine den Deutschen sympathische Kundgebung annimmt, so müssen Vie Christlich-Socialen entschlossen sein, nunmehr auf die Seite der für die Erhaltung des Deutschthums Kämpfen den zu treten. Dieser Entschluß ist von besonderer Bedeu tung, weil die Christlich-Socialen das Herz von Oester reich, Wien und Niederösterreich, vollständig beherrschen und weil die Wiener Regierung natürlich die Stimmung in der Reichshauptstadt am ersten wahrnimmt. Es ist wahrlich ein Zeichen dafür, wie tief die Entrüstung über das Verfahren der Regierung gegenüber den Deutschen wurzelt, wenn bei dem leidenschaftlichen Haffe, der nach jahrelangen erbitterten Kämvfen zwischen den Parteien des Wiener Gemeinderathes besteht, ein einstimmiger Beschluß dieser Corporation über haupt möglich ist. Zur Seite stehen bei dem Kampfe der Deutschen also nur noch die Klerikalen. ES ist aber nicht ganz ausgeschlossen, daß auch sie schließlich durch die Stimmung der Bevölkerung in den deutschen Alpenländern dazu gebracht werden, sich den Deutschen anzuschließen. Freilich haben wir keine allzu große Hoffnung darauf, denn ebenso wie in Deutschland ist auch in Oesterreich die klerikale Partei ihrer Wähler am aller sichersten, weil sie auf diese durch die Geistlichen ein wirken lassen kann. Da die Deutschen in Oesterreich das Element der Aufklärung sind, so ist es nur zu natürlich, daß die klerikalen Politiker die Unterdrückung dieses Elementes nicht ungern sehen, selbst wenn sie ihrer Abstammung nach selbst Deutsche sind. Bei dem KlerikaliSmus aber kommen an erster Stelle immer die klerikalen Interessen zur Geltung, die nationalen mögen sehen, wo sie bleiben. Indessen hat sich, auch wenn die Klerikalen weiter auf der Seite der Gegner der Deutschen bleiben, die Situation für diese doch wesentlich verbessert. Mit den Großgrund besitzern und den Christlich-Socialen auf ihrer Seite werden sie in diesem Herbste eine ganz andere Phalanx darstellen, als in den parlamentarischen Kämpfen deS Frühjahrs, und die Möglichkeit, in der inneren gesetzgeberischen Entwickelung Oesterreichs vorwärts zu kommen, wird für den Grafen Baden: noch schwieriger sein, als bisher. Dadurch sind die Aussichten auf einen Sieg der Deutschen wesentlich gestiegen, was wir mit herzlicher Freude begrüßen. Völlig kann man sich freilich bei einem Rückblicke auf die Vergangenheit der Besorgniß nicht entschlagen, daß bei? dem Wiederbeginn der parlamentarischen Kämpfe die alte Neigung zur Zersplitterung aufs Neue hervorbricht. Die Versuchung für die verschiedenen deutschen Gruppen, ein gemeinsames Handeln durch Betonung ihrer Sonderwünsche zu gefährden, ist um so größer, je mehr der Deutsche sich daran gewohnt hat, die Erfüllung aller seiner Wünsche vom Staate, von der Gesetzgebung zu fordern. Unter dieser Gewöhnung leiden auch wir V, Zusammenschluß der bürgerlichen Elemente Socialdemokratie und spaltet die großen Pai mehr in kleine schädlicher als daS Trachten der deutschen Gruppen nach Einfügung Ueber allerlei wundersame Steingebilde, die von Thieren stammen. Nachdruck Veristen. ES gab eine Zeit, und sie liegt noch gar nicht so weit binter uns, in der der Glaube an Amulette ver verschiedensten Art, bestehend auS den verschiedensten Stoffen und dienstlich zu den verschiedensten Dingen, ein allgemeiner und in allen Ständen verbreiteter war. Und auch jetzt ist er bei unS noch durchaus nicht völlig verschwunden. Ich kenne einen Herrn, einen Kaufmann hiesiger Stadt, der stets drei auf einem Kirchbofe gesammelte Roßkastanien in der linken Tasche seiner Beinkleider gegen Rheumatismus mit sich herumträgt, und einen andern, der nicht verfeblen wird sich am Johannis tage ein Alräunchen in die Geldtasche zu kaufen. Die Herren lachen selbst über die Sache und suchen sie Anderen gegenüber als einen Scherz hinzustellen, aber — innerlich sind sie doch fest überzeugt von der Wunderkraft ihrer Amulette. Und diese beiden Männer sind noch nicht einmal gar so ungebildet oder gar so dumm, der Eine ist sogar ein sehr geriebener Geschäftsmann. Wenn derartige Erscheinungen noch bei Mitgliedern der besseren Gesellschaft auftreten, so kann man sich vorslellen, wie eS erst unter denen der niederen, ungebildeten Classen, besonders in katholischen Ländern au«- sieht. Da trägt, als Nest uralten HeidenthumS und Zauber- kramS, fast jeder Mann und fast jede- Frauenzimmer au« dem Volke ein geweihtes ugnu8 cksi um den HalS und denkt wunder was für ein Schutzmittel daran zu haben. Der Italiener wird es kaum unterlassen, wenn er auch die Bedeutung seines Thuns halb oder ganz vergessen hat, an seiner Uhrkette daS Stück eine« CorallenzweigeS zu tragen gegen den „bösen Blick", wie seine Vorfahren ein glriche- Stück zu dem gleichen Zweck um den Hal« hingen. Die GeorgSthaler erfreuen sich bei Militairpersonen als schützende Amulette noch heute deS Ruseö, den sie vor 275 Jahren genossen. Der Glaube macht selig! Da« beweist so recht eine Geschichte, die der alte Grimmelshausen erzählt: War da ein Soldat, der mit Sir John Falstaff die Vorsicht für den besseren Theil der Tapferkeit hielt und glaubte, man könne in dieser Hinsicht nicht leicht zu viel thun. Der hatte vernommen, einer seiner Kameraden verstehe sich auf die Passauer Kunst, d. h. auf die Kunst, andere Leute ge froren oder fest, wie man damals für unverwundbar sagte, zu machen. Er sucht die werthvolle Bekanntschaft dieses Hexenmeister- zu gewinnen und liegt ihm, als ihm daS gelungen ist, in den Ohren, er möge doch auch an ihm seine Kunst bethätigen. Der Andere läßt sich hierzu bereit finden und näht ihm neben allerlei Hocus- PocuS einen beschriebenen Zettel in den Koller. Unser Held gewinnt damit die feste Ueberzeugung seiner Unver wundbarkeit und thut Wunder der Tapferkeit. Doch was stand auf dem Zettel? „Wehr' Dick, Hundsfott." — Für besonders wunderkraftige Amulette wurden vordem eine Reihe von theilweise wirklich vorhandenen, theilweise fabelhaften, in dämonischer Weise mit der Thierwelt im Zusammenhangs stehende Steine oder steinartige Bildungen gehalten, die wir einmal der Reihe nach uns betrachten wollen. Beginnen wir mit gewissen Versteinerungen. Da wären zunächst die Donnerkeile oder Donnersleine. ES gab ihrer verschiedener Art, aber bloS eine davon entstammt dem Thierreich, daS sind die Belemniten, die bin und wieder auch Teufelsfinger genannt werden. Es sind längliche, kegelförmige, in eine stumpfe Spitze endigende Gebilde von verschiedener Größe und von gelblicher oder graulicher Farbe. Auf dem Bruch zeigen sie einen strahligen, faserigen Bau und bestehen aus Kalkspath. In den Schichten des sogenannten Jura und der Kreide sind sie stellenweise so häufig, baß sie geradezu ganze Bänke bilden. Sie sind die festesten, untersten Theile versteinerter innerlicher Schalen einer auSgestorbenen Gruppe von Mollusken, die, wie die heutige Sepie oder der Tinten fisch, zu der Clafse der Kopffüßer gehören. Sie verleihen Dem, der einen bei sich trägt, ungewöhnliche Körperkräfte und helfen zaubern. Bei Zaubercuren verwendet man sie mit Todtenbeinen, die alte Weiber in der JohanniSnacht vom Friedhöfe holen, und die jährlich erneuert werden müssen. Die Donnerkeile bewahren das Haus vor Blitzschlag, bringen den Kühen, wenn man ihr Euter damit reibt, die verlorene Milch zu rück, bewahren Kinder, di« sie bei sich tragen, vor Bruch schaden und vertreiben schon vorhandene Brüche. Von ihnen abgeschabtes Pulver heilt die Krämpfe und ist gut gegen Gelbsucht und Verstopfung, eS hebt die Harnverhaltung und zertrümmert den Stein. Ihre merkwürdigste Bedeutung liegt darin, daß sie, al« Amulette getragen, vor den Besuchen dcs JncubuS, vor dem Albdrücken schützen. Sie beißen daher in manchen Thrilen Deutschland- „Albgeschoß". Die Aehn- lichkeit und der Vergleich mit Pfeilspitzen, der unfern Vor fahren vor der Erfindung des Schießpulvers näher lag als uns, haben ihnen zu diesem Namen und im Alterthum zu dem der Belemniten verholscn. Die Belemniten sind nicht die wahren Donnerkeile, nicht Da«, was man früher in Deutschland darunter verstand« n batte. Da« sind die Steinhämmer der alten Einwohner, die man bin und wieder auf den Feldern findet und die als „durchlöcherte Donnerkeile" in manchen Gegenden noch heute unterschieden wrrdrn. Nach dem alten Mythus warf Donar, der Donnergott, seinen Hammer bei den Gewittern, und eS entstand der Blitz. Daher der Zusammenhang der Donner keile mit dem Gewitter, daher der Glaube, daß sie vor Ein schlagen des Blitzes bewahren und sich bewegen, wenn ein Unwetter heraufzieht (Schwaben). Donar ist aber auch der Gott der Fruchtbarkeit und des häuslichen Segens. Deshalb werden kranke Fruchtbäume gesund, wenn man durchlöcherte Donnerkeile an sie hängt, und krankes Vieh wird geheilt, wenn man sie zu dem Futter in die Krippe legt. Die Eigen schaften, die den alten Steinhämmern zugeschrieben worden waren, übertrug daS Volk auf die Pfeilspitzen ähnlichen Belemniten und damit zugleich auch den Namen. Beiläufig sei erwähnt, daß die Holzhauer im Vogtlande unter Donnerkeilen noch etwas Anderes verstehen, nämlich Triebkeile, die aus dem Holze einer vom Blitz zerschmetterten Eiche, des heiligen Baumes Donar's, gemacht werden, und die besonders gut sein sollen (Glaube an die Uebertragung der Kräfte). Mit den Belemniten werden gelegentlich andere Ver steinerungen verwechselt, die wohl auch als Donnerkeile be zeichnet werden. Das sind die ansehnlichen, fossilen Stacheln vorweltlicher Seeigel, deren richtiger Volksname aber Juden steine ist. Diese sonderbare Benennung rührt vielleicht aus der Zeit der Kreuzzüge her; in Syrien und Palästina sind solche Stacheln wenigstens ganz besonders häufig, und sie werden wie Pilgermuscheln, Jerichorosen und anderer Kram von den Kreuz fahrern mit in die deutsche Heimath zurückgebracht worden sein, wo man dann ähnliche Gebilde fand und auf die man auch in diesem Falle wieder den Namen übertrug. Ich will noch be merken, daß man die versteinerten und im Muschelkalk stellenweise sehr häufigen Glieder der Stengel vorweltlicher Seelilien (keine Pflanzen, sondern festsitzende Thiere!) in Thüringen „Bonifaciu-pfennige" nennt und auch mit ihnen gewisse abergläubische Vorstellungen — ich bin noch nicht dahinter ge kommen, welcher Art — zu verbinden scheint. Versteinerte Seeigel selbst und zwar auS der Kreide oder besser ihre Steinkerne, d. h. die auS Feuerstein bestehenden Ausgüsse ihrer Schalen, erfreuen sich al« „Krötensteine" eines gewissen Ansehens beim Volke. In Schwaben und Mecklenburg hängt man sie Wöchnerinnen, die nicht selbst stillen sollen, um den Hals, um „die Milch zum Sieben zu bringen". Diese Gebilde haben den Namen Krötenstein (Lukonites) erhalten, weil sie durch ihre warzige Oberfläche eine entfernte Aehnlichkeit mit Kröten haben. ES giebt aber noch einen andern Krötenstein, der ist fabelhaft, dämonisch. Von ihm weiß der alte Conrad von Megenberg (im 14. Jahrhundert) in seinem „Buche der Natur" zu erzählen, daß sich der Krötenstein (Loiax) im Kopfe ganz alter Kröten finde. E« gebe zweierlei Arten von ihm, «ine Heller«, besstr« und «in« dunkler«, weniger gute. Die Franzosen nannten den Stein eine crapriämum. Man müsse ihn aus dem Haupte einer Kröte nehmen, die noch zappele, denn der aus einer verreckten habe wesentlich an Kraft verloren. Nach Tiroler Volksglauben erhält man ihn nur auS einer solchen Kröte, die lebend in einem Ameisen haufen verscharrt und von dessen Bewohnerinnen aufgefressen wurde. Der Krötenstein wirkt als Gegengift, und kommt Gift in seine Nähe, so schwitzt er. Man kann mit ihm alle Wunden, besonders vergiftete, heilen (Tirol), verschluckt fegt er den Darm von allen Unsauberkeiten rein (C. von Megenberg): Ich höre von den Steinen sagen, die Krotten oder Nattern tragen, daz groze Tugend darin lige, Swer sie habe, der gesige. In diesem mittelalterlichen VerSchen ist rin Jrrthum unter gelaufen: die Nattern tragen keinen Stein in, Wohl aber, wenigstens große Individuen, die Schlangenkönige, ein Krön lein auf Kem Kopf, das auch große Zauberkraft birgt, aber nicht in den Nahmen gegenwärtiger Betrachtung fällt. Ein anderer dämonischer Stein ist der Hahnenstein (aleotorius), der ja noch vor 80 oder 90 Jahren bei unseren Romantikern herumspukte. Nach dem einen Berichterstatter findet er sich im Kopfe eines 7 oder 9 Jahre alten Kapauns und ein im Germanischen Museum aufbewahrteS Manuskript auS dem 16. Jahrhundert berichtet von diesem Stein (nack C. Bartsch, „Gescb. der deutschen Mythologie, III, 331"): Man nehme einen jungen Hahn im März, halte ihn ein halbes Jahr in Einzelhaft und würge ihn darauf ab, so wird man in seinem Kopfe einen Stein finden, den man m Silber gefaßt bei sich tragen soll. Nach den meisten Erzählungen findet sich dieser Stein aber im Magen oder in der Leber eines Kapauns. Nach Konrad von Megenberg ist er von der Größe einer Bohne und wie aus dunkelm Krystall beschaffen. Er wächst einem Kapaun drei Jabre, nachdem er kapaunistrt wurde, in dem Magen, aber man muß den Vogel noch sechs Jahre leben lassen, bevor man ihn tödtet und deS Stein« beraubt. Nach Geßner findet sich «in Stein Alectoria im Magen oder in der Leber eines im dritten Jahre verschnittenen Hahn«, wenn er acht oder neun Jahre alt geworden ist. Die Leber steine sind größer. Wer einen solchen Stein unter der Zunge trägt, den dürstet nicht, er ist beredt, sieghaft und den Menschen, be sonders den Frauen angenehm. Nach Konrad von Megenberg hat auch der Kranich einen Stein im Magen, wenn man den brennt, wird er zu Gold. Ich bin diesem Kraoichstein nur bei diesem Schrift steller begegnet, ebenso dem Drachenstein, dem Jen« und dem Lrutstrm.
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