02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971108028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
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Viel mehr sollen nur bis zu einer grundsätzlich zu erstrebenden reichSzesetzlichen Regelung des Gegenstandes, die aber zur Zeit nicht ausführbar erscheint, die wichtigsten Grundsätze über die Behandlung der zu einer Freiheitsstrafe verurthcitten Gefangenen festgestellt werden. Von den wesentlichsten Be- stimmungen seien hier folgende hervorgeboben: Die ersten Paragraphen regeln die Unterbringung der Gefangenen. Weibliche Gefangene sollen in der Regel in besonderen Anstalten (Abtbeilungen) untergebracht werden; auch sollen zur Bewachung weiblicher Gefangener möglichst weibliche Bedienstete verwendet werden. Jugendliche Gefangene sollen von erwachsenen Gefangenen streng getrennt geballen werden. Für Neubauten wird daö Mindestmaß des Luft raums in Einzelzellen und in Sammelräumen festgestellt. Der Luftraum der Einzelzellen soll mindestens 22 Cubikmeter betragen und das Fenster eine Lichtfläche von mindestens I Quadratmeter haben. Bei Räumen, die zum Aufeutbalt eines Gefangenen nur bei Nacht und in der arbeitsfreien Zeit bestimmt sind, beträgt das Mindestmaß des Luftraums II Cubikmeter. In gemeinschaftlichen Aufenthaltsräumcn sollen 16, in gemeinschaftlichen Schlafräumen 10 und in gemeinschftlichen ArbeilSräumen 8 Cubikmeter auf die Person entfallen. Die Einzelhaft soll vorzugsweise angewendet werden, wenn die Strafe die Dauer von drei Monaten nicht über steigt oder der Gefangene das 25. Lebensjahr noch nicht Voll ender oder Zuchthaus, Gcfängniß- oder geschärfte Haftstrafe noch nicht verbüßt hat. Jedoch sollen Gefangene unter 18 Jahren ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde nicht länger als drei Monate in Einzelhaft gehalten werden, und diese ist völlig ausgeschlossen, wenn von ihr Gefahr für den körperlichen oder geistigen Zustand des Gefangenen zu besorgen ist. Endlich soll jeder in Einzelhaft befindliche Gefangene täglich mehrmals von Anstaltsbeamten, sowie monatlich mindestens einmal vom Vorstand und dem Arzt besucht werden. Bei Gemeinschastshaft sollen die Gefangenen wenigstens für die Nacht möglichst von einander getrennt werden. Auch bei Tage sollen die im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindlichen und noch nicht mit schwerer Freiheits strafe vorbestraften Gefangenen von Gefangenen schlimmerer Art so viel wie möglich abgesondert werden. Was die Beschäftigung der Gefangenen anbetrifft, so soll von der durch das Strafgesetzbuch eingeräumlen Befug- rüß Zur Zuweisung von Arbeit in der Regel Gebrauch gemacht werden. Ausnahmsweise kann Gesängniß- sträflingen, sofern sie im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sich befinden und Zuchthausstrafe noch nicht verbüßt haben, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde gestaltet werden, sich selbst zu beschäftigen. Bei der Zuweisung von Arbeit soll auf den Gesundheitszustand, die Fähigkeiten und das künftige Fortkommen, bei Gefängnißsträflingen aber auch auf den Bildungsgrad und die Berussverhältnifse Rücksicht genommen werden. Bei Jugendlichen soll außerdem besonderes Gewicht auf die Erziehung gelegt werden. Die Verwerthung der Arbeitskraft der Gefangenen ist so zu regeln, daß die > Interessen des Privatgewerbes möglichst geschont werden. I Insbesondere soll darauf Bedacht genommen werden, dies Verdingung der Arbeitskraft der Gefangenen an Arbeitgeber möglichst einzuschränken, den Arbeitsbetrieb auf zahlreiche Geschäftszweige zu verlheilen und auf Lieferungen für die Staatsverwaltung zu erstrecken, unter allen Unlständechaber eine Unterbiet» ngversreicnArbeitzuvermeiden. Selb st- beköstigung, sowie der Gebrauch eigener Kleidung, Wäsche und eigener Bettsrücke wird den Gefangenen, die einfache Haft verbüßen, sowie den Festungsgefangenen ge stattet. Inwieweit diese Vergünstigungen auch den Gesäng- nißsträflingen zu Theil werden dürft», ist der Bestimmung der obersten Aufsichtsbehörde und den Hausordnungen Vor behalten. Abgesehen von den Zuchthaussträslingen soll eine Ver änderung der Haar- und Bart tracht nur aus Gründen der Reinlichkeit und Schicklichkeit einlreten. Besondere Bestimmungen sind für Krankheitsfälle, sowie über Seelsorge und Unterricht gegeben. Die jugendlichen Gefangenen sollen Unterricht in den Gegenständen der Volks schule erhalten, desgleichen die erwachsenen Gefangenen unter 30 Jahren, soweit sie dessen bedürfen. Täglich soll den Gefangenen, soweit eS ausführbar ist, mindestens eine halbe Stunde Bewegung im Freien ge stattet werden. Der schriftliche Verkehr der Gefangenen unterliegt der Aufsicht des Vorstandes. Eingaben an die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und au die Aufsichtsbehörde dürfen nicht zurückgchalten werden. Zur Aufrechterhaltung der Disciplin sind folgende Dis- ciplinarmittel für zulässig erklärt: Verweis, Entziehung hausordnungsmäßiger Vergünstigungen, Entziehung der Bücher und Schriften; bei Einzelhaft: Entziehung der Arbeit, Ent ziehung der Bewegung im Freien, Entziehung des BettlagerS, Schmälerung der Kost, Fesselung und einsame Einsperrung. Wo gegen Zuchlhaussträflinge zur Zeit noch andere DiSciplinar- mittel eingcsührt sind, dürfen auch diese in den bisherigen Grenzen angewendet werden. Die einsame Einsperrung kann auch noch durch Entziehung hausordnungömäßiger Ver günstigungen, durch Entziehung der Bücher und Schriften, durch Entziehung der Arbeit, durch Entziehung des Bett lagers, durch Schmälerung der Kost und durch Verdunkelung der Zelle geschärft werden. Dauert die geschärfte einsame Einsperrung länger als eine Woche, so fallen die schwereren Schärfungen am vierten, achten und dann an jedem dritten Tage fort. Gegen Gefangene unter 18 Jahren ist Fesselung sowie Schärfung der einsamen Einsperrung durch Verdunkelung der Zelle ausgeschlossen. Ihnen gegenüber kommen noch die in Volksschulen gegen Personen desselben Alters und Geschlechts zulässigen Zuchlnnttel zur Anwendung. Vor der Vollstreckung aller schwereren Disciplinarstrafen erkält der Arzt Gelegenheit, Bedenken dagegen geltend zu machen. Mindestens alle zwei Jahre einmal werden die Anstalten durch die Aufsichtsbehörde oder ihren Beauftragten besichtigt." Politische Lagesschau. * Leipzig, 8. November. In die an alle Gegner der Umsturzbewegung gerichteten Mahnungen, den Fractionshaoer zum Schweigen zu bringen und in geschlossenen Reihen dem gemeinsamen Feinde gezenüberzutreten, mischt sich zumeist eine Klage über den herrschenden „AractionSterrorismuS ", dem jener Hader wenn auch nicht seine Entstehung, so doch seine Stärke und seine Verbitterung verdanke. EiueSammlung aller staatserhaltenden Kräfte, so behaupten die Klagenden, sei nur möglich, wenn die staatSerhaltenden Parteien ihre Programme möglichst weit faßten und Niemand zu nöthigen suchten, auf jeden Programmpunct sich einzuschwören. Etwas Wahres ist an dieser Behauptung gewiß, denn nichts erschwert die Ver ständigung zwischen den Parteien mehr, als wenn jede von ihnen jede ihrer Forderungen und Wünsche als die Con sequenz eines Dogmas hinslellt, an daS zu glauben jeder Anhänger verpflichtet sei. Aber eben so schädlich wie die Versteifung auf jeden untergeordneten Programm punct wirkt die Verwischung der nationalen Grundsätze, an denen die staatserhaltenden Parteien festhalten müssen, wenn sie nickt die Geschäfte der gemein- jamen Gegner besorgen wollen. Leider aber begegnet man in neuerer Zeit nicht selten Kundgebungen von Parteigrößen, die in vollem Gegensätze zu den nationalen Grundanschauungen ibrer Fraktionen stehen, auf eine allzu starke Lockerung der ParteidiSciplin schließen lassen und weil mehr geeignet sind, de» gemeinsamen Gegnern Waffen zu liefern, als den Zusammenschluß der staatserhaltenden Parteien zu fördern. So wird jetzt wieder von einer Auslassung des freiconservativen Abg. vr. Otto Arendt berichtet, die nicht nur den directen Partei genossen dieses Herrn, sondern den konservativen Parteien überhaupt Anlaß geben sollte, diesem Herrn gegen über die Zügel der Parteidisciplin etwas straffer auzuzicben. Herr I)r. Arendt hat zu Denen gehört, die mit dem Fürsten Mescht scher Ski, dem Herausgeber des „Grasbdanin", bei seiner Anwesenheit in Berlin in Verkehr getreten sind. Dem Fürsten scheint dieser Besuch geschmeichelt zu haben, denn er berichtet darüber ausführlich in seinem Blatte. Er ist aller dings seinen russischen Lesern gegenüber so diskret, Herrn l)r. Arendt nicht mit vollem Namen zu nennen, sondern ihn nur als chauvinistisch-konservativen Abgeordneten « und zugleich als fanatischen Anhänger der Idee eines Friedens zu be zeichnen, der auf einer politischen und wirthschaftlichen An näherung Deutschlands und Frankreichs und einer Jsolirung Englands beruht. Aber für deutsche Leser genügt dies um so mehr, als der Fürst mitthellt, der betreffende Abgeordnete habe ihm am Tage vor dem Besuche seine im Jahre 1892 erschienene Broschüre „Deutschland und Frankreich" gesendet, die auch die elsaß-lothringische Frage berührt. Damals, im Jahre 1892, stand der Abg. Arendt zweifellos noch nicht aus der geschicht lichen und politischen Höhe, mit der er jetzt die elsaß- lothringische Frage dem Fürsten Meschlscherski gegenüber behandelte. Wie wird der unfehlbare Politiker und „Historiker", der alte socialdemokratische Führer Liebknecht jubiliren, den „chauvinistisch-konservativen" Abgeordneten annähernd zur socialdcmokratischen Geschichtsauffassung bekehrt zu haben! Arendt will allerdings von einer Rückkehr Elsaß-Lothringens unter französische Herrschaft nichts wissen, glaubt aber, baß diese beiden Provinzen in Folge ihrer Cultur und des doppelten Einflusses, den der französische und der deutsche Genius auf sie ausgeübt hätten, zu autonomen Republiken (ganz wie die Herren Liebknecht und Bebel wünschen!!) oder zu Staaten in der Art Bayerns und Württembergs werden könnten, die zwei Lebensflrömungen — zu Frankreich und Deutschland — besitzen, ebenso wie angeblich in Bayern zwei Strömungen bestehen — zu Preußen und zu Oesterreich. Wir wollen ganz von dem Eindrücke absehen, den in Bayern die Behauptung Hervorrufen muß, es besiehe dort eine „ösier reickiiche Strömung". Jedensfalls aber verstößt Herr Or. Arendt durch sein Spielen mit dem Gedanken an die Umwandlung Elsaß-LothringenS in autonome Republiken gegen einen der fundamentalsten nationalen Grundsätze nicht nur seiner Fraktion, sondern aller staatserhaltcndcn Parteien und liefert den Herren Liebknecht und Bebel willkommensten Agitationsstoff. Wenn in irgend einem Falle, so ist in diesem der „ParteilerrorismuS" gegen einen Abgeordneten am Platze, der leichtherzig mit seinen Träumen spielt und dadurch in einer Zeit, in der die allgemeine Zerfahrenheit ohnehin einen bedenklichen Grad erreicht Kat, den Zerfall der Ordnungsparteien mehr fördert, als den Zusammenschluß der staatserhaltenden Elemente gegen den Ansturm der Kräfte LeS Umsturzes. Auch in der Reichshauptstadt ist man bestrebt, den Trägern der revolutionären Ideen durch eine Coneession unter die Arme zu greifen. Mit großer Mehrheit hat dort bekanntlich die Stadtverordnetenversammlung dem Anträge zugestimmt, den Magistrat zu ersuchen, mit ihr in gemischter Deputation über die Errichtung eines Denkmals für die „Märzgefallenen" zu beratben. Die Magistrats Vertreter batten bei der Beratbung erklärt, daß der Magistrat, der bereits eine Commission von sieben Mitgliedern zur Vor- beralhung einer Ehrung der am 18. März 1848 Gefallenen ein gesetzt habe, bereit sei, in die gemischte Deputation seinerseits Mitglieder zu entsenden. Was das „Rothe Haus" dazu bestimmt Kat, gerade jetzt den Antrag einzubringcn, das bat ein radikaler Stadkvater verratben: die fünfzigste Wiederkehr des Jahres tages der Revolution. Im Iabre 1848 hätten der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin in der vordersten Reibe der Kämpfer gestanden und mit einer Energie, die man heute oft vermisse, ihre Bcralhungen auf Gebiete ausgedehnt, die die Stadtpolitik verließen und die allgemeine Staatspolitik eng be rührten. Und als die Märzkämpfer die Verfassung errungen, da hätten wiederum Magistrat und Stadtverordnete von Berlin es als ihre ethische Pflicht angesehen, sich mit ihnen zu identisiciren und die Fürsorge für ihre Beerdigung zu über nehmen u. s. w. Daß der Uebergang Preußens vom Absolutismus zu einem konstitutionellen Staatswesen wesentlich durch die Märzkämpfe bewirkt worden sein soll, ist, wie die „Allgem. Zlg." mit Recht hervorhebt, historisch nicht einmal richtig. Dieser Uebergang war notbwendig geworden und hätte sich auch ohne Blutvergießen durchsetzen lassen. Geradezu unverantwortlich ist es, wenn man einerseits dem König allein, oder ihm besonders die Schuld an dem Ausbruche der Revolution beimißt und wenn man andrerseits die Barrikadenmänner, die sich doch der schwersten Auflehnung gegen die Gesetze schuldig gemacht batten, als Märtyrer feiern will. Niemand wird etwas da gegen einzuwenden haben, wenn die Angehörigen der 1848 Gefallenen es nach 50 Jahren als zweckmäßig oder pietät voll erachten, ein Denkmal zu errichten; daS ist eine reine Privatsache und kein welterschütternkes Ereigniß. Einen hoben Grad von Vermessenheit aber, um nicht einen schärferen Ausdruck zu gebrauchen, verräth eS. wenn die radikalen Stadtverordneten in der preußischen Residenz in einem monarchischen Staate ein Denkmal Denjenigen I errichten wollen, welche im Ausstande gegen den König I gefallen sind. DaS rolhe Collegium hätte sich'S an den fünf I Fingern abzählen können, daß zur Errichtung des Denkmals Feuilleton. Der Page. 10j Roman von A. Hcyl. Nachdruck verboten. Zascha ließ den forschenden Blick auf dem confiscirten Gesichte des Clown haften, dieser kehrte ihr den Rücken und ging ein paar Schritte seitwärts. Hierauf sah sie sein Weib durchdringend an: „Was habt Ihr vor?" Das Mißtrauen, das in dieser Frage verborgen lag, wurde von den beiden Anderen sofort herausgefunden. „Was Deinem Manne Recht ist", versetzte Loiska trotzig. „Willst Du Dich gegen seinen Willen auflehnen?" „Bielleicht", trotzte Zascha dagegen. „Thue es nicht, gute Mutter", ertönte Janos warnende Stimme unter dem Wagen hervor. Er kroch auf Händen und Füßen herbei, die Krücke nach sich ziehend. „Was hast Du da unten getrieben, Nichtsnutz?" herrschte ihn der Clown an. „Geschlafen hab ich", gähnte Janos und rieb sich die Augen. „Ich erwachte, als ich meinen Namen rufen hörte. Was willst Du von mir?" — Zascha half dem Armen auf und flüsterte ihm ein paar Worte zu. Er griff nach seiner Krücke und humpelte hinter dem Clown her, der ihm die Weisung gab, das Kleiderbündel zur nächsten Badestelle zu tragen. Janos nahm den Befehl ohne Widerrede hin, stumpf und gleichgiltig ergriff er das Bündel und machte sich auf den Weg. Auf seine Krücke gestützt, hinkte er langsam der vorgeschriebenen Stelle zu, sah weder rückwärts noch seitwärts, solange er befürchten mußte, es könne sein Thun vom Lager aus beobachtet werden; er athmete zuerst auf, als er von Baumgruppen und Weidenbüschen verdeckt, vor Späheraugen sicher war. Dann blieb er stehen, hielt Umschau in der nächsten Um gebung und sann auf Mittel, den unglücklichen Knaben, dessen Kleider er im Arme trug, vor sicherem Verderben zu retten. Wie er auch sann, es wollte ihm nichts ein fallen, denn Alles, was dem Gefangenen die Freiheit wiedrrgab, konnte ihm selbst den Untergang bringen. Vor Zeiten hatte ihn seine Mutter das Beten gelehrt und ihm von einer unsichtbaren Macht erzählt, Gott genannt, die dem Menschen in der Noth beistehen könnte, wenn er von Herzen darum bitten wolle. Durch grausame Schicksale hatte er Glauben und Beten wieder verlernt. In diesem Augenblick der Ratlosigkeit, wo es sich nicht um eigen Elend handelte, sondern um das drohende Verhängniß eines Andern, wollte er versuchen, ob es wirklich eine all gütige Vorsehung gäbe, die der Bitte eines Ausgestoßenen Gehör schenke. Der unglückliche Krüppel blickte flehend empor. Die Sonne neigte sich zum Untergang. Ihre Lichtstrahlen umgaben die Wolken mit breiten Goldrändern; vom Luftzug getrieben, folgten die rosig gefärbten Dunst massen dem großen Feuerball, der am westlichen Horizonte allmählich versank. Der Wunsch, mit versinken zu können, um auf einem anderen Weltkörper zu neuem Dasein zu erwachen, wurde in der Seele des Bedauernswerthen rege. Seine fahlen Lippen bewegten sich lautlos, seine großen dunklen Augen folgten andächtig der untergehenden Sonne auf ihrer Bahn. Was um ihn her war, das existirte nicht für ihn, so lange seine Seele sich zu dem Allgewaltigen emporschwang, an dessen Macht er so oft zweifelte, und den er nun anrief, wo ihm, wie er wähnte, keines Menschen Hilfe nützen konnte. Mit einem Gefühl banger Erwartung dessen, was nun kommen sollte, wandte er den Blick der Erde zu. Drei Schritte vor ihm stand Emil Dorset. Ein günstiges Omen, schon eine halbe Erhörung! Emil war stets der Vertraute, oftmals der Beschützer des Lahmen, ihm konnte er sein Geheimniß offenbaren. „Wo gehst Du noch hin, Janos?" redete der Page den lahmen Janos mit weicher, wohlthuender Stimme an. „Wessen Bündel trägst Du da unterm Arm?" Ein Schimmer von Freude überflog das krankhafte Gesicht des Anaeredeten: „Gott sei gedankt, daß ich Dir begegne, Emil!" rief er aus, „jetzt kann noch Alles recht werden. Du bist lange in der Capelle geblieben." „Woher weißt Du, daß ich in der Capelle war?" fragte Emil verwundert. „Ich sah Dich von der Waldwiese aus, wo ich die Pferde hütete. Du bliebst lange oben, man wird Dich nicht freundlich empfangen." „Ah pah", machte der Page, „ich frage nichts darnach. Es waren ein paar gute, gesegnete Stunden, die ich allein oben verbrachte, ich habe da einen Entschluß gefaßt, der heute noch zur Ausführung kommen soll. Auf dem Rückweg kehrte ich mit Blanche in der benachbarten Mühle ein und kaufte für uns Beide Milch und Brod. Die freundliche Mllllerstochter gab uns reichlich, wir konnten uns laben und sättigen. Nun erzähle auch Du mir, warum ich Dich hier mit einem Bündel unterm Arm antreffe. Philipp wird Dich doch nicht fortgeschickt haben?" Der Lahme blickte scheu um: „Loiska und der Pierrot haben mich geschickt, um ihnen bei einer neuen Schandthat behilflich zu sein." Er sah den Pagen bittend an: „Lieber Emil, verrathe mich nicht. Wenn sie den geringsten Ver dacht schöpfen, dann bin ich verloren. Du weißt, es giebt einsame Strecken genug im Walde, die selten eines Menschen Fuß betritt, es giebt Schluchten, alte Ziehbrunnen, schlüpf rige Höhlen, sichere Stellen genug, wo man einen Leichnam verbergen kann; Philipp und seine Helfershelfer schrecken vor nichts zurück. Wenn ein Wort von dem, was ich Dir sage, über Deine Lippen kommt, dann sehe ich die Sonne zum letztenmal untergehen." Der Pago hörte mit steigender Erregung zu. „Die Elenden!" murmelte er, zornig die Faust ballend, „sie wollen wieder eine Schlechtigkeit begehen. Lasse mich wissen, um was es sich handelt, damit ich das Unrecht verhüten kann." „Schwöre, mich nicht zu verrathen", forderte ihn der Lahme auf. Emil Dorset hob die Rechte empor: „Ich schwöre bei dem Gott, zu dem ich bete. Dich nicht zu verrathen, Janos!" Janos raunte leise dem Gefährten zu: „Wisse, sie wollen einen Knaben rauben, um ihn zu verkaufen. Einen gutherzigen Jungen, der mir Speise und Trank auf die Wiese brachte. Loiska hat ihn in ihren Wagen gelockt, dann betäubt, geknebelt und entkleidet. Ich muß dir Kleider an das Ufer des Baches legen, damit die Eltern glauben, der Junge sei beim Baden verunglückt. Sie wollen rasch aufbrechrn, im Walde übernachten und morgen über die Grenze ziehen —" „Und Philipp, Philipp —?" fiel der Page entrüstet ein. Der Lahme nahm ihm das Wort vom Munde: „Er ist mit Allem einverstanden, wenn er die Hälfte des Ge winnes erhält." Emil stampfte wüthend mit dem Fuße: „Pfui!" rief er empört. „Mit dieser Verbrecherbande will ich reine Gemeinschaft haben. Sie sind auf dem Wege zum Galgen. Diesen Schurkenstreich kann ich noch verhindern, ehe ich gehe. Verlaß Dich darauf, Janos, Du hast mir Dein Vertrauen nicht umsonst geschenkt." „O, Emil, Du willst gehen!" rief Janos erschreckt aus. „Lasse Dich das nicht anfechten", suchte der Page zu beruhigen, indem er dem Unglücklichen die Hand zum Ab schied reichte. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Lebe wohl! Komm, Blanche, wir haben es eilig!" Das Hündchen verstand die Mahnung, es sprang laut bellend voraus, dem Lager der Vagabunden zu. Dort war Alles in fieberhafter Thätigkeit, um die Abfahrt möglichst zu beschleunigen. Emil erkundigte sich mit gut gespieltem Erstaunen, was dies zu bedeuten habe, nachdem sein Stief bruder am selben Morgen verkündet habe, er wolle noch einige Tage hier verwesten. Loiska, die dem Ankommenden zuerst entgegentrat, schien die Frage zu überhören. „Beliebt es dem Herrchen endlich, sich bei uns einzufinden?" bemerkte sie in giftigem Tone. „Ich komme nur auf eine halbe Stunde, um Euch dann wieder zu verlassen", erklärte Emil. „Die Herrschaft ini Schlosse zahlt an Philipp eine Abfindungssumme aus. Ihr könnt nicht abfahren, bis das Geschäft in Ordnung ist. Wo ist mein Bruder? Wo ist Janos? Janos, Janos, Du verdammter Faulpelz, ich werde Dich bei den Ohren ziehen, wenn Du nicht gleich erscheinst. Du sollst mir meine Stiefel putzen. Janos, JanoS!" „Schreie doch nicht so laut, Du lockst die Leute herbei, wir brauchen keine Gaffer, keine Verräther", keifte das Weib. „Janos ist nicht da, er besorgt einen Gang. Bist Du ihm nicht begegnet?" Sie sah den Befragten miß trauisch von der Seite an. „Würde ich dann nach ihm rufen?" lautete die scharfe Gegenfrage. „Welchen Weg hast Du eingeschlagen?" forschte sie, nur halb überzeugt.
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