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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-04
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8sr nicht» vekloren habe, «in Ausdruck mißgünstiger Gesinnung gegen die deutschen HoHschulm erblickt werde, und erklärte, die Negierung sei fest entschlossen, den deutschen Hochschulen Prags den vollen staatlichen Schutz zu gewähren. Wenn die deutsche Studentenschaft diese Versicherungen nicht hoch br- werthet. sondern au» ihnen nur da» Eine herauSdort, daß das Coudenbove'sche Verbot de» Farbentragen» aufrecht erkalten bleibt, und wenn sie danach handelt, so kann man daS nur begreiflich finden. Die akademische Jugend ist mit Recht der lleberzeugung, daß man gegen sie die Staatöautorität schärfer wahrt, al» gegen Diejenigen, welche durch die planmäßigen Angriffe aus die deutschen Studenten in Prag das Verbot des FarbentragenS hervorgerusen haben. Die Provokanten waren von vornherein die Tschechen, auf die schon der bloße Anblick eines Deutschen wirkt, wie das rothe Tuch auf den Stier, und für ihren FnedenSbruch sollen die Tschechen noch belohnt werden dadurch, daß man den Deutschen da» Recht nimmt, sich öffentlich durch statutarisch aarantirte Abzeichen als Deutsche zu documentiren! Damit sind sie zu Staats bürgern zweiter Ordnung degradirt. die hinter den in kultu reller Hinsicht unvergleichlich minverwerthigen Tschechen zurück zustehen und bei Strafe Alles zu vermeiden haben, was jene nicht leiden mögen. Das ist eine Politik, die weder die Alten noch die Jungen verstehen. Ihre Folgen aber fallen einzig auf die Regierung des Freiherrn von Gautsch und die, von denen er geschoben wird. In einer der letzten Sitzungen der Ersten niederländischen Kammer der Grneralstaaten hielt eia ultramontaue» Mitglied derselben, van den Biesen, eine die unverbesser liche Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit seiner Partei kenn zeichnende Rede. Er behauptete nämlich, daß man auf dem besten Wege sei, eS in Holland zu machen, wir e» in Preußen heiße: „Soldat werden, Steuern zahlen, Maul halten." Und warum? Weil die Re gierung damit beschäftigt ist, die persönliche Dienstpflicht einzuführen und die Stellvertretung, sowie den Loskauf abzuschaffen, welch letzteren der genannte Abgeordnete „eine der theuersten und kostbarsten Freiheiten deS niederländischen Volks" nannte, weil der Ultramonlane, namentlich wenn er reich ist, eS ganz in der Ordnung findet, daß die Pflicht, ibn und seinen Gelvsack zu vertheidigen, ausschließlich auf die Schultern der Aermeren, die keinen Stellvertreter bezahlen können, gelegt wird. Wie der aufgeklärte und vornehme Theil des Volkes über diese „Freiheit" denkt, hat sich vor einigen Wochen gezeigt, als etwa dreißig junge, im militair- pflicktigen Alter stehende und den höchsten und gebildetsten Classen angehörige Leute in einer Eingabe an die Zweite Kammer offen erklärten, daß es dem Ehrgefühl jedes Menschen Widerstreiten müsse, wenn die Pflicht der VaterlanvS- vertheidigung alleiy auf die Schultern der Mittellosen gelegt werde, während gerade die mit Glücksgütern Gesegneten an der Erhaltung der Unabhängigkeit des Vaterlandes daS größte Interesse hätten. Wenn die jetzige Regierung noch lange genug am Leben bleibt, dann wird die persönliche Dienst pflicht zur Thatsache werden, mag die ultramonlane Partei auch Stein und Bein darüber klagen und mit ihren Phrasen über den entsittlichenden Einfluß des CasernenlebenS Land /ruf Land ab jammern gehen. Einen nicht minder krassen Eigennutz als in der Militairfragie bekundete der fromme Herr in seinen Ausführungen über die in den letzten Jahren eiogefübrten direkten Steuern, namentlich über die Ein kommensteuer, die eS ermöglicht hat, den unter dem früheren Steuerdruck beinahe erliegenden kleineren Mann, wie den ganzen mittleren Bürgerstaud zu entlasten und dafür daS Großkapital, das vorher fast ganz frei ausgegangen war, heranznzieben. van den Biesen sitzt aber als Höckstbesteuerler feiner Provinz, keineswegs aber wegen seiner Verdienste um den Staat, in der Ersten Kammer, muß aber seit der Einführung der neuen Steuer gesetze natürlich ganz andere Beiträge m die Steuercasse ab führen als vorher. Dies nennt er „preußische- System". Und was endlich das „Maul halten" betrifft, so meinte ein Blatt sehr treffend, daß man doch unmöglich von Beschränkung der Redefreiheit sprechen könne, wenn selbst ein Mitglied der 1. Kammer, wie van den Biesen, nach Belieben solchen Un sinn schwatzen und sich vor dem ganzen Lande lächerlich machen könne, ohne daß ihm der preußische Maulkorb umgehängt wird. Der blamable Rückzug England» in der Talieutva»- Augeiegenhett wird officiös zu vertuschen gesucht. Au» „guter" Quelle erfährt nämlich „Reuter'» Bureau", die Angaben, nach welchen von der britischen Regierung die Forderung der Oeffuuog von Talienwan al» VertragS- hafen erhoben und diese Forderung spater zurückgezogen worden sei, seien unzutreffend, obschon e» wahrscheinlich sei, daß die Frage der Oeffnung TalieuwanS al» eines der Zugeständnisse, die als Gegenleistung für die Garantirung der chinesischen Anleihe gemacht werden sollten, im Verlaufe der Unterhandlungen zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden sein möge. Das ist ein verschleierter Rückzug, aber der Schleier ist arg durchsichtig! Die „TimeS"-Nachricht über die PrekSgebung Talienwans al- Hafen für den Welthandel hat denn auch in weiten Kreisen England», besonders unter den entschiedenen Ministeriellen, Mißstimmung und Erbitterung er zeugt. Der „Standard", das Hauptorgan der Conservativen, gicbt diesen Empfindungen den lautesten Ausdruck und erklärt am Schluffe eine» geharnischten Artikel»: „Die Nation stebt vielleicht einer ernsten Krise gegenüber und ist iu solchem Falle bereit, alle zur Wahrung ihrer Rechte nothwendigen Opfer zu bringen. Sie befindet sich aber nicht in einer Laune, unter einer Wolke von kühnen Redensarten ibre Inter essen verzetteln zu lassen. Die Regierung würde sehr wohl tbua, dir über diesen Punct herrschende» Befürchtungen zu zerstreuen." Vom liuken Flügel der Opposition erschallt ebenso lauter Tadel. „Wenn Lord Salisbury", sagt da» „Daily Chronicle", „nach allem Gerede und allen Betbeue- rungen den Rückzug angetreten und England« Ansehen hinter sich her geschleppt bat, wird da- Land höchst mißvergnügt und die Stellung der Regierung gefährdet fei»". „Daily News", da« Hauptorgan der Opposition, nimmt «ine ruhige Haltung an, erklärt aber auch, fall» Lord Salisbury» Capitulation die Anerkennung deS russischen Recht- bedeute, innerhalb einer Art Einflußsphäre den Welthandel auszu schließen, würde er alle barten Worte verdienen, die ihm die Torypresse in so großer Eile au den Kopf schleudert, denn in einem solchen Falle würde der Gegensatz zwischen den Handlungen und den Worten de» Ministerium» da» Laad zur Ohnmacht verdammen und dem Gelachter aussetzen. Der regierungsfreundliche „Daily Telegravd" giebt sich zwar den Anschein, die „TimeS"-Nachncht für falsch zu halten, be eilt sich aber, wie wir schon meldeten, ein Bündniß zwischen England und Deutschland, den mächtigsten Völkern zu Laad und See, zu empfehlen, wodurch das Gleichgewicht der Macht erkalten und der Weltfriede und die sichere Entwickelung ve- Weltbandel» Aefördert würde. Wenn di« Engländer mit Deutschland ein Bündniß schließen wollen — und da kommt öfter» vor — dann haben sie jeveSmal eine Schlappe erlitten uud stehen da wie die betrübten Lohgerber. Lassen wir sie ruhig stehen. Deutsches Reich. L. 6. Berlin, 3. Februar. In der Zeit vom 8.—13. Decnnber v. I. sind in Berlin zahlreiche Proben von Spiel- und Zuckerwaarrn, Baumbehang, gefärbtem Marzipan, Chocoladmfiguren mit Farbüberzügen rc. chemisch unter sucht worden. Die Untersuchung der Spielwaaren hat unter 24 Einzelentnahmen in 12 Fällen zu Beanstandungen geführt, die Zuckerwaarrn und sonstigen dem Gebiet des Con- ditorengewerbeS zugehörigen Gegenstände veranlaßten eine Be anstandung in 10 Fällen unter 30 Einzelentnahmen. Im Allge meinen haben die neuen Gegenstände in den meisten Fällen den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, und es sind zumeist ältere Maaren, die diesen nicht genügten. Bei den Spielwaaren haben sich trotz reichlicher Auswahl und Verschiedenartigkeit der Untersuchungsobjecte eigentliche Arsenfarben nicht vorgefunden, die daher wohl als aus der neueren deutschen Spielwaaren- industrie verdrängt zu betrachten sind. Dagegen stellen die Blei farben in unzulässiger Art der Anwendung noch immer ein großes Continamt; doch handelt es sich hier wohl meist um ältere Bestände. ErwähnenSwerth sind drei Proben von Zinnguß- waaren, von denen die beiden ersten unter der Bezeichnung Tafel- und Kaffeeservice mehr als 30 v. H. Blei, die letzte als „Zinn soldaten" mehr als 80 v. H. Blei enthielt. Bei den gefärbten Gegenständen hat es sich herauSgestellt, daß für jeden Farbenton, der schädliche Farben aufwieS, sich die gleichen Farbentöne in völlig indifferenten Farben auf neueren Gegenständen beobachten ließen. Da demnach die Verwendung unschädlicher Farbstoffe technische Schwierigkeiten nicht bietet, handelt es sich in den Ueber- tretungsfällen meist nur um Nachlässigkeit oder Unkenntniß. Bei den Zuckerwaarrn, den Umhüllungspapieren und dergl. wird von den Interessenten noch nicht genügend auf di« Vorschriften des Gesetzes geachtet, insbesondere fand sich mehrfach Zinkweiß, direkte Malfarbe, zum Theil sogar in direkter Vermischung mit Zucker auf Chocoladen- und Marzipanfiguren. * Berlin, 3. Februar. Eine seit dem September vorigen Jabres schwebende Angelegenheit, bei der eS sich um die Lieferung unbrauchbaren Saatgetreide- für die Ueberschwemmteu durch den Rittergutsbesitzer Lucke auf Nißmenau, Rittmeister der Reserve, bandelte, ist nunmehr erlerigt worden. DaS „Sorauer Wochenblatt" brachte am 22. September vorigen Jahre» folgende Correspoodenz au- Cbristianstadt a. B.: ,Lu Ehristianstadt and Umgegend herrscht zur Zeit große Er regung wegen der Lieferung des Eaatgetreibe« für die Uebrr- swwemmten feiten« de- Hilfscomttt«. Bom -rri-au-ichufse war den ackerbautreibenden Bürgern Eaataetreide nm die Hälfte deS Pretse« versprocheu und diese- auch geliefert worden. Nun stellt sich heran-, daß fast alle» Getreide ausgewachsen, mithin zur Aussaat völlig werthlo» ist. Da die Zutheilung und Abgabe ohne Hinzu ziehen de- einzigen Sachverständigen im ComitS, de- Getreide händlers P. Müller, geschehen ist, ebenso die anderen Herren zur Bertheilung nicht hinzugezogrn worden sind, haben heute der Avo- theter Grimm und der Kaufmann Paul Müller ihr Amt als Mit- glieder im BrrtheilungscomitS niedrrgelegt. Da die Zeit zur Aus saat drängt, so haben viele Bauern um einen geringen Aufschlag sofort da- gelieferte Getreide verkauft uud für den Erlös besseres Getreide unter Zugabe der Differenz riogrkauft." Auf diese Veröffentlichung erfolgte eine Erklärung des Rittergutsbesitzer» Lucke, welche die Behauptung der Cor- respondenz in Nicht» widerlegte, sich mit den „Motiven" der erfolgten Ausstellung an seiner Lieferung in verdächtigender Weise beschäftigte und damit schloß, daß Herr Lucke „einzig und allein des lieben Frieden« willen" den ausgewachsenen Rogge» zurücknebmen wolle. Damit war iudeß die Sache nicht abgemacht. Dena jetzt verklagte der KreiSau»schuß, dessen Mitglied Herr Lucke ist, den Redacteur de« „Sorauer Wocheubl." und den Ver fasser der Correspoudenz wegen Beleidigung. DaS Land gericht in Guben ha» jedoch die Klage zurückgewiesen, da die Beweisaufnahme ergeben hat, daß da- vom KreiSauS- schaffe vom Rittergutsbesitzer Lucke angekaufte Getreide über den Werth bezahlt worden ist, uud daß e« mindesten« zu einem Drittel ausgewachsen und al« Saat getreide nicht zu erachten war. „E- ist auch richtig", beißt e« in dem Beschluß de« Landgerichte- weiter, „daß die meisten der vernommenen Zeugen es zur Saat nicht verwendet habe», denn sie befürchteten eine Mißernte, wenn sie eS auS- säen würden. Dabei mag nicht unerwäbnt bleiben, daß, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, da-Mitglied de-Krri-au-schuffe», Rittergutsbesitzer Lucke, der Verkäufer de» Getreide-, da» mangelhafte, ausgewachsene Korn geliefert hat, obgleich er gute», fehlerfreies Korn besaß." Diese Freisprechung bat den Landratb de« Kreise-, Herrn Hänel von Cronentbal, der für seine Tbätigkeit in UeberschwemmungS-Angelegenheiten den Rothe» Adlerordea bekommen hat, nicht abgebalten, dem Drucker de- „Sor. Wochenbl." den Druck de» KreiS- blatte-, da- bei ihm 55 Jahre gedruckt worden ist, zu entziehen. Außerdem soll der Kreisausschuß, dessen Mit glied Herr Lucke »st, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt habe». (Nat.-Zig.) * Berlin, 3. Februar. Die „Deutsche Verk.-Ztg." schreibt: Den Wünschen wegen Ausdehnung der Sonntags ruhe hat die Reichspostverwaltung bereits in er heblichem Maße Rechnung getragen. Auch die Postverbindungen sind, um dem Personal erweiterte Sonntagsruhe zu Theil werden zu lassen, wesentlich eingeschränkt worden. Auf den Landstraßen ist die Zahl der Postoerbindungen an Sonn- und Feiertagen schon seit längerer Zeit geringer, als an Werktagen gewesen. Jetzt giebt es für Landorte Sonntags meistens nur eine einzige Postverbindung, und selbst bei diesen einzigen Verbindungen ist es vielfach möglich gewesen, Fahrpostverbindungen durch Boten posten, die u. A. durch Aushelfer befördert werden, zu ersetzen. Entsprechend den Poftverbindungen auf Landstraßen haben in den letzten Jahren auch diejenigen auf Eisenbahnen erheb liche Einschränkungen erfahren. Wie aus den Leitheften hervor geht, ist auf vielen Cursen, statt der Beförderung durch Bahn posten und Schaffnerbahnposten, eine Beförderung geschloffener Briefsendungen durch das Eisenbahnpersonal eingerichtet, auf anderen Cursen sind Postbeförderungs-Gelegenheiten überhaupt aufgehoben worden. Bisher bedurfte es zur verminderten Be nutzung der Bahnposten oder Schaffnerbahnposten an den Sonn tagen der Genehmigung des ReichS-PostamtS. Nunmehr sind dis Ober-Post di rectionen ermächtigt worden, über derartige Beschränkungen selbstständig Bestimmung zu treffen. — Vom Kaiser ist der Stadtverordneten versammlung nachstehender Danker'aß zugegangen: „Es hat Meinem lande-väterlichen Herzen wohlgethan, die herzliche Theilnahme zu beobachten, mit welcher Mein Geburtstag in Meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin durch festliche Veranstaltungen mannigfachster Art begangen worden ist. Auch die Stadtverordneten haben als gewählte Vertreter der Bürgerschaft Mir freundliche Glückwünsche für daS neu begonnene Jahr gewidmet und gern spreche Ich Ihnen für diese Aufmerksamkeit Meinen Dank aus. Berlin, Schloß, den 31. Januar 1898. Wilhelm L. — Die „Berl. Pol. N." schreiben: „Man wird in der An nahme nicht fehlgehen, daß die letzten Berathungen des könig lichen Staatsministeriums sich auch mit der Frage beschäftigt haben, mit welchen Mtteln durch Hebung der wirth- schaftlichen Lage der deutschen Bürgerschaft in den zweisprachigen LandeStheilen, ins besondere auch in der Stadt Posen, daS deutsche Element gegen daS andringende Polenthum gestärkt werden kann." — Die Commission des Wirthschaftlichen Aus schusses für Landwirthschaft tritt am 16. d. M. gemeinsam mit besonders einberufenen Sachverständigen zur Feststellung der produktionsstatistischen Fragebogen für Land wirthschaft zusammen. — Im preußischen Abgeordnetenhause soll die Etats - berathung am Montag mit der ersten Lesung des Gesetz entwurfs über die Disciplinarverhältnisse der Privatdocenten unterbrochen, sodann aber in möglichst rascher Folge fortgeführt werden. — Zur weiteren U n t e r st ü tz u n g der von dem vorjährigen Hochwasser in den Provinzen Schlesien und Bran denburg unmittelbar Betroffenen ist vom preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten die durch den Erlaß vom 2. October v. I. gewährte Frachtfreiheit für die zum Betriebe der Landwirthschaft erforderlichen Artikel auch auf die Fälle ausgedehnt worden, in denen diese Artikel von dem be ziehenden Landwirth aus eigenen Mitteln beschafft werden. Die frachtfreie Beförderung findet jedoch nur dann patt, war« der Empfänger eine Bescheinigung de» KreiSlandrath» bewriogt. daß sein landwirthschaftlicher Betrieb durch da- Hochwasser des Jahres 1807 schwer geschädigt und in seinem Bestände bedroht worden ist, daß die Sendung für den Verbrauch im eigenen Be triebe bestimmt ist, und daß die etwa zu gleichem Zweck ihm aus öffentlichen oder privaten Mitteln durch die Unterstützungs- comitSS gewordenen Beihilfen nicht auSreichen. Unter dieser Voraussetzung kann auch für bereits bezogene Sendungen eine Rückerstattung der Fracht erfolgen. — In Sachen des Denkmal» für die März» gefallenen haben die Fraktion der Linken und die Neue Fraktion der Linken in ihrer gestrigen Abendsitzuna beschlossen, in nächster Stadtverordnetensitzung zu beantragen, daß die An gelegenheit nochmals«inemAu»schussellberwiesen werde; die Fraction hat demnach von dem ihr »ach ß 36 der Städteordnung zustehenden Rechte, auf Berathung in gemischter Deputation anzutragen, keinen Gebrauch gemacht. Die Fraktion Spinola hingegen hat lediglich Kenntniß von der Magistrats vorlage genommen, während die socialdemokratische Fraction den nachfolgenden Beschluß faßte: „Die Versammlung nimmt mit Bedauern davon Kenntniß, daß der Magistrat ihrem Beschlüsse vom 29. December v. I. — betr. die Errichtung eines Denksteins auf dem städtischen Friedhöfe der Märzgefallenen von 1848 — nicht beigetreten ist. Die Versammlung protcstirt gegen die Auffassung, daß die Nichtausführung ihres Beschlusses durch die Wahrung und Förderung deS Frieden- in allen be- theiligten Kreisen geboten sei, und weiß sich hierbei in voller Uebereinstimmung mit der übergroßen Majorität der Berli»er Bevölkerung, die gleich ihr in der Errichtung deS Gedenksteins die Erfüllung einer Pflicht dankbarer Erinnerung erblickt". — In der heutigen Stadtverordnetenversammlun- gab der ablehnende Beschluß des Magistrats Anlaß zu einer leb haften Debatte. Ein Antrag Langerhans, einen Ausschuß von 15 Personen einzusetzen, welcher die Angelegenheit nochmals einer Berathung unterziehen soll, gelangte schließlich trotz deS Widerspruches des Oberbürgermeisters Zelle mit großer Mehrheit zur Annahme. — GingoldStärck, der in dem Proceß Lützow-Leckrrt vielgenannte „diplomatische Rechercheur" des „Berliner Tagehl.", weilt laut der „Post" dauernd wieder in Berlin. Man be hauptet, er vertrete hier eine amerikanische Zeitung. — Der kentrumsabgeordoete Bachem, welcher infolge voa Ueberanftreuaaug den letzten Sitzungen des Reichstage» and ta- LandtageS fer» bleiben mußte, hat sich auf Anratheu der Lerzte nach Meran begeben. * Hamburg, 3. Februar. Nach Annahme der SuLveu- tiooS vor läge für die ostasiatische Tampfrrlmie durch de» Reichstag werden, wie nach dem „B. T." verlautet, der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerika- Linie gemeinsam vier neue Reichspostdampfer auf deutschen Werften in Bau geben. Der Herstellung-prei- für alle zusammen beträgt ca. 22 Millionen Mark. — Auf Ver anlassung de- französischen GeneralconsulS ersuchte laut der „Frkf. Ztg." die Polizeibehörde den Director deS Centralhallen-TbeaterS, Drucker, vou der Aufführung de» bereits angekündigten Sensationsschauspiels „Cavitain DreyfuS" Abstand ^u nehmen, weil sie sonst ge zwungen sei, diese polizeilich zu untersagen. Drucker ver weigerte vorläufig eine Zusage. Paseu, 3. Februar. In einem heute vor der hiesigen Strafkammer verbandelten Proceß gegen den verantwortlichen Redacteur deS „Orendownik" wegen Verächtlichmachung von StaatSeinrichtuugen stellte der Bertheidiger die Behauptung auf, daß ein geheimer ministerieller Erlaß über die Ausführung deS Vereinsgesetzes bestehe, welcher der Verfassung und dem Vereinsgesetze widerspreche. Da» Gericht beschloß, den Minister v. d. Recke hierüber commiffarisch zu vernehmen. * Hanuover, 2. Februar. Prinz Georg Wilhelm von Hannover hat, wie der „D. V.-Z." au- Cannes ge meldet wird, die ersten Gehversuche mit günstigem E»fölg gemacht. Am 29. d. M. sei der Prinz bereit- zweimal ohne Krücken durch den Salon gegangen. * Dessau, 2. Februar. Bei der heutigen Landtags ersatzwahl wurde an Stelle de« verstorbenen Oberbürger meister« vr. Funk der Rechtsanwalt vr. Döring in Dessau mit 51 voa 84 abgegebenen Stimmen gewäblt. 33 Stimmen fielen auf den Kaufmann Deutschbein in Dessau. * M.-Glattbach, 3. Februar. Eine große Volks versammlung sprach in einer Resolution die dringende Bitte an den Reichstag au-, Vie Flott en Vorlage an- zunehmen. (M. Z.) * Verstau, 3. Februar. Bei der Wahl der Beifltzrr zum hiesigen Gewerbegericht au« den Kreisen der Arbeitnehmer wurden sämmtliche von den Socialdemo- krateu aufgestellte Candidaten gewählt. * Aus der Pfalz, 2. Februar. Die ultramontane Presse hat angesichts der Blamage, welche der Ausgang des Machtkampfes in Homburg-Kusel für sie bedeutet, di« Behauptung auf gestellt, daß der nationalliberale Sieg der Hilfe der Social- demokraten zu verdanken sei. Diese offenbare Verlegen- heitSauSrede wird von dem socialdemokratischen Partei- Ohne eine Silbe zu sprachen, hatte sich Alice bei diesen Worten auf die Pognere gestürzt und sie der Alten aus dec Hand ge rissen, und »ährend Madame Davidot, von ihrem Zorn erstickt, Flüche murmelnd, zurücksank, verschlang sie förmlich mit ihren Augen die Saiten, auf denen daS Verbrechen zu Neuilly analysirt und erläutert war. Sie war am Bette auf die Knie gesunken und laS noch immer und Höri: dabei nicht einmal, wie sie stöhnte und weinte. Als sie bei den letzten Zeilen angekommen war, bekam sie einen Stich mitten durch die Brust, denn sie hatte Folgende? gelesen: „Sie, Frau v. Versannes, hat einen Bruder gehabt, einen Grafen v. Chantefvffe, der, wie man weiß, einen Sohn hinter lassen hat, einen Neffen der Marquise, dessen Aufenthalt unbe kannt ist; man weiß nicht einmal, ob er noch am Leben ist." So war denn der Name ihres Gatten in diesem entsetzlichen Dokument ausgesprochen, ja, dann war er aber doch verloren! Alice, die nichts weniger als skeptisch .var, besaß noch di« in Volkskrciscn verbreitete Ansicht, daß die Polizei allmächtig sei, weil sie bei Entdeckung der Verbrecher über geheimnißvolle, fast magische Mittel verfüge. Während Madame Davidot zu schlafen schien, blieb Alice in einer so unsäglichen Angst auf den Knim liegen, daß sie glaubte, sie müßte sterben. In dieser Stunde konnte Gaston schon in den Händen der Polizei sein. . . . Und dieser Davidot! O wie recht hatte seine Mutter, wenn sie ihn haßte!" Plötzlich rief Madam« Davidot: „Wir müssen ihn entwaffnen, dann wird er die Lügen nicht mehr benutzen können, die er er funden hat. . . . Verbrennen Sir sie schnell!" Alice hatte den Kopf erhoben. Sie sollte diese Papiere verbrennen? Ja, würde da» den Mann retten, der von ihnen bedroht wurde? Wenn sie sie dagegen behielt, studirte, so fand sie vielleicht -in Mittel, gegen die Polizei anzukämpfen und ihre Nachforschungen zu Nichte zu machen. Dieser Gedanke war ihr plötzlich durch den Kopf geschossen, und als die Alte wiederholte: „Aber so verbrennen Sie sie doch", fragte sie: „Aber wenn Herr Davidot nun erfährt ....?" „Glauben Sie, daß ich eS ihm sagen werd«? . . . Ich bin keine Polizeispionin! Zünden Sie die Spirituslampe an, die Sache wird schnell geschehen sein. Ach, und wie er wüthend werden wird, der Elende!" Alice batte sich erhoben und sagte, die Blätter in der Hand haltend: „Die Lampe ist umgeworfen, doch ich habe ja nebenan meinen Ofen, ich werde ihn holen." „Beeilen Sie sich, er kommt vielleicht bald wieder." Alice ging in ihr Zimmer; schnell öffnete sie eine Schublade, in der unbrauchbare Papiere lagen, und machte daraus eine Rolle, die der Davidot'S ähnlich sah. In einigen Minuten hatte sie den kleinen tragbarm Ofen angezündet und trug ihn in das Zimmer der Alten, wo sie ihn vor den Kamin stellte. Die Papiere flammten auf. Madame Davidot brach, in die Hände klatschend, in lautes Lachen aus und rief: „So, diesmal wird der Spitzel Niemanden verkaufen!" IX. In ihrem Zimmer eingeschloffen, brachte Alice den Tag damit zu, die Papiere durchzulesen, die der Zufall ihr in die Hände ge spielt hatte. Wenn sie von ihrem Vater den Ordnungssinn geerbt, so besaß sie von der Mutter her die lebhaft« Phantasie, die oft in Ueber- treibuna auSartete und auf ihre geistigen Fähigkeiten einen ver hängnisvollen Einfluß auSübte. Das Glück, das sie sich selbst geschaffen, die Liebe zu ihrem Gatten, hatte diese hochgradige Nervosität für rinig« Zeit ge mildert, die dem ärztlichen Scharfsinn deS Vater» eine so große Besorgniß eingeflößt. In ihrer Eifersucht hätte sie vor Schmerz aufschveien mögen und in jenen Tagen, da sich ihr der Gedanke aufdrängte, ihr Gatte könne sie betrügen, hatte Alice gefühlt, wie ihre Willens kraft, ihr Gewissen, ihr Verstand sie zeitweise im Stich« ließen. Diese Angst hatte sich plötzlich in jener Nacht derflüchtei, da Davidot ihr die Ursache der häufigen Abwesenheit ihre» Gatten mitgetheilt. Seit der Katastrophe von Neuilly begann die Qual zwar nicht plötzlich und heftig, aber langsam und in Pausen von Neuem. In diesen Augenblicken, in denen ihr Kopf brannte, als hätte man ihn einem glühenden Ofen ausgesetzt, hatte Alice die klare Lrkenntniß, daß sie nicht mehr Herrin ihrer Wort«, noch ihrer Handlungen war. Trotzdem wollte sie sich klar und ruhig von dem Rechenschaft ablegen, was die Polizei eigentlich wußte; sie zwang sich zur sorg samsten Aufmerksamkeit und aotirte sich mit einem Bleistifte auf einem Blatte die Einzelheiten, die ihr ouffirlm. Sie saate sich, daß man eigentlich -ar nicht» entdeckt hätte, und daß die bisher gesammelten Judicien durchaus unbedeutend warm. Waren die Mörder zwei oder drei? Das wußte man nicht und außerdem kam noch hinzu, daß ihre eigene Anwesenheit die Aufmerksamkeit ablenkte und die Nachforschungen erschwerte. Madame Benoit! Sie war nicht todt. Es war ganz unmöglich, daß sie den Mörder nicht erkannt haben sollte! Sie würde von dem Besuche seiner Frau sprechen und jeden falls an eine häßliche Falle denken. „Ich muß überlegen, kaltblütig überlegen", sagte sich Alice. „Wenn nun Madame Benoit Gaston selbst anklagte? Wenn sie, Alice, vor einem Richter erscheinen müßte, was sollte sie ant worten? Und Gaston, würde er es verstehen, sich zu vertheidigen, zu leugnen?" Wie wäre es, wenn sie selbst ins Hotel Dieu ginge, wenn sie im Namen ihres VaterS Madame Benoit bat, zu schweigen? Nein, daS wäre unklug, warum sollte sie sich selbst in Gefahr stürzen? Madame Benoit erinnerte sich vielleicht an gar nicht» mehr, doch Angesichts Alice'» konnte ihr das Gedächtniß plötzlich zurückkehren. Das Beste war, sie starb! — Diese gräßliche Schlußfolgerung drängte sich Alice mit plötzlicher Gewalt auf. So lange Madam« Benoit lebte, bildete sie «ine furchtbare Gefahr für ihren Gatten. Zwischen ihr und ihm zögert« Ali« keinen Augenblick; dir Gefahr Benoit existirte, folglich mußte man mit ihr rechnen. Der Mörder hatte keinen Gegenstand am Lhatort« zurück gelassen, der sie bloßstellen konnte, von dieser Seite war nicht» zu befürchten. Da» Geld? Die Ausgaben hatten nichts UebertriebeneS und konnten die Aufmerksamkeit nicht errege«, um so mehr, al» Clairac sich infolge seine» Namen» und seiner Familie in einer socialen Stellung be fand, die im Nothfalle ein größere» Vermögen wohl rechtfertigte. Sein Name? Er hieß Clairac vou Chautefosse und dieser letzte Name war erwähnt worden. Allerdings trua er ihn nicht und sozusagen kannte ihn Niemand. Er hat« hundertmal gesagt, er würde ihn nur an nehmen, wenn das Schicksal ihn wieoer auf den ihm zukommen de» Platz stellen würde. Und wa» kam e» auch darauf an, ob man ihn kannte? Er war der enterbt« Neffe der Frau v. Bersaones und hatte kein Interesse an ihre« Tod. Selbst der Polizeibericht sagt, daß er alle Beziehungen mit ihr abgebrochen habe. Diese Spur wurde also nicht verfolgt, und wen» «an sie verfolgte, so konnte sie nur zu einem Miv- erfol§« führen. Aber es warm zwei Thäter gewesen; wer war der Andere? Alice zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß es dieser Herr Vaucroix war. Dieser Elende, der sich an ihren Mann geklammert hatte, der ihn behext, verführt, ja, ihn vielleicht zum Verbrechen gezwungen. O, für den hatte sie kein Mitleid! Doch wenn er verhaftet, wenn er verhört wurde und seinen Complicen anzeigte? Verhaftet, weshalb? Wer kannte ihn? In den Notizen der Polizei war nicht ein Wort enthalten, das auf seine Spur führen konnte. Er war kein Kind, kein Narr, der durch eine Unklugheit seinen Kopf wagte. Zweifello» hatte er, in den Besitz des Geldes gelangt, sich vollständig ver ändert, hatte seine alten Edelmannsmanieren angenommen, und verstand eS unbedingt, jeden Verdacht von sich zu entfernen. Sie wäre ihm gerne irgendwo begegnet, um ihm im Nothfall Rathschläge geben zu können. Warum sollte er Pari» nicht ver lassen, bis die Sache in Vergessenheit gerieth? Ganz besonders beruhigte sie der Umstand, daß sie die größten Vorsichtsmaßregeln angewandt hatten; sie hattm Costume inge zogen, die weder ihren Gewohnheiten, noch ihrem Stande ange hörten. Sie erinnerte sich ganz genau, daß sie «ine Art von schwarzen Blousen getragen hatten. Sogar das Schuhwerk hatten sie vertauscht, denn Alice hatte wohl bemerkt, daß Gaston ohne einen Schmutzfleck zurückgekommen war, und doch stand in dem Bericht, daß di« Verbrecher in Erd« herumgetreten warm. Seltsam, bei dieser Frau, die nur an Rettung de» Mannes dachte, den sie liebte, ja, dm sie vielleicht nocb mehr liebte, seit sie für ihn bebte, hatte sich die Gewissenlosigkeit so stark entwickelt, daß sie sich jetzt schon darüber freute, daß die Verbrecher in ganz abgefeimter Weise vorgegangm waren. Sie überlegte übrigens nicht weiter und nur eine Thatsache stand für sie fest: ihr Mann mußte gerettet werden. Um da» Weitere kümmerte sie sich nicht. Er war schuldig und der gemeinsten Verbrecher einer, das stand fest; doch hätte er das Verbrechen nicht begangen, so batte sie ihn ja nicht retten können, und daS war doch die Hauptsache. Hätte eS genügt, sich für ihn die Hand abzuschneiden und sich für ,hn zu tödten, sie hätte e» auf der Stelle gethan! ES war nicht allein ihre Pflicht, ihn zu vertheidigen, es war eine Noth- wendigkeit ihres eigenen Wesens, ihrer Lieb«, die nichts erschüt terte oder verminderte. Sie sucht« ihn nicht einmal zu entschuldigen; er hatte schon Verzeihung erlangt, weil er das Verbrechen begangen. — — Plötzlich erkannte sie auf der Treppe den Schritt ihres Gatten und ließ schnell die Papier« verschwinde». (Fettsetzun, fPgt.)
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