01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-24
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Reklamen unter dem NrdactionSstrich (4a«» spalten) SO^, vor den Farnilieanachrtchmr (S gespalten) 40 >4- Größere Schriften laut unserem Prei»- verzrtchnitz. Tabellarischer und Ztffernsatz nach höherem Laris. tkrtra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Poslbeförderung ./i «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde frither. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von ik. Polz in Leipzig. Mittwoch den 24. November 1897. 589. Zur Artillerie-Frage. Bon militairischer Seite wird uns geschrieben: Die Mittheilungen, welche wir über die Einführung und daö Wesen des Schnellfeuer-Feldgeschützes im Mai d. I. brachten, haben inzwischen in allen Punkten vollste Bestätigung gefunden. Nachdem mit der auf mehrere Jahre vertbeilten Aus rüstung der deutschen Fcldartillerie mit der „Schnelllade- kanvne von 7,5 cm" bei 4 Armeekorps im Frühjahr d. I. begonnen worden ist, haben diese Geschütze im Fahr- und Schießgebrauch von 8 Regimentern während des vergangenen Sommers die Probe glänzend bestanden. Nun trifft auch auö Frankreich die Nachricht ein, daß unsere Schätzung vom Stande der dortigen Materialfrage ini Mai d. I. zutreffend war. Die französische Feldartillerie erhält ein Schnellfeuer-Geschütz gleichen Kalibers (7,5) nach denselben Principien, nnd die Ausbildung starker Lehr- EommandvS aller Artillerie-Regimenter, welche an 7 Lehr batterien im Lager von Ehalon» begonnen hat, beweist, daß unsere Kriegsverwaltung nicht zu früh mit der Ent scheidung in dieser schwerwiegenden Frage vorgegangen ist. Die gleichzeitig vorliegende Melkung, daß in Frankreich die Vermehrung ter reitenden Batterien beschlossen worden ist, um jeder Cavallerie-Division im Kriege eine Abtheilung von 3, statt 2 Batterien zuzutheilen, mahnt uns, nicht nur binsichtlich des Artillerie-Materials auf der Höhe zu bleiben, sondern uns auch organisatorisch nicht überflügeln zu lassen. Die Organisation unserer Feldartillerie leidet aber an so schweren Mängeln, daß die Verzögerung ihrer Abstellung um so unbegreiflicher ist, als sie nachgerade in der ganzen Armee anerkannt und mit geringen Mehrkosten zu beseitigen sind. Obwohl die in Betracht kommenden Fragen in den Militair- Zeitschriften ost genug erörtert worden sind, wollen wir sie nachstehend — allgemein verständlich — nochmals in der Hoffnung zusammenstellen, daß die Anregung zu den erforder lichen Maßnahmen, welche daS Kriegsministerium wohl nur noch zur Vermeidung einer Mehrforderung vor Ablauf des SeptennatS hinauSfchiebt, aus der Mitte des Reichs tages erfolgen werde. 1) Die Abschaffung der General - Inspektion der Feld artillerie und die Unterstellung der Feldartillerie-Regimenter unter die General-Eommandos im Jahre 1888 hat die Ver wirklichung des Grundsatzes, die Friedens-Organisation mög lichst mit der Kriegs - Organisation in Uebereinstimmung zu bringen, wesentlich gefördert. Sie war aber nur eine halbe Maßregel insofern, als die Divisionen, welche im Kriege die eigentlichen taktischen Einheiten aller drei Waffen sind, im Frieden noch immer die Artillerie entbehren, brzw. solche nur für die Herbslübungen zugetheilt erhalten. Dadurch, daß der cominandirende General im Frieden der direkte Vorgesetzte der Feldartillerie seines Armee-Corps ist, kann offenbar der Zweck nicht erreicht werden, diese Waffe in möglichste Wechselbeziehung mit der Infanterie und der Cavallerie zu bringen. Dazu ist unbedingt die Vereinigung mit den letzteren im Divisions-Berbandr nothig. Sie würde auch die höheren Führer der anderen Waffen, namentlich die Divisions-Commandeure, veranlassen, sich schon im Frieden ganz mit dem Wesen der Feldartillerie und den Personalien ihrer Officiere vertraut zu machen, und in Folge dessen deren richtige Verwendung im Kriege in weit höherem Maße sichern, als dies die jetzige Organisation vermag. Darüber besteht auch in allen Waffen kaum eine Meinungs verschiedenheit. 2) Die Ausführung scheitert bisher nur an der ver schiedenartigen Gliederung der Feldartillerie im Frieden und im Kriege. Im Frieden Hal jedes ArmeecorpS 2 Regimenter in einem Brigadeverbande, im Kriege werden aus diesen Lurch Abgabe ganzer Abtbeilungen 3 Regimenter gebildet, von denen jede Division eins erhält, während daS dritte dem Generalkommando als „Corps-Artillerie" direkt unterstellt bleibt, der Brigade-Commandeur aber als General der Artillerie zum CorpSstabe tritt. Diesseitigen Erachtens wäre selbst mit dieser Friedens- Orgaoisalioil die Unterstellung eines Feldartillerie-Regiments unter jede Division und die Wirksamkeit des Brigade-Com- maodeurS als Waffen-Inspecteur vereinbar und dem jetzigen Ausnahmezustände vorzuzieben. Da aber Regimenter von 4 Abteilungen mit 11 Batterien, wie wir jetzt meist haben, auch im Frieden viel zu groß für die Leitung der Ausbildung und Verwaltung durch einen RegimentS-Commandeur sind, so würde die KriegslUchtigkeit der Waffe sehr gewinnen, wenn man endlich die Feldartillerie analog der Cavallerie im Armee-CorpS organisirte, nämlich jeder Division eine Feldartillerir-Brigade von zweiRegimentern zu 5 bis ti fahrenden Batterien gäbe, die ihren Verband im Kriege unverändert beibebielte. Der Wegfall der Corpsartillerie im Kriege ist auch aus taktischen Gründen längst von der Mehrzahl erfahrener Artilleristen auf Grund ihrer Verwendung im Kriege 1870/71 befürwortet worden. Wenn über diesen Punkt auch nicht vollkommene Uebereinstimmung herrscht, so ist man doch darüber einig, daß diese Frage nicht von nennenswerther Bedeutung ist. Will der cominandirende General sich in ge wissen Fällen die Verfügung über einen Theil der Artillerie Vorbehalten, so kann er dies für diese Truppengattung ebensogut befehlen, wie für die übrigen. Regel wird es nicht sein. Da die vorgeschlagene Friedens-Organisation keine Neu- sormation von Truppentheilen erfordert, sondern lediglich die Bildung von 1 Brigadestabe und 2 Regimentsstäben per Armee-Corps, so ist der Kostenpunkt gegenüber den eminenten Vvrtheilen einer solchen Gliederung, welche der intensiven Ausbildung im Frieden sehr zu Statten kommen, die jetzt geradezu gefährdete Mobilmachung der Feldartillerie völlig sicher und leicht gestalten und die Führung dieser Waffe im Kriege bei den Divisionen außerordentlich heben würde, ohne jede Bedeutung. Im Frieden könnte auch der etatmäßige StabSofsicier, den jetzt jedes Corps für daS Regiment Corpsartillerie im Kriege besitzt, erspart werden, wenn man ihn nicht für das Reserve- Regiment bestimmen will. 3) Bei vorstehender Normal-Eintheilung der Artillerie des Armeekorps ist der reitenden Artillerie nicht gedacht, weil sie zum größten Theile an die Cavallerie-Divisionen im Kriege abgegeben wird. Es unterliegt gar keinem Bedenken, die reitende Abthei lung im Frieden einem der Divisions-Artillerie-Regimenter zuzutbeilen und sie diesem auch im Kriege zu belassen, wenn sie nicht für eine Cavallerie-Division bestimmt sein sollte. Es wird aber dringend befürwortet, jeder Cavallerie- Division statt 2, künftig 3 reitende Batterien zuzu- theilen, weniger zur Unterstützung des Neitergefechts, als zum Angriff oder zur Vertheidigung von Oertlichkeiten, zur Deckung von Flußübergängen u. dgl., namentlich aber auch zur Unterstützung der aufklärenden Tbätigkeit der Cavallerie. Die letztgenannte Verwcnduug der Feldartillerie ist im Frieden in Ermangelung der Waffenwirkung meist ohne Erfolg und daher fast vergessen worden, — im Ernst fälle genügt meist unbedeutendes Artilleriefeuer gegen eine Ortschaft, um die Räumung derselben oder die Entwickelung der Besatzung zu erreichen. Die österreichische Armee hat daher 3 reitende Batte rien per Cavallerie-Division beibehalten, bei unS führte dir Meinung, daß die Artillerie leicht Ballast der Cavallerie werden könnte, zur Dotirung mit nur 2 Batterien und des halb auch zur Friedens-Organisation der reitenden Abtbeilungen ü. 2. Wenn aber 2 Batterien der Cavallerie nicht hinderlich sind, so werden es auch 3 nicht sein. Die Länge der Artillerie- Marschkolonne spielt doch bei der von den Straßen ziemlich unabhängigen Cavallerie keine große Rolle. Jedenfalls könnte die Ueberlegenheit der feindlichen Ca vallerie an reitender Artillerie leicht die Operationen der unserer Armee vorausgehenden Cavallerie-Divisionen bedenklich erschweren, wenn nicht vereiteln. Die hierauf bezügliche Aenderunz der Oiärc äo dutaille in Frankreich würde daher eine gleiche bei uns bedingen. Eine Neuformation ist auch dazu nicht erforderlich, da genug reitende Abtbeilungen über den jetzigen Bedarf der Cavallerie-Divisionen überschießen, um letztere mit je 3 Batterien zu dotiren. Es würden dann durch Zusammenlegung nur die früheren Verbände der reitenden Abtheilungen st 3 Batterien auch im Frieden wieder herzustellen und die überflüssigen Abtheilnngs- Commandos zu sparen sein. Militairstrafverfahren und Nechtseinheit. L. Berlin, 23. November. (Privattelegramm deS „Leipz. Tagebl.") Unter der vorstehenden Ueberschrift veröffentlicht die „Nat.-Ztg." die folgende, ihr von juristischer Seite zu- gegange Zuschrift: „Die Frage, ob Bayern ein Reservatrecht darauf besitze, einen eigenen obersten MilitairgerichtShof zu behalte», auch wenn Sachsen und Württemberg sich mit dem jetzigen höchsten preußisiben Militairgerickt zu einem Reichömilitairgericht ver einigen, ist in den letzten Wochen vielfach erörtert worben. Die Einen haben auf den klaren Wortlaut des Versailler Vertrages verwiesen, au» welchem ein solches Reservatrccht nicht abzuleiten sei, die Anderen sind der Meinung, daß das Zugeständniß eines obersten bayerischen Militairgerichts dem Sinne der Verträge jedenfalls entsprechen würde. Wenn es wahr ist, daß der Kaiser sich gegen eine Majorisirung Bayerns in dieser Frage ausgesprochen habe, so liegt in ihr allerdings eine erhebliche Gefahr für da» Zustandekommen eines neuen MilitairstrafproceffeS. Denn wenn es anscheinend schon im BundeSrath eine Anzahl Stimmen giebt, die dem bayerischen Anspruch abhold sind, so ist noch weniger zu erwarten, daß der Reichstag sich für einen Dualismus höchstrichterlicher Entscheidungen erwärmen werde. Der vom BundeSrath be liebte Ausweg, die Frage jetzt nicht zu entscheiden, sondern ihre Lösung einem besonderen Gesetze vorzubehalten, vertagt die Frage höchstens um eine Session. Ter geforderte Gerichtsstand der Soldaten beschränkt sich auf Strafsachen, und für die Strafsachen der bayerischen Civilbcvölkerung ist das Reichsgericht ebenso die letzte Instanz wie für die der übrigen Deutschen. Das oberste Landesgericht, welches Bayern besitzt, hat lediglich in Civil- procefsen, nicht aber in Strafproceffen in letzter Instanz zu entscheiden. Weshalb will nun Bayern für seine Soldaten nicht zuzestehen, waS cS für seine Civilbevölkerung zugestanden bat, weshalb will es in Militairstrassachen eine eigene höchste Instanz baben, während es m bürgerlichen Strafsachen sich dem Leipziger Gerichtshof unterwirft? Der Argwohn ist nicht abzuweisen, daß Bayern, bekannt mit dem gegen wärtigen preußischen Militairstrafproceß, befürchtet, eS konnte trotz aller modernen Bestimmungen, die der neue Entwurf enthalten soll, in die neue Praxis gar manche Gewohnheit deS bisherigen PrvcesseS hinüberaenommen werden, eS konnte trotz der Garantien moderner Rechtspflege in der Praxis sich ein Einfluß deS Kriegsministeriums oder des 91. Jahrgang. .-l. ..IS-SS-SSS-SS» MilitaircabinetS — also ein Einfluß von Instanzen, die mit der Rechtsprechung nichts zu thun haben — geltend machen. Als durch ciu besonderes Gesetz bestimmt wurde, daß dar Reichsgericht nicht nach Berlin, sondern nach Leipzig zu ver legen sei, wurde hauptsächlich die Sorge von der Beeinflussung der Rechtsprechung für Leipzig und gegen Berlin ins Feld geführt. Das preußische Obertribunal hatte sich nicht immer gegen höfische Einflüsse unzugänglich gezeigt, und wenn die Zuslizgesetze von 1877 auch für die Unabhängigkeit des Richterstandes größere Garantien boten, als früher, so wollten dennoch die Maioritäten sowohl deS Reichstages als auch deö BundesratheS sicher gehen und wählten daher Leipzig. Sollten nicht ähnliche Erwägungen und Befürchtungen jetzt für Bayerns Haltung bestimmend sein? Im Militairstrafver- fahren wäre die Furcht vor dem Eingreifen einer Cabinets zustiz gewiß begründeter, als im Civilstrafverfahren. Wenn auch der oberste MilitairgerichtShof natürlich nur auS Juristen zusammengesetzt wird, so ist eS doch die Frage, ob diese besser, als das vormalige Obertribunal, nichtrichterlichen Ein flössen unzugänglich sein werden. Mit einem Worte: um die Unabhängigkeit der Militairjustiz augenscheinlich zu machen, dürfte eS sich empfehlen, den höchsten Militairgerichts- Hof nicht nach Berlin zu verlegen, und dann — das stehl zu hoffen — wird gewiß auch Bayern auf fein angebliches Neservatrecht verzichten. Naturgemäß wird dann aber das oberste Militairgerichl nach Leipzig verlegt, wo schon das Reichsgericht seinen Sitz hat. Ja, noch mehr. Wir bedürfen dann gar keines» besonderen obersten Milita irgrrichles. Man schaffe beim Re ickSge richt, dessen gegenwärtiger Präsident früher ja auch General-Auditeur der preußischen Armee war, einen oder mehrere Militairstrafsenate, aus den tüchtigsten der deutschen Militair-Iuristen ausgewählt, und der höchste Gerichtshof ist da. Die Militairgerichte befassen sich bekanntlich nicht lediglich mit militairischen Verbrechen und Vergehen, sondern urtheilen auch über die Delikte des allgemeinen Strafgesetzbuches, sofern dieselben von Soldaten begangen sind. Durch das Zusammen wachsen des obersten Militairgerichts mit dem Reichsgerichte würde dann eine Garantie dafür gegeben sein, daß das ganze Volk — ob Bürger oder Soldat — nach denselben strafrecht lichen Gesichtspunkten abgeurtheilt werden würde. Bekanntlich muß, wenn ein Senat des Reichsgerichtes von einer früheren Entscheidung desselben abweichen will, ein Plenarbeschluß vom Reichsgericht gefaßt werten. In solchem Falle würden dann künftig bei rein militairischen Verbrechen nur die ver sammelten Militairstrafsenate das Plenum bilden, bei bürgerlichen Verbrechen aber das gesammte Plenum sämmtlicber Strafsenate in Thätigkeit treten. So schlägt man drei Fliegen mit einer Klappe. Man sichert die Unabhängigkeit der Militair-Rechtsprechung; mau erzielt eine einheitliche Rechtsprechung für ganz Deutschland und man überwindet bas sogenannte bayerische Reservatrecht. Sonst aber kann cs Vorkommen, daß dieselbe Thai in Leipzig als Diebstahl, in Berlin als Unterschlagung und in München als Betrug qualisicirt wird, und daS dürfte für das Ansehen der deutschen Rechtsprechung nicht sehr förder lich sein." Deutsche- Reich. * Leipzig, 23. November. Wie wir erfahren, wurde Herr OberlandesgerichtSrath Di. La Husen vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg zum ReichSgerichtsrath ernannt. FrrriHetsir. Cotta'scher Musenalmanach für das Jahr 1898. Auch in diesem Jahre hat sich wieder der Cotta'sche Musenalmanach eingestellt; wiederum und zwar zum achten Male bat Otto Braun, der verdienstvolle Herausgeber des Musenalmanachs, zum Sammeln geblasen und die Kern truppen der deutschen Lyrik unter seiner Fahne vereinigt. Der Musenalmanach der „Modernen", welcher dem „epigonen basten" „Cotta'schen Musenalmanach" Concurrenz machen wollte, mußte nach einem einzigen Jahrgänge wieder seine Pforte schließen; er brachte neben rinrelncm Dalentvollen so viel Geschmackloses, das burschikose Jungstdeutsckthum schlug darin bisweilen so unglaubliche Purzelbäume, daß nur der Geschmack am lmut-goüt sich dadurch befriedigt fühlen konnte. Und dieser Geschmack ist nicht allzu weit verbreitet, wenn auch in ein paar Journalen, aus welche bloS die Berufenen nnd AuSerwählten abonnirt sind, die Selbstberäuckeruna ihre Orgien feiert. Möchten die besseren jüngstbeutschen Kräfte fick dem Cotta'schen Musenalmanach zuwendcn und von ihrem Vorurtheil gegen die sogenannte vornehme Dichtung ablassen, sie werden gewiß gern Ausnahme finden, wenn sich ihre Muse nur von den renommistischen Maßlosigkeiten sernhält. Die alten Kerntruppen deS Almanachs haben sich auch diesmal wieder eingefunden; wenn Einer oder der Andere derselben bei der diesmaligen Gestellung fehlt, so ist er jeden falls nur beurlaubt und wirb daS nächste Mal wieder er scheinen, wie er ja auch in den früheren Jahrgängen nicht vermißt wurde. Auch auS dem Nachlaß eine« früheren Mit arbeiters werden Gedickte mitgetbeilt. Dies ist der schwä bische Dichter I. G. Fischer. Die Gedichte haben, das Nervige, nicht Nervöse, daS Markige, daS diesem Sänger eigen. „Selige Schönheit" bat etwa» Tiefsinniges. DaS Brautlied schließt mit der schönen Strophe: Nnd r» ist kein Unterscheiden, Ob ich nehme, ob ich gebe; Sin« nur weiß ich zwischen beiden, Laß ich liebe, daß ich lebe. Von den Senioren der Lyrik auS dem Kreise der Siebenzig- jährigen sind Wilhelm Jordan und Hermann Lingg vertreten. Jordan wendet sich in dem kernigen „Einspruch" gegen die verkehrte Anschauung, daß von den Schilden des Forscherheeres die Wahrheit mit dem Antlitz der Medusa die Poesie zurückscheuche; er verlangt mit Recht, daß die Dichter an Wissen reich seien, und er hätte unsere Classiker als Bei spiel anführen könueo; er tritt ferner als Anwalt de- Dar winismus aus: Zuversicht, daß er berufen Sei zum Erdengötteromte, Schöpfet au- der Ucberzeugung, Daß der Mensch dem Wurm entstammt. Hermannn Lingg bat eine Art von HochzeitS-Cantate angestimmt: Hochzeitsgesang auf dem See, und dann das schone Gedicht „Abendfriede": Matt glänzt der See, die Welle ruht, AIS möchte sie sich gleich versteinen, Der Berge Gipfel aber scheinen Wie aufgelöst in Abeudgluth. Kein Hauch bewegt am Baum die Zweige, In Dämmerung sinkt der Wolkenzug; Nur eines Bogels später Flug Belebt des milden Tages Neige. In diesen Frieden ausgenommen Erscheint sich auch die Seele nun. So, Nacht, so heiß' ich Dich willkommen, So laß mit Dir, in Dir mich ruhn. Otto Braun, der einige Sonette von tadelloser Archi tektur seinem Almanach zugewendet bat, ist, wo er sein Altcr besingt, frei von jeder pessimistischen Tongebung; er nennt Altwerdrn bisweilen einen wabren Gottessegcn und fleht diesen Segen herab auf seiner „LebenSrüste Psalter", und dem Tode ruft er zu: Doch wenn Du nahst, Du Allerweltsbezwiuger, So bitt' ich schön: laß mich nicht lange leiden Und lege sonst aus's Auge mir den Finger. Adolf Berg, nach einer phantasievollen Vision „Traum zauber", ist auch frei von pessimistischer Schwarzfeherei, wenn er den Tod als „Führer" begrüßt in dem gleichnamigen Gedicht: Wohl sah ich oft ihn schon voriiberschreiten, Der alles Leben hält in seinem Baun; Durch olle Länder wandert er und Zeiten, Der Einzige, der niemals sterben kann. Doch anders hab' ich heute ihn gesehen, Wie wartend schien im letzten Abendlicht Vor meine- Hauses Schwelle er zu stehen, Mir zuqemandt das ernste Angesicht. Nahst Du mir schon, mein Führer für die Reise Jn's unerforschte, weltenferne Land? Doch freundlich blickst Du, mild ist Deine Weise; So reich' mir, wenn es Zeit ist, Deine Hand. Graf Wicken bürg besingt den Frühling auf dem Fried hof und singt vom Tode: Er lächelt uns mit Blumenaugen an, AlS hält' er Keinem was zu Leid gethan, Und nicht- genommen. Zahlreich sind die landschaftlichen Bilder, die Natur bilder in der wechselnden Beleuchtung der Tage«- und Jahreszeiten vertreten. Ernst Ziel, dessen Muse etwas Gedankenvolle» und Schwunghaftes hat und der wir gern wieder begegnen, singt „Lieder von der Riviera" an schaulich, stimmungsvoll, mit elegischem AuStöuen. Martin Beerel bringt „Stimmungsbilder aus dem Süden", daS erste, „Am jonischen Meer", in korrekten und klangvollen Llexametern. Ein Winterbild aus dem Schwarzwalde giebt Robert Haas in dem Gedicht „Advent", „Sommer lieder" singt Richard Weitbrecht; das erste beginnt mit ter Strophe: Geht mir mit Malluft, Mit Blüthen und Koje»; Ich liebe Heuduft Und Düste der Rosen. Schalkhaft ist der „Sommerspruch" von Ernst Müllen bach (Ernst Lenbach): Weil er schuf die Nachtigallen, Laßt dem Schöpfer Dank erschallen! Doch nickt minder, weil er schuf Spatzenpfisf und Unkenruf. Wenn der Unken Sumpsverein Und die Gassenvögel all' Sängen gleich der Nachtigall O wie schrecklich würd' es sein, Dieses Jauchzen, dieses Klagen Ueberall zu allen Stunden — Kein Gesunder könnt's ertragen Und kein Kranker mehr gesunden. Die Waldbilder von Georg Kiesewetter „Am Wald see" enthalten allerlei uaturgefchichtlick getreue Thier- und Pflanzenbilder aus dem Waldlcben. Carl Schoenhardt besingt einen „März abend" im Wald, wo die ersten Ane monen blühen und singt dann in „Mein Wald": Doch mein Wandel ist zu dir, Ob beschneit die Psade, Ob zu deinem Lustrevier Grüne Tämm'rung lade. Stimmungsvoll ist der „WaldeSzruß" von Max Kalbeck. Irene von Schellander wirst einen Blick „lieber'- Meer" und weiht dann der „NachmittagSruhr" eine poetische Libation: Die Gräser, die hohen schlanken. Schwanken im horchenden Wind; Mit tausend Blumengedanken Ein Traum die Wiesen umspinnt, Uninerklich in Träume» die Zeit verrinnt, Gedämpfter Glockenklang und Vogellieder Und Frieden sinkt vom blauen Himmel nieder. Ein hübsches Gartcnbild, ein Genrebild von der Groß mutter und dem Enkelkind entwirft Emil Claar. Wir sehen, auch jüngere Dichter tummeln sich zahlreich in diesem Dichtergarten. Freilich cS sind keine jiingstdentschen Schwarm geister; aber giebt es nicht noch genug junge Porten außer denen, die in den Nummern der „Gesellschaft" einrcgistrirt werden? Martin Gras laßt zwei lyrische, zartduftige Blättchen flattern; „Freude am Landleben" und „Abeiidfriede". Ein hübsche- Gedicht ist: „Es duftet warm der Ginster^ von Albert Geiger.
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