01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990103014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-03
- Monat1899-01
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Der erwähnte Paragraph giebt sowohl den selbstständigen Gewerbetreibenden als auch ihren Gehilfen, Gesellen oder Fabrik arbeitern das Recht, „zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlastung der Arbeiter", Verabredungen zu treffen oder Vereinigungen zu bilden. Diese Bestimmung ist am 21. Juni 1869 Gesetz geworden. Durch sie wurden die Verbote und Strafbestimmungen, welche bis dahin in den deutschen Einzclstaaten gegen solche Vereinigungen und Ver abredungen bestanden, aufgehoben. Uns vorangegangen waren England und Frankreich. In Deutschland wurde die Einführung der Coalitionsfreiheit durch Schulze-Delitzsch 1865 im preußischen Abgeordnetenhause angeregt. Dasselbe nahm mit großer Ma jorität den Antrag an, dem auch die Regierung sich sympathisch zeigte; nur auf einen Zufall bei der Abstimmung ist es zurück zuführen, daß die Ausdehnung auf die ländlichen Arbeiter ab gelehnt wurde. Die preußische Regierung ließ nun 1866 dem Abgeordnetenhaus? eine Vorlage zugehen, in welcher gewerblichen und ländlichen Arbeitern die Coalitionsfreiheit eingeräumt wurde. Diese Vorlage kam wegen des Krieges nicht zur Erledigung, sie wurde aber im Norddeutschen Bundestage wieder ausgenommen. Hier erkannten alle Parteien an, daß es nach der Bewilligung des allgemeinen Vereinsrechts unzulässig sei, dem Arbeiterstande denjenigen Theil desselben vorzuenthalten, welcher für ihn allein werthvoll sei. Auch von konservativer Seite wurde dies aus drücklich anerkannt, jedoch zunächst Beschränkung auf ge werbliche Arbeiter gewünscht. Der Reichstag erklärte sich bei der ersten Berathung der Gewerbeordnung mit großer Mehrheit dafür, das Coalitionsrecht auch den landwirthschaftlichen Ar beitern einzuräumen. Bei der dritten Berathung wurde es jedoch auf die Gewerbetreibenden und ihre Arbeiter beschränkt, von nichtconservativer Seite aus dem formellen Grunde, dem sich auch die Regierung anschloß, daß eine Regelung der Verhältnisse der Landwirthschaft nicht in die Gewerbeordnung gehöre, sondern einem besonderen Gesetz zu gelegener Zeit vorzubehalten sei. Diese Zeit ist bislang noch nicht für gekommen erachtet. Außer den landwirthschaftlichen Arbeitern ist auch den See leuten, und zwar aus principiellen Gründen, die Coalitions freiheit versagt worden, nämlich wegen der großen Gefahr einer Arbeitseinstellung derselben; ebenso auch den Dienstboten. Ob die Bestimmung auch den Handlungsgehilfen Coalitionsfreiheit gewährt, ist eine verschieden beantwortete Frage. Anerkannt ist aber, daß die Bestimmung Anwendung findet auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken und anderen unterirdisch be triebenen Brüchen oder Gruben. Die Coalitionsfreiheit des ß 152 ist eine beschränkte. Sie gewährt nicht das Recht zur Bildung eines Vereins, um fortlaufend auf eine günstigere Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen im Allgemeinen hinzuwirken, sondern sie ist zufolge wiederholter Entscheidungen der Gerichte vom Gesetz nur eingeräumt für die Arbeitsverträge eines bestimmten Er werbszweiges mit einem Arbeitgeber oder einer bestimmten Gruppe von Arbeitgebern an einem bestimmten Orte, z. B. für die Schuhmacher in Naumburg. Eine Vereinigung, welche dies Ziel im Allgemeinen und dauernd verfolgt, unterliegt den Beschränkungen der Dereinsgesetze der einzelnen Staaten über Genehmigung oder Anzeige des Vereins oder der Ver sammlungen, über polizeiliche Ueberwachung rc. Die auf Grund des Coalitionsrechts zugelastenen Vereinigungen dürfen also nur unmittelbare Einwirkung auf den anderen Theil, also wenn es die Arbeiter sind^ die sich vereinigen, auf die Arbeitgeber, zum Zwecke haben, in der Richtung, daß die letzteren die Lohn- und Arbeitsbedingungen günstiger gestalten sollen. Sie dürfen aber nicht über Aenderung der Verwaltung oder Gesetzgebung des Staates berathen oder beschließen, denn hierdurch würden sie die der Coalitionsfreiheit gesteckten Grenzen überschreiten, indem sie sich an die Allgemeinheit wenden und damit zu einem politischen Verein werben, welcher, weil er als solcher nicht angemeldet oder genehmigt ist, der sofortigen polizeilichen Auf lösung unterliegen würde. Vielfach verbreitet, besonders unter Arbeitern, ist die Meinung, daß die Coalitionsfreiheit zugleich auch die Freiheit bedeute, gemeinsam mit den Mitarbeitern die Arbeit ohne Be achtung der ausbedungenen vorherigen Kündigung ein zustellen. Das ist ein großer Jrrthum. Die Bedeutung der Coalitionsfreiheit liegt lediglich darin, daß Vereinigungen zu den angegebenen Zwecken von den sonstigen beschränkenden Vor schriften der Vereinsgesetze befreit sind. Keineswegs soll das Recht des Vertragsbruchs eingeräumt sein, und zwar weder dem Arbeitgeber das Recht, die Arbeiter ohne Kündigung zu entlasten, noch den Arbeitern das Recht, die Arbeit ohne Kündigung einzustellen. Den Vertragsbruch kann ein Rechts staat nicht gutheißen. Wie der Arbeitgeber bei einer eigen mächtigen Entlastung der Arbeiter diesen für den vollen ent gangenen Verdienst ersatzpflichtig ist, ebenso haftet der Arbeiter bei einer Arbeitseinstellung ohne Innehaltung der gesetzlichen vertragsmäßigen Kündigungsfrist für den verursachten Schaden. Dem Arbeitgeber ist das Recht verliehen, zur Sicherung seines Anspruches die Jnnebehaltung eines Wochenlohnes aus zubedingen. DieöffentlicheAufforderung zum Vertragsbruch, z. B. die öffentliche Aufforderung zum sofortigen Beginn des Streiks oder zum Streik nach wenigen Tagen, wobei der Auffordernde weiß, daß die aufgeforderten Arbeiter an eine längere Kündigung gebunden sind, ist vom Reichsgerichte als öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze auf gefaßt worden und danach mit Geldstrafe bis zu 600 oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren strafbar. Welchen Schutz unsere Gesetze dagegen gewähren, daß bei Ausübung der Coalitionsfreiheit kein Zwang gegen diejenigen Arbeiter oder Arbeitgeber ausgeübt werde, welche sich an den Verabredungen oder Vereinigungen nicht betheiligen wollen, soll in einem zweiten Artikel: „Schutz der Arbeitswilligen", erörtert werden. Ueber das Wachsthum -er Handelsmarinen, das einen zutreffenden Maßstab für die wirthschaftliche Welt stellung eines Landes bietet, zeigt man sich gegenwärtig in politischen Kreisen Frankreichs sehr beunruhigt. Es ist ja auch eine Thatsache, daß der Verfall der französischen Handels marine seit Anfang des Jahrhunderts unaufhörlich fortschreitet. Während zur Zeit Napoleon's und auch noch nach seinem Sturze Frankreich England in gewissen Hinsichten noch gleichkam, ist jetzt der Unterschied ein kolossaler geworden; aber nicht genug damit, hat Frankreich weit hinter Deutschland zurücktreten müssen und sogar in Norwegen einen gefährlichen Nebenbuhler für den dritten Platz in der Liste der europäischen Handels marinen erhalten. Sehr bezeichnend sind die Ziffern bezüglich der Handels dampfer im Jahre 1887 und 1895. Während km erstgenannten Jahre England mit 6592496 Tonnen die Spitze hielt, kam Frankreich noch immer mit 722 252 Tonnen an zweiter Stelle und Deuts chland erst mit 628 296 Tonnen an dritter, während Norwegen in ganz weitem Abstande mit 150 689 Tonnen folgte. Dagegen hat sich 1895 die Lage ganz geändert. England hat mit 9 984 280 Tonnen seinen Vorsprung vor allen anderen Mächten noch vermehrt, Deutschland aber ist mit 1306 771 Tonnen an die zweite Stelle unter den Seemächten getreten und hat Frankreich, das nur 864 598 Tonnen aufweist, weit überholt; Norwegen ist der Republik mit seinen 445 317 Tonnen schon ziemlich nahe gerückt. Noch schärfer aber treten die Unterschiede zu Tage, wenn man sich das procentuale Verhältniß der Vermehrung vorhält. Dies beträgt nämlich während der acht in Frage gezogenen Jahre für England 51,44 Proc., für Deutschland IM,108 Proc. und für Norwegen 202,27 Proc., während Frankreich nur eine Zu nahme von 19,71 Proc. aufzuweisen hatte. Wenn das gleiche Verhältniß noch weitere acht.Jahre andauern sollte, so müßte Frankreich im Jahre 1903 von Norwegen überholt sein, während Deutschland eine doppelt so große Handelsdampferflotte wie Frankreich zu dieser Epoche haben würde. Vielleicht noch schlimmer ist die Lage der Franzosen bezüglich der Segelschiffe, die in Europa wieder eine gewisse Bedeutung erlangen. Wenn man bei den Vergleichen nur die eisernen und die stählernen Schiffe von mindestens 1000 Tonnen Gehalt ins Auge faßt, so findet man, daß Deutschland 1891 120 Schiffe dieser Art mit 169 306 Tonnen aufwies, seitdem aber diese Flotte auf 202 Schiffe mit 311742 Tonnen vermehrt hat; Frankreich dagegen hat trotz der Anstrengungen der Rheder nur 149 Segelschiffe mit 143 793 Tonnen zu verzeichnen. Bekanntlich werden in Frankreich recht erhebliche Prämien von Seiten des Staates zur Hebung der Seeschifffahrt auf gewendet, während die vom deutschen Reiche für die Seeschifffahrt in Form von Subventionen gewisser Reichspostdampferlinien aufgewendeten Mittel dagegen weit zurücktreten. Auch England mit seiner kräftig entwickelten Handelsflotte wendet von Staats wegen reichlichere Subventionen auf als Deutschland. Während aber Deutschland in der Anzahl seiner Schiffe wie auch der Gesammtsumme seines Schifffahrtsverkehrs sich durchaus in steigender Linie bewegt, geht Frankreich in dieser Hinsicht trotz erheblicher Staatszuschüffe immer mehr gegen England und Deutschland zurück. Ganz dasselbe ist auf dem Gebiete des Schiffbaues der Fall. Hier fehlt in Frankreich der Bedarf für die eigene Handelsflotte, was sich auf den Werften fühlbar macht, während nächst England speciell die deutschen Werften in hervor ragendem Maße für den heimischen Bedarf arbeiten und in immer steigendem Grade vom Ausland für Kriegs- und Handels schiffbauten in Anspruch genommen werden. Diese letztere Er scheinung ist in Deutschland speciell der Ueberweisung der zahl reichen Bauten für die Kriegsmarine zu danken, deren im letzten Jahrzehnt begonnenes, schließlich infolge des Flottrngesetzes sich planmäßig gestaltendes Retablissement auf die Leistungsfähigkeit der einheimischen Werften ganz erheblich fördernd eingewirkt hat. Namentlich der Umstand, daß ein festes System für den Ausbau der deutschen Kriegsflotte festgelegt worden ist, ermöglicht es der Privatindustrie, sich auf längere Zeit einzurichten und wirth- schaftticher zu verfahren, als wenn ein Flottenplan nicht existirte. Die Heranbildung eines Stammes geschulter Arbeitskräfte wirkt weiter dann günstig auf die Leistungsfähigkeit ein. Don weiterem Interesse zur Beurtheilung und Entwickelung der hauptsächlichsten Handelsmarinen ist die Frequenz des Suezcanals. Hier haben die deutschen Schiffe, die im Vorjahre den Canal passirtcn, an Zahl und Tonnengehalt die französischen weit überflügelt, während Frankreich 1895 noch die zweite Stelle, allerdings in respectvoller Entfernung von England, einnahm. Für die beiden ersten Quartale des Jahres 1898 scheint sich das Verhältniß für Frankreich Deutschland gegenüber noch ungünstiger zu gestalten. Die Ziffern für England, Deutschland und Frankreich lauten nämlich für das erste Quartal: England .... 569 Schiffe mit 2 153 640 Tonnen Deutschland . . . 87 „ 356 254 „ Frankreich . . . 56 „ 223 378 „ für das zweite Quartal: England .... 548 Schiffe mit 2 406 015 Tonnen Deutschland ... 92 „ 327 284 Frankreich . . . 52 „ 214 687 „ Aus allen hier kurz berührten Erscheinungen geht hervor, daß Deutschland zur See in einer erfreulichen kräftigen Weiter entwickelung begriffen ist, was für den Kenner unserer wirth- schaftlichcn Verhältnisse angesichts der der Nation innewohnenden hervorragenden Volkskraft, die sich auf den verschiedensten Ge bieten bethätigt, nichts Ueberraschendes hat. Die Thatsache, daß unsere Zukunft zum sehr großen Theil auf dem Wasser liegt und unsere überseeischen Beziehungen sich immer kräftiger entwickeln, ist eine fortgesetzte Bestätigung der Noihwendigkeit, die deutsche Kriegsflotte unter allen Umständen auf der Höhe ihrer Aufgaben zu halten, und um so mehr auch dann, je mehr sich das stetige Wachsthum dieser Aufgaben bemerkbar macht. Deutsches Reich. LZ Leipzig, 2. Januar. Das „Berliner Tageblatt" behandelt die Erklärung deS Herrn Professor Bück) er über die angebliche Maßregelung deS vr. Kuntze so, wie eS der Gelehrte, nach seiner Schlußbemerkung zu schließen, erwartet hat. ES fälscht den Inhalt der Erklärung in ihr direktes Gegentheil. Wir haben keine Veranlassung, durch näheres Ein gehen auf dieses Verfahren einen neuen Beitrag zurKennzeichnung des Berliner Organs zu liefern. Da aber der im „Berliner Tageblatt" hrrvorgerufene Zwischenfall außer seiner akade mischen auch eine handelspolitische, ihm durch die Betbeiligunq des auch von Herrn Director Bücher einigermaßen charaklerisirten Herrn Or. Vosberg-Reckow verliehene Bedeutung besitzt, so wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß sich ein Fachmann in dem neuesten Heft von „Conrad's Jahr büchern" mit der wissenschaftlichen Zuverlässigkeit deS Be- ratberS des Herrn vr. Kuntze beschäftigt und daß, wie der Zeitschrift „Export" zu entnehmen, vr. Vosberg- Reckow in einer seiner letzten Schriften über die deutsche Zuckergesetzgebung daS Folgende offenbart hat: „Beim Rübenzucker wird die Steuer in Deutschland nach Maß gabe der in die Fabrik zur Verarbeitung eingehenden Rüben menge bemessen. Die Rückvergütung kann naturgemäß nur nach der Menge deS auszuführenden Zuckers erfolgen. ES müßte, um hier ganz gerecht zu verfahren, in jedem «inzelnen Falle fest gestellt werden, wieviel Zucker aus den verarbeiteten Rüben ge- Wonnen worden ist. Dies ist selbstverständlich aus rein prak tischen Gründen nicht möglich. Es muß vielmehr ein für allemal, oder doch für längere Zeiträume sestgestellt werden, in welchem Verhältniß die ZuckerauSbeute zur Rübcnmengr steht. Dieses Verhältniß wird dann der Berechnung der zurückzuvergütenden Steuer zu Grunde gelegt werden müssen. Steigt nun, während das Aus- beuteverhältniß amtlich festgelegt worden ist, die thatjächliche Aus beute, d. h. gelingt es dem Fabrikanten, durch technische Fortschritte mehr Zucker aus den Rüben zu ziehen, als ossiciell angenommen ist, so bekommt er bei der Rückvergütung an der Grenze für ein be stimmtes Quantum Zucker ein entsprechend größeres Steuerquotnm zurückgezahlt, als er für feine Rüben entrichtet hat." So Herr I)r. VoSberq-Reckow. Der profunde Volks- und Staatswirtb an der Spitze der „Centralstelle zur Vor bereitung der Handelsverträge" weiß also nicht, daß die Be steuerung des Zuckers nach Maßgabe der verarbeiteten Rübenmenge, gemeiniglich die Materialsteuer genannt, schon seit sechs Jahren ab geschafft ist. Angesichts dieser heroischen Verzichtleistung auf die elementarste Kenntniß der Dinge, über die er schreibt, wird man eS erst recht begreif lich finden, daß die staatswissenschaftlichen Seminare der Universität Leipzig von Mitstrebendeo deS Herrn vr. VoSberz - Reckow nicht viel Ersprießliche» für ihre wissenschaftlichen Zwecke erwarten. * Berlin, 2. Januar. Ueber die Auslieferung wegen anarchistischer Verbrechen stellt Professor Lammasch in Wien, der fick wissenschaftlich viel mit den Fragen deS Asylrechts und der Auslieferung beschäftigt hat, in der „Deutschen Juristen-Zlg." eine Betrachtung an. Es wäre, so führt er aus, unverständlich, wenn sich alle Staaten verpflichten würden, blindlings zum Schutz eines jeden Zu standes beizutragen, welchen ein anderer Staat als seine Verfassung anerkennt oder erträgt; durch die Uebernahme einer solchen Verpflichtung könnte ein Staat mit seinen eigensten Interessen in Widerspruch gerathen. Ganz dasselbe gelte auch von dem Angriffe auf den Territorial bestand. Die Staaten haben kein für alle Fälle gleich mäßige- Interesse an der Bestrafung politischer Verbrechen gegen fremde Mächte, sie können sich also nicht allgemein zur Mitwirkung an derselben verpflichten. Können sie eine solche Verpflichtung aber nicht allgemein übernehmen, so müssen sie allgemein und grundsätzlich eine solche Ver pflichtung adlehnen. Darauf beruht daS Asylrecht. Aber „das anarchistische Verbrechen greift nicht bloS einen bestimmten Staat, eine bestimmte StaatSsorm, eine bestimmte Rechtsordnung an, sondern den Staat, die Staats ordnung, das Recht an sich, überhaupt und überall. Während daS politische Verbrechen wesentlich national ist, ist das anarchistische Verbrechen wesentlich international. Darum Feuilleton. Von -er -rutschen Tiefseeerpedition. Ueber den weiteren Verlauf der deutschen Tiefsee-Expedition veröffentlicht der „Reichsanz." die nachstehenden Mittheilungen auS den inzwischen eingegangenen Berichten d«S Leiters der Expeditton, Professor Chun. 24. October 1898. Die „Valdivia" traf am 15. September d. I. «n der AmbaS- Bucht vor Viktoria ein. Da «ine pflanzengeographisch« Schilderung deS Kameruner Urwaldgebieter — deS einzigen tropisch-afrikanischen Regenwaldgebieter — von Werth schien, wurde von einigen ExpeditionS-mitgliedern eine dreitägige Exkursion nach der Station Buea und über dieselbe hinaus bi» in die GraSregion de» KamerunpikS (ungefähr bis 2500 Meter Höh«) unternommen. Bei diesem AuSfluge gelang e-, die Samm lungen zu vermehren und eine große Zayl von Vegetations bildern aufzunehmen. Am 19. September wurde der CurS nach Kamerun gerichtet und früh am 20. September in den Kamerun fluß eingelaufen. Am 25. nahm die Expedition den CurS südlich und langte am 1. Oktober vor der Evngo«Münsing in Banana an. Schon in Wetter Entfernung von der Küste machte sich der Eittfluß de» gewaltigen Stromes durch di« Aenderung in Farbe und specifischem Gewicht de» SeewafferS und durch daS Auftreten vimr abweichenden mikroskopischen Flora im Oberflächenwasser geltend. Durch Züge mit den Grund- und Planktonnetzen, durch Temperatursevien und Analysen von auS verschiedenen Tiefen entnommenen Wafferprvben wurde versucht, die Einwirkungen des CongowafserS genauer frstzulegen. Eine Exkursion in die Steppe bei Boma und di« Rückfahrt noch Banana am 4. Oktober boten Gel«genh«it zur Vermehrung der Sammlungen und zu pflanzen geographischen Aufnahmen des Savannen- und Mangrovegebiets längs d«s unteren Congokaufes. Am 5. Oktober wurde der Anker gelichtet und am 10. October in die Große Fischbai <Tigerbai) oberhalb der Grenze des deutschen südwestafrikanischen Schutzgebietes eingelaufen. Da der kalt« Bengurla-Strom längs der Küste von Südwest-Afrika durch seinen Fischreichthum ausgezeichnet ist, so wollte die Expedition die äußeren Existenzbedingungen der Nutzfische klar legen und speciell auch über deren Laichzeit Aufschlüsse gewinnen. Nach in Kamerun erhaltenen Mitthrilungen war anzunehmen, daß gerade die ungemein geschützt liegende und durch ihre Ausdehnung im- ponirende Große Fischbai ein wichtiges Laichrevier für die süd lichen Nutzfisch« abgeben würde. Bei der Ausfahrt aus der Fischbai am 12. October war das Meer durch stürmischen Südost aufgeregt. DaS Schiff stampft« und holte an vier Tagen reichlich Wasser über. Da unter diesen Verhältnissen daraus verzichtet werden mußte, längs der Küste d«S südwestafrikanischen Schutz gebietes di« Untersuchung über die FischireiverhLltnisse fortzu setzen, so wurde ein allmählich nach Süd übergehender CurS genommen, der die „Valdivia" in weite Entfernung vom Lande brachte. Was die Untersuchungen während der Fahrt von Kamerun bis Capstadt anbelangt, so sei zunächst einiger zoologischer Er gebnisse gedacht. Mit den großen Grundnetzen wurde in ver schiedenen, oft recht beträchtlichen Tiefen, gedredscht. Von dem Senegal bis w«it über den Congo hinaus fand sich ein blaugrauer resp. schwärzlicher Tiefseeschlamm, in welchem eine relativ spärlich entwickelte Tiefseefauna nachgewiesen wurde. Die Verhältnisse änderten sich erst, als nach den stürmischen Tagen der letzten Zeit am 17. Oktober die Arbeiten unter 25° 26' südlicher Breite und 6 ° 12' östlicher Länge wieder ausgenommen werden konnten. Da in diesen Regionen di« früheren Expeditionen sehr beträchtliche Tiefen drrzeichnrn, so wurde zunächst das Derticalnetz, wrlchrs zum Fischen slottirender Organismen bestimmt ist, bi» zu 2000 Meier ausgesetzt. Dasselbe war indessen auf Grund ge rathen und enthielt einen ausschließlich aus den Schalen von Foraminiferen und Flügelschnecken (Pteroxoden) gebildeten Tiefenschlamm. Die sofort angeordnete Lothung ergab, daß das Schiff auf eine bisher unbekannte Bank gestoßen war, welch« sich bis zu 981 resp. 936 Meter erhebt und dann wieder steil-in große Tiefen (daS Loth zeigt« am nächsten Morg«n 5040 Meter) abfällt. Da derartige weit in den Ocean vorgeschobene Bänke meist eine reiche Grundfauna aufweisen, wurde das große Trawl- netz hinabgelassen. Es ergab einen so reichhaltigen Fang, wie er seit Verlassen der Färöer nicht mehr zu verzeichnen gewesen war. Dazu scheint der größt« Theil der gedredschten Organismen — unter ihnen gegen IM große hochrothe Taschenkrebse (Gerijon) und eigenartige Aktinien, in denen Einsiedlerkrebse sich ein nisteten — aus neuen, noch unbekannten Formen zu bestehen. Im Allgemeinen lieferten die Züge mit den Grundnetzen in großen Tiefen oft ein sehr spärliches Material. Um eine Bor- stelttlng von dem jetzigen Vorgehen bei dem Dredschen zu geben, sei aus einen Zug hingewiesen, der am 20. October in 5108 Meter Tiefe auSgeführt wurde. Die Lothung einer derartigen Tiefe be ansprucht 2ß Stunden. Da die Arbeiten bei Tagesgrauen be ginnen, war um 7j Uhr die Lothung beendet. Inzwischen wird das große Schleppnetz (Trawl) hergerichtet und mit drei eisernen Oliven von je 25 Kilogramm (zwei hinten am Netzsack, eine vorn) belastet. An ihm ist ein kräftiger Vorläufer aus Hanftau von IM Meter Länge angebracht, der seinrrseiti mit dem Kabel ver bunden wird. Während die Maschine stoppt, läuft so viel Seil aus, als die Lothung anz«ig1; ist das Netz über dem Grunde angelangt, so wird langsame Fahrt gemacht und mindestens noch ein Drittel der bisher auSgegebenrn Seillängr hinzugefügt. Um eine Seilläng« von 67M Meter auszugeben, bedurfte es fünf Stunden. Indem nun bei RückwärtSgehrn der Maschine eine Stunde lang gedredscht und später in 4ß Stunden das Netz auf gewunden wird, beansprucht der Zug lOß, einschließlich der Lothung 13 Stunden. Das Netz kommt Abends 6 Uhr auf und wenn es, wie damals, nur eine Holothuria (Synapta) nebst etwa zwanzig faustgroßen in ihrer Entstehung noch räthselhaftcn Manganknollen enthält, so kann mit Sicherheit angenommen werden, daß die großen Tiefen außerordentlich viel ärmer an Organismen sind, als die geringeren. Im Vergleiche mit den Ergebnissen der Dredschzüge treten diejenigen mit den Verticalnetzen weit in den Vordergrund des Interesses; keine der früheren Tiefsee-Expeditionen kann in dieser Hinsicht — namentlich auch in Anbetracht der relativ kurzen Zeit — auf ähnlich« Erfolge blicken. Fast jeder Zug mit den in größere Tiefen hinabgelassenen Verticalnetzen lieferte Organis men, welche durch ihren morphologischen Bau besonderes Interesse beanspruchen. Es gelang, die Existenz von Tiefenbewohnern aus Thierclassen nachzuweisen, welch« bisher ausschließlich als Ober flächenformen galten. So konnten z. B. von den zartesten und duftigsten pelagischen Organismen, nämlich den Rippenquallen (Ktenophorae), zwei eigenartige Vertreter (aus der Ordnung der Cydixpiden) in den Tiefen nachgewiesen werden. Wenn diese relativ großen, hochroth resp. dunkelviolett gefärbten Orga nismen bisweilen in tadelloser Erhaltung erbeutet wurden, so ist dies wesentlich dem Umstande zuzuschreiben, daß umfängliche, nicht filtrirende Glaseimer in geeigneter Fassung an dem Netz sack befestigt wurden. In diesen sammeln sich während de- Fange« die Arten unbeschädigt an, und so gelang eS, dir un gemein empfindlichen schwarzen Tiefseefisch« mit ihren oft monströs verlängerten Flossenstrahlen tadellos zu erhalten. Eine große Menge von den für die Wissenschaft neuen und durch ihren Bau interessanten Formen wurde auf diesem Wege erbeutet. Hierunter fallen namentlich die bizarr gestalteten, meist schwarz gefärbten Tiefseefische, durchsichtige Tintenfische (Ce- phalopoden), große hochrothe resp. bleich« und blind« Krust- aceen aus den Familien der Eryoniden und Garneelen, einige Wurmformen, eine sehr abweichend gestaltet« Seewalz« (Holo-
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