02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960401020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896040102
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-01
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Dem Verfasser Lieser Zuschrift ist es entgangen, daß er eine ooatruäiotio in ackzeeto ausgesprochen hat. Nicht als ob eine aus der Noth der Zeit herausgewachsene agrarische Gesinnung mit dem Nationalliberalismus unverträglich wäre. Bon uns wird man sich einer solchen Ansicht um so weniger versehen, als wir seiner Zeit zwar nicht der Unterzeichnung des Antrages Kanitz durch Mitglieder der nationalliberalen ReichStagSfraction, wohl aber den Be schluß der Fraktion, sich von Viesen Parteifreunden nicht zu trennen, gebilligt haben. Gewiß giebt eS auch innerhalb der nationalliberalen Partei einen Punkt, an dem die „wirth- schaftliche Freiheit" ihr Ende zu nehmen hat, aber diese Frage wird durch die angeführten Bemerkungen der „Kreuzztg." nicht aufgeworfen. Bei dieser handelt es sich um tue rein politische Frage, ob man den Reden der Grafen Mirbach und Klinckowström, der.Herren von Ploetz u. s. w. zustimmen und gleichzeitig nationalliberal nicht etwa gelten, nein, sein kann. Diese Frage wird von allen National liberalen verneint werden. Es hat Meinungsverschiedenheit in der Partei darüber geherrscht, ob die Socialdemokratie gesetzlich zu bekämpfen sei oder nicht. Darüber aber bestand und besteht volle Einmüthigkeit, daß die Socialdemokratie, weil sie die Arbeiter das, was ihnen die heutige Gesellschaftsordnung bietet, verachten lehrt, weil sie ihnen ingrimmigen Haß gegen die Autorität einimpst und lehrt, der „Elassenstaat" bringe ihnen Haß entgegen, daß diese socialdemokratische Agitation revolutionair und deshalb gemeingefährlich sei. Damit ist auch die Stellung unserer Partei zu den „Reden" der Herren Graf Mirbach n. s. w. vorgezeichnet. Wir vermögen keinen Unterschied zwischen den Intentionen der einen und der andern Gruppe von Agitatoren zu erkennen; hier wie dort geht die Absicht aus das Sammeln einer möglichst großen Anzahl von Anhängern als Leitersprossen zum Er klimmen der Machtbvhe. Ist die Wirkung der scrupel- losen Aufreizung der Bauern eine geringere, als die der Verhetzung der Arbeiter, so ist der Unterschied nicht den adeligen VolkSverleitern zuzuschreiben, sondern dem in einer tausendjährigen Entwickelung zu einem über zeugten Anhänger der Autorität gewordenen Bauernstände. Auch ist die unausgesetzte Unterwüblung dieser Beste deS Bestehenden keineswegs ergebnißloS geblieben, und das Einzige, worin Graf Mirbach Glauben verdient, ist die Versicherung seiner Herrenhausrede, daß er und seine Mitstrebenden in der Erschütterung der Treue der Landwirthe gegen ihren König bereit- erkleckliche Erfolge zu verzeichnen haben. Insoweit die Sprache der preußischen Herrenhausagitatoren von der der socialdemokratischen absticht, so wird man wahrlich nicht sagen können, daß die in das Heuchlergewand der besorgten Patrioten gekleideten, aber mit dem feinsten Raffinement auf die Erzeugung von Trostlosigkeit und Haß berechneten Worte der reichbegüterten Aristokraten sich vortheil- haft von den Reden der das wahre Object ihrer Angriffe direct beim Namen nennenden und ihre letzten Ziele enthüllenden Demagogen aus dem Arbeiter stande abhöben; — nur bei einem Vergleich mit den Singer und AronS haben die Mirbach und Klinckowström nicht zu fürchten, in dem ungünstigeren Lichte zu er scheinen. Wenn die socialdemokratischen Führer ihre Anhänger ausgefordert haben, sich der Feier des Reichs jubiläums sern zu halten, weil der deutsche Nationalstaat nur zum Vortheil der Reichen und zur Unterdrückung der Armen begründet worden sei, so ist das den Motiven nach nicht besser und nicht schlimmer, als wenn der Gras Mirbach sagt, er habe jenes Fest wegen der Noth deS Landes nicht mit zu begehen vermocht. Mit den Trägern einer solchen Politik können sich Nationalliberale nicht vereinigen. Nicht, weil sie national sind, und nicht, weil sie liberal sind und der gemäßigte Liberalismus nicht nur seinen Worten nach, sondern thatsächlich auf dem Boden der bestehenden Ge- sellschaslsordnung und der Monarchie steht. Ein Berliner antisemitisches Blatt macht dem Abgeordneten Basser mann einen Vorwurf daraus, daß er als Vorsitzenver der Commission für den Gesetzentwurf, betreffend die Hanvwerkerkammern, diese vor der Osterpause nicht mehr zusammenberusen hat. Es suckt dabei die Meinung zu er regen, als ob dieses Versäumniß in einem Zusammenhänge stehe mit der — wie das Blatt behauptet — beabsichtigten Verzögerung der Erledigung der Handwerks-Organisation im Allgemeinen. Herrn Bassermann treffe allein die Schuld an der Verschleppung der Arbeiten der Commission und sein Verhalten beweise, wie „wenig angebracht eS war, den Vorsitz der Commission einem nationalliberalcn Abgeordneten zu übertragen". Dem gegenüber weisen wir darauf hin, daß die erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Er richtung von Handwerkerkammern, am 16. und 17. December nur deshalb nicht mit einer sofortigen Ablehnung der Vor lage schloß, weil man sich dahin verständigt hatte, daß die Ueberweisung derselben an eine Commission Gelegen heit bieten sollte für eine Resolution, in der die großen Parteien des Reichstags über den Grundgedanken einer Gesammtorganisation des Handwerks sich äußern wollten. Die Commission beschloß, das Erscheinen des im Plenum des Reichstages angeknndigten Gesetzentwurfs über diese Gesammtorganisation abzuwarten, und vertagte sich bis dahin, ohne daß von irgend einer Seite Widerspruch erhoben worden wäre. Die Arbeiten sind also nicht „ver schleppt", sondern mit vollem Bedacht nicht in Angriff ge nommen worden, und der gegen den Abg. Bassermann ge richtete Vorwurf ist, da es sich bei diesen Vorgängen nicht um „Coulissengeheimnisse", sondern um offenkundige, in der Presse mehrfach erörterte Thatsachen handelt, nichts weiter als eine nichtswürdige Insinuation. In Leftcrreich wird das Bündniß zwischen den Wiener Antiseniiten und den Klerikalen immer festerund zwar unter Billigung des Nuntius Agliardi, von dem ja bekannt ist, daß er für den Wahlfonds der Antisemiten sammelt und für die Bestätigung Lueger'S sich einsetzte. Der Wiener Correspondent der „Köln. Ztg." meldet, der Nuntius habe den Erzbischof von Wien und selbst den liberalen Abt Karl von Melk gezwungen, je 1000 Gulden zum antisemitischen Wahlfonds beizusteuern. Nur die Spende deS Melker AbteS ist befremdend; der Wiener Erzbischof dagegen zeigte sich den Wiener Antiseniiten stets gnädig gesinnt und nahm Lueger stet- in seinen Schutz. DaS ist eS, waS dem Führer der Christlich-Socialen von vielen seiner deutsch nationalen Bundesgenossen vorgeworfen wird. Schönerer donnert schon lange gegen diesen Abfall des Antisemitismus von der rein deutsch-nationalen Idee, und in einem An hänger Schönerer'-, dem Redacteur der „Ostdeutschen Rund schau", Herrn Wolf, ist Lueger ein Gegner entstanden, der ihm jüngst in einer Versammlung ofsen entgegentrat. Er forderte von Lueger eine Rechtfertigung dafür, daß dieser aus allen klerikalen Parteitagen erscheine und die klerikalen Agitationen fördere, und aus der Versammlung heraus wurden von beiden einander gegenüber-stehenden Fractionen der anti semitischen Partei lebhafte Vorwürfe wegen vermeintlicher Iudenknechtscbast der Gegner erhoben. So lange aber nur die Schönererianer die Einigkeit stören, wird dies keine weiteren Folgen haben. Die gemäßigteren Deutschnationalen stehen zu Lueger, und erst dieser Tage wurde von den vereinigten Anti semiten ein gemeinsames Wahlcomitü für die Landtagswahlea eingesetzt. Immerhin ist der Bruderzwist der Partei Lueger höchst unangenehm, zumal unmittelbar vor der auf den 8. April anbcraumten Bürgermeisterwahl. Der Führer der Antisemiten hätte viel darum gegeben, wenn die Austragung des Streites auf die Zeit nach der Wahl verschoben worden wäre. UebrigenS verdient beachtet zu werden, daß die Curie dort, wo der Antisemitismus sich nicht zum Werkzeug deS UltramontanismuS hergiebt, oder diesem sogar daS Concept verdirbt, jede« Zusammengehen mit ihm perhorrescirt, wie aus der Maßregelung deS gegen die ^galizischen Bischöfe un botmäßigen christlich-socialen PaterS Stojalowski hervorgeht, den Rampolla erst protegirte, um ihn nachher fallen zu lassen. Der französische Ministerpräsident Bourgeois batte die Kammer gebeten, ihn über die auswärtige Politik der Regierung erst am Donnerstag zu interpellier», da mit England wegen Madagaskars und der Dongolaangelegenheit noch Verhandlungen schwebten, die bis dahin vielleicht ge nauere Mittheilungen ermöglichten. Wenn nun trotzdem im Senat bereits gestern eine dahingehende Anfrage durch Bardoux gestellt wurde, so brauchte Bourgeois derselben umsoweniger auSzuweichen, als er sich auf obige Erklärung berufen, die Anfrage mit nichtssagenden Worten abthun und so die Spitze deS gegen das Ministerium gerichteten An griffs bequem abbrechen konnte. Nun hat er es bloß noch mit der Deputirtenkammer zu thun und zwar unbelastet durch ein Mißtrauensvotum, das diese ihm zu geben im Augenblick gar nicht in der Lage war. Jedenfalls war auch der neuerliche Vorstoß der graubärtigen, sonst so bedächtigen Senatoren sehr voreilig nnd unklug. Wir geben den ersten Theil des Berichts über die gestrige Senatssitzung an anderer Stelle wieder und lassen hier nur den aus Madagaskar und den englischen Sudanzug sich beziehenden Passus folgen: Paris, 31. März. Gegenüber den Fragen Bardoux, welche Erklärungen der englische Parlamentsuntrrsecretair Curzon be- züglich der madagassischen Zollverhältnisse abgegeben habe, welche Mitthetlungen die französische Regierung in dieser Frage an die Mächte gemacht und welche Antworten man bekommen habe, bemerkte Ministerpräsident Bourgeois: „ES ist unmöglich, auf eine einfache Anfrage hin eine ausführliche Darlegung der Sachlage zu geben. Bei Gelegenheit der Berathung der Vorlage über die madagassischen Zollverhältnisse, welche jetzt der Deputirtenkammer zugegangen ist, werden dem Senat alle erforderlichen Aufklärungen gegeben werden. Wir haben den Mächten die Besitzergreifung Madagaskars notificirt. Die überwiegende Mehrzahl der Mächte hat diese Mittheilung vorbehaltlos entgegengenommen und den Empfang bestätigt. Nur zwei Mächte haben um ergänzende Mittheilungen ersucht; wir sind dabei, die Antwort darauf zu formuliren und zwar im Sinne der der Kammer zugegangenen Vorlage über die mada gassischen Zollverhältnisse." Ueber die eghptische Frage führte Bourgeois Folgendes aus: „Der Senat kennt aus dem Wortlaut der Erklärung, welche Minister Berthelot am 19. März verlas, die Gesichtspuncte. welche die französische Regierung gegenüber dem An. trage Englands, betreffend die Easse der egyptischen Staatsschuld, vom ersten Tage an vertreten hat. Sie wissen, wie, gemäß diesen Gesichtspuucten, die Haltung unseres Conimissars gewesen ist. Ter russijche Commissar hat sich durchaus dieser Haltung angeschlossen. Beide haben in vollkommener Uebereinstimmung erklärt, daß die Commission in einer so besonderen politischen Frage unzuständig sei. Da ihre Meinung nicht durchgedrungen ist, haben die französischen und russischen Commissare sich zurückgezogen, nachdem sie Protest eingelegt hatten. Ich habe mich nicht mit dem gerichtlichen Vorgehen zu beschäftige», welches eine Gruppe sranzösischer Gläubiger gegen die eghptische Regierung und die Commissare angestrengt hat. Andererseits sind die Ansichten Frankreichs zur Kenntniß der englischen Regierung gebracht worden und die Besprechungen dauern fort. Ter Senat wird be greifen, daß es mir nicht möglich ist, ihm augenblicklich voll- ständige Erklärungen über die Verhandlungen zu geben. Ich muß mich vielmehr darauf beschränken, die Versicherung zu geben, das; die Verhandlungen unsererseits mit Klugheit und Festigkeit geführt werden. Es möge mir ebenso erlaubt sein, daran zu er innern, daß Frankreich bei der Haltung, die es eingenommen hat, die feste Zustimmung Rußlands gesunden hat, und dann hinzufügen, daß das Einvernehmen zwischen den beiden Staaten niemals ein vollkommeneres und herzlicheres war. Mit diesen Versicherungen, die abgeben zu könne» ich mich glücklich schätze, kann ich Liese kurzen Erklärungen schließen. Ach hoffe, sie werden von Ihnen so ausgenommen werden, daß die Regierung in Ihrer Zustimmung eine der stärksten Stützen finden wird bei der Erfüllung ihrer Aufgabe nach außen hin. (Beifall.) Nach eiuer Erwiderung Bardoux' bemerkte Bourgeois: Wir haben Nichts aufgcgeben von der Erklärung, welche der frühere Minister Berthelot in der Kammer abgegeben hat, aber bei dem gegenwärtige» Stande der Verhandlungen habe ich nichts hinzuznsügcn. Der Zwischenfall war damit geschlossen. Die Erklärung, welche Berthelot am 19. Mär; in der Kammer abgab, lautete: Tie Regierung sei der Ansicht, Las; die Ermächtigung zur Bestreitung der Kosten des Dongcla rugeS auS der egyptischen Staatskasse der Zustimmung sämmtlicher Mächte bedürfe, die Expedition würde mögliche-, weise die kriegerische Erhebung fanatischer Bewohner ter französischen Besitzungen veranlassen, auch würde die Expedition die unerwünschte Folge haben können, de» Termin der Räumung Egyptens hinauSzuschieben. Diese Erklärungen klingen viel weniger alarmireud als d e bekannte durch Bourgeois in die „Aarnce Havas' lancirte Drohnote. Der Ministerpräsident bat sich also mit sammt seinen Collegen dem platonischen Protk". des abgetretenen Ministers des Aeußeren doch »och anac schlossen, und dies ist wahrscheinlich geschehen aus Veranlassung Rußlands, daS einen ernsten internationalen Consticl vorerst noch auS dem Wege zu gehen bestrebt ist. Da- also ist dic Klugheit und Festigkeit, mit welcher die Negierung die ezyp tische Angelegenheit zu Ende führe» will, daS die so gc flissentlich und wiederholt stark betonte feste Zustimmung Rußland» und daS vollkommene und herzliche Einvernehmen mit dieser. Die diplomatische Niederlage Frankreichs ist un zweifelhaft, aber man empfindet sie dort nicht als solche, weil man sie mit Rußland theilt, ist Bourgeois dank bar, daß er den in Petersburg fabricirten Schleier über dic Feuilleton. Gottbegnadet. 14) Roman von Konrad Telmann. Nachdruck vrrbvlrn. Endlich fand man ein Gut, daS sich zum Ankauf zu eignen schien. ES war nur wenige Mellen von Modrow entfernt, war aber noch abgelegener als dieses. Man brauchte reichlich zwei Stuneen mit guten Pferden bis zur nächsten Eisenbahnstation. Harry fand daS von vornherein un möglich; man würde sich wie auf eiuer wüsten Insel mitten im Ocean vorkommen, meinte er, und erst als Thea ihm lächelnd erwiderte, daß für ein junges Paar daS ja gerade da- Richtige sei und er sich's immer selbst so gewünscht habe, gab er nach. Nach seiner Meinung hätte eS über haupt blo» einer Villa bedurft mit „'n bißchen waS drum rum", denn ein großes Gut zu bewirthschaften war er ja doch nicht im Stande, darin gab er Onkel HanS recht. Aber Frau Marcella blieb dabei, daß er einen ausgedehnten Wirkungskreis haben müsse und daß er sich in der Enge über kurz oder lang gedrückt fühlen werde; ein weiter Horizont müsse für ihn da sein. Daß HanS Wietzlow nahe genug hauste, um in allen Notbfällen beispringen zu können, woran er'S auch nicht fehlen lassen würde, mußte gleichfalls als ein nicht zu unterschätzender Vortheil betrachtet werden. An einem sonnigen Herbstmorgeu fuhren sie zu Vieren nach Lensihn hinaus. Sie hatten auf Modrow übernachtet, wo Onkel HanS ein Herrenhaus besaß, in dem er eine Compagnie Soldaten unterbringen konnte, und er selber brachte sie in seiner StaatScarrosse, die sich trotz der starken Gäule nur ziemlich langsam in den sandigen Fahrgeleisen fortbewegte, auf daS Gut hinaus, wo man heute, nachdem Ernst Lindbeim unter Vorbehalt seine Zustimmung ^gegeben, zu einem Abschluß zu kommen gedachte. Die weißen Sommer fäden schwammen durch die blaue Luft und der Thau auf den Stoppelfeldern blinkte wie Diamanten. Eine herb-frische Luft strich vom Föhrenwald herüber, der den Horizont wie ein bläulich verdämmernder Streifen begrenzte. Alle waren guter Dinge, obgleich HanS Wietzlow mehr al- einmal er klärte, eS käme ihm vor, als wären sie alle in einer Fast- nacht»ko«ödie beschäftigt, und der Aschermittwochs - Jammer tvkäde ja auch wohl nicht auSbleibeu. Harry und Thea saßen Hand in Hand und blickten leuchtenden Auges inS Land hinaus. Allmählich näherte man sich dem Gebiet von Lensihn. HanS Wietzlow machte auf den Grenzstein aufmerksam, der die Gemarkung des Gutes bezeichnete. Nun versuchte auch Harry sich für die Gegend zu interessiren, die er bisher nur als Landschaft angesehen hatte. „Ist das hier Reis?" fragte er, auf eins der Felder zur Rechten deutend. HanS Wietzlow fiel vor Lachen beinahe vom Kutschbock. Und Frau Marcella sagte erschrocken: „Aber Harry, wie soll denn hier in Pommern Reis wachsen?" Selbst Thea hatte die Blöße gleich erkannt, die er sich gegeben und war roth geworden. Harry aber lachte ganz harmlos. „Nun dacht ich's wunder wie gut zu machen mit meiner interessirten Frage und es war wieder nichts. Ich bin doch schon lange heraus au« dem Metier, — wie kann man das Alles behalten? Aber ich komme schon wieder hinein!" HanS Wietzlow konnte sich gar nicht beruhigen. Während sie Lensihn ansahen, dessen derzeitiger Besitzer sie selbst umherfübrte, fragte er noch immer bei jeder Gelegenheit: „Bauen Sie eigentlich auch Reis, Herr von Dörenberg? Oder: Die Hauptsache ist, daß guter Boden für Reis da ist. Herr von Sennfeldt will sich ganz besonders hierauf verlegen." Und dabei schüttelte er sich vor Lachen. Herr von Dörenberg, der ihn gut kannte, lachte mit, ohne zu wissen, um was eS sich handelte. Der Getreideboden des Gutes war übrigen» vortrefflich. Ueberhaupt ergab sich bald, daß man einen bessern Kauf nicht wohl machen konnte. DaS Gut war in vortrefflichem Zu stande, die Ernte war besonder» reich ausgefallen, so daß die Scheunen von Getreidevorräthen strotzten, und der Viehbestand mußte selbst da» Wohlgefallen de» NichtkennerS erregen. Herr von Dörenberg gab den Besitz nnr auf, weil anhaltende Kränk lichkeit ihn zwang; man merkte ihm an, wie schwer eS ihm wurde, sich von der Scholle Lande» zu trennen, auf die er die Arbeit langer Jahre verwandt hatte und die aufs Engste mit ihm verwachsen war. „Man ist daS dem Boden schuldig, mit dem man eS gut meint", sagte er; „wenn da- Auae deS Herrn nicht mehr überall ist, verdirbt er. Lieber also ihn einem fremden Herrn übergeben, als daS mit aaseben und verschulden." Frau Marcella warf Harry bei diesen schlicht-ergreifenden Worten einen vielsagenden Blick zu, aber dieser, »er mit Thea flüsterte, schien sie überhört zu habe». Auch über de» Preis einigte man sich unschwer. Er war hoch, aber HanS Wietzlow versicherte, daß er da» Gut um keinen Pfennig billiger verkaufen würde, und Frau Marcella wußte, daß sie sich auf ihn verlassen konnte. Trotzdem rieth er, als der Gutsherr sie verlassen hatte und sie im Park unter einer Riesenulme zusammensaßen, während daS Braut paar, das Tausend Zukunftspläne entwarf und schon AlleS einrichtete und umänderte, durch die Gartenwege schlenderte, dringend von dem Ankauf ab. „Wozu soll denn die Iahr- marktsposse?" fragte er. „Daß dies Jüngelchen nie und nimmer ein Landmann wird, liegt doch auf der flachen Hand. Wem wollt ihr denn nun damit Sand in die Augen streuen, wenn ihr ihn hierhersetzt? Und gleich auf solch ein Gut! Wär doch Jammer und Schande, wenn er's verkommen ließe! Habt ihr Euch mal den LuxuS gegönnt, Euch einen adeligen Nichtsthuer zum Schwiegersohn zu angelu — WaS ich Euch Notabene nie zugetraut hätte —, so müßt ihr «un auch den Muth haben, daS vor aller Welt zu bekennen. DaS andere wär alles Faxe und Narretei. Laßt ihn nur ruhig so weiter singen und schlumpen!" Alles, waö Frau Marcella in Scherz und Ernst dagegen redete, war ziemlich umsonst. HanS Wietzlow faßt daS Ganze als einen Act der Heuchelei auf, zu dem er in seiner Ehrlich keit die Hand nicht bieten wollte. Daß sich der bisherige erste Inspektor auf Lensihn bereit erklärte, unter dem neuen Gutsherrn auf seinem Posten zu bleiben, konnte ihn nur insofern versöhnen, als daun wenigstens für den Grund und Boden nichts zu fürchten war; das „Sand in die Augen streuen" blieb deshalb doch da- Gleiche. Ernst Lindheim war über den geforderten Kaufpreis er schrocken. Er rieth ab. Für ein Experiment. Für eine bloße Spielerei dürfe man soviel nicht darangeben. Aber Harry bat und bettelte. Er und Thea batten sich in Lensihn geradezu verliebt; Alle» war dort ganz so, wie sie es sich ausgedacht hatten. Dazu kam, daß da» Gut erst im Frühjahr übergeben werden sollte und man im Winter gern noch eine Hochzeits reise nach Italien gemacht hätte. ES schken Alle» daher so gut zu stimmen, al» wäre es für di« Beiden eigea» erfunden worden. Endlich gab Frau Marcella deu AuSfchlaa damit, daß sie erklärte, au» ihrem eigenen Vermögen die Hälfte de« geforderten Kaufpreise» zahlen zu wollen. An dem Preise sollte das Ganze nicht scheitern. Da die Gatten nicht in Gütergemeinschaft lebten und Frau Marcella über ihr Erb- tbeil von den Eltern her freie» verfügung-recht batte, ließ sich gegen ihr Vorhaben nicht» einweuden. Aber Ernst Lind» heim war unzufrieden. „ES ist gerade, al- wärst Tu selber die Verliebte, Cella", sagte er, „und nicht Thea." Frau Marcella lachte. „Sollte man nun wirklich da- Glück dieser Beiden an ein paar Tausend Mark scheitern lassen?" fragte sie, „überhaupt an Geld?" „Woher weißt Du, daß es ihr Glück sein wird?" gab er grollend zurück. „Daß sie überhaupt glücklich werden?" „Sie lieben sich ja", versetzte Frau Marcella einfach. „Nun", sagte er, „Du hast mich seiner Zeit ohne Liebe geheirathet, Cella, und ich glaube, wir sind trotzdem glücklich geworden." ES war ein warmer, inniger Klang in seinen Worten und seine Hand streckte sich gegen sie au». „Ja", erwiderte sie, ihre Hand m die seine schmiegend, ohne alle Sentimentalität, weich und doch fest, „da» sind wir, Ernst. Aber cS war ein Wagniß und hat Kämpfe gekoste:. Den Kindern wollen wir sie ersparen, nicht wahr?" Er gab nach, aber er war nicht überzeugt. „Du bettest ihn zu weich, glaube ich", sagte er. „Eine so weichliche Natur wie die Harry'», wenn ihr aller Kampf nnd alle Arbeit von vornherein systematisch ferngehalten werden, er schlafft wahrscheinlich immer mehr, und gerade, weil er da für sein Recht betrachtet, eS besser zu haben al» jeder Andere, nur gerade al» sein Recht und gar nicht al« etwa» Be sondere», wird er in dem Wohlleben allmählich verkomme». Du willst ihm eine Thätigkeit und ein« Beruf geben, aber Du machst eS ihm zu leicht, Du räumst ihm ja Alles au« dem Wege." Noch entschiedener sprach sich Han» Wietzlow gegen Fran Marcella» Entschluß au». Er, der mit Leib und Seele Landmann war^ wollte keinen in den Berns hereinlassen, der nicht mit seinem ganzen Herzen an der Scholle hing, die er bewirthschaften sollte; ihm war'» «ine Entheiligung, daß man nnr so den Herrn auf eigenem Grund nnd Boden zu spielen beliebte, ohne in einem intimen Verhältnis dazu zu stehen. Trotz alledem blieb Frau Marcella bei Dem, wa» sic sich vorgeoommen. Ihr Vertrauen zu Harry war u» erschütterlich. Sie baute darauf, daß er sich gerade durch dasselbe moralisch gezwungen fühlen werde, ihre Vorher- sagungen nicht zu Schanden zu machen. So kam der Kauf zu seinem und Tbea'S Jubel wirklich zu Stande. Selbst Frau Lydia von Sennfeldt konnte sich angesichts dieser hoch herzigen Handlung einiger anerkennenden Worte nicht ent halten, die Harry au» eine« ihrer Briefe Frau Marcella vorla». 3« Uebrigea aber hatte sie immer nur über ihn
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