01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980308010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898030801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898030801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-08
- Monat1898-03
- Jahr1898
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Größere Schriften laut unserem Preis Verzeichnis,. Tabellarischer und Ztssrrnfatz nach höheren« Taris. tkxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrunz 60—, mit Postbeförderung 70. -. Ännallmeschluß füL Anzeigen: Abend«Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stund» früher. Anzeigen sind stet- an dir Expedition zu richten. Druck und Berlag von <k. Polz in Leipzig. 82. Jahrgang. 128. Dienstag den 8. März 1898. Zur Politik der Sammlung. LZ Der am Freitag im preußischen Abgeordneten hause zwischen den Abgg. Möller und Graf Kanitz gepflogene Meinungsaustausch über die künftige Handels politik hat die freisinnige Presse in einen Zorn versetzt, der uns befremdet. Hatten die Leutchen denn geglaubt, eS würde nicht Alle» daran gesetzt werden, um eine Einigung zwischen Landwirthschaft und Industrie anzubahnen'? Wenn Za, so kann der Jrrthum nur dadurch entstanden sei, daß sie hinter der „Nationalztg." noch Nationalliberale und Industrielle — Mäntelfabrikanten ausgenommen — vermutheten. Der Versuch einer Verständigung und seine Unterstützung durck den Fürsten Bismarck entspricht durchaus den Wünschen der nationalliberaten Partei, und wenn die „Deutsche Tagesztg." bemerkt, die Unterschrift des Altreichskanzlers sei den „Mittelparieien höllisch in den Magen" gefahren, so ist das eben die Behauptung eines Blattes, für dessen Hintermänner die Aussicht auf einen wirthschaftlichen Frieden oder mvdus vivendi noch viel mehr Schrecken hat, als sür die Freisinnigen; der Grund ist aus der Erklärung Möller's zu erfahren. Die Meinung des „Leipziger Tageblattes", die die „D. T." ganz besonders vermißt, ist ihr inzwischen kund geworden. Das merkwürdige Organ wird daraus ersehen haben, daß es mit seinem redlichen Plänchen, die Unterschrift Bismarck s als gegen die Nationalliberalen gerichtet hinzuftellen, kein Glück bat. Wie inzwischen von der „Nationallib. Corr." mitgetheilt worden ist, bat Fürst Bismarck in der Ueberschrift der be kannten Erklärung, die „Wirthschaftlicher Wahlaufruf" hieß, das Wort„Wahl" ausgcstrichcn. Man bat das mit der Abneigung des Altreichskanzlers erklärt, seinen Namen mit Wahlagitationen in Verbindung gebracht zu sehen. Mag sein. Wahrschein licher aber scheint es uns, daß der weitblickende Staatsmann Voraussicht, daö Beste für die Sammlung werde nicht bei und durch die Wahlen, sondern nach denselben geschehen. Zn der Tbat, so wichtig die nächsten Wahlen sind, sie werden bei der Lebhaftigkeit der Verhetzung eine volle Klärung nicht bringen, und sie brauchen sie auch gerade für die Handels verträge nicht nothwendig zu bringen. Es wäre wünschens- wertb, daß es anders käme, aber e« ist keine Aussicht dazu vorhanden. Das ist offenbar auch die Ansicht der„Kreuzztg". Wir haben bis zu den Handelsverträgen noch fünf oder doch wenigstens vier Jahre. Deshalb wird die „Nat.-Ztg." wenig Glück haben, wenn sie es so darstellt, als ob durch den Ver lauf einer Versammlung des Bundes der Landwirthe in Ost preußen Herr Möller und seine Freunde ad absurdum geführt seien und als ob die Freitagsverhandlung im preußischen Abgeordnetenhaus« als ein Täuschungsversuch ent larvt worden wäre. Es ist wahr, was Herr vr. Hahn in Königsberg vorbrachte und was dort beschlossen wurde, ist zum Theil unvereinbar mit dem, waS der wirthschaftliche Aufruf anstrebt. Die Versammlung nahm einstimmig folgende Resolution an: I. Die beute in Königsberg i. Pr. tagende Hauptversammlung deS Bundes der Landwirthe für Ostpreußen stellt sich rückhaltlos auf den Boden der Resolution des Bundes der Land» wirthe in seiner diesjährigen Generalversammlung im Circus Vusck zu Berlin, welche die Politik der wirthschaftlichen Sammlung für die gesammte schaffende Arbeit des Vaterlandes proclamirte. Ik. Sie erblickt in dem bedeutsamen Aufruf des wirthschaftlichen Ausschusses den Beitritt zu dieser Politik und interpretirt denselben in diesem Sinne. III. Ins. besondere stimmt sie der Beseitigung der bisherigen Meistbegünstigungsklausel bei, welche uns im Zusammen- Hang mit den langsichtigen Tarifverträgen unsere wirthschaftliche Actionssreihcit und Selbstständigkeit gegenüber dem Auslande bis zum Jahre 1004 genommen hat, und hält es für selbstverständlich, daß die nunmehr von Neuem anzubahnende national« WirthschaftS- Politik cs im Interesse der Gesammlheit ermöglichen muß, den zur Zeit maßgebenden Einfluß Les internationalen spekulativen Groß. Handels auf die Gestaltung der Preise für die gesammtcn landwirth- schastlichen Producte zu beseitigen und in gleichmäßiger Rücksicht- nähme auf die Interessen dec Consumenten wie der Producenten namentlich auf die Herbeiführung mittlerer Getreidepreise in möglichster Gleichmäßigkeit und Dauer hinzuwirken. Da diese Resolution ausdrücklich auf die diesjährige Generalversammlung des Bundes im Circus Busch zu Berlin Bezug nimmt und in dieser Versammlung eine SammlungS- Politik proclamirt wurde, die „im Gegensätze" zu Kund gebungen steht, „welche zu einer Politik der Sammlung auf rufen, ohne bestimmte, klare Ziele erkennen zu lassen", so gesteht die Resolution im Grunde selbst zu, daß sie den Aufruf des wirthschaftlichen Ausschusses nickt sowohl inter- pretire, als umdeute. Noch klarer geht dies aus der Rede hervor, mit der Or. Hahn die von ihm befürwortete Reso lution begründete und in der er nach dem Berichte der „Königsb. Allgem. Ztg." bemerkte: Aus den Kreisen des wirthschaftlichen Ausschusses sei in letzter Zeit ein Aufruf zu einer Politik der Sammlung ergangen. Der Ausruf aber müsse vorsichtig ausgefaßt werben. Der Theil, der sich z. B. mit der Meistbegünstigungsklausel befasse, enthalte eine höfliche und vorsichtig sormulirte, doch aber entschiedene Ab- lehnung. Es sei dringend nöthig, durch eine Resolution heute an dieser Stelle zu präcisiren, wie der Bund der Landwirthe den Ausruf des Ausschusses aussasse. Dieser Tag, an dein zum ersten Mal eine Versammlung des Bundes der Landwirthe zu dem Aufrufe des Ausschusses Stellung nehme, werde rin denk, würdiger sein. Eine Präcffion sei dringend nothwendig, denn pflaumenweiche Männer (Beifall), die sich mit schönen Redensarten um die Hauptsache herumdrücken, die wolle man nicht. Aber kein Aufruf irgend welcher Art wird dem Schicksal entgehen, in einzelnen Puncten verschieden ausgelegt und um gedeutet zu werden. Am wenigsten war anrunehmen, daß ein aus so heterogenen Elementen zusammengesetzter Bund, wie der der Landwirthe, einen Ruf zur wirthschaftlichen Samm lung durchweg in der gleichen Weise aufsassen und auslegen werde. Man batte allerdings gehofft, von der Sammlung jene extremen Elemente ausschließen zu können, von denen von vornherein zu erwarten war, daß sie auch innerhalb der Sammlung ihre einseitigen Bestrebungen forlsetzen und den Versuch machen würden, ihre Forderungen dem Gaiizen auf zuzwingen. Aber der Versuch scheiterte, weil diese Elemente die thaligsten Agitatoren des Bundes sind. Entsteht nun die Frage, ob man dieser Agitatoren und ihres Anhanges halber den ganzen Sammlungs-Versuch ausgeben, die ganzen, schon so weil gediehenen Bestrebungen zur Einigung von Land- wirthschaff, Industrie und Handel auf dem Boden des für Alle Notlügen und Unentbehrlichen fallen lassen oder ruhig abwarten soll, ob jene Agitatoren allmählich durch das von Jahr zu Jahr klarer hervortretende Gewicht der wirth schaftlichen Thatsachen und Nothwendigleiten von ihren Sonderbestrebungen abgebracht werden, so kann für keinen besonnenen Politiker die Antwort auf diese Frage zweifel haft sein. Die wirthschaftliche Unfriedfertigkeit ist übrigens bei den Agitatoren des Bundes der Landwirthe nicht stärker und skrupelloser zu Tage getreten, als z. B. in der Thatsache, daß die „Nationalzeitung" di« von Herrn Möller an den Grafen Kanitz gerichteten Anfragen verdreht hat, um darthun zu können, daß die conservativen Agrarier völlig ungenügende Antworten gegeben hätten. Die Extremsten der Extremen im agrarischen Lager haben auch nicht übertroffen, was ein von den Freisinnigen vor einiger Zeit zum Bürgermeister von Eberswalde in der Mark gewählter Bürgermeister Hopf ge leistet hat. Man lese nur folgende „Berichtigung", die einer Zeitung in dem genannten Städtchen zugegangen ist: Eberswalde, den 2. März 1898. Herr Bürgermeister Hops ersucht uns „auf Grund des 8 11 des PreßgeseyeS vom 7. Mai 1874" folgende Berichtigung zu bringen: Ich habe in meiner Rede in Wriezen nicht gesagt: „Aber wie die Sachen nun einmal liegen, kommt uns der Miquel'jche Sammclruf vor wie der Wunich Les Räubers, mit einem Ausgeraubten Brüderschaft zu schließen", sondern ich habe gesagt: „Wie die Sachen aber stehen, kommt mir der Ruf nach Sammlung im Munde der Agrarier so vor, wie der Wunsch des Räubers, mit seinem auSgeraubten Opfer Brüderschaft zu schließen." Solche Excesse entschuldigen daSTreiben des Herrn vr. Hahn in unseren Augen nickt, aber sie sollten doch Blätter, wie die „Nationalzeitung", milder stimmen. Wir unsererseits behalten auch angesichts des freisinnigen Wettbewerbs um die Palme der Volksverhctzung das Recht, daS sächsische „Vaterland" zu ersuchen, sich genauer zu erklären, wen es gemeint hat, als eS von nationalliberalen Angriffen auf den Bund der Landwirthe sprach, infolge deren eS nicht vollständig aus geschlossen sei, „daß der Bund sich veranlaßt sehen könnte, überall selbstständig vorzugeben und eine Probe anzustellen, wie weit die nationalliberale Partei in unserem Lande auf Beachtung Anspruch zu erheben berechtigt ist." Will das „Vaterland" etwa glauben machen, in Sachsen identisicire man Herrn vr. Hahn mit den einheimischen ländlichen Mitgliedern des Bundes der Landwirthe? Man kennt hier vielmehr genau den Unterschied. Aber wir sehen keinen Grund, an den Schlimmen daS Gute scheitern zu lassen. Vier, fünf Jahre sind eine lange Zeit. Es kann sich wirthschastlich viel ändern und, wenn man schon auf Personen blicken will, es ist leicht möglick, daß bis zur Stunde der Entscheidung die berufsmäßigen Störer deS Friedens zwischen den Ermerbsständen abgewirthschaftet haben oder, da der durch ein Gewissen nicht eingeengten Agitation er fahrungsgemäß die capitalbildcnde Kraft nicht fehlt, gesättigte Existenzen geworden sind. Wer den Willen zur Sammlung bat, wäre ein Thor, wenn er durch an und für sich nicht leicht wiegende Hinweise von natürlichen Gegnern der Sammlung im Streben zum Ziele sich beirren ließe. Deutsches Reich« * Berlin, 7. März. Ueber die ultramontane „Deutsche Literaturgeschichte", die Herr vr. Karl Storck „für das deutsche (!) Haus bearbeitet" hat, schreibt die demokra tische „Franks. Ztg." in ihrem literarischen Thcile: „An kleineren Literaturgeschichten für Schule und Haus haben wir gerade keinen Mangel, manche verdienen sogar das Prädicat gut. Will also eine neue sich besondere Beachtung verschaffen, so muß sie auch etwas bieten, was sie von jenen abhebt oder über sie stellt. Das thut Storck's Buch insofern, als es voin speci fisch katholischen Standpunct aus abgesaßt ist. Zwar verschweigt dieses der Verfasser; er spricht in der Vorrede nur voin Christen- thum und nationalem Fühlen, aber an vielen Stellen tritt jene katholische Betrachtungsweise z» Tage. So tadelt er, um nur Einiges anzuführen, wiederholt, daß Scheffel im Ekkehard das Klosterleben zu ungünstig beurtheilt habe, von jedem X oder U wird mit Sorgfalt notirt, daß sic treue Söhne der katho- lisch en Kirche waren, dagegen wird die Thatsache, daß Redwitz, der zu den „strenggläubigen Katholiken" gezählt wird, in seinen letzten Werken energisch Front gegen Kirche und Papst macht, mit einer Phrase übergangen, deren Sinn nur der Wissende erräth. Noch mehr tritt der gekennzeichnete Stand- punct z. B. bei der Beurtheiluug der Reformation hervor und bei der Behandlung der einzelnen Autoren. Da wird Ubland auf einer Seite abgethan . . . Biele katholische Schriftsteller werden erwähnt, die nicht einmal Platz in einer dreimal so umfang, reichen Literaturgeschichte verdienten. Dagegen fehlen andere Schrift- steiler, die man ungern vermißt; ich greise nur einige Namen heraus: Zinkgref, Weckherlin, Wittenweilcr, Chr. F. Weiße, I. Böhme, Berthold von Regensburg, Frischlin, Campe, Fr. Th. Bischer, Alexander v. Würtemberg, H. v. Gilm, Riehl, Wilhelmine v. Hillern, O. Ernst, Hartleben. Bei den Literaturnachweisen fehlt Roquette's Literaturgeschichte. Im klebrigen ist das Buch, besonders in den ersten Theilen, recht anregend geschrieben und wir bedauern nur, daß es nur katholischen, nicht aber weiteren Kreisen willkommen sein dürfte. Aber auch jenen können wir im Interesse des Friedens und der gemeinsamen Verständigung solche einseitigen Darstellungen nicht wohl empfehlen." Wenn aber die Demokratie und die „Franks. Ztg." die politische Kräftigung deS UltramontaniSmu« nach Vermögen sich angelegen sein lassen, geschieht es natürlich „im Interesse des Friedens und der gemeinsamen Verständigung"! Nicht wahr? * Berlin, 7. März. In der Geschichte der Socialpolitik und namentlich der Arbeitervevsicherung wird das Jahr 1898 insofern eine Bedeutung erhalten, als in ihm zum ersten Male in Deutschland eine Million und mehr Renten empfänger auf Grund der Arbeiter-Versiche- rungsgesctze gezählt werden dürften. Nach den amtlichen Ausweisen über die Unfallversicherung gab es Ende 1897 515 331 Rentenempfänger, nach den Ausweisen über die Jnva- liditäts- und Altersversicherung 452 300, insgesammi also 967 031. Es fehlen etwas über 30 000 Rentenempfänger, um die erste Million voll zu machen. Es ist ganz sicher, daß diese Summe noch im laufenden Jahre erreicht wird, denn beispielS weise hat sich die Zahl der Unfall-Rentenempfänger vom Jahre 1896 auf 1897 um mehr als 62 000 und die der Alters- und Invaliditäts-Rentenempfänger um nahezu 53 000 vermehrt. Jede einzelne der beiden Zahlen würde also schon die Zahl der auf Grund der Arbeiter-Versicherungsgesetze Renten empfangenden Personen auf eine Million bringen. Der 52. Theil der deutschen Bevölkerung nach der Kopfzahl erhielt dann in diesem Jahre auf Grund der Bersicherungs-Gesetze Renten. Betheiligt an den selben ist aber ein weit größerer Theil, da ja viele Renten empfänger Familienväter sind und andere, namentlich die Alters rentner, in den Familien ihre Renten verzehren. Es spiegelt sich in diesen Zahlen die Bedeutung der Arbeiterversicherungs-Gesrtz- gebung für unser ganzes modernes Leben wider. (Hamb. Corr.) V. Berlin, 7. März. (Telegramm.) Zum gestrigen Abend waren bei dem Kaiserpaare geladen: Generaldirector der königl. Museen Wirkt. Geh. Rath Or. Schöne, Professor I)r. von KekuI6 und Professor Anton von Werner. Heute Morgen um 8 Uhr mackte der Kaiser einen Spaziergang im Thiergarten und hörte von 9 Uhr ab den Vortrag deS Wirkl. Geh. NatbS vr. von Lucanus und die Marine vorträge. — Kaiserin Friedrich ist seit einigen Tagen in Folge von neuralgischen Schmerzen genöthigt, daS Zimmer zu hüten. O Berlin, 7. März. (Telegramm.) Der „Reichsanz." meldet: Die von dem deutschen Gesandten in Peking mit der chinesischen Negierung geführten Verhandlungen sind ab geschlossen. Der Vertrag, der auch die Deutschland ge währten wirthschaftlichen Zugeständnisse umfaßt, ist am 6. März von beiden Theilen unterzeichnet worden. — Eine Protest Versammlung von über 500 An gestellten der Berliner Pa cke tfahrt gesel lschaf t wurde am Sonntag Nachmittag abgehalten. Es wurde, wie die „Nat.-Z." berichtet, folgende Resolution angenommen: „Die Versammlung sämmtlicher Angestellten dcr Berliner Packet- fahrtgesellschast erstickt Len hohen Reichstag, den Arlik l 2 der Postgesetz.Novelle abzulchiicn, nnd, wenn dieses nicht ge- fchehcn sollte, die Angestellten der Privatposten in den Dienst der Neichspost unter Anrechnung der bisher zurückgclegte.a Dienstjahre zu übernehmen." — Regierungsassessor Börking ist in Lome im Togo-Schutz gebiete noch kurzer Krankdeil am Schwarzwasserfieber gestorben. Aus Trarbach gebürtig, war er etwa seit Jahrcssrist in die Colonial. Nblhcilung des Auswärtige» Amtes eingetreten. — Tas verstorbene Mitglied Les Herrenhauses Gras Wil Helm zu Stolberg-Wernigerode, General der Cavallerie, war am 13. Mai 1807 zu Wernigerode geboren. Er hat während des Krieges 1870/71 mit Auszeichnung die 2. Cavallerie-Division com- mandirt nnd ist dann commandirendcr General des 7. Armeecorps geworden. In das Herrenhaus ist er auf Präsentation des Ber- dandes des alten und befestigten Grundbesitzes im Landschastsbezirke Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer berufen. Braunschweig, 6. März. Der hiesige Verein für F e u e r b e st a t t u n g hat sich an dir Gemeinden der hier ver tretenen verschiedenen Confessionen mit Eingaben gewandt, in denen er ersuchte, Aschenurnen und Aschensärge auf den hiesigen Friedhöfen beisctzen zu dürfen. Das Gesuch an das hcrzogl. Konsistorium um Gestattung der Mitwirkung der evangelisch lutherischen Geistlichen bei der Trauerfeier einer für die Ver brennung bestimmten Leiche ist abgelehnt und die Eingaben an den Magistrat und di: katholische Gemeinde um Erlaubniß ertheilung zur Beisetzung von Aschenurnen und Aschensärgen auf ihren Friedhöfen ist abschlägig beschieden worden. Zu stimmende Antworten sind nur von der jüdischen Gemeinde und der reformirten Kirche erfolgt. * Hildesheim, 6. März. Der BundderLand wirthe im hiesigen Reichstagswahlireise droht, die Hildesheimer Ge schäftsleute zu b o y c o t t i r e n, wenn sie nicht den bündlerischen Kandidaten wählen. Das hiesige Bundesorgan schreibt u. A.: „Hat der Hildesheimer Kaufmann kein Herz für die Land wirthschaft, so haben wir auch kein Herz für ihn. Gute Waare giebr es heute überall; wir find nicht gezwungen, in Hildesheim zu kaufen, und wenn >vir bis dahin mit Rücksicht aus die städtische Bevölkerung daraus verzichtet haben, Consumvercine und dergleichen zu gründen oder gar von anderwärts zn beziehen, so kann sich auch das ja ändern. Tic Mittel haben wir dazu, und fällt die Reichs- Fourllrton. Gedankenspenden. Gelegentlich eines Künstlerfestes, das am 22. Februar dieses Jahres von den Mitgliedern des Stettiner Stadttheaters ver anstaltet worden >var, hatten die Veranstalter desselben bekannte Dichter und Bühnenkünstler um sinnige Beiträge für die Fest schrift, die zugleich eine Erinnerungsschrift sein sollte, gebeten. Ihrem Anliegen war von einer großen Anzahl „Berühmtheiten" nachgekommen worden, und manch schlagendes Wort, manch treffendes Epigramm, viele formschöne und geistig gehaltvolle Verse aber auch, legen den Wunsch nahe, die Kenntnißnahm« dieser Gedankenspenden einem weiteren Leserkreise als dem eng- begrenzten der erwähnten Festschrift zu sichern. Für unsere Leipziger Leser werden in erster Linie die Bei träge von Leipzigern, zu dem gedachten Zwecke nach Stettin gesandt, von Interesse sein. So finden wir in der Sammlung aus Rudolf von Gottschalk'» Feder folgende schöne, des Verfassers hohe Meinung von der Dichtkunst Schönheits zauber kundgebende Verse: „Wenn einst die Dichtung ohne Erben Von dieser Erde wandern muß, So werden alle Blumen sterben, Eh' sie erschloß der Sonne Kunst. So werden sternenleer die Röcht«, Ter Erde Farben blaß und todt, So sehlt dem menschlichen Geschlecht« Dir Thräne in des Lebens Roth.» Minder poetisch und obenein recht pessimistisch äußert sich Albsrt Goldberg über Künstler» Leid«, und Neiden: „Wer nichts leistet, wird vom Chef, wer viel leistet, von den Kollegen schlecht behandelt? Einen Stich ins Sentimentale oder ins Schwerenötherthum hinein hat Arnold Hänfeler'S Klage: „O, könnt' ich noch einmal so lieben, wir damals — im schönen Stettin!" Mögen ihm als Trost die Worte EdwinBormann's dienen, der in der Festschrift mit den Versen vertreten ist: „Wer'S mit der Kunst, der holden, hält, Der steht im Mittelpunkt der Welt. Denn Kunst, wie toll'S dir Zeiten treiben, Sie wird daS Herz der Menschheit bleiben!» Und Franziska Ellmenreich sagt in edler Schwär merei: „Die rechte Kunst ist immer Gottesdienst." Als echter Bewunderer der Kunst sagt auch Hans Hopfen: „Unterm blauen Himmelszelt Läßt sich allerhand betreiben; Doch das Beste von der Welt Ist dle Kunst und wird es bleiben.' Anderer Meinung ist freilich Max Bernstein, der der Kunst kein Plätzchen gönnt in seinen Versen: .Die Welt bestünde nimmer sort, Wenn das in ihr nicht bliebe: Ein Kindeslächeln, ein Manneswort Und eine« Weibes Liebe.» Friedrich Spielhag en belehrt den Künstler: „Ob nun die Kunst vom Können abzulriten — DaS ist gewiß: aus« Können kommt es an. Laßt Andre Uber Theorien sich streiten, Wenn Du es kannst, bis Du der rechte Mann.» Manch« Klage wird auch laut über den Niedergang d«r Kunst; so äußert sich besonders Paul Heyse in grimmem Zorn: Als die Tragödie zuerst erstund, War noch der Wunsch nicht allgemein, Lieber ein lebendiger Hund, Als ein todter Löwe zu fein.« Max Grube dichtete sarkastisch: „Wie lange wird in heiliger Wulh Run schon an der deutschen Bühne gebessert! Der Acker wäre vielleicht schon gnt — Ich finde, es wird zu viel gewässert.» Ueber das moderne „natürliche" Spiel auf der Bühne urtheilt Robert Misch ebenso treffend wie drollig in dem Gedichtchen „Dcr Mime": Wenn er Worte halb verschluckt, Wenn er murmelt, hustet, flüstert, Wenn er auf den Boden spuckt Und dazu so leise wispert, Daß ihn vorn kein Mensch versteht; Wenn er dazu noch den Rücken Publico beharrlich dreht, Daß ins Auge ihn Niemand blicken Kann, und er recht unmanierlich, Dann, mein Freund, ist rr — natürlich.» Neben dem bitteren Ernst behauptet aber auch der Humor sein gutes Recht. So „dichtete" Anna Schramm, die un verwüstliche, allzeit fidele, folgende schöne Epistel: »Ein Autogramm Von Anna Schramm Wünscht die Redaction? „Hat ihm fchon." Schnell Hao' ich's erdacht In schlaflos«,l!k Nacht! Eiu Gedicht Jst's zwar nicht, Aber gut gemeint, Und wie es scheint, Kommt'? auch weniger auf die Verse an Als den guten Willen, mit dem's gethan. So lache denn, Leser, und sei nicht gram, Ter alten fidelen Anna Schramm!» Einen gulen Scherz sandte Alexander Moszkowski mit dem Kunstepigramm „Die Liszt-Schülerin" ein: „Der Meister war ihr wohlgewogen Und unterstützte sie b«im lieben. — Das Liszt'fchc ist nun längst verflogen, Das Schülerhafte ist geblieben.» Eine Pointe von köstlicher Komik hat ebenfalls das „Nocturno" von Julius Stettenheim: „Wie lieblich tönt eß durch die Nacht! Am Fenster steht die Traut«. Ihr wird ein Ständchen dargebracht, Der Jüngling schlagt di« Laut«. Doch welch' «in Schreien nebenan? Ein Weib, vor dem mir graut, Hat laut gezankt mit ihrem Mann. Jetzt schlügt der Mann di« — Laut«!» Beenden wollen wir unsere Blüthrnles« mit einem Bers von Ernst Wichert über die Kritik: „Herzhaft tadeln ist auch eine Kunst. Aber lohen — nicht nach Gunst, Sondern nach der Gerechtigkeit Herzhaft — da» bringt doppelt so weit!» M. Uhs«.
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