01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971008018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897100801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-08
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Größere Schristen laut unserem P«ic< verzeichuiß. Tabellarischer und Zisstrnjay nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung >4 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 513. Freitag den 8. October 1897. 9t. Jahrgang. Die sächsischen Landtagswahlen in Berliner Beleuchtung. Die Berliner „National-Ztg." hat, wie eS scheint, den Ebrgeiz, daS unbefangene Unheil der socialdemokratischen »Sächsischen Arbeiterztg." über die sächsischen Landtags wahlen in besonders Helles Licht zu setzen. Rechthaberisch au der Ansicht festhaltend, die sie vor der Aenderung de» LandtagSwahlrechtS geäußert hat, schreibt die „National-Ztg": „Der lediglich mechanisch«, äußerliche „Erfolg", welcher bei den jüngsten Laudtagswahlen im Königreich Sachsen gegen die Soclaldemokratie errungen worden, hat nicht nur dort Kund gebungen einer schwer begreiflichen Befriedigung hervorgerusen, sondern er hat sogar in Preußen manchen Leuten Muth zu Lobsprüchrn auf da» hier bestehende, dem sächsischen ähnliche Drei-Elassen - Wahlsystem gemacht. Das erinnert an die Ge- uugthuung, mit der man vor einem halben Jahrhundert in Frankreich unter dem Juli - Königthum auf die Zusammensetzung der Kammer hinwie«, welche, auf dem Wahlrecht einer kleinen Minderheit der erwachsenen Franzosen beruhend, dir vermeintlich herrlichste Vertretung der Nation ergeben hatte; ein Jahr darauf war die Juli-Monarchie hinweg gefegt. Eine Revolution wird bei uns nicht wegen des preußischen und deS ihm verwandten sächsischen Wahlsystems entstehen; aber die Befriedigung über die anti-jocialdemokratijchen Ergebnisse derselben ist um nichts begründeter, als es die Selbstzufrieden- hrit de» „gesetzlichen Landes", das heißt deS nach dem Wahl- gesetze allein in Betracht kommenden Bruchtheils des Landes, der gleichwohl das Land, den Staat bedeuten wollte, vor fünfzig Jahren in Frankreich war. Was insbesondere Sachsen betrifft, so wurde die auch von vielen (?) gemäßigten Liberalen mißbilligte Aenderung des dortigen Landtags-Wahlrechts mit der angeblichen Wahrscheinlichkeit begründet, daß die socialdemokratische Gruppe der Zweiten Kammer in den nächsten Jahren derart hätte anwachsen können, um in gewissen Fällen dir Abstimmungen der Kammer zu beherrschen. Van anderer Seite, auch von uns, ist diese Gefahr bezweifelt, aber zugegeben worden, daß man berechtigt sei, ihr vor- zuveugen, damit der Einfluß der von der Socialdemokratie vertretenen Bevölkerungskreste in den ihrer Bedeutung für das Staatsleben entsprechenden Grenzen bleibe; doch als Folge des vorgeschlagenrn Clafsenjystems, obgleich es weniger plutokratisch alS daS preußische war, war die vollständige oder nahezu voll ständige Ausmerzung der socialdemokratischen Fraktion vorherzuseheu, ein Ergebniß, das nach vieljährigem Bestehen einer solchen, wenn lediglich durch eine Aenderung LeS Wahlgeietzes be wirkt, die politischen und socialen Gegensätze verschärfen mußte. Ein derartiges Ergebniß, das herbeiführen zu wollen auch die Ver- theidiger des neuen Wahlgesetzes bestritten, muß jetzt, nach der ersten Probe, als nahezu sicher erachtet werben; denn bei der diesmaligen Erneuerungswahl eines Drittels der Abgeordneten haben die Socialdrmokroten die von ihnen zu vertbeidigendcn Mandate bis auf ein einziges verloren. „Erfolge" wie diese sind durch Aenderungen der Wahlgesetze immer zu erreichen; es fragt sich nur, was sie werth sind." Der Hinweis auf die Juli-Revolution und der Vergleich deS sächsischen Wahlrechts mit dem damaligen französischen würde im „Vorwärts" nicht ausgefallen sein. Soviel bei- läufig. Der Unterschied zwischen beiden Wahlrechten ist im klebrigen mit kurzen Worten klar zu machen. Das französische Wahlgesetz vom 19. April 1831 setzte den CensuS für das Wahlrecht auf 200 Francs, den der Wählbarkeit auf 500 Franc« directer Steuer fest; daber war der Bezug von Tagegeldern und Entschädigungen durch daö aufrecht erhaltene Gesetz vom 5. Februar 1817 untersagt. DaS neue sächsische Wahlgesetz hat den bisher für daö Wahlrecht auch in Sachsen bestehenden Ccnsus aufgehoben und damit 150 000 Wählern das Wahlrecht gewährt; eS knüpft ferner die Wählbarkeit an die Entrichtung von nur 30 Grund- oder Gedäudesleuer oder von beiden zusammen, wobei die für die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder zu zahlende Steuer in Anrechnung kommt. Endlich erhalten die sächsischen Landtagsabgeordneten verfassungsmäßig, von der freien Fahrt und sonstigen Reisekvstcnvergülungen abgesehen, laut der Lanbtagsorbnung vom 12. Oktober 1874 zwölf Mark Tagegelder. Es kann also keine Rede davon sein, daß das active und passive Wahlrecht in Sachsen das Monopol einer „kleinen Minderheit" sei, wie es das unter dem Juli-Königlhum thatsächlich war. Ist es schon ausfallend, wenn die „National-Zeitung" dieser grundlegenden Unterschiebe sich nicht bewußt zeigt, so befremdet e« vollends, daß die „National-Zeitung" gerade den Umstand mit Stillschweigen übergeht,der für bas Wahlergebmß auch nach socialdemokratischem Eingeständniß von bestimmendem Einfluß gewesen ist: das Eariell der OrbnungSparteien. Letzteres mußte die „National-Zeituug" allerdings übersehen, wollte sie die Niederlage der socialdemokratiiche» Partei allein dem neuen Wahlgesetz als solchem zuschreiben. In Wirklichkeit wäre ohne ein solches CarteU die diesjährige Wahl anders ausgefallen; ohne ein solches Eartell varfvon derMöglich- keit einer „vollständigen oder nahezu vollständigen Ausmerzung der socialdemokratischen Fraction" im Ernste nicht gesprochen werden. Wir theilten in Nummer 500 des „L. T." jene höchst be zeichnende Auslassung der „Sächsischen Arbeiterzeitung" mit, die das unumwunden einräumt. Die zesammle Presse, soweit sie uns vorliegt, hat von diesem socialdemokratijchen Bekennlniß Notiz genommen, die „National-Ztg." unseres Wissens freilich nicht! Inzwischen hätte die „Sächs. Arbeiterztg." acht Tage Zeit gehabt, die Sache anders zu drehen und zu wenden; sie thal das aber nicht, beharrt vielmehr bei ihrer Meinung und schreibt heute u. a.: „So lange das Eartell besteht, haben wir so gut wie gar keine Aussichten, Mandate zu erlangen. Es ist nun aufgebracht worden: selbst wenn das Eartell sich spalte, würden doch die erste und zweite Abtheilung gegen die dritte Abtheilung ge schlossen stimmen. Das ist in keiner Weise begründet: denn dann wird die dritte Classe in sehr vielen Fällen den Ausschlag geben, ja man kann mit Recht behaupten, daß, wen« die dritte Classe geschlossen vorgeht, sie die eigentliche Entscheidung über die Wahlen haben wird, — folglich wird man sich schon bequemen müssen, ihr Zugeständnisse zu machen, wenn man über haupt wird etwas erreichen wollen! Die Frage ist also: ob das Eartell für alle Zeiten unwandelbar bestehen wird?" Die „Nat.-Ztg." wird, nach ihrer oben wiedergegebenen Auslassung zu schließen, der „Sächs. Arbeiterztg." gram sein, weil letztere sie verhindert bat, mit dem „aufgebrachten" Argument der Ueberstimmung der dritten Classe durch die erste und zweite, selbst wenn das Cartell in die Brüche gegangen wäre, zu krebsen. Wenn endlich die „Nat.-Ztg." meint, eine vollständige oder nahezu vollständige Ausmerzung der socialdemokratischen Fraction müsse, „wenn lediglich durch eine Aenderung des Wahlgesetzes bewirkt", die politischen und socialen Gegensätze verschärfen, so ist auch diese Behauptung nicht ohne Weiteres stichhaltig. Die socialdemokratische Fraction ist nicht identisch mit der Arbeiterschaft. Nimmt der sächsische Landtag, soviel an ihm liegt, die berechtigten Interessen der Arbeiter wahr, so mildert er die politischen und socialen Gegensätze, mag die socialdemokratische Fraction im Landtage stark oder schwach sein. Die Zukunft wird lehren, ob unv inwieweit der sächsische Landtag in dieser Beziehung irgend einer anderen Landeövertretiing nachsteht. Deutsches Reich« * Berlin, 7. October. Die Frage der Neubewaff nung der Artillerie, die, wie mitgetheilt, den social demokratischen Parteitag beschäftigt hat, behandelte auch der Abgeordnete Richter in einer Rede, die er in Remscheid hielt. Nach dem Bericht der „Barm. Ztg." machte er die nachfolgenden Milthcilungen: Sie werben ja wissen, welche großen Summen in diesem Jahre zuerst verwandt wurden für eine Neuerung, an di« wir früher gar nicht gedacht haben, und deren Nothwendigkeit vor zwei Jahren noch von der Militärverwaltung verneint wurde. Ich meine die Umgr- altuug der Frldartillerie. Ich kann, La die Sache ja jetzt kein Geheimniß mehr ist, einiges darüber mitthrilen. Wir warrn nichtwenigerstaunt, als der Kriegsminister im letzten Drcrmbrr in der BuLgetcommijsion vor uns erschien und uns eine Perspective eröffnete über 150 Millionen Mark.ausersehcn füreine UmgestallungLcr Geschütze der Feldartillerie. Er hielt einen Vortrag und bat um eine mündliche Ermächtigung, ohne daß darüber eine Vorlage gemacht werde, schon jetzt, vor dem Beginn des Etatsjahres, Bestellungen in großem Umfange machen zu dürfen, um einen Vorsprung zu gewinnen in der Beschaffung von neuen Geschützen. Wir sagten, wir wollten mit unseren Freunden sprechen. Wir besprachen uns, und so haben alle Parteien, mit Ausnahme der Social demokraten, die aber erklärten, auch kein Wesens daraus zu machen, in der folgende» Sitzung mündlich, ohne eine Drucksache, den Kriegsminister ermächtigt, schon im Tccember für viele Millionen Bestellungen auf neue Geschütze zu machen. Als wir da glaubten, mit vollem Recht diese Bewilligung aussprechen zu müssen, sagten wir uns: Wir wollen nicht am Eisen sparen, wenn es nachher um so mehr Blut kosten könnte. So sind denn die Bestellungen damals ausgesührt worden, und als dann die öffentliche Vorlage kam an den Reichstag, zunächst für dieses Jahr 44 Millionen zi? bewilligen, wurde uns mitgetheilt, daß der Kriegsminister sämmtliche Militairattachös ein- geladen habe, sich die neuen Geschütze einmal anzusehen; und die Herren sollen große Augen gemacht haben, als sie Las Geschütz sahen und man ihnen mittheilte, daß sämmtliche Armee- corps an der Grenz« schon damit ausgerüstet seien. Da- war «in gewaltiger Borsprung in der Armirung des Heeres, di« eine Garantie des Friedens für Jahre hinaus in sich enthielt. Aber ich muß sagen, daß wir in dieser Cchweigezeit, wo wir die Ermächtigung gaben, im Tecember, bis zur öffentlichen Vorlage nnS in einer ganz eigenartigen Lage be- funden haben. In dieselbe Zeit fielen die öffentlichen Verband- lungeu über den Marineetat, und Sie wissen, daß die Reichs- tagsmehrheit von der großen Forderung de- Extraordiiiariums 12 Millionen abgestrichen hat; wir besonders wurden deshalb äußerst angeseiudrt von den verschiedensten Seiten, trotzdem wir die 44 Millionen für di« Artillerie bewilligt hatten, trotzdem wir das Geheimniß nicht verletzt haben. Wir haben nichts er- widert auf die Anschuldigungen, wir haben die Vorwürfe schweigend ertragen, und ich sage es auch hier: So haben wir gehandelt, die vaterlandslosen Gesellen, wie man uns bezeichnet hat. DaS freisinnige Berl. T- bemerkt hierzu: „Rhetorisch ist dieser Schluß gcw.ß sehr geschickt, und er wurd« auch in d«r Versammlung mit stürmischem Bestall auf genommen. Aber allzu schwer wurde es de» Abgeordneten nicht gemacht, Las Geheimniß nicht zu verletzen. Das war ihnen »iusach unmöglich, weil, wie Bebel jetzt mittheut, sämmtliche Eomniissions- Mitglieder sich auf Ehrenwort verpflichtet hatten, Still- schweigen zu beobachten. FsrriHeton. Aus dem Beben -er deutschen Kriegsmarine. Von H. von Niessen, Capitainli«utenant a. D. Nachdruck verboten. H. Klar Schiff zum Gefecht! Dem Ameisenhaufen gleich, in welchen ein Stock hinein gestoßen wurde, so wimmelt und rennt an Bord Alles in scheinbar größter Unordnung durcheinander, sobald, nach dem allbekannten Vor-Signal „Das Ganze", Trommel und Horn sich zum Generalmarsch vereinigen. „Klar Schiff zum Gefecht!" Das Commando zum Be reitstellen des Schiffes zum Kamps, einer obersten und eigentlichen Aufgabe, zum Einnehmen der hierfür vor gesehenen und vertheilten Posten ist gegeben, durchhallt das Schiff, mehrfach wiederholt, bis in den fernsten Winkel. Wer könnte da ruhig sitzen? Wie electrisirt springt Alles auf; die Offiziere eilen schnell in die Kammern, den Säbel holend, auf ihre Stationen und leiten die Maßnahmen, die, wenn auch nur zur Uebung, doch mit dem ganzen Eifer und Ernst der Wirklichkeit durchgeführt werden. In erster Linie muß die Hauptwaffe des Schiffes, seine Artillerie, gefechtsbereit sein, schon weil diese den Kampf auf weite Entfernungen eröffnet. Die Geschlltzmannschaften ent fernen daher zunächst mit fieberhafter Hast die Zurwings, welche daS Geschütz in See an der Bordwand oder dem Deck festlegen und laden die Kanonen, sobald von den Munitions männern Granaten und Kartuschen herbeigeschafft sind. Heutzutage geschieht daS mit elektrischen oder hydraulischen Aufzügen, welche das Nöthige mit großer Schnelligkeit zur Stelle bringen. Früher dagegen mußte jedes Geschoß, jede Kartusche durch Handkraft besonders aufgeheißt werden, was natürlich nicht nur viel mehr Personal, sondern auch erheblich längere Zeit erforderte, so daß die Bedienungs mannschaften der Geschütze gar manchmal auf die Munition wagten mußten. Ehe diese zur Stelle ist, darf das Ge schütz aber nicht geladen werden, auch wenn es nur zum Schein geschieht, denn die Geschoßträger der Geschütze müssen die Granaten, die Kartuschträger die Kartuschen ordnungS- mäßfg herbeischleppen, seien es solche für die leichten Ge schützt bei denen keine besondere Kraftanstrengung er- sordealich ist, leien eS solche schweren Kalibers, die mTrans- portnvagen oder an Laufkatzen auf Schienen mühsam heran- zuhol,»n sind. Das Munitionsmannen ist überhaupt ein sehr Nichtiger Factor im Gefecht. Es darf keine Stockung darin Eintreten, damit nicht deshalb event. ein Schuß wo möglich nock> im günstigen Augenblick zu unterlassen werden braucht,* wahrend andererseits auch nicht zu viel Munition auf den Geschützen Herumliegen darf, weil diese sonst durch einschlageMde Granaten selber zur Explosion gebracht werden können. Hei den modernen Schnellladrkanonen ist aller dings nichkt zu befürchten, daß während dei eigentlichen Feuerns ein Zuviel an Munition eintreten könnte, da es Mühe genug macht, ihrem Schnellfeuer die nöthigen Pa tronen zuzuführen. Damil die Geschütze ein freies Schußfeld haben, räumen unterdessen die Oberdecks-Mannschaften die Geländer und Alles in der Schußlinie fest oder lose Liegende fort, das Torpedopersonal ladet die Ausstoßrohre, andere Leute wieder schließen die Schlottthüren sowie die Seitenfenster und machen die Pumpen klar, während der Arzt mit seinen Ge hilfen im Zwischendeck an geschützter Stelle ein besonderes Lazareth, den Verbandsplatz, aufschlägt. Alles jagt durch einander, knufft und stößt sich und doch herrscht eine ver- hältnißmäßige, auffallende Ruhe bei all' dem Wirrwarr, aus welchem sich gar bald feste Formen, eine tadellose Ord nung entwickeln. DaS Schiff ist gefechtsbereit! Aus den mit kleincalibrigen Geschützen und Maxim- Gewehren gespickten Gefechtsmarsen ist der Feind zuerst ge sichtet worden. — Sofort wird auf ihn abgehalten. Die Schornsteine qualmen in Folge des Bewerfens der Feuerun gen entsetzlich. Dazwischen sieht man die Mast-Semaphor oder Flaggensignale des Flaggschiffes und in voller Fahrt rauschen die Gegner auf einander zu. Die gemessenen, sich schnell verringernden Entfernungen werden an den Visiren der Kanonen eingestellt, ungeduldig warten die Geschützführer der Buggeschütze auf das Com mando zum Eröffnen des Feuers und da! Da blitzt, begleitet von dumpfem, schwerem Schlage auch schon der erste Schuß auf, dem sich nun in rascher Folge weitere anschließen. Die Spannung der anderen Geschützmannschaften wächst mit jedem Augenblick! Will sich denn daS Ziel noch immer nicht heranbequemen? Das dauert ja eine Ewigkeit! Wartet nur, Ihr kommt auch an die Reihe und werdet noch genug zu thun haben! — Mit dem Nähern der feindlichen Parteien verstärkt sich das Geschühfeuer zusehens, um beim Passiren der Linien seinen Höhepunct zu erreichen. Zwischen die tiefen, grollen den Schläge der schweren Kanonen, zwischen die scharf abge rissenen der Schnellladegeschütze, die mit grauenhafter Ge schwindigkeit aufeinander und durcheinander ertönen, mischt sich daS hohngelächtergleiche Geknatter der Marim-Gewehre. Kurz, es ist ein Höllenlärm! Alles ist im Nu in dichten Pulverdampf gehüllt, aus dem nur dann und wann, wie in Nebelschleier gehüllt, ein großer Schiffsrumpf auftaucht, oder die Mastspitzen sichtbar werden. Ein Donnerschlag, als ob die Erde berste, erschüttert plötzlich die Luft, ihm reihen sich weitere an. — Das sind die Breitseitlagen der schweren Geschütze, Concentration genannt. Auf einen Punct gerichtet und zugleich abgefeuert, schmettern die Feuerschlünde eine über hundert Centner schwere Eisen- und Stahlmaffe dem Feinde entgegen. Trifft sie, dann wird er wohl fiir's Nächste genug haben! Nicht allein der Stoß dieser, Zehntausende von Mrtertonnen be tragenden Kraft, dem schwerlich auch der festeste Verband widerstehen kann, tritt hierbei in Wirkung. Nein, ihm folgt unmittelbar die Explosion der ganzen Masse, die mit noch stärkerem Knalle vor sich geht, als das Adfeuern der Ge schütze. Das Alles aus ziemlicher Nähe! Es schaudert Einen, sich .'as Bild der fo.genoen Zerstörung auszumalen. Die Einzelschüsse stehen den Lagen auch nicht so sehr nach! Bedenkt man, daß unsere langen 28 Centimeter- Kanonen auf den modernen Schiffen eine Schußtafel bis zu 15 000 Metern, also zwei deutschen Meilen haben, so wird man sich leicht sagen können, mit welch' wahnsinniger Vehemenz eine fast meterlange Granate — ein reiner Bolzen — aus dem Rohr geschleudert werden muß, um solche Ent fernungen zu erreichen. Dort, dort! Torpedoboote! In einer Lücke des Pulver dampfes, nur auf einen Augenblick, kommen diese, sich überall einmengenden, unheimlichen und gefürchteten Schnellläufer zum Vorschein. Wie wahnsinnig feuern Alle darauf los, die Pulse schlagen zum Zerspringen. Leben oder Tod ist die Losung jetzt! Gelingt eS einem dieser schwarzen Unholde, einen glücklichen Schuß abzugeben, so ist das Schicksal des getroffenen Schiffes wohl meist besiegelt, denn 80—100 Kilogramm Schießbaumwolle, unter der Wasserlinie am Schiffsboden explodirend, dürften genügen, um den Untergang herbeizuführen. Wenn man die gefähr lichen Angreifer nur sehen könnte! — Meist sind sie im Moment des Jnsichtkommens auch schon wieder ver schwunden. Nur aus den Marsen kann man sie längere Zeit verfolgen und da nimmt es denn nicht Wunder, daß jene geradezu Feuer speien. Jetzt dreht das führende Schiff plötzlich nach dem Gegner zu, der dasselbe Manöver ausführt und von Neuem beginnt der Tanz; wieder passiren sich die Linien, bis die Schiffe im Ernstfälle so zusammengeschossen sind, daß einzelne liegen bleiben und damit der Kampf nach Lösen der Geschwader- Verbände zu einem Einzelgefecht ausartet. — Hier beschäftigen sich zwei Schiffe damit, ein feindliches klein zu bekommen, das sich heldenmüthig bis auf den letzten Mann wehrt, zuweilen durch geschicktes Manövriren sogar den Sieg an seine Flagge zu bannen weiß; dort wieder braust so ein Panzer-Koloß von über 10 000 Tonnen Wasserverdrängung heran, um mit dem Sporn, der gefähr lichsten Waffe neben dem Torpedo, seinem hilf- und steuer losen Gegner den Todesstoß zu versetzen. Da hinten ist ein Schiff in Brand gerathen! Ein Theil der Mannschaft arbeitet an den Pumpen, von der Maschine kräftig unterstützt, um des FeuerS Herr zu werden. Die nächste Pulverkammer wird unter Wasser gesetzt, die Ge- schütze fahren aber fort zu schießen. Sie erhalten die Mu nition aus Umwegen und in den schwarzen Rauch des Feuers mischt sich der weiße Pulverdampf. Ein grauenhaftes Bild der Verwüstung überall! WaS nicht zu formlosen Massen zusammengeschofsen. Dank dem Jntactbleiben seiner Maschine dem Untergange entgeht, fällt unerbittlich dem Feinde und der See zum Opfer. Hunderte von Menschenleben, prächtige Schiffe, Kunstwerke der Technik, die mit einem Aufwande bis zu 20 Millionen Mark in langen Jahren erbaut wurden, sind nach wenigen Stunden vernichtet, vielfach weniger durch eigenes Verschulden, wie in Folge geringeren Glückes, als es dem Gegner hold war. Natürlich hängt bei gleichen Chancen die Hauptsache von dem Flottenführer ab! Aber auch dieser mag noch so tüchtig sein, wird er nicht von den Commandanten seiner Schiffe verstanden und unterstützt, so kann er auf einen Er folg nicht rechnen. Nelson verdankte seine großartigen Siege zum größten Theil seinen Unterführern, seinen klaren Dispositionen und dem Heldenmuthe der Besatzungen. Seine Schiffe waren kaum besser, als diejenigen seiner Gegner. Vergegenwärtigt man sich die Schwierigkeit, durch den Pulverqualm hindurch dem Flaggschiff zu folgen, die Posi tion im Geschwader einzuhalten und unter dem ohren zerreißenden Getöse der eigenen und fremden Schiffe, des Crepirens der aufschlagenden Granaten an der exponirtesten Stelle kaltblütig auszuharren und seine Befehle zu ertheilen, so kann man nicht umhin, diese Commandanten zu be wundern. Sie haben die größte Verantwortung und den schwersten Posten. Zwar sind für die Commandanten auf allen Commandobrücken besondere Thüren vorgesehen, in denen hinter mäßigem Panzerschutz Steuerruder, Maschinen telegraphen, Sprachrohre und dergleichen mehr münden; doch was hält solch' ein Thurm aus? Eine schwere Granate fegt ihn mit allem Inhalte schlank über Bord. Er schützt nur gegen das Feuer aus kleineren Calibern, behindert dafür aber auch die freie Aussicht. So lange man diese nur hat, geht es aber noch. Die an Deck befindlichen Menschen sehen wenigstens — wenn auch nur durch Pforten — was rund herum geschieht. Die armen Leute unter Deck aber und namentlich die Heizer bezw. das Maschinenpersonal sind ganz unten im Schiff wi» lebendig begraben. Alle Luken verschließen Panzergitter gegen Sprengstücke der Granaten. Sämmtliche Kessel sind in Thätigkeit, die Hitzegrade unerträglich. Die Ventilatoren führen statt frischer Luft Pulverrauch zu und dabei nichts zu sehen, unbekümmert die Pflicht und Schuldigkeit thun. Fürwahr, das ist keine Kleinigkeit, zumal wenn man berücksichtigt, daß bei etwa untergehendem Schiff ein Herauskommen so gut wie ausgeschlossen, der Tod unver meidlich ist. Dabei hört man unten die dumpfen Schläge der Schüsse eine beredte Sprache reden, die Einen ständig daran gemahnt, was da oben vor sich geht. Eine moderne Seeschlacht dürfte zweifellos den furcht barsten Kampf vorstellen, den man sich denken kann. Da wetteifern Artillerie, Sporn und Torpedo miteinander, um den Gegner zu vernichten, ein Entrinnen ist so gut wie aus geschlossen und die eine Partei wird daran glauben müssen. WaS den Waffen deS Feindes allein nicht zum Opfer fiel, sinkt in die Tiefe des Meeres. Aber auch der siegende Theil wird nur in trostlosestem Zustande die Kunde von seinem Erfolge der Heimath überbringen, gar manches stolze Schiff nimmer wiederkehrrn. Hoffen wir, daß, wenn eS in Zukunft einmal zu einer solchen Seeschlacht kommt, wovor uns der Himmel bewahren möge, unsere junge Marine als Siegerin daraus hervorgeht. Mit Ehren wird sie jeden Kampf be stehen, da» unterliegt keinem Zweifel.
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