02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960413024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896041302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896041302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-13
- Monat1896-04
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Neclamen unter dem RedattionSstrich ?4ge spalten) SO»K, vor deu Familirnnachrichien (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifferwatz nach höherem Tarif. Extra-vkilagm (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbrförderung 60.—, mit Pvstbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 9V. Jahrgang. Daß ich Es wär' ja > Aber FhniHetsir. berg und den Bund der Landwirthe. Vervollständigt wird da« Bild noch dadurch, daß die „Germania" eS gar nicht für nöthig erachtet, die Frage nach ver Stellung der Socialdemokraten zu der Stichwahl auszuwerfen. Ohne die Socialdemokraten würden auch „die besten Aussichten" des Welfen von vornherein zu Schanden werden; die „Germania" hat aber allem Anschein nach die fraglose Gewißheit, daß ihr Schützling auf die antinationalen socialvemokratischen Wahl verwandten unter allen Umständen rechnen kann. Sollte das der „Handwerkerfreundlichkeit" des welfischcn Candidaten nicht einen eigenen Beigeschmack geben? auv den jüngst im Reichstage abgegebenen Erklärungen bervor- ging, die Frage eines Ouebrackozolles noch nicht ent schieden. Tie Andeutungen indessen, welche der bayerische Finanzminister in einer der letzten Sitzungen der Münchener Abgeordnetenkammer über die Erhebungen gemacht hat, die der Bundesralh zu dieser Frage veranstaltet bat, lassen darauf schließen, daß bei einer sorgsamen Abwägung de» Interessen der deutschen Schälwaldbesitzerundderjerigenunserer Gerbereiindustrie die letzteren als die schwerer wiegenden erkannt worden sind. Auch Vie lcbbafteste Antbeilnakme an dem Geschick Ver zumeist zu den kleinen Leuten zählenden Sckälwaldbesitzer wird die von dem bayerischen Finanzminister ausgesprochene Be fürchtung, daß ein Prohibitivzoll auf überseeische Gerbstoffe, speciell auf Quebracho, die Gerberei in weitem Umfange und damit auck den Häutebezug ins Ausland treiben würde, zum Schaden der einheimische» viehzuckttreibeiiden Landwirthe und ohne Nutzen für die Schälwaldbesitzer, als ein nickt von der Hand zu weisendes Argument gegen den Ouebrachozoll an- ab die Mit dem 21. April, an welchem Tage der französische Senat wieder Zusammentritt, geben die parlamentarischen Ferien zu Ende. Unter den ersten Vorlagen, mit welchen sich der Senat zu beschäftigen haben wird, befinden sich be kanntlich die Credite für Madagaskar. Falls die erste Kammer, wie vorauszusehen ist, an diesen Crediten Aente- rungen, und wären sie noch so gering, vornehmen wird, müßte die Depulirtenkammer gleichfalls noch vor Ablauf Ver dis in die zweite Hälfte des Mai reichenden Vacanz rin- berufen werden, um die Auslagen für MadagaScar nach der Zeit vom 30. April ab gut zu beißen. Die ravicale und socialistische Presse ertheilt der Negierung allerdings den Rath, sich um das Votum des Senats nicht zu kümmern und aus den ihr zur Verfügung stehenden Geldern ihre Auslagen zu decken. Es gewinnt zedoch immer mehr den Anschein, daß Bourgeois nicht geneigt sei, den Gegensatz zu dem Senat so sehr auf die Spitze zu treiben. Es verlautet vielmehr, daß der Ministerpräsident im Vereine mit dem Minister des Innern Herrn Sarrien, welcher seinen Einfluß zur Abschwächung der bestehenden Gegensätze geltend macht, eber bereit wäre, den Senat durch gewisse Zu- gestänrnisse von seiner gegnerischen Haltung abzubringen. Unter diesen Zugeständnissen sollen sich vor Allem jene be finden, die der Finanzminister Doumer IN der Frage ter Einkommensteuer machen will. Wie es heiß', ist er gegenwärtig eifrig damit beschäftigt, eine neue Basis für diese Steuerreform zu finden, nach welcher das Bekenntniß und die Besteuerung des Einkommens, wie sie in ter alten Vorlage vorgesehen war, Wegfälle» und die Leiter der Hantels und Industriehäuser nur nach den äußeren Anzeichen ihres Ver mögens besteuert werden sollen. Wahrscheinlich wird die Regierung den Verlauf der heute beginnenden Session der Generglräthe abwarten, bevor sie einen entscheidenden Beschluß faßt, denn cs liegt in der Natur ter Sache, daß diese Körperschaften ihre Stellungnahme .zur Regierung und insbesondere zu der Frage der Einkommensteuer deutlich markirrn werden. Daran wird aber das Eabinet Bourgeois ziemlich deutlich erkennen können, ob die Majorität der Be völkerung für oder gegen seine Politik ist. Auch der Senat wird auf die Stimmen der Gcneralrätbe genau zu achten haben und eS muß daher erst der Verlauf derselben gewartet werden, bevor man ein klares Urtheil über Lage des EabinelS gewinnen kann. Deutsches Reich. Berlin, 12. April. Der Bundesrath bat, wie den jüngst im Reichstage abgegebenen Erklärungen ging, die Frage eines Ouebrackozolles noch n zwungener Gleichgiltigkeit an irgend einen Nabestebenden die Frage rickten, wer die junge Dame sei, als plötzlich Asta wieder an ibr vorüber kam und ibr ruflüüerte: „Tu, das ist die reckte!" Ebe Tbea, die unwillkürlich zusammengezucki war, noch ein Wort entgegnen konnte, war Aila vorüber. Tbea atbmetc ein paar Mal mübsam auf, aber sie zwang fick zur Ruhe. Nock einen flüchtigen Blick warf sie aus das Paar, kann schlug sie tie Richtung zu einem ter Nebenfäle ein. Aber es wühlte etwas in ibr. Immer wieder klang es in ihr auf: Die reckte! Tie reckte! Was wllte das heißen? Eine sckmäblicke Verleumtung war's, ein Nackeact Asta's, ein gewöhnlicher Klatsch, — nickts weiter. Und doch war Thea nicht ruhig. Eine wilde Eifersucht bäumte sich plötzlich in ibr empor, es war ibr, als griffe Emer mit räuberischer Hand nach ibrem heiligsten Besitz. Heißer Groll ließ ihr Blut stürmisch wogen. Sie gewann nicht so viel Fassung zurück, um irgend eine gleickgütige Unterhaltung mit einem gleickgiltigen Menschen ankuüpsen zu können, sondern rang mit dem Entschluß, zu Harry zu gehen, ibn zur Rede zu stellen, ihn auszusortrrn, jetzt mit ihr diese Gesellschaft zu verlassen. Und dock begriff sie reckt gut, wie lhöricht das gewesen wäre und daß er sich wahrscheinlich geweigert und obendrein sie ausgelacht hätte. Nicht mit Unrecht. WeSbalb nahm sie an, raß gerate diese ibr und ibm gefährlich werden könne? Weshalb sah sie in dieser Einen gerade ihre Feindin? Seit die kleine Else von Hake gekommen ist, ist Senn feldt für die übrige Welt natürlich wieder verloren, börte sie plötzlich eine Dame schmollenden Tones sagen, an der sie vorbeikam. Else von Hake! Tbea erinnerte sich nickt, den Namen jemals gehört zu haben. Und dock stieg plötzlick eine Erinnerung in ihr aus, wie wenn von dieser Frau — oder war eS ein junges Märcken? — sckon einmal in ihrer Gegen wart die Rede gewesen wäre; aber es mußte lange her sein. Else — Else von Hake — sie wiederholte sich den Namen immer wieder, aber nein! sie fand ihn in ibrer Erinnerung nicht. Sie mußte sick täuschen. In ihrer jetzigen Erregung war da« nickt zum Verwundern. Wieder streifte Asta an ibr vorüber und warf ibr einen fragenden, suchenden Blick zu, gerade als ob sie erwarte, Thea werbe sick nunmehr an sie wenden, um NäbrreS über „dir Reckte" zu erfahren, ibr Blick schien sie sogar dazu er muntern zu wollen, aber Tbea biß die Lippen fest auf einander. Diesen Geiallen wollte sie der Intrigantin nickt tbun, diesen Triumph sollte sie nrckt feiern. Sichtlich enttäuscht, aber mit ibn fort, immer mehr und mebr zu singen. Als er endlich daS Elavier schloß, ging ein Rauschen und Brausen durch den Saal, wie nach einem großen Ereigniß, das Alle er griffen hatte. Man drängte sich um Harry, um ihm zu danken und ihn zu beglückwünschen. Und er nabm das Alles wieder entgegen mit jener matten Gleichgiltigkeit, als ob es ibn langweile, und dock sab man ibm an, daß eS ibm ein Bedürfniß war. Tbea stand im Hintergründe, während Alle sich um ihn scharten und um sie selber sick Niemand kümmerte. Sie war sehr erregt, ibr Herz schlug stürmisch. Und dock wagte sie sich nicht zu ihm, sie, die seine Frau war und zu ibm gekört hätte in jeder dunkeln wie in jeder Hellen Stunde seines Lebens! Allmählich legte sick die allgemeine Aufregung etwas Harry stand einen Augenblick allein, er lebnte sich wie er schöpft an den Flügel und schloß die Augen zur Hälfte. Da« war vielleicht der geeignete Moment, zu ibm zu geben, für Thea. Wenn sie ibm nur wortlos die Hand entgegen streckte und ibn ansah mit einem Blick, in dem er all ibre Liebe und all ibren Gram, lesen konnte, mußte ja Alles wieder gut werden können. Ein einziger solcher Augenblick übte ost Wunderkraft auS und entschied über ein ganzes Menschenleben. Sckon setzte sie den Fuß an, um sich ibm zu ncibern, da gewahrte sie, daß eine andere Dame aus ibn zutrat und daß seine malten Augen plötzlich aufglänzlen, als er sie neben sick sah. In der unwillkürlichen Bewegung, mit der er ibr seine beiden Hände entgegcnstreckke, lag etwas so freudig Bewegtes, daß Tbea im Zniieisten erzitterte. Sie kannte die junge Dame nicht, die jetzt ein lebbaft und leise geführtes Gespräch mit Harry begann, während ibre Hand den rotben Federfäcker bewegte und ibrer Beider Augen in einander hafteten; sie erinnerte sick nicht, sie je gesehen zu haben, aber Harry mußte sie gut kennen. Sie war übrigens eine auffällige Erscheinung, nicht eigentlich schön, aber von einem seltenen, zarten Liebreir, geschmeidig und zierlich, wie eine Elfe. Der reizende Kop) mit den gekrausten, kleinen, braunen Löckcken sah ungemein pikant aus. DaS elegante, eng anschließende und in langer Sckleppe i^iß brrabfallende, lichtgraue Kleid ließ Schultern und Nacken frei. Wie sie in graziöser Stellung, mit leicht vorgebeugtem Oberkörper vor Harry lebnte, boben sick ihre Augen — ungewöhnlich große, braune, feucht schimmernde Augen — mit einem gewissen schwärmerischen Glanz zu ibm auf. Tbea hatte ein paar Secunden lang wie gebannt da gestanden, nun wandte sie sich ab und wollte eben mit er handelt, schwer oder gar nicht gangbar zu machen sei, wenn nicht von der maßgebendsten Stelle auS der Anschauung, daß mit der Waffe ein Gottesurtbeil provocirt, die gekränkte Ehre wiederhergestellt und die Stellung in der Gesellschaft reparirt werden könne, entschieden entgegentreten wird. Das entsetzliche Ende eines Mannes, der wahrscheinlich wider seinen Willen in eine häßliche Hofintrigue verwickelt wurde und durch seinen Tod daS Dunkel, daS über den Ur heber dieser Intrigue gebreitet ist, lediglich noch mehr ver dunkelt bat, legt den Wunsch nach einem höberen Eingreifen noch näher. Wir muffen der „Straßburger Post" völlig bei stimmen, wenn sie in einer Besprechung des erschütternden Vorfalles sagt: „Heute ist das Duell auf der einen Seite im Heere ein er zwungene«, auf der anderen Seite aber fallen die nach den Gesetzen g«qen Duellanten erkannten Strafen überhaupt kaum in Betracht, da sieja ganz regelmäßig durch schnellste Begnadigung auf ein Minimum abgekürzt werden. Hieraus entsteht die Aussassung, als ob man an höchster Stelle Duelle als einen Verstoß betrachte, der eigentlich keiner fei und jedenfalls in der Bestrafung so wenig fühlbar als möglich gemacht werden müsse. Die „Kreuzzeitung", ein sicher nicht als duellfeindlich anzuiehendes Blatt, sagte neulich einmal, daß sie zwar das Duell grundsätzlich verwerfe, daß es aber bei den bis herigen Zuständen so lange sein Bewenden haben müsse, als nicht von allerhöchster Stelle nachdrücklich dagegen eingewirkt würde. In früheren Jahrhunderten hat man das Duell selbst durch barbarische Strafen nicht zu beseitigen vermocht und das wird jetzt von Denen angeführt, dir für seine Beibehaltung ein treten. Wir glauben aber, Laß die Zeiten sich geändert haben — siehe den Beschluß des Adelstages — und daß die Krone, wenn sie heute mit dem Duell aufräumen wollte, sehr viel weniger Schwierigkeiten zu überwinden haben würde als früher." An den Aufenthalt de« deutschen Reichskanzler« in Pa,-iS batten bekanntlich die Preßpolitiker an der Seine allerband pbantastische Commentare geknüpft, auf deren Haltlosigkeit wir bereits hingewiesen haben. Es ist erfreulich, daß man auch in England nüchtern genug ist, die Pariser Combina tionen als das zu nehmen, was sie sind, als Luftschlösser. So verspottet der Pariser Vertreter der „Times" die An nahme, als bandle es sich um Besprechungen mit Bourgeois wegen eines^usammenwirkcns mit Frankreich und Rußland im fernen Olten oder in Egypten. Der wirkliche Grund des Besuchs sei vielmehr eine Consullation mit seinem — Zahnarzte, den Hobenlohe seit 20 Jabren bewährt ge sunden habe. Aber nicht minder in das Reich der Fabel gekört, was der römische Correspondent der „Pall Mall Gazette" zu enthüllen weiß. In Venedig, schreibt er, werbe der Dreibund erneuert und damit im Zusammenhänge der Vorschlag für die wahrscheinliche Betheiligung Englands unter der Bedingung, daß England die Unterstützung des Dreibunds im Mittelmeer und in der Orientfraae gewährt werde. Beinahe gewinnt man den Eindruck, daß die dem Eabinet Salisbury nabestehende „Pall Mall Gazette" mit ihrer „Enthüllung" lediglich den Preis nennen will, für den Englands Anschluß an den Dreibund zu haben wäre. Für das Mißverhältniß zwischen diesem Preise und dem, was England dem Dreibund zu bieten vermöchte, bat man in der Redaktion des Blatte« aber offenbar den Maßstab ver loren. Im Allgemeinen zutreff nd beurtheilt der „Standard" die Lage in eurem beruhigenden, gegen die französischen Flunkereien gerichteten Artikel, in weicvem die Monarchen begegnung in Venedig unter Hinweis auf den zahlreicken anwesenden politischen Stab als eine geschäftliche Zusammen kunft bezeichnet wird, in der wohl auch von den Be ziehungen Englands zu den Centralmäckten die Rede sein bürste. Die Lage Europas sei durch die beiden Bundes gruppen, zwischen denen England eine unabhängige Masse darstelle, bestimmt; England denke aber durckans nickt daran, bin und her zu pendeln. Für den Drei bund stehe gegenwärtig die Lage günstig. Italien scheine über den kritischen Punct seiner Stellung in Afrika hinaus; jedenfalls sei, wie aus den jüngsten Vorfällen bei Kaffala ersicbtlick, sein militairisckes Ansehen unversehrt, seine Be deutung als Mitglied deS Dreibundes unvermindert, und Deutschland und Oesterreick verdankten den übelwollenden Fehlgriffen Frankreichs und Rußlands in Sachen der suda nischen Expedition die Gelegenheit, England gefällig zu sein, was zu schätzen man hier nickt verfehlen werde. Dem ist nur hinzuzusügen, daß Deutschland die Gelegenheit, England gefällig zu sein, nickt berbeigewünsckt und gesucht hat. Wir thaten dem verbündeten Italien einen Gefallen und nutzten damit mittelbar England. Einen Tank begehrt Deutschland nicht, wie eS ihn auch nicht erwartet hat. Auf klerikaler Seite setzen bereits die Bemühungen ein, die Stichwahl im Wahlkreise Osnabrnck-Berscu- brück-Jburg so zu wenden, daß das Centrum in dem Welfen v. Scheie einen Zuwachs erhält. Die „Germania" hält es „bei den großen Gegensätzen", welche in der Wahlbewegung zwischen Natiooalliberalen und Mittelstandsparteilern hervor getreten, für unmöglich, daß die letzteren in der Stichwahl ihre Stimmen für Wamboff abgeben. „Jedenfalls", fügt da« klerikale Blatt vorsichtig hinzu, sei „eine dahingehende Parole der MittelstandSpartei ausgeschlossen." Wir bav«!n schon am Sonnabend hervorgeboben, daß eS einer solchen Parole gar nicht bedürfen werde. Die „Gegensätze", von welcheü die „Germania" spricht, könnten noch schärfer hervorgetreten sein, als es in Wirklichkeit der Fall war, unter den gegebenen Umständen und Angesichts der Stichwahl zwischen einem Nationalliberalen und einem Welsen würben sie verschwinden vor dem einen großen nationalen Gegensatz, der jetzt den Kernpunkt der Entscheidung bildet. Die Führer der MittelstandSpartei, wie die der deutschsocialen Neformpartei und des Bundes der Landwirthe betonen bei jeder Gelegen heit das nationale Moment in der Politik; sie würden sich mit sich selbst in den denkbar schroffsten Widerspruch setzen; wenn sie diese Linie ibres Verhaltens in einem Wahl kreise aufgeben würden, wo von jeher der nationale Gedanke daS Ausschlaggebende gewesen ist. Die „Germania" wagt nicht, diese Seite der Angelegenheit auch nur zu streifen. Sie versuckt den Kampf auf daS Gebiet der Interessenpolitik binüberzuspielen, indem sie die angebliche „Handwerker freundlichkeit" des welfischcn Candibalen als deu bedeut samsten, ja einzigen Bestimmungsgrund für die Mäkler bin- stellt. DaS klerikale Organ speculirt dabei nach eigenem Ein- geständniß auf die Stimmen der „Anhänger der Mittelstands partei und namentlich der Handwerker": ein Complimenr für die Gefolgschaft des Herrn Liebermann von Sonnen Gottbegnadet. 22) Nomon von Konrad Trlmann. Nachdruck virdoten. Dann stand plötzlich einmal Asta dickt neben ihr und raunte ihr zu: „Nimm Dich ein bischen zusammen, Kleine! Man siebt Dir ja Deine Angst und Deinen Zorn aus hundert Schritte an. Aber sei nur ganz unbesorgt! Unter allen denen ist die rechte noch gar nicht." Und ebe Tbea etwas erwidern konnte, war sie mit einem boshaften Läckeln um die Lippen davongerauscht. ES war vergeblich, daß Thea sich sagte, sie dürfe auf DaS, waö Asta'S VerleumdungSsucht ibr beizubringen beflissen war, jetzt so wenig etwas geben, wie sie eS bisher getban. Sie konnte tie Frage nicht mehr loS werden, die immer und immer jetzt in ihr auflöntt: Die rechte? Wer ist die rechte? Und ihre Augen hasteten mit dieser nämlichen Frage auf jeder der glänzenden Frauenerscheinungen im Saal. Dann sang Harry. Er halte sich wieder sehr lange bitten lassen; er machte wiederholt vorher den berühmten Griff mit zwei Fingern nach dem Keblkopf, um anzuzeigrn, daß er völlig heiser sei, seine Augen blickten verzweiflungsvoll, seine Micnen zeigten den bekannten Cckmerzcnszug — Alles das erschien Tbea nun schon stereotyp, er machte eS offenbar fast mechanisch —, dann wurde die Locke auf der Stirn mit nervöser Hand tiefer heradgewirbelt und die Mätzchen am Elavier begannen. Dann sang er aber doch schließlich und seine Leidensmiene schwand allmählich dabei. Seine Stimme war weich, schmiegsam und bestrickend wie nur je. Tbea batte ihn durch lange Wochen nicht mehr gekört und mußte sich sagen, daß der Wohllaut, der auS dieser Keble strömte, nur noch zugenommen habe. Sie selbst war im Banne de« gleichen Zauber- wie alle Uebrigrn hier im Saale, sie vergaß, was dieser Mann dort ihr zu Leide getban hatte nnd wa« sie durch ibn erduldete, in dieser Stunde be wunderte sie nur seine Kunst, entzückte und berauschte er sie durch dieselbe. Neue- sang Harry übrigens nicht. Es waren immer dieselben Stücke, die sie nun sei» Jabren von ihm kannte, aber sie übten immer die gleiche Wirkung auS, und gerade deshalb fühlte er auch nie den Anlaß, neue »inzustudiren. Begeisterter Beifall erhob sich nach jedem Stücke und riß einem häßlichen Lächeln, die kleinen, spitzen Zähne in die Unterlippe grabend, ging Asta, die kurz angehalten hatte, weiter. Dann trat plötzlich Harry, der die Dame von vorhin am Arme führte, in den Saal, in welchem Thea verweilte Nun folgte sie einer jäben Emgebung, sckrilt lächelnd auf ihn zu und sagte freundlich: „Bitte, willst Du mich mit Deiner Begleiterin nicht bekannt machen, lieber Harry? Ich hatte noch nie das Vergnügen . . ." Harry war sichtlich sehr erstaunt. Er runzelte die Stirn und blickte halb verlegen, halb zornig vor sich bin, während die Dame, ihre langstilige Schildpatt - Lorgnette hervor nestelnd, die Augen uniuuthig zusammenkniff und Thea boch- mütbig musterte. „Ab, wirklich!" sagte Harry dann gedehnt. „Nun also: Frau von Hake — meine Frau. Du entschuldigst uns aber jetzt wobl? Frau von Hake will drüben eine Erfrischung nehmen. Auf Wiedersehen nachher. Weshalb hast Du denn keinen Cavalier?" Obue eine Antwort abznwarten, war er gegangen. Und die schöne Frau an seinem Arm lachte. Tbea überlief ein Frösteln. DaS Alles war doch einmal anders gewesen — ganz ander«. Und warum war es heute nickt mebr wie einst? Sie nicht und bei ihr nichts batte sich doch geändert. Sie wollte sich eben wieder dem Musikzimmer zuwcnoeu, wo von irgend wem jetzt die Tasten des Claviers angeschlagen wurden, als die Generalin von Klugbardt, die wegen ibrer brüsken Aufrichtigkeit allgemein gefürchtet wurde, auf sie zutrat und mit ihrem knarrenden Organ ganz laut fragte: „Sagen Sie, beste Frau von Sennfeldt, ist daS wahr, daß Ihr Gatte früher mit der kleinen Hake 'mal verlobt war? Die Leute wollen mir das partout aufschwatzen, und da hab' ick mir gedacht, ich wende mich gleich am besten an die richtige Quelle. So 'ne Tuscheleien mag ich nicht. Es wär' ja weiter nicht- dabei, wennS so wär, so wa- vergißt sich und man kann nachher doch wieder gut Freund sein. Aber Gewißheit möchl' ich doch haben." Tbea war wider ibren Willen roth geworden, nicht wüßte, gnädige Frau", sagte sie mit mühsam hervor gepreßter Stimme. „Na, also! Und Sie müßten eS doch wahrhaftig wissen. Ich kackt'S mir aber gleick. Wieder nicktS als nichtsnutzige Redereien Und nun kann ich's ja sagen: ich hall' eS in diesem Fall auck reckt tactloS von Ihrem Herrn Gemahl gefunden, in solcher Weise der kleinen Hake Len Hof zu machen, zumal sie ja noch verheirathet ist, wenn man auch Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. April. Wie bereit- in einem Theile der Auflage unsere- Sonn- tag-blatteS gemeldet worden, ist der kaiserliche Ceremonien- mrister v. Echrader der schweren Verwundung erlege», die er im Duell mit seinem College» v. Kotze erlitten. Ist damit die verworrene Tragödie, welche die Welt schon so lange in Aufregung erhalten bat, zum Abschluß gekommen, oder wird sie noch andere Opfer fordern? DaS ist die erste Frage, die bei dieser Kunde mit um so größerer Gewalt sich aufdrängt, je seltsamer die Umstände sind, die zu dem Zwei kampfe geführt haben und unter denen er stattaefunden bat. Als vor Jahren zahlreiche Mitglieder der Berliner Hofgesellschaft mit anonymen Briefen belästigt worden waren, hatte Herr von Schrader bei der angestcllten Unter suchung die Gründe angegeben, die ihn nvthigten, Herrn von Kotze für den Verfasser zu halten. Die langwierige Unter suchung führte zur Freisprechung deS Angeschuldigten, der dann durch die „Gesetze der Ehre" förmlich gezwungen wurde, Aerrn v. Schrader zu fordern. Diese Forderung wurde öffentlich angekündigt, als ob eS sich, wie eine Zeitung treffend bemerkte, um eine Premiöre handelte. Trotzdem ging das Duell unbehelligt vor sich und entfesselte, nachdem schon die ganze Briefaffcnre jenen Blättern, die an unserer jetzigen Staats- und Gesellschaftsordnung rütteln, den willkommensten Stoff zur Schmähung dieser Ordnung geliefert hatte, einen wahren Sturm nicht nur gegen das Duell-Unwesen, daS in neuerer Zeit einen geradezu bedrohlichen Umfang an genommen hat, sondern auch gegen alle angeblichen und wirk lichen Schützer dieser Einrichtung. Welcher Sturm wird sich erst erheben, wenn die blutige Tragödie noch nicht zu Ende ist und noch andere Opfer fordert, ohne die Schuldfrage im Geringsten aufzuklären? Und an diese Frage schließt sich naturgemäß die andere: Wenn es nicht möglich war, die Austragung dieses „Ebren-Handels" zu verhüten, wer soll der immer weiteren Ausbreitung der Duell-Manie und der um sich greifenden Verwirrung der RechlSbegriffe wirksam rntgegentreten? Diese Verwirrung ist schon jetzt schlimm genug. ..Wenn der gebildete" — so schreiben mit Rechtste „Bert. N. M." — „der vornehme Mann zur Pistole areisfl darf mau sich nicht Wundern, wenn die unteren Volksschichten ibre Streitigkeiten mit dem Revolver oder dem Mcffer austragen, und es verstärkt den Eindruck der Rechtsungleichheit, wenn Duellanten mit kurzen Festungsstrafen davon kommen, die obenein durch Begnadigung auf eine noch kürzere Frist reducirt werden, wäbrend die blutige Rache von Beleidigungen in den unteren Volksclaffen ungleich schwerer gebüßt werden muß. Ja, der Eindruck der Rechtsunsicherheit wird um so größer, wenn man erwägt, daß die Duellanten nicht im Affect bandeln, sondern ost erst nach Wocken und Monaten auf einander schießen unv ihre bewußte Verletzung eines be stehenden Gesetzes in sorgfältigster Weise und nach den fest gelegten Vorschriften eines im Gegensatz zum Strafgesetz befindlichen Ebrenkoder in aller Form vorbereiten." Schon als das Duell Kotze-Schrader in drohender Aussicht stand, bat man Aehnliches auch in anderen Blättern und selbst in solchen gesagt, die das Duell wenigstens in Ausnabmefällen vertheidigten. Man bat auch Vorschläge wenigsten- zur Ein dämmung dieser „Sitte" gemacht unv der deutsche Abelstag bat beschlossen, Ehrengerichte zur Vermeidung de« Zweikampfes einzurickten; aber mit Recht ist in einem „Eingesandt" der „Kreuzzeitung", daS wir bereits am Ostertage besprachen, darauf hingewiesen worden, daß der Weg des Ehren gericht-, wenn es um intime Familienangelegenheiten sich
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