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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990102023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-02
- Monat1899-01
- Jahr1899
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1. Mage zm 8ki»M lageblatt mi> AWW Nr. 3, Montag, 2. Knm M8. MeAAUbe.) Otto Moser f. * Leftezi», 2. Januar. Da» neue Jahr hat unseren „Tageblatt" den Verlust seine» ältesten Mitarbeiter» gebracht. Unser alter Schriftstellerveteran Otto Moser ist am NeujahrStage früh gegen 9 Uhr nach schwerem Todeskampfe verschieden. Roch einige Tage vor Weihnachten kam er frisch und munter, ein 83jähriger, dem man da» patriarchalische Alter nicht anmerkte, wie fast jeden Tag seit einer Reihe von über vierzig Äähren auf die Redaktion und kein Anzeichen irgend eines Leiden» oder einer Schwäche war an ihm zu bemerken. Sein derber, kerniger Humor verschaffte uns auch jüngst noch so manchen köstlichen Augenblick. Wa» den Verewigten unseren Lesern so lieb machte, da» waren seine localhistorischen Artikel und Notizen, die so manchen Neuleipziger zu einem guten Freund der Leipziger Geschichtsforschung und damit zu einem Bürger, der an seiner Heimath hängt, gemacht haben. Was er da Alle» brachte, waS er da aus Schutt und Moder aus grub, daS bat viele dankbare Leser hier und auswärts gefunden. Als er seinen achtzigsten Geburtstag am 20. No vember 1895 feierte, baben wir über sein Leben und seine schriftstellerische Wirksamkeit Längeres erzählt, so daß wir uns heute kurz fassen können. Moser stammte aus einer alten Leipziger Familie und war ursprünglich Architekt. Doch bald vertauschte er den Griffel mit der Feder und neben seiner Mitarbeiterschaft für unser Blatt und für andere Leipziger Blätter war er bauptsächlich als Erzähler in volksthümlicher Weise thätig. Hiesige und Stuttgarter Zeitschriften brachten viele seiner kleinen, zumeist historischen Novellen. Auch für Kalender hat er Unzähliges geschrieben; eS giebt wohl in seinem geliebten Sachsen kein HauS, in dem nicht wenigstens einmal eine Geschichte von Otto Moser gelesen worden ist. Die Leipziger Localgeschichte verdankt ihm manche An regung. Zm Verein für die Geschickte Leipzigs hat er lange Zeit tbätia gewirkt und um die Restauration deS Kreuz» aaugeS im Paulinum, der nun freilich auch verschwunden ist, hatte er viel Verdienste. So anspruchslos unser guter alter Moser für seine Person war, so ansprucksloS floß auch sein Leben dahin. Ist ein Schriftsteller nicht einer von den berühmtesten, ist er kein Stern des TageS, ist ein Journalist nicht be sonders in Mode oder in einflußreicher Stellung, so sind seine Einnahmen nur recht bescheidene, es muß Zemanv schon einen Bienenfleiß entwickeln, wenn er sich anständig über Wasser halten will. Und fleißig bat unser alter Freund geschafft, bis da- zunehmende Alter ihm langsam die Feder aus der Hand wand. Aber wenn auch im späteren Alter vielleickt Frau Sorge ein ganz klein wenig in sein Stübchen guckte, seinen noch jugendlichen Muth, seine harmlose Fröhlichkeit konnte sie ihm nicht nehmen und zu diesem immerhin glücklichen Leben trug die ihm zu Theil gewordene häusliche treue Pflege nicht Geringes bei. Nun ist auch an diesen alten Zournalistenkämpen der Tod herangetreten. Ein Schluck kaltes Bier, der eine Nieren blutung zur Folge hatte, war der äußere Anlaß, daß diese alte, wetterfeste Natur fiel. Wir bedauern aufs Innigste sein Hillscheider» und rufen ihm ein herzliches Lebe wohl in die Gruft nach. Königreich Sachsen. -g- LelHzls, 2. Januar. Am Sonnabend Nachmittag ber sch i e d im 80. Lebensjahre Herr Carl Wilhelm Häckel, Stadt rath a. D. und Ehrenmeister der Leipziger Mempnerinnung. Mit ihm ist ein Bürger heimgegangen, der wiederholt im öffent lichen städtischen Leben hervorgetreten ist und der sich in den Kreisen seiner Berufsgenoffen der größten Achtung erfreute. Zwölf volle Jahre, von 1853 bis 1865, gehörte er dem Stadt- verordneteneollegium an, das ihn im letztgenannten Jahre zum Stadlrath wählte. Am 2. Januar 1866 trat er ins Raths collegium ein, im Jahre 1872 wurde er als Stadtrath wieder gewählt. Ende 1875 schied er nach umsichtiger Thätigkeit in verschiedenen Berwaltungszweigen des städtischen Gemeinde- wesenS aus dem Rathscollegium wieder aus. — Die Trauerfeier findet Dienstag Nachmittag 2 Uhr im Trauerhause, Floßplatz 23, statt. R Leipzig, 2. Januar. Der Erbprinz und die Erb- prinzessin von Reuß j. L. trafen gestern Nachmittag auS Gera hier ein, besuchten das Gewandhausconcert und fuhren Abend», nachdem sie das Souper im Hotel zum Kaiserhof eingenommen batten, nach Gera zurück. H Leipzig, 2. Januar. Am Freitag und Sonnabend letzter Woche fanden im großen Hörsaal der Universitäts- Frauenklinik durch Herrn Geh. Mcdicinalrath Professor vr. Zweifel und Hebammenlehrer vr. Sachse die öffent lichen Hebammeuprüfungrn statt. Es batten sich dazu 22 Schülerinnen gemeldet, die sämmtlick die Prüfung be standen. Von den Geprüften wird nur ein Theil in Sachsen bleiben, da die Lehrtöchter auch anderen deutschen Staaten angehörea. — Zu unserem Berichte über die letzte Sitzung der Stadt verordneten ist nachzutragen, daß der städtische Beitrag für die. neubegründete Volksbibliothek in L.-Gohlis nicht von 100 auf 200 erhöbt wurde, sondern daß außer dem von den Ausschüssen beantragten Beitrag von 100 ein solcher von 200 -4! für daS Jahr 1899 auf An trag de» Herrn Kaiser außerordentlich verwilligt worden ist. — Die Actiengesellschaft Soolbad Dürrenberg hat am Sonnabend 150 000 <zm Bauterrain in den Ge markungen Keuschberg, Porbitz und Poppitz bei Dürrenberg fest gekauft und sich damit daS Areal gesichert, welches zur Weiterentwicklung des Bade» Dürrenberg unentbehrlich ist. Die junge Gesellschaft hat damit einen sehr werthvollen Besitz erworben, der ihre Zukunft in jeder Beziehung sicher stellt. —- Herr Otto Berthold, Buchhalter der Buchdruckerei von Bär <L Hermann hier, feierte am heutigen Tage, reich beschenkt von den Herren Chefs und dem ganzen Personale, sein 25jähriges Jubiläum im genannten Hause. Der Jubilar erfreut sich der größten Rüstigkeit, die ihm hoffentlich noch recht lange er halten bleibt. —w. Leipzig, 2. Januar. Im Festsaale seines Vereins hause» veranstaltete derKaufmännischeVereinam ver flossenen Sonnabend Abend unter Theilnahme vieler seiner Mit glieder und deren Familien eine von Frohsinn getragene Sylvester-Feier, deren stimmungsvoller Verlauf auf's Neue die freundlichsten Seiten im geselligen Verkehr des Vereins lebens zur Erscheinung brachte. Tafel und Ball ergänzten die fröhliche Zusammenkunft, bei welcher mit dem Anbruch des neuen Jahre» Herr Paul Hoffmann, der stellvertretende Vorsitzende de» Ausschüsse», dem guten Geist im Kaufmännischen Vereine sein GlaS weihte. In einer Festpoesie, welche man gemeinsam sang, wurde unter mancherlei Anspielungen auf die Geschehnisse und Ueberroschungen des abgelaufenen Jahres dem Blühen und Wachsen d«S Verein» ein Hoch gebracht. Daß der Verein sein Streben nie „einseitig" betone, habe er jetzt wieder, wie humoristisch auSgeführt wurde, bei der in den neuen Grenzplan der Weißenburg vorgenommenen Einfügung des Vereinshauses mit „drei Fronten" (Schulstraße, Rathhausstraße und Mark- grafenstraße) bewiesen. — „Die Frau, die Bundesgenossin im Kampfe wider die Unsittlichkeit" und „Die Unzucht — da» Grab der Völker", so lauten die Themata, über welche Herr Pfarrer Vic. W eher au» M.-Gladbach morgen im großen Saale de» B«rein»bause», Neßstraße 14, um 5 Uhr in einer Frauen versammlung und um »/,9 Ubr in einer Männrrver- sammlung sprechen wird. Bei der hohen Bedeutung, welche die Sittlichkeitssache für unser Volk hat, ist ru er warten, daß die Vorträge zahlreich besucht werden? Der Eintritt ist frei; Jedermann ist herzlichst willkommen. U Leipzig, 2. Januar. Wegen eines Masckinen- defectS in Bayern traf der Nachmittags 6 Uhr 5 Minuten von München hier fällige Schnellzug gestern mit einer einstündigen Verspätung hier ein. * Leipzig, 2. Januar. Der Einbruchsdiebstahl in der Wohnung de» Steuerboten Fromm hold in der GabelS- bergerstraße zu Reudnitz, wobei man bekanntlich die Ehefrau deS Letzteren gebunden und mit Erstechen bedroht hatte, konnte nunmehr ebenfalls der Einbrecherbande Göschel und Genossen nachgrwirsen werden. Bei einer im Beisein der Frau Frommhold in der Beilig'schen Wohnung nochmals vor genommenen gründlichen Durchsuchung wurden verschiedene von dem Raube herrührende Gegenstände aufgefunden. 2 Leipzig, 2. Januar. In der Shlvesternacht wüthete im Krystall-Palast ein Doctor der Medicin au» England so arg herum, daß er hinausgemaßregelt werden mußte. Nach dem er die Cbampagnergläser in den Saal geworfen hatte, wo sie zersplitterten, auch einen Kellner mit einem barten Gegenstände so stark ins Gesicht geschlagen batte, daß dem selben daS Blut au« Mund und Nase herauSschoß, widersetzte er sich seiner Wegführung durch Polizeibeamte auf» Heftigste. ES gelang erst 6 Personen, die hilfreich eingriffen, den rabiaten Menschen aus dem Krystall-Palaste weg- und nach der Polizei zu schaffen, wo er in Haft genommen wurde. — Einer ge fährlichen Körperverletzung machte sich ein 47 Jahre alter Heizer aus Alt-Flemmingen schuldig, indem er in der Sylvesternacht in der Südstraße einem Töpfer im Verlaufe eines Wortwechsel» einen Messerstich in den Kopf beibrachte. Der Messerheld kam in Haft. — Ferner wurde in derselben Nacht in der Südvorstadt ein Maschinist von einem Un bekannten mittels eines harten Gegenstandes erheblich am Kopfe verletzt. - Leipzig, 2. Januar. Eine hier wohnhafte 60jäbrige Officierswittwe jagte sich gestern Nachmittag in selbst mörderischer Absicht eine Kugel in die Brust. Sie wurde schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht. Die Unglückliche ist nervenkrank. — Ein gestern wegen Bettelns festgenommener 57jäbriger Kaufmann auS Uderwangen hat sich durch Erhängen das Leben genommen. —* Wegen dringenden Verdachts, sich eines Verbrechens im Sinne von 8 173 St.-G.-B. schuldig gemacht zu haben, wurde gestern ein 48jähriger Arbeiter aus Dahlen von der Polizei fest» genommen. — Ein vom Amtsgericht Kalkeberge.LüderSdors wegen Unterschlagung steckbrieflich verfolgter Kaufmann aus Schönfließ wurde heute Morgen in hiesiger Stadt von der Polizei ausgemittelt und in Hast genommen. —* AuS der Wohnung eines Buchdruckers in der Stötteritzer Straße ist in der Nacht zum 1. Januar ein Geldbetrag von 180 ./L gestohlen worden. In einem 16 Jahre alten Schlosser lehrling, einem Verwandten des Bestohlenen, wurde der Dieb von der Polizei ermittelt. Das Geld wurde noch vollständig vorgefundrn. —* Bei verschiedenen hiesigen Uhrmachern ist in der letzten Zeit ein Betrüger aufgetreten, der unter dem Vorgeben, er habe vor einiger Zeit eine goldene Taschenuhr zur Reparatur ge sandt, eine solche zu erlangen sucht. In einem Falle gelang ihm dies auch. Nach einigen Tagen traf der Geschädigte den Unbe kannten und jagte ihm die Uhr wieder ab. Leider ließ er ihn bann laufen. Der Betrüger ist etwa 28 Jahre alt, von übermittlerer Gestalt, hat dunkles Haar, dunklen Schnurrbart. Er war unter Anderem mit grünlichem Winterüberzieher und hohem schwarzen Filzhut bekleidet. Schönefeld, 1. Januar. Der hier in der Dimpfelstraße wohnhafte Arbeiter Carl Schneider wurde in der Sylvesternacht von rauflustigen Arbeitern, welche aus einem Local ausgewiesen waren, dermaßen in Kopf und Wange gestochen, daß man ihn nach Anlegung eines Nothverbandes nach dem Kranken hause in Leipzig befördern mußte. * Borna, 1. Januar. In der letzten Sitzung des Stadt verordnetencollegiums im abgelaufenen Jahre wurden die mit 3602,73 bezw. 11719,10 cA Fehlbetrag abschließenden Haushaltpläne der Kirch- und Kirchgemeindecaffe und die Erhebung der zur Deckung dieser Fehlbeträge erforder lichen 1j- bezw. 3-Pfennig-Anlage genehmigt. — Beim Um graben des zum Hotel „Wettiner Hof" gehörigen Gartens wurden dieser Tage sechs sehr alte goldene Münzen, an scheinend päpstliche, gefunden. — Vom Dirnstbotenbelohnungs- verein am Bahnhof Kieritzsch konnten in diesem Jahre 23 treue Dienstboten ausgezeichnet werden. Es wurden 80 <-4k baar, 16 Bücher und 19 Ehrenzeugnisse vertheilt, 76 cA hatten die Dienstherren persönlich zugrlegt. * Zwickau, 1. Januar. Für die im Jahre 1892 hier wegen zu großer Seelenzahl der Marien- und Katharinen- Kirchengemeinde neuerrichtete Luther - Kirchengemeinde ist der Bau einer eigenen Kirche beschlossen und der Kostenaufwand biersür (Rohbau) auf 400 000-4! veranschlagt worden. Jetzt bat sich der betreffende Kirchenvorstand dafür entschieden, die Kirche mit Sandsteinmautel zu versehen, auch im Innern eine reichere Ausführung eiatreten zu lassen. Die Kosten belaufen sich nach dem neueren Project auf 590 000 bez. einschließlich der Pfarrhäuser auf 670 000 Es soll deshalb eine vom Jahre 1911 an zu tilgende Anleihe von 650 000 .4! ausgenommen werden. Der Rath und die Stadtverordneten bierselbst haben sich wegen der Anlagen belastung gegen Ueberschreitung deS ursprünglich an genommenen Bauaufwandes von 400 000 ^! ausgesprochen und wollen die Entscheidung de» evangelisch - lutherischen LandeSconsistoriumS anrufeu. — Die Wahl des zweiten Bürgermeisters hier soll am 18. dss. MtS. erfolgen. — DaS hiesige Stadtverordneten - Collegium hielt im vorigen Jahre 24 Sitzungen ab, in denen 400 Nummern, darunter 22 in geheimen Sitzungen, berathen wurden. * Aretperg, 31. December. Die Einweisung der neu- gcwählten Mitglieder des Stadtverordnet rncolle- giums erfolgt Donnerstag, den 5. Januar 1899. Sonnabend, den 7. Januar, vereinigen sich die Mitglieder beider städtischer Collegien zur gelben Suppe. ' * Meerane, 31. December. Heute Mittag versuchte sich die in der Steingaffe hier wohnende Wittwe Spranger, ca. 50 Jahre alt, mittels Durchschneidens der Kehle zu tödten. Da sie hiermit ihre Absicht nicht erreichte, nahm sie einen Hammer und schlug sich so lange auf den Kopf, bis sie bewußtlos zu sammensank und einen starken Blutverlust erlitt. Zufällig wurde der Selbstmordversuch rechtzeitig bemerkt und die Schwerverletzte nach Anlegung eines Nothverbandes nach dem Krankenhaus ge bracht. Man hofft, trotz der schweren Wunde, die Unglückliche, die die That aus Schwermuth beging, am Leben zu erhalten. I- Reichenbach t. V-, 31. December. Bei der königlichen Kreishauptmannschaft Zwickau war von socialdemo- kratischerSeiteBeschwerde gegen den hiesigen Stadt rath wegen der letzten Stadtverordnetenwahl erhoben und die Wahl aus dem Grunde angefochten worden, weil eine Anzahl Bürger, welch« weniger als 3 -4t directe Steuern zahlen, aus der Wählerliste gestrichen und somit vom Wahlrechte aus geschloffen worden waren. Die Streichung stützt sich auf 8 44 unter st der revidirten Städteordnung. Die königl. Krris- hauptmannschast hat die Beschwerde als unbegründet ver worfen und die vom Stadtrath in Gemäßheit der angeführten Gesetzesbestimmungen vorgenommene Berichtigung der Wahlliste als zu Recht erfolgt anerkannt. -f Plaue», 31. December. Heute Mittag 12 Uhr ist der 12 Jahre alte, geistig und körperlich gut entwickelte Knabe des Herrn Tischlermeister Hildner hier von einem Lastfuhrwerk überfahren und sofortgetödtet worden. Ursache war der Umstand, daß der Knabe einen unverdeckten Spiegel trug, an dessen Widerschein das Pferd scheute. — Zwei ältere Arbeiter sind gestern Nachmittag in einer hiesigen Sandgrube von herein brechenden Sandblöcken getroffen und schwer verletzt worden. Die Verletzungen bestehen in Bein- und Armbrüchen. * Bautzen, 1. Januar. Den unbesoldeten Stadträthen Gustav Adolf Wetzlich und Karl Reinhold Klemm, welche ihr Ehrenamt am heutigen Tage niederlegen, ist mit Genehmigung des Königs vom Ministerium des Innern in Anerkennung ihrer langjährigen, pflichttreuen und ersprießlichen Dienste bei der Gemeindeverwaltung gestattet worden, den Titel „Stadtrath" fortzuführen. — Das gesammte Personal unseres Bahnhofes veranftalete am gestrigen Nachmittage und Abende dem scheiden den Bahnhvfsinfpector Hüttig, der am 1. Januar 1899 als Verkehrsinspector nach Leipzig versetzt wird, mannigfache Ehrungen, die bewiesen, welch aufrichtige Liebe und Verehrung der Scheidende genießt. -f Großenhain, 31. December. Nachdem in einer vor einiger Zeit in Dresden stattgehabten Zusammenkunft der Bürger meister derjenigen Städte, in denen sichRealschulen befinden, als angemessen befunden worden war, das Realschulgeld auf jährlich 120 ck/ zu erhöhen, hatte das hiesige Raths-Collegium die Erhöhung bis auf diesen Satz beschlossen. Das Stadt- Verordneten-Collegium lehnte in seiner gestrigen Sitzung den Rathsbeschluß ab und beschloß eine Erhöhung des Schulgeldes auf jährlich 96 c/k für sächsische und 108 für nichtsächsischc Schüler. Der bisherige Satz war 84 c/( für einheimische und auswärtige Schüler. * Dre-Pen, 2. Januar. In Cossebaude explodirte gestern Abend VzlO Ubr im Wüstlick'schen Gastbofe der Gasometer, in dem AcetyIengaS erzeugt wird. Drei Personen wurden schwer, mehrere leickt verletzt. An den benachbarten Häusern wurden arge Verwüstungen angerichtet. Seine Wittwe. Von Elin Ameen. Autorisirte Uebersetzung aus dem Schwedischen von E l s be t h S ch e r in g. Nichrnick verboten. Es war ein Weihnachtsabend, wie er sein muß bei uns im Norden, mit starkem Frost, klingender Schlittenbahn und Tausenden von glitzernden Sternen am wolkenlosen Himmel. Buchhalter Salbach ging im Halbdunkel in seiner Wohnung auf und ab. Ein paar Laternen leuchteten hinreichend von der Straße herauf, um ihm den Weg zu zeigen auf seiner Wanderung durch die vier Zimmer, die seine Wohnung ausmachten. Er hatte, wie gewöhnlich, im Restaurant zu Mittag gegessen, gegen seine Gewohnheit aber hielt er jetzt nicht sein Mittagsschläfchen. Es war ja Weihnachtsabend, urch dieser Tag brachte eine wunder liche Stimmung mit sich wie kein anderer Tag im ganzen Jahre. Wie er so auf und ab wanderte durch seine Zimmer, die Hände auf dem Rücken und den Kopf gesenkt, stiegen Erinnerungen an vergangene Weihnachtsabende in seiner Seele auf, bald in frohen, jubelnden Tönen aus glücklicher Kindheit, bald in wehmiithigen, abgerissenen Accorden aus Tagen des Kummers und dec Ein samkeit. Er sah in Gedanken sich selbst wieder als kleinen Jungen in dem einfachen, fast dürftigen Heim, wo doch nie die Weih nachtsfreude gefehlt, uno wo der Tannenbaum jeden Weihnachts abend in strahlendem Glanze vor seinen entzückten Kinderaugen geleuchtet hatte, — ja, bis er Student wurde und versucht hatte, das Alles für alte, lächerliche Traditionen und Kinderei zu halten, was ihm aber nicht gelungen war, weil geliebte Elternaugen mit den Weihnachtslichtern um die Wette leuchteten und weil zärtlich« Mutterhände den Kopf des Jünglings streichelten, gerade so wie sie jedes Jahr den des Kindes gestreichelt hatten. Am nächsten Weihnachten wurden keine Weihnachtslichter mehr in dem Heim angezllndet. Kein Vater streckte die Hand aus zu treuem Handschlag, keine Mutter legte segnend die Hand auf seinen Scheitel. Sie waren Beive dahin gegangen, und nie mehr sollte er den Widerschein der Weihnachtslichter in ihren Augen schimmern sehen — nie mehr. Es kam ein Weihnachten, da er sie, wenn möglich, noch klarer in den tiefblauen Augen eines Mädchens schimmern sah. Das war die erste Liebe, über die man vielleicht nach vielen Jahren lächelt — aber immer liegt Wehmuth in dem Lächeln, und kein anderes Glück in der Welt kann das Entzücken und den Schmerz der ersten Liebe vergessen machen. Glück? War er glücklich geworden mit der Anderen, die seine Frau wurde, und an deren Seite er in diesem Hause sechsund zwanzig Jahre verlebt hatte? Sie sympathisirten eigentlich in nichts. Sie hatte ihn „bärbeißig", eigensinnig und reizbar ge nannt. Er hatte unzählige Male mit der rücksichtslosen Auf richtigkeit eines Ehemannes ihr gesagt, daß sie beschränkt sei, aller Ideen und jedes höheren Schwunges entbehre. Sie hatte gefragt, wie es mit seinen Strümpfen und Hemden, seinem Essen, seinem Hause und seiner ganzen Wirtschaft hätte werden sollen, wenn sie „gelehrt" gewesen wäre und mit höherem Schwung begabt, anstatt «in praktischer Ordnungsmensch? Da hatte er schweigen müssen, denn sein Haus besorgte sie mit Fleiß und Ordnung, und mit ihren knappen Einkünften wußte sie wunder bar weit zu reichen. Es blieb sogar ein Ueberschuß jedes Jahr, und den verwandte der Buchhalter zum größten Theil dazu, für seine Frau Einzahlungen in Wittwencaffen zu machen. Diese Wittwenpension-en wurden schließlich sein Steckenpferd. Sein Kopf glich einer Rechenmaschine, wo die eine Tabelle neben der anderen aufgerollt wurde, wo Summen zusammengezählt und abgezogen wurden, und wo Alles in größter Ordnung wie in Fächern lag. Manchmal fand die Frau, daß er ein bischen zu weit ginge und wollte das Geld lieber zu Anderem verwenden, aber, in diesem Falle war er unerschütterlich, und da es ja die Sicherheit ihrer eigenen Zukunft betraf, konnte sie nicht anders, als, im Ganzen genommen, zufrieden sein. Sie war zehn Jahre jünger als er, kräftig und bei voller Ge sundheit. Es fiel Keinem von ihnen ein, daß es jemals so kom men könnte, wie es kam — nämlich, daß sie eines schönen Tages erkrankte und starb —, wegstarb von Mann und Pensionen. Da erst begriff er, daß er sie doch geliebt hatte. Er sagte sich das hundert Mal am Tage, wenn seine Strümpfe zerrissen waren, wenn die H«mdenknöpfe fehlten, wenn das Wirthshaus- essen ihm nicht schmeckte. Er hatte den eigenen Haushalt auf gegeben, seit die Frau gestorben, denn er und das Dienstmädchen waren sich sogleich in die .Haare gerathen, und nachdem er es fort gejagt hatte, schwur er, daß niemals wieder ein Dienstmädchen den Fuß in sein Haus setzen sollte. Frau Müller auf der anderen Seite des Flures, die ihnen mitunter im Hause geholfen hatte, übernahm für ihn die Aufwartung und besorgte ihm die Morgen- und Abendmahlzeiten, da er Mittags außerhalb aß. Sie war eine bescheidene, arme Wittwe, und da sie sich in Allem nach ihm richtete, entstand nie Zänkerei. Seine Frau aber fuhr er fort zu lieben, nachdem die Ent behrung und die Gewohnheit ihn zu diesem Gefühl erweckt hatten. Wenn er mit seinen Bekannten von ihr sprach, weinte er, und von der, für die er, so lange sie lebte, nichts als Schelte und Tadel gehabt hatte, war er jetzt des Rühmens und Lobens voll. Als er zum ersten Male nach dem Tode der Frau nach alter Gewohnheit die Pensionseinzahlungen machen wollte, sah ihn der Caffirer verwundert an. „Aber — Ihre Frau ist ja todt!" Einen Augenblick stand er wie vom Donner gerührt, mit offenem Munde und weit aufgerissenin Augen. Er hatte nicht einen Augenblick an die Pensionen gedacht! Aber er faßt« sich schnell, zählte die Summe auf und sagte zornig: „Geht Sie das was an, ob meine Frau todt ist, was? Geht das irgend Jemanden was an, ob ich meine Pensionsbeiträge ein zahle, was?" D«r Caffirer hielt ihn für geistesgestört, zuckte die Achseln und nahm ohne Weiteres das Geld entgegen. „Ich sollte meinen", fuhr der Buchhalter im selben auf gebrachten Tone fort, ,,wi« ich sechsundzwanzig Jahre lang eine Frau ernähren und Pensionsabgaben für sie bezahlen tonnte, so yabe ich auch genug, eine andere Frau zu nehmen und für sie zu bezahlen. Adieu!" Er nahm seinen mit breitem Trauerflor geschmückten Hut vom Tische und schritt nach der Thür, indem er seiner kleinen, mageren, vertrockneten Gestalt eine so imponirende Haltung wi« möglich gab. Er hörte nicht das schallende Gelächter, das hinter ihm los brach, auch nicht den Ausruf des Cassirers: „Nein, so was, der alte Salbach denkt schon daran, sich wieder zu oerheirathen!" Daran hatte aber der alte Salbach keinen -Augenblick gedacht. Die Worte von einer „anderen Frau" waren ihm ohne Absicht un-d ohne Nachdenken gekommen, wie ein Strohhalm, an dem er.sich hielt, um seine Pensionsmanic zu retten. Mit wirklicher Betrübniß ging ihm das Licht auf, daß alle Pensionen vergebens waren, alle Berechnungen umsonst. Seine Karoline würde ja nie einen Pfennig davon bekommen! Er liebte sic mehr als je nach ihrem Tode, seit diese Entdeckung ihm aufgeganaen war. Der Gedanke, wegen der Pensionen eine zweite Frau zu neh men, wurde allmählich seine fixe Idee. Aber noch im zweiten Jahr saß er als Wittwer allein in seinem düstern Hause, bezahlle regelmäßig die Pensionen für seine Wittwe, und hatte doch noch keine Ahnung, wo er diese Wittwe herbekommen sollte. Und nun war Weihnachtsabend. Salbach's hatten nie Kinder gehabt, am Weihnachtsabend aber hatten sie jedes Jahr ein paar arme Kinder zum Weihnachtsfest eingeladen. Dann wurde ein kleiner Tannenbaum in einer Ecke des Saales angeziinder, Frau Salbach, deren steife Finger sonst nie die vergilbten Tasten des alten Pianinos anrührten, hackte dann den ersten Absatz einer alten Polka herunter, den sie unaufhörlich wieder und wieder klimperte, bis die kleinen trampelnden Füße müde wurden, und die Kleinen sich niederließen zu guter Bewirthung. Das war das einzige Mal im ganzen Jahre, wo man Kinverlachen und Kindergetrappel bei Salbachs hörte. Die aber freuten sich daran, wurden selbst wieder wie Kinder und hatten ihre Freude, auch sie, an den Wachslichtern des Tannenbaums. An d e m Tage zantten sie sich nie, wie auf stilles Uebereinkommem, sondern Beider Ge sichter leuchteten von Wohlwollen und Weihnachtsfrieden. Nun war schon der zweite Weihnachtsabend, an dem das Haus still und öde lag. Heute dachte der Buchhalter nich! nur an die Pensionen, er vermißte auch die armen Kinder und den Tannenbaum in der Ecke dort hinten. Wenn er sich eine Tanne kaufte! Und ein paar Wachslichter! Es war noch nicht zu spitt. Als er vom Mittagessen nach Hause gegangen war, hatte er noch eine ganze Menge auf dem Markte gesehen. Ob wohl Fran Müller zu Hause war? Die könnte wohl gehen und Baum und Lichter holen. Er ging auf den Vorplatz und rief nach ihr. „Hören Sie, Frau Müller, ich habe ein solches Verlangen, noch einmal einen Weihnachtsbaum mit brennenden Lichtern z» sehen — wollen Sie nach dem Markt gehen und eine Tanne taufen, nur eine kleine — uno dann einen Wachsstock beim Kauf mann. Hier ist Geld — eilen Sie sich ind kommen Sie bald wieder." Frau Müller war im Begriff, sich zu wundern, daß sie für den Buchhalter einen Tannenbaum kaufen sollte, da sie aber eigentlich nie über Anderes nachdachte, als wie sie mit ihren arm seligen Groschen reichen sollte, gehorchte sie mechanisch und kam bald mit einer kleinen Tanne und einem Wachsstock zurück. Der Buchhalter hatte während der Zeit die Hängelampe im Eßzimmer angezündet, und bei deren Schein begann er mit Frau Müller's Hilfe die Wachslichter am Baum zu befestigen. Aber Beider Hände waren unbeholfen und dieser Arbeit ungewohnt, so daß viele Lichter auf die Erde fielen und die übrigen schief wurden. Zum Schluß wurde die Lampe ausgelöschr und die Lichter am Tannenbaum angezündet. „Herr Gott, wie schön", sagte Frau MDller, indem sie sich die Augen mit dem Schürzenzipfel trocknete. Auch des Buchhalters Augen waren feucht, während er die kleinen schiefen Lichter anblinzelte. „Sehen Sie, Frau Müller, ich muß an meine selige Frau denken, die immer einen Tannenbaum am Weihmachtsabend hatte und eine Feier für arme Kinder. Meine geliebte Verstorbene war eine außergewöhnliche Frau, Frau Müller." „Das weiß ich wohl — bewahre mich, wie sie aufpaßte auf Dienstboten und Arbeitsfrauen — es lohnte nächt, ihr was vor zumachen." „Sie können wohl nicht Clavier spielen, Frau Müller?" unterbrach der Buchhalter. „Ei, Du mein Göttchen, wann sollte ich ko was gelernt haben. . . ." „Nein, ich konnte es mir denken. Ich möchte so gern die Polka wieder hören . . . kam — tam tam tam — tam — tam — tam — ta . . . nein, es geht nicht . . ." Der Buchhalter seufzte und sah wehmllthig nach dem Pianino. „Möchten Sie nicht ein Glas Wein trinken, Frau Müller?" fragte er plötzlich. „Wir müssen doch miteinander anstoßen, da Niemand anders da ist, und einander — fröhliche Weihnachien wünschen?" Die Bitterkeit im Tone der letzten Worte ging für Frau Müller verloren. Der Buchhalter trat an -den Schrank, nahm eine Flasche Wein heraus, ein paar Gläser und einige Cakes. Er schenkte die Gläser voll und reichte Frau Müller daL eine. „Bitte — trinken Sie — Prosit, Frau Müller — und fröh liche Weihnachten." „Danke, Herr Buchhalter — fröhliche Weihnachten." „Setzen Sie sich, setzen Sie sich, Frau Müller", sagte der Buchhalter freundlich, nachdem sie getrunken hatten, „oder müssen Sie fort zu einem Weihnachtsschmaus, he?" -'„Wie Sie reden, zu wem sollte ich wohl gehen, ich habe Niemanden in der ganzen Welt, der sich um mich kümmerte." Sie setzte sich auf die äußerste Kante eines Stuhles, strich glättend über die Schürze und zog das Schälchen zurrchi über dem Scheitel. Es war gerade kein festtäglich gekleidetes Paar, diese Beiden, er im fleckigen Schlafrock, an dem die Aermel am Ellenbogen löchrig waren, sie in einem verblichenen Baumwollen rock mit schmutziger brauner Jacke und einem Wolltuch auf dem Kopfe, unter dem das graugesprenkelte Haar hervor sah. Der Buchhalter hatte sich in einen Lehnstuhl niedergelassen und wippte leise hin und her. Er hatte nicht -früher als heute Abend gesehen, Wie Frau Müller eigentlich aussah. Sie hatte keine häßlichen Züge, blasse und feine, wenn ihnen auch eine häufigere Bekanntschaft mit Wasser und Seife nicht unvortheil haft gewesen wäre. In ihren jungen Tagen hatte sie gewiß gut ausgesehen, jetzt war sie wohl fünfzig Jahre, der Rücken ge krümmt und das Gesicht gefurcht, aber abgehärtet und zähe sah sie aus; hatte wohl manchen harten Strauß des Lebens bestanden und würde noch lange aushalten. „So haben Sie keine näheren Verwandten?" fragte der Buch Halter und knüpfte den Faden des Gesprächs wieder an. „Nein, nicht einen — mein Mann starb, als ich dreißig Jahre alt war — mein einziger Sohn kam vor einigen Jahren bei einem Schiffbruch um auf der Fahrt nach Australien. Nun stehe ich ganz allein." Sie putzte die Nase mit der Schürzeizfante. „Leben Sie nur von Ihrer Arbeit — haben Sie keine Pension?" Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Hm, Hm, — das ist sehr schlimm, wenn eine Wittwe leine Pension hat . . ." Jedesmal, wenn der Buchhalter mit dem Lehnstuhl wippte, gab der einen leicht knarrenden Ton von sich. Jetzt hörte plötz lich das Knarren auf. Der Lehnstuhl stand still, und di« runden, vorstehenden Augen des Buchhalter» sahen starr hinein in die Lichter am Tannenbaum. Ihm war rin« Idee gekommen. Di«
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