01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971015013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-15
- Monat1897-10
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Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ti 60.—, mit Postbeförderung 70.—. —-o-v->— A»«ah«tschluß für Anzeige«: Ab end »Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filiale» und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeige» sind stet» an di« Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 15. October 1897. 91. Jahrgang. urtheilt. Da» Blatt selbst aber hat Aweifel au der Unschuld Liebknecht'» verrathen, indem e» seiner Zeit die der Ver- urtbeiluna zu Grunde liegende Stelle au» dem Berichte über die BreSlauer Rebe seine« Redacteur» ausmerrte. Dieselbe Vorsicht haben andere socialdemokratische Blatter walten assen. Dieser seiner juristischen Bedenken gegen die Rede Liebknecht'» thut der „Vorwärts* in seiner Besprechung der reich»- gerichtlichen Entscheidung keine Erwähnung. Sonst könnte er eben nicht sagen, die Berurtheilung Liebknecht'» sei „im beson- dereu Maße charakteristisch* für die Entwickelung unserer Justiz. Wenn eiu Gericht eine beleidigende Aeußerung eine» Social» demokrateu da erblickt, wo auch soeialdemokratische Blätter da» Vorhandensein einer Beleidigung mindesten» vermuthet habeu, o ist dabei gar nicht» „Charakteristische»*. Wa» den Kall Liebknecht al- einen Anlaß zu Be trachtungen geeignet erscheinen läßt, liegt auf einem Gebiete, da- den Gerichten überhaupt verschlossen ist, dem politischen. Liebknecht wollte, darauf gründet sich eben seine Berurtheilung, die incriminirten Ausdrücke im Zusammenhang mit einer öffentlichen Ansprache de» Kaiser» von seinen Zuhörern aufgefaßt haben und hat seinen Zweck erreicht. Juristisch ist die Thatsache, daß gewissermaßen eine Entgegnung vorliegt, irrelevant, da e» sich um die Person de» Kaisers handelt. Wenn die „Bossische Zeitung" fragt, wie man sich denn heutzutage zu fürstlichen Reden stellen solle, so muß, soweit Versammlungsredner und Schriftsteller in Frage kommen, die Antwort nach wie vor lauten: nach Maßgabe de» Gesetze». Eine andere Frage ist e», ob da» Gemeinwohl nicht schweren Schaden leiden muß, wenn fürstliche Reden, die Widerspruch herauSfordern, sich derart Häufen, wie e» in unseren Tagen geschieht. E» ist schon gewiß nicht heilsam für da» öffentliche Leben, wenn die Erörterung von Monarchenreden juristisch entweder schweigende Ergebenheit oder einen Grad von Selbst beherrschung erfordert, den der Erörternde, weil Angegriffene, mit der Billigkeit kaum im Einklang bringe» kann. Solche Selbstüberwindung hat sich eine Reihe von BerufSclassen und auch eine nicht geringe Anzahl von Privatpersonen auf erlegen müssen. Indessen diese» Gefühl der rechtlichen Be- nachtheiligung von Gruppe« und Einzelnen ist »och da» kleinere Uebel. Da» ohne Borwissen der verantwortlichen Minister erfolgende Eingreifen in staatliche Dinge, die ganz doch nur der Minister übersieht, kann auf die Dauer nicht ohne tief fressenden Schaden für den Staat bleiben. Um nur ein Beispiel au» dem inneren Leben anzuführen: r» erleidet keinen Zweifel, daß die monarchische Initiative dem höheren Schulwesen Preußen» nicht zum Vortheil gereicht hat. Manche ihr entsprechende Neuerungen mußten bereit- wieder fallen gelassen werden. Daß andere nicht dem gleichen Schicksale verfallen sind, gereicht der großen Mehrzahl der Fachmänner zum Bedauern. Selbst im Interesse der SchuldiSciplin und der Erhöhung de» herabgedrückten Lerneifer» haben sich Schulbehörden zu An ordnungen gezwungen gesehen, die von der an oberster Stelle gegebenen Richtschnur dem Geiste nach abweichen. Weit ge fahrvoller al» innerstaatliche Angelegenbeiten vermag aber ein persönliche-, die Deckung durch den Minister verschmähen de» Hervortreten in der au-wärtigenPolitik sich zu gestalten. Dessen ist man sich neuerdings besonder» klar bewußt ge worden. Der „Reichsanzeiger* dürfte sich in gegentheiligen Versicherungen erschöpfen, kein Mensch würde glauben, da j die Trinksprüche de» Kaiser» in Petersburg und Pest nicht über den Rahmen der vom Auswärtigen Amte verfolgten Politik hinauSreichrn. Noch weniger denkbar ist rS, daß diese Behörde immer in der Lage sein wird, sich ohne Schaden für die deutschen Interessen dem Rahmen der kaiserlichen Kundgebungen anzupassen. Die Möglichkeiten einer von den verantwortlichen Staatsmännern nicht gewollten plötzlichen und Entscheidungen fordernden Verschiebung der politischen Situation ist nicht abzu weisen und bildet die Quelle tiefster Besorgniß selbst in den Kreisen derjenigen Gebildeten, die durch ihren Beruf vor einer grund sätzlichen Abneigung gegen nicht lediglich diplomatische Ord nung europäischer Mißhrlligkeiten geschützt sind. Die deutsche Schifffahrt in italienischen Hafen. D Der Aufschwung der deutschen Schifffahrt tritt auch im Verkehr der italienischen Häfen merkbar hervor. E» ist eine erfreuliche Tbatsache, daß die deutsche Flagge nicht nur im roßten italienischen Hafen, Genua, an Bedeutung und lmfang die dritte Stelle e,«nimmt, sondern auch im Ge- ammtverkehr der italienischen Häfen diese Stellung zu erringen vermochte. Der Schiffsverkehr unter deutscher Flagge folgt unmittelbar dem englischen und dem italienischen. )n wie außerordentlicher Weise er sich in zehn Jahren entwickelt hat, zeigt eine Uebersicht, au» der hervor geht, daß die Zahl der deutschen Schiffe, welche in italienischen Häfen verkehrten, von 538 im Jahre 1881 auf 1205 im Jahre 1890, mithin um 667 Schiffe gestiegen ist. Die Tragfähigkeit nahm in diesem Zeiträume um 784 759 Register-Tonnrn zu; sie erhöhte sich nämlich von 388 179 auf 1 172 938 Register-Tonnen. Die Güterbewegung stieg um 361 671 Tonnen, nämlich von 88 287 auf 449 958 Tonnen. In dem genannten Jahrzehnt hat sich also die Anzahl der deutschen Schiffe, welche italienische Häfen besuchten, mehr al» verdoppelt, die Tragfähigkeit verdreifacht und die unter deutscher Flagge vollzogene Gütrrbewegung sich sogar ver vierfacht. Die deutschen, in» Mittelmeer und weiter nach dem Orient bestimmte» Schiffe laufen vielfach italienische Häfen an, theil» um sich ihrer Fracht zu entledigen, theil» auch um ihre Ladung zu vervollständigen; so berühren auch die Dampfer der subventionirten deutschen Ostafrika - Linie auf der Aus- und Heimreise Neapel. Genua und Neapel kommen für den Weltverkehr zunächst in Betracht. Beide Plätze werden auch von den subventionirten Postdampfer linien nach Ostafien und Australien al» Anlaufhäfeu benutzt. Mehr- noch al» der Schiffsverkehr Neapel» ist derjenige Genua» von Bedeutung. Genua hat infolge der Eröffnung der Gotthardbahn, durch welche dieser Hafenplatz eine bequeme, viel benutzte Verbindung nach Norden erkalten hat, einen bedeutenden Aufschwung genommen. Sein Seeverkehr, der 1884 2 374 483 4 betrug, stieg in 10 Jahren um 1 628 551 t, er war 1894 auf 4 003 034 t angrwachsen. Nicht nur im Zwischenhandel hat Deutschland sich eine sehr hervorragende Stellung erworben, die deutsche Schiff fahrt ist auch mit selbstständigen Unternehmungen von italienischen Häfen au» vorgegangen. Abgesehen davon, daß die große, in Genua domicilirte Dampfschifffahrts gesellschaft „La Veloce" zum großen Theil in deutschen Händen ist, hat die deutsche Schifffahrt den fast ausschließ lich über Genua nach Nordamerika gehenden Strom der italienischen Auswanderung an ihre Flagge zu fesseln ver standen. Trotz der Concurrenz zweier französischen, einer italienischen und einer englischen Gesellschaft behaupten die beiden deutschen Unternehmungen siegreich da» Feld. 1892 richtete der Norddeutsche Lloyd in Bremen eine direkte Linie Genua-New Jork ein und die Hamburg- Amerika-Linie folgte diesem Beispiel. Bon den 86 Reisen, die 1895 von Mittelmeerhäfen nach New Jork gemacht wurden, entfielen 36 auf diese beiden deutschen Unter nehmungen. 1896 wurden bereit» 44 Fahrten nach New Jork gemacht. Die Hamburg-Amerika-Linie, deren Verkehr 1893 noch ganz geringfügig war, machte 1896 7 Reisen und beförderte- 40l9 Passagiere nach New Dort. Der Nord deutsche Lloyd, der die Linie Genua-New Aork mit Schnell dampfern befährt, machte 1895 26 Reisen und beförderte 13 756 Passagiere; 1896 beförderte er auf 37 Reisen 18 780 Passagiere. Zu den ziffernmäßig nachzuweisenden Erfolgen der deutschen Schifffahrt kommt noch ein anderer: Da» häufige Anlaufen der stattlichen deutschen Handelsdampfer hinterläßt in jeder Hinsicht einen ausgezeichneten Eindruck. Durch jene würdigen Vertreter de» deutschen Unternehmungsgeistes wird da» Ansehen der deutschen Handelsflotte und des seefahrenden Deutschlands ganz wesentlich gehoben. Daher bedient man sich in Italien auch mit Vorliebe dieser Schiffe, sowohl im Personen- al» im Waarenverkehr. Bleiben die den deutschen Schiffen innewohnenden Eigenschaften diesen erhalten, dann wird die Anerkennung und da» Vertrauen um so größer sein. Deutsches Reich. O.U. Berlin, 14. Oktober. Die dänischen Metall arbeiter haben den deutschen ihren herzlichsten Dank für die geleistete Hilfe «»»gedrückt und betont, sie hätten es zum wesentlichen Theil« deutscher Hilfe zu danken, wenn sie m diesem Kampfe Sieger geblieben wären. Wie es mit diesem „Siege" bestellt ist, kann man auf sich beruhen lassen, aber die Thatsache, daß durch da« Eingreifen deutscher Arbeiter in einen ausländischen Streik (strikte Fernhaltung de» Zuzuge» und reichliche pekuniäre Unterstützung) das Ende desselben zu Gunsten der Streikenden verschob, verdient volle Beachtung. Es hat ja allerdings bei englischen, französischen, italienischen Lohnkämpfen an deutscher Hilfe niemals gefehlt, aber diese Hilfe war nicht bestimmend für das Ente des Ausstande» und unsere» Wissens liegt beim dänischen Metallarbeiterstreik der erste Fall vor, in dem aus ländische Arbeiter die bereit» verloren erscheinende Schlacht zu Gunsten ihrer College» zum Stillstand gebracht haben. Wa» in diesem Jahre sich ereignet, kann im nächsten sich wiederholen. Die Schaffung internatio naler Arbeitgeberverbände hat sich bis jetzt nicht er zielen lassen; aber sie wird eine immer dringenvere Noth- wendigkeit und wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir behaupten, daß die Zeit nicht mebr fern ist, in der die Arbeitgeber bei großen Lohnkämpfen sich ebenso solidarisch verbunden fühlen werden, wie die Arbeitnehmer der verschiedensten Staaten. Keine Woche vergeht, in der nicht fremdländische Arbeiter mit Bitten um Hilfe die deutschen angehen, und selten wird eine solche Bitte abgeschlagen. In drn letzten Tagen haben sich zu den englischen Maschinenbauern Steindrucker und Litho graphen in Pari», Korbmacher in Kopenhagen, Buchbinder in Bern gesellt. Daß bei solchen Auflagen der Lohn der deut schen Arbeiter nicht mehr «»»reicht und daß die Lohnforde rungen immer höher werden, ist begreiflich. Die Lage der deutschen Arbeitgeber wird sich daher immer schwieriger ge stalten, wenn sie da» Beispiel der Arbeitnehmer nicht nach ahmen. U Berlin, 14. Oktober. Wenn in der der Landwirth- schaft nahestehenden Presse mitaelheikt wird, eS sollte eine landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft von der Regierung angehalten werden, Unfallverhütungs vorschriften zu erlassen, so kann die Mitthrilung in dieser Form natürlich nicht richtig sein. Der tz 87 des landwirth- schaftlichen Unfallversicherungsgesetzes giebt den Berufs genossenschaften die Befugniß zum Erlaß solcher Vorschriften, legt ihnen aber eine Verpflichtung nicht auf. Also von einem Zwang zum Erlaß der Vorschriften kann nicht die Rede sein. Wohl aber thäten die landwirtbschaftlichen Berufsgenoffenschaften gut, von der ihnen verliehenen Be fugniß mehr al» bisher Gebrauch zu machen und darin dem Beispiele zu folgen, welche- ihnen die mit recht wenigen Ausnahmen zum Erlaß der Vorschriften übergegangenen gewerblichen Berufsgenoffenschaften gegeben haben. Die Statistik der schweren Unfälle, d. b. derjenigen, welche mit völliger dauernder Erwerbsunfähigkeit oder mit dein Tode verbunden sind, zeigt, daß die Unfallverhütungsmaßnahmen in den gewerblichen Betrieben auch finanziell für die BerufSgenossenschaften von Vortheil gewesen sind. Bor Allem aber kommt e» darauf an, Gesundheit und Leben der Arbeiter, soweit al» nur irgend möglich, zu erhalten. Die deutschen Arbeitgeber sollen sich dabei insgesammt keine Vorwürfe machen lassen dürfen, und wenn einzelnen landwirtbschaft lichen BerufSgenossenschaften die vom ReichS-Versicberungs- amte ausgestellten Normal-UnfallverhütungSvorschriften nicht passen, obschon sie doch von Anderen mit Erfolg eingefübrt sind, so können sie ja auf einem anderen Wege zum Ziele 526. Der neueste Fall Liebknecht. L Da» Reichsgericht hat bekanntlich da» Urtheil der BreSlauer Strafkammer, welche- den Abg. Liebknecht z« vier Monaten Gejänzniß wegen einer in der Eröffnungsrede znm BreSlauer Parteitag vor zwei Jahren begangenen MaiestätSbeleidiguug verurthrilte. bestätigt. Die Fortschritt»- presse kuüpst an diese Bestätigung Betrachtungen, die die Sicherheit der Freiheit der Rede in Wort und Schrift betreffen. Bei der Gelegenheit fallen natürlich auch einige Schmeicheleien für den äolus svautualis ab, der, wie herkömmlich, al» eine neue Erfindung bezeichnet wird, während er in Wirklichkeit ein alte», auch von demo kratischen Juristen al» unentbehrliche» Requisit einer Rechtspflege, die sich nicht zur Närrin von Gesetzes übertretern herabwürdigen will, erkannt worden ist. Be leidigungen gegenüber ist die Anwendung de» Begriffs gewiß eine sehr difficile; wa» jedoch den Proceß Lieb knecht'» angeht, so halten wir nicht mit dem Ausdruck unserer Ueberzeugung zurück, daß der Herr beleidigen wollte, daß er darauf rechnete, seine Worte würden bei den socialdemokratischen Zuhörern al» beleidigende erfreuen, und daß er bei der Wahl seiner Redewendungen nur von der Absicht gelenkt war, Staatsanwalt und Gericht ein Schnippchen zu schlage». In dieser Ueberzeugung werden wir bestärkt durch die folgenden Stellen au» dem Berichte de» „Vorwärts* über den soeben abgehaltenen socialdemo- krarffchen Parteitag: „Aatzenstein: Ich finde e» auch nicht richtig, daß Bebel in seiner Rede über den MajestätSbeleidigungSparagrapheu, al- ihn der Präsident unterbrach, erklärte, er hätte ja keinen Name« genannt. Bebel: . . . Dann meinte Aatzenstein, e» sei ihm nicht paffend erschienen, daß der Redner unserer Partei bei der Mojestätsbelrtdignng-debattr dem Präsidenten gegenüber erklärte, ich hab« keinen Namen genannt. Ich bin der Meinung, daß meine Red« bet der bewußten Debatte eine vergleichsweise gute Red« war, und di« Gegner haben auch diese» Eindruck gehabt. Nach der Praxi» Le» Reichstag» darf der Name de» Kaiser in keiner Weise in die Debatte gezogen werden. Und um meine Rede überhaupt halten zu können, hab« ich diese» Verbot dadurch umgangen, daß ich de» Namen und den Titel de» deutschen Kaiser» gar nicht in den Mund genomme» habe, aber trotzdem Alle», wa» ich sagte, eigentlich nach einer bestimmten Stell« hin richtete. Da» scheint auch der Präsident gemerkt zu haben. Er unterbrach mich unter Hinweis auf die Geschäftsordnung und da habe ich einfach in der Abwehr gegen den Präsidenten — beinahe hätte ich Polizeipräsidenten gesagt — erwidert: Ich habe keinen Name» genannt. Zu dieser Abwehr war ich berechtigt und ver pflichtet und r» ist durchaus falsch, daß meine Aeußerung einen Sin» gehabt hat, den ihr Aatzenstein gab . . ." Herr Liebknecht hat die Behörden in der Annahme, sie würden sich ein Schnippchen schlagen lassen, unterschätzt. Die Bejahung der Schuldfrage erscheint uu» bei der Lage de» Falle» al» ein Ausfluß de» gesunden Menschenverstände», wie er bei juristischen Deduktionen und insbesondere bei solchen, die sich um den äolus eventaulis drehen, «ich immer beobachtet wird. Da» glaube» wir auf die Gefahr der Verlästerung hin aussprechen zu müssen. Ueber die Thatsache der Bestrasirng eine» zweiund siebzigjährigen Manne» empfinden wir jetzt ebensowenig Genugthuung, al» wir und die bürgerliche Presse überhaupt nach der Veröffentlichung de» laudgerichtlichea Erkenntnisse» gegen Liebknecht einem derartigen Gefühle zugänglich gewesen sind. Der „Vorwärts", der hämische Freude de» Gegner» constatirt, macht sich dieser Unwahrheit nur schuldig, um in juristisch unfaßbarer Form die Meinung zu erwecken, da» Bre»lauer Gericht habe al- Organ einer Classenjustiz nach dem Herzen der Elaffrugrnoffea ge- FariiHet»«. Zwei Laseler Maler. Anr Böckltn - Holtet« - Feier, 14. vctoter. Bo» Theodor Lamprecht. Nachdruck vrrbotru. ES ist ein seltenes und schönes Fest, das am 16. Oktober die ehrwürdige Stadt Basel und mit ihr ganz Deutschland und die gesammte Kunstwelt begeht. An diesem Tage tritt der Künstler, der mehr als irgend ein Anderer in diesem Jahrhundert Schönheit empfunden, Schönheit geschaffen und in unser TageSleben Schönheit hineingetragen hat, — tritt Arnold Böcklin in daS achte Jahrzehnt seiner Lebens. Und eine holde Fügung, die Alt und Neu sinnvoll und glän zend, wie mit einem Regenbogen, verbindet, hat e> gewollt, daß gerade vor 400 Jahren Basels zweiter großer Sohn, der jüngere HanS Holbein, daS Licht der Welt erblickt hat. Selvft m unserer fefiereichen Zett ist dies Fest eine Selten heit. ES mahnt uns, die Hast und den Lärm des Marktes hinter unS zu lassen und zu wahrer Feier in die heilige Rühe di-» Tempels der Kunst einzutreten; eS mahnt unS, den Besitz, Hen wir in den beiden Herrlichen haben, von Neuem unS zu Wwerben, indem wir unS in ihr Wirken^dersenkm nnd eS «S wahrhaft lebendig machen. A 1- H-a»S Holbein der Jüngere. Dürer And Holbein werden als die großen Häupter unserer vaterländisch» Kunst in der RrformationSzeit ge wöhnlich züfJtzmmr geaamtt. Ater tu Einem vor allem gehen ihre Charaktere auseinander. In Dürer verkörpert sich der germanische Hang zum Tiefsinn und zur Mystik, in Holbein der gesunde Wirklichkeitssinn und die schlichte Wahrheitsliebe der Germanen. Dürer'S gedankenschwere Werke sind zuweilen durch ihren symbolischen Beisatz, durch ihre grüblerische Tiefe dem einfachen Manne, dem Volke schwer verständlich; bei Holbein ist Alles einfach und klar, fest und bestimmt. So ist Dürer zum Vertreter der höchsten künstlerischen Bildung, die Deutschland hervorgebracht hat, geworden, HanS Holbein aber zu dem größten deutschen Volkskünstler. Und diesem seinem künstlerischen Wesen entspricht sein LebenSgang. Er ist einfach, ruhig, abenteuerarm gewesen. Nichts von jenen starken Entwickelungen, die wir bei Meister Albrecht wahrnehmen, können wir in Holbein'S Schaffen be obachten. Wie ein Baum, der in gutem Erdreiche wurzelt und von Regen und Sonne reichlich genährt wird, ohne Makel, ohne Zögern und Irren wächst sein Leben und Schaffen markreich, mächtig und kerngesund auf. Und freilich war daS Erdreich günstia. Schon sein Bater, der ältere HanS Holbein, war ein Künstler, und ein großer Künstler. Seine Stärke lag in lieblich-innigen Darstellungen, in denen der Seist Fra Angelico'S in» Ger manische übertragen und mit Martin Schongauer'» knospenhafter Schönheit vermählt schien. Seine beiden Söhne, AmbrofiuS — „Prosy* — und HanS, waren noch sehr jung, al» er von Augsburg nach Basel überfiedtte. So wurde Han» Holbein ein Baseler. Er scheint sehr früh ent- wickelt gewesen zu sein. Auf einer Zeichnung, die der Vater in seinem 11. LrbenSjabre von ihm herstellte, blickt er schon so märmlich, Aar und klug, daß wir auf eim ungewöhnlich« Reife des Geistes schließen müssen. DaS wird durch sein Wirken bald bestätigt. Beide Söhne wurden Maler, wie der Vater. Bruder Prosy ist allem Anschein nach früh verstorben; in Han» aber trat die Vererbung des Talents, die die gute Seite der Be- rufStradition in der Familie bildet, ganz überraschend her vor. Schon aus dem Jahre 1514, also au» Holbein'S 17. Lebensjahre, kennen wir eine Madonna von seiner Hand, die ja natürlich noch unfertig und nicht eben sehr selbstständig ist, im Uebrigen aber in Anordnung und Durchführung eine solche Treffsicherheit zeigt, daß eS unS klar wird, mit welcher fast instinktiven Selbstverständlichkeit der halbwüchsige Jüngling auf sein Ziel loSging. Seit diesem Zeitpunkt ist Holbein ununterbrochen künstlerisch thätig gewesen. Nur vergessen wir nicht, daß die unbe gründete und verhängnißvolle moderne Auffassung, als ob der Künstler sich etwas vergebe, wenn er sich mit etwa» An derem, al» mit Bildermalen, beschäftige, jener Zeit völlig fremd war. Holbein hat — und nicht nur in seinen An fängen, sondern sein ganze» Leben lang — alle» ergriffen und fröhlich auSgeführt, wa» in sein „Handwerk* schlug. Er hat Bücher illufirirt und Kostümzeichnungen entworfen, Alphabete erfunden und Vorlagen für SlaSfenster herge- fiellt, hat für Goldschmiedearbeiten, für Knöpfe, Borten und Quasten Entwürfe gezeichnet. Gerade au» seiner Früh- zeit haben wir für diese Seite seine» Schaffen» einen ebenso interessanten al» ergötzlichen Beleg. Ein ehrsamer Baseler Schulmeister wünschte da» Publicum darauf aufmerksam zu machen, daß bei ihm Erwachsene wie Kinder „utz dem aller- kürzifien grundt deutsch schreiben und läsen" lernen könnten, und Holbein verfertigte ihm zu dem Zwecke zwei Tafeln. Ja, daS sind nun „nur" zwei Firmenschilder (modern zu sprechen); aber auf dem einen ist eine Kinderschule, auf dem anderen der Unterricht an Ewachsene mit solch charak teristischer Anschaulichkeit, mit so viel lebensvollen Details geschildert, daß sie nichtsdestoweniger ganze Kunst werke sind. Im Jahre 1517 ging Holbein dem Brauche gemäß auf die Wanderschaft, die ihn nach Luzern und vielleicht auch ein Stück nach Italien hineinführte. Zurückgekehrt, wurde er 1519 in die Malerzunft ausgenommen, leistete im Folge jahre der Stadt den Bürgereid und ehelichte Frau Elsbeth, eine ehrsame Wittwe, die ihm bald zwei Kinder, Philipp und Katharina, schenkte. So war er denn nun zünftiger Bür ger und Hausvater und es galt für Weib und Kind sorgen und fleißig sein. So jung er war, hatte er doch bereits zwei Meisterwerke geschaffen: das Doppelbildniß deS Bürger meisters Meyer und seiner Frau und daS Portrait des BonifaziuS Amerbach, — Werke, in denen sich seine Bildniß- kunst bereits in ihrer ganzen Vollendung offenbarte. Ihnen folgte 1521 jene mächtige Actstudie deS Christus im Sarge, deren herber Realismus gerade durch die Beziehung aus den Gegenstand der Darstellung überaus erschütternd wirkt. DaS Jahr 1522 brachte in der Madonna von Solothurn daS Lieblichste, war Holbein'S Pinsel geschaffen hat, und 1526 vollendete er jene weltberühmte Madonna des Bürger meister» Meyer, in der wir da» Höchste, wa» die Deutschen in der Madonnendarstellung geleistet haben, erblicken dürfen. Nimmt man dazu die Illustrationen zur Offenbarung, die Bilder zum Alten Testamente und den grandiosen Todten- tanz-CycluS, so erkennt man, wie eifrig der Meister war. Auch war sein Ruf schon so verbreitet, daß er hoffen durst-
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