01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990111011
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899011101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-11
- Monat1899-01
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DI» Morgen-AuSgabe erscheint «m '/.7 Uhr. di» Abend-Ausgab« Wochentag« um b Uhu. Ne-action und Lrve-Uio«: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend- 7 Uhr. Filiali»: Vtt» Klemni'S kortim. (Alfred Hahn), * UniversitütSsrraße S (Paulinus), Louis Lösche. Katbarknenstr. 14, vart- und KSrigSpla- L Vez«g--Pre^ ffd der tzau-texpedition »der den i« Ltodb» bezirk and den Vororten errichtete» Ao«- »aoestellrn abgeholt: vierteljährlich 4.50, oet zweimaliger täglicher Zustellung ins Lau« b^O. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S.—. Direkte tägliche Areuzbandiendung kn« Au-land: monatlich ^l 7.S0. 18. Morgen -Ausgabe. rMgcr TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 11. Januar 1899. Anzeigen-Prels die 6gespaltme Petitzeile SO Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrick l4ge» spalten) 50^, vor den Familiennachrichie» (k gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Prei«- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. -xkra-Beilagen (gesalzt), nur mit de« Marge.,.Ausgabe, ohne Postbrförderuag ^l SO.—, mit Postbeförderung 70—. Ännahmeschluß für Anzeige»: Rbend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge u-AuSgabe: Nachmittag- 4UHL Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anreise» sind stets an dt, Expedttia» zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 93. Jahrgang. Die -errtsch-oftafrikanische Centralbahn. ii. * Es ist nicht der Verzicht Deutschlands auf Uganda allein, was un« zwingt, einer wirtbsckaftlichen Aussaugung unseres ostafrikanischen Besitze« so rasch und kräftig wie mög lich entgegenzuwirken; nicht nur haben die Engländer in folge jenes Verzichtes mit gewohnter Umsicht und Unter nehmungslust binnen zwei Jahren gegen 250 Kilometer Eisen bahn von Mombassa auS betriebsfähig hergestellt, so daß sie in abermals zwei Jahren den Victoria-Nyanza erreichen: die Belgier haben die Congo-Eisenbahn vollendet, den tzroß- artizsten Schifffahrtsverkehr auf dem Congo eingerichtet und nahen von den Stanley-Fällen au- dem Tanganyika- see mit Eisenbahn- und Wafserverbindung. Im Süden will RhodeS Buluwayo mit dem Tanganyika durch eine Bahn verbinden, die ein Glied der geplanten großen Handelsstraße von Capstadt bis Kairo bilden soll. Dazu behalten die Engländer in Zanzibar die maritimen und wirtbsckaftlichen Schlüffe! des ganzen deutsch-ostafn- kanischen Schutzgebietes in Händen und die hier vorhandenen Wasserstraßen sind für die Entwickelung de« Verkehrs durchaus unzureichend. Wer bei dieser Lage der Dinge den Bau einer Ceniralbahn auf die lange Bank zu schieben räth, der giebt in Wahrbeit den Rath, sich in unserer größten und ent wickelungsfähigsten afrikanischen Colonie auf die schwere Arbeit zu beschränken und die Frucht dieser Arbeit den Engländern und den Belgiern nicht nur zu überlassen, sondern förmlich an den Hals zu werfen. Ein solcher kläglicher Verzicht auf die eigene wirtschaft liche Ausbeutung Deutsch-Ostafrikas könnte nicht wieder gut gemacht werden, und wenn wir unsere Armee noch weit mehr verstärkten, al« sie demnächst verstärkt werden soll. Diese Verstärkung hat mit unseren Aufgaben in Ostafrika gar nicktS zu thun, denn sie wird weder die euglische, noch die belgische Unternehmungslust davon abhalten, ihrerseits diese Ausbeutung mit allen Mitteln anzustreben und zu ver folgen. Auch wenn vielleicht jene Optimisten, die hinter ihren Hoffnungen ihren Hang zur Saumseligkeit zu ver- bergen suchen, sagen sollten, das vielbesprochene dentsch- englische Abkommen würde sür Deutschland Vortbeile in West- und Ostafrika bringen, die den Bau einer deutsck- ostafrikanischen Centralbabn überflüssig machen dürften, so würde ein solcher Einwurf nur Ackselrucken verdienen. Denn nun und nimmer fällt die englische Regierung ihren Unter nehmern und Spekulanten in den Arm, die daS löbliche Be streben haben, die Früchte fremden Fleißes in englische Speicher zu leiten. Welche „Compensationen" in West- und Ostafrika der deutsch-englische Vertrag uns auch bringen mag, auf keinen Fall befreit er unS von der Nothwendigkeit, nnS zum wirthsckaftlichen Herrn im eigenen Lande zu machen. Der Bau einer deulsch-ostafrikanischen Centralbahn ist auch nicht etwa, wie der „Export- anzunebmen scheint, ein Sprung ins Dunkle; durch den früheren Leiter der Colonial- abtheilung vr. Kayser waren die Vorarbeiten zum Bau der Bahn unter Mitwirkung einer von der Deutschen Bank geförderten Bankiergruppe schon so weit ge fördert worden, daß daS Material für eine Vorlage an Reichsregierung und Reichstag so gut wie fertig war. Oberleutnant Kollmann hat in dem oben mil- getheilten Abschnitte seiner Rede den Eindruck geschildert, den die plötzliche Einstellung der TracirungSarbciten auf unsere Pioniere in Deutsch-Ostafrika mackte und macken mußte. Um diesen niederdrückenden Eindruck abzuschwäcken und den formellen Abschluß der Vorarbeiten für den ersten Abschnitt der Bahn zu ermöglichen, beschloß der Colonial rath vor nickt langer Zeit, die Einstellung der kleinen Summe von 10 000 in den Etat zu befürworten. Leider ist bei der Aufstellung des Etats diese Anregung unberücksicktigt geblieben. Warum, ist nicht bekannt geworden. Ganz sicherlich aber nicht deshalb, um England und Belgien Zeit zu lassen, unsren deutsch-ostafrikanischen Handel an sick zu ziehe» und unsre dort im Schweißt ihres Angesichts schaffenden Colonisten zu kärglich gefütterten Lastthieren fremder Spekulanten zu machen. Höchst wahrscheinlich haben die bei der Aufstellung des Etats ausschlaggebenden Faktoren ver meint, durch die Schilderungen der iw Deutick-Ostafrika vor- bandenen und leicht zu vermehrenden und veredelnden Natur schätze sei das deutsche Capital über die unausbleibliche Rentabilität einer Centralbabn genügend aufgeklärt, um den Bau dieser Bahn ohne Zuthun des Reiches selbst in die Hand zu nehmen. Generalmajor Liebert empfiehlt denn auch die Ausführung des Projektes durch Privatunternehmer auf das Dringendste. Er weiß jedenfalls zu gut, daß bei der stetig wachsenden Inanspruchnahme der Reichsmittel durch andere Erfordernisse, bei der Eifersucht der Landwirthe und ihrer einseitigen Gönner gegen alle staatlichen Aufwendungen, die in erster Linie dem Handel zn Gute kommen, und bei der Zusammensetzung des jetzigen Reichstags an die Bewilligung so bedeutender Summen, wie sie zum Ausbau einer Centralbahn von Dar- es- Salaam auch nur bis Tabora nötbig sein werden, in den nächsten Jabren, d. h. also gerade in der Zeit, in der der Bau die wirthsckaftliche Ausbeutung des Gebietes durch fremde Spekulanten noch abwenden kann, nicht zu denken ist. Jeder, der unsere inneren Verhältnisse kennt, muß dem Gouverneur beipflichten: die Kenntniß der Ertrags- fcibigkeit des deutsch-ostafrikanischen ColonialgebieteS ist so weit vorhanden, die Einsicht in die absolute Notbwendigkeit einer baldigen wirtbschaftlichen Erschließung dieses Gebietes ist in so weite Kreise gedrungen und die Vorarbeiten für diese Erschließung durch eine Centralbahn sind so weit ge diehen, daß eS eine Pflicht deS deutschen Capitals gegen die Nation und gegen sich selbst ist, durch rasche Inangriff nahme deS BabnbaueS den englischen und den belgischen Capitalisten die Möglichkeit zu nebmen, sich ihrerseits mit den auf deutschem Boden unter deutscher Pflege gewachsenen Frückten zu bereichern. Wenn der „Export" dem gegenüber erklärt, schon deshalb, weil die Bahn in den ersten Jahren ihres Betriebes nicht rentiren werde, „müsse von vorn herein davon abgesehen werden, daß Privatunternehmer dieses Unternehmen ins Leben rufen", so stellt der „Export" dadurch dem deutschen Unter nehmungsgeist ein geradezu lämmerliches Zeugniß auS. Haben die Engländer, als sie vor zwei Jahren die Eisenbahn von Mombassa nach dem Victoria Nyanza in Angriff nahmen, etwa eine Garantie dafür gehabt, daß ver Betrieb dieser Bahn schon in den ersten Jabren sich rentiren werde? Gerade darin aber, daß sie krampfhaft sich beeilen, den Bau dieser Baku zu vollenden, um durch sie den Handel auS dem deutsch-ost afrikanischen Gebiete über den Victoria-Nyanza nach Uganda und von dort nach dem Mittelmeere zu lenken, bietet den deutschen Capitalisten die Gewähr, daß der Bau einer deutschen Centralbabn keine waghalsige Spekulation ist, — wenn er zeitig genug erfolgt. Der „Export" zweifelt auch, wie schon erwähnt, selbst gar nicht daran, daß mit der Zeit die Bab» rentiren werde. Er zählt auf, welche Werthe in Deutsch-Ost afrika zu heben sind: „Werthvolle Hölzer, Farb stoffe, Phosphate, Mineralien der verschiedensten Art, nicht nur Gold und Silber, sondern auch Kohle sind vorhanden, ganz abgesehen von dem Elfenbein und werthvollen Mineralien, die aus dem Centrum des ContinentS nach Ost afrika gelangen." Wir könnten diese Aufzählung wesentlich er gänzen durch unsere Aufzeichnungen über den Leipziger Vortrag des Oberleutnants Kollmann und durch Citate auS seinem bereits empfohlenen Werke. Wir begnügen uns aber für heute mit dem Hinweise darauf, daß Herr Kollmann nach ausführlichen, von Herrn Gouverneur Lieber» durchaus be stätigten Schilderungen der im Gebiete des Victoria-Nyanza zu hebenden Schätze den künftigen Ansiedlern in diesem Gebiete folgendes Gesammtbild ihrer Aussichten entwarf: „Im Westen Kaffeeplantagen, Viehzucht und Elfcnbeinbandel, im Süden Forstwirthschatt, Ackerbau und Goldminen, im Südosten Ackerbau und Viehzucht, im Osten da- Gleiche, sowie Elfenbeinhandel." WaS aber soll Ansiedler in diese Gebiete locken, wenn weder das Reich noch daS Privatcapital die Fähigkeit oder den Muth haben, durch den Bau einer Bahn den An siedler vor der Alternative zu retten, entweder seine Produkte dem fremden Händler für emen Spottpreis auszuliefern, oder sie ohne Aussicht auf Gewinn und ohne Garantie ihrer sicheren Ankunft an der Ostküste dem Rücken menschlicher oder thierischer Träger anzuvertrauen? WaS aber soll andererseits das deutsche Privatcapital anspornen, all das wirthschaftliche Unheil, daS der verspätete Bau einer Centralbahn abwenden kann, auf eigenes Risiko abzuwenden, wenn daS Reich trotz der gewiß bescheidene» Anregung de« Colonialrathes nicht einmal die bei der Höhe unseres AuögabenetatS geradezu lumpige Summe von 10 000 zum formellen Abschluß der Vor ¬ arbeiten für den ersten Abschnitt der Centralbahn zu fordern sich entschließt? Sparsamkeit am rechten Orte und zu rechter Zeit ist eine Tugend, deren Werth wir gewiß nicht verkennen; aber Sparsamkeit am unrechten Orte und zu unrechter Zeit ist ein Fehler, der nicht scharf genug gerügt werben kann, weil er nicht wieder gut zu machende Folgen bat. Und ein folgenschwererer Fehler könnte gar nicht gemacht werden, als wenn daS Reich sich jetzt, wie der Etat eS vorsiebt, mit der Hergabe von 250 000 zur Weiterführung der ca. 40 Kilometer langen Usumbara-Eisen- bahn um etwa sechs Kilometer begnügen wollte. Es sind wahrlich in der deutschen Colonialpolitik während der Aera Caprivi Fehler, deren Folgen erst jetzt recht fühl bar werden und trotz aller Abhilfsversuche in aller Zukunft fühlbar bleiben werden, genug und übergenug gemacht worden. Es ist böchste Zeit, daß das Fehlermachen aushöre. Sonst wäre :S bester, unfern ganzen Colonialbcsitz schleunigst an den Meistbietenden zu veräußern. England zahlte vielleicht für Dcutsch-Ostafrika eine große Summe und baute dann trotz der Eisenbahn von Mombassa nach dem Victoria- Nyanza noch schleunigst «ine Centralbahn von Dar-es-Salaam nach demselhen See! Aber daS wenigsten« wird der deutsche Reichstag nicht wollen. Vielleicht wartet die ReichSrcgierung nur daraus, daß er seinerseits die Einstellung einer Summe in den Etat zum formellen Abschluß der Vorarbeiten für die erste Strecke der Centralbahn anrege und dadurch daS deutsche Privatcapital zu weiterer Initiative ansporne und rrmulhige. So koch wir die Verstärkung unserer Armee schätzen, die dem Reichstage angesonnen wird, so hoch schätzen wir die Bewilligung einer Summe für ven formellen Abschluß jener Vorarbeiten. Fehlt dem Reichstage zu einer solchen Anregung die Ein sicht und der Muth, so ermuthigt er unsre afrikanischen Rivalen, ihre Anstrengungen zur wirthschaftlichen Ausbeutung unsres deutsch - ostafrikanischen Besitzes zu verdoppeln und einen Vorsprung zu gewinnen, der nicht minder verhängniß- voll sein wird, wie der Verzicht auf Uganda. Deutsches Reich. -x- Leipzig, 10. Januar. Vor längerer Zeit bereits wurde inMetz ein angeblicher Goldwaarenhändler, Namens Alfred Goldhumer, polnischer Nationalität und zuletzt in Paris wohnhaft, wegen Verdachtes des Landesverrathes verhaftet. Wie wir erfahren, ist in letzter Zeit die Vor Untersuchung gegen Goldhumer abgeschloffen worden; das gegen ihn vorliegende Material ist dem Vernehmen nach so belasten», daß voraussichtlich in kurzer Zeit vor dem Reichsgericht der Landesverrathsproceß gegen Goldhumer, der sich zur Zeit noch in Metz in Haft befindet, vor sich gehen wird. /-Berlin, 10. Januar. (Ausweisungen an» Deutschland und der Schweiz und unsere Social demokratie.) Der „Vorwärts" bereitet sich in seiner vorletzten Nummer eine Blamage, die auch dann nickt hätte größer sein können, wenn er sie absichtlich sich hätte zuziehen wollen. Da- socialdemokratische Centralorgan be hauptet nämlich im Hauptblatt an der Spitze der „Politischen Uebersicht", daß nur noch zwei Staaten der Erde gegen wärtig unter dem Zeichen der Ausweisungen sieben: Deutsch land und China; der Name Köller sei „Sprichwort nnd Charakteristik eine« Systems geworden." Was es mit dieser Behauptung auf sich hat, erfährt man aus der zweiten Beilage derselben Nummer, die einen langen Artikel unter der Ueberschrift: „Die Schweiz im Jahre 1898" ent hält: Darin lesen wir: „Der Genfer Mord Kat die politische Polizei der Schweiz zu Verfolgungen veranlaßt, wie sie in solchem Umfange seit 50 Jahren nicht mehr erlebt worden. Es dürften bis jetzt ca. 80, meist italienische Arbeiter unter der Beschuldigung, daß sie Anarchisten seien, ausgewiescn worden sein. Unter diesen angeb. lichen Anarchisten ist aber eine ganze Anzahl Socialdemokraten. .. . Man kann die Ausweisung von Anarchisten, nachdem sich der Genfer Attentäter mit eitler Ruhm- und Prahlsucht zu ihnen bekannte, begreiflich finden: aber völlig unbegründet ist die Ausweisung von Socialdemokraten, die, wo sie irrthümlich erfolgte, nach geschehener Aufklärung sofort hätte zurück- Feuilleton. Reines Deutsch. Don AlexiusBecker. Nachdruck vnbelen. Kaiser Wilhelm Hai «ine Bestimmung erlassen, der zu Folge die deutsch« Sprache von dem Fremdwörterunkraut, mit dem sie leider überdeckt ist, befreit werden soll. Damit ist ein Schritt gethan, dessen Wichtigkeit und Werth Jedem sofort ins Auge fallen muß. Denn wenn sich diese kaiserliche Bestimmung vor läufig auch nur darauf richtet, daß die Sprache des Heeres die schon so lange wünschenSwerthe Reinigung erfahre, so darf man doch jedenfalls erwarten, daß eine solche demnächst auch auf anderen Gebieten stattfinden werde. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß gerade unser Mlitarismus von fremdsprachlichen Ausdrücken gewissermaßen überwuchert ist. Schon Gerhard von Amyntor veröffentlichte vor fast zwei Jahrzehnten einen Aufsatz, der darjhat, wie gespickt mit solchen, meist welschen Eindring lingen die AuSdruckSweise bei unserem Heere ist — und noch mehr: wie gut sich dieser Ballast «diversen läßt! Dieses klein« M«ffier.stück behandelt« daS militairische Leben, wie es sich all täglich im Südwesten Berlins zu entwickeln pflegt, und lautet folgendermaßen: „Durch die Hebungen der Platzmannschaften (Garnison) auf dem Tempelhoferselde herrscht dort reges Leben. Von früh an ertönten auf dem UebungS(Exercir)plah« die Trom meln und Weisen der Musiker. Dicht an uns zog die Kaiser. Franz-Leibschaar zu Fuß vorbei, gefolgt von einem Stücksähnlein (Batterie)Zeugvolk (Artillerie), mehrerenSchaarrn(Regimentern) Fußvolk, einigen Geschwadern (Schwadronen) Harnischreitern (Kürassiere) und Lanzenreitern (Ulanen). Die Fußvolkschaaren (Infanterie-Regimenter) paffirten fahnenweise (bataillonsweise), die Reiterschoaren (Kavallerie - Regimenter) geschwaderweise, ge- fiirhi von ihren Oberst- undSchaanneistern(Rcgiments-Comman- deure) resp. Oberwachtmristern und Hauptmännern, Feldhaupt männern (commandirenden Generälen). Wir sahen auf dem be. rühmten Heerschaufelde (Paradefelde) auch den Feldmarschall Grafen Moltke, umgeben von Oberfeldhauptmännern, Feld- obersten (Dtvisiont^Generale) und Feldwachtmeistern (Brigade- Generale). Die Rüstner (Ingenieure), Schanzner (Pioniere) und Brückner (Pontoniere), sowie der Troß (Train) waren auch ver trete». Ein Fähnlein (Compagnie) Leibtruppen (Sarde) hatte Kette (Ehaine) gezogen, die Feldrichter (Auditeure), mehrere Der. waltungsbeamt« (Intendantur-Beamte) standen beim Feld, hauptmannsstab (Generalstab) u. s. w. Schon früher also hqhen wiederholt tüchtige Männer daraus hingewiesen, wie nölhrg es sei, daß mit unserer Sprache einmal «im ordentliche Säuberung vorgrnommen werde. Im Jahre 1884 erging vom Großherzog von Sachsen-Weimar an sämmt- liche seiner Regierung unterstelltenBeomtrn dieWeisung, „in allen amtlichen Ausfertigungen, ganz besonders aber in den zur Ver öffentlichung bestimmten Erlassen und Verordnungen unnöthige Fremdwörter möglichst zu vermeiden". Und in den „Grenz boten" geißelt« Herman» Riegel schon einige Jahre vorher diese „Fremdwörterscuche" in ihrer stets zunehmenden Verbreitung ebenso streng wie gerecht in folgender Schilderung: „Wie lange ist's her? Etwa fünfundzwanzig Jahre, da kam das Porte monnaie auf; seitdem sagt kein Mensch mehr Geldtasche oder Geldbeutel. Früher hießen di« offenen Kleider der Frauen aus geschnitten, gegen 1860 wurde derAusdruck decolletrrt aufgebracht, wobei ich immer an den geköpften Johannes den Täufer denken muß, den die Italiener 8. Oiovonni cksovllato nennen. Heute kennt kein Mensch von einigem Schliff mehr ein ausgeschnittenes Kleid; decolletirte Toilette: das ist feines Deutsch. Vor zehn oder fünfzehn Jahren wurde in der Staatsverwaltung die Reme dur erfunden; früher nannte man daS Ding Abhilfe. Auch opportun und inopportun gehören hierher. Immer breiter macht sich die Asfaire, alles ist Affairr: Säbelaffaire, Statsaffaire, Börsenaffaire, Duellaffaire, Defraudatiansaffaire, Scandal- affaire, Zeugnißzwangsaffair«, Mordaffaire; kein Mensch hat Lust, sich aus dieser langweiligen Afsaire zu ziehen. „Die Re sultate der Recherchen in der mysteriösen Afsaire vom Gendarmen markt": das ist heutzutage feines Hochdeutsch. Sonst sagte man Landwirthschaftslehrling, jetzt nennt sich dieser schöne Herr Oekonomieeleve; dann wird er Volontair und Avantageur, und so grht's weiter. Mahl, Mittagsmahl, Mittagstisch, Mittags- brod, Festmahl, Festessen, Gastmahl, Schmaus und andere Aus drücke hat die deutsche Sprache in ihrem Reichthum; aber der edle Deutsche verschmäht sie und sagt — Diner. Und dabei hält er noch Denjenigen, der so armselige Ausdrücke wie Diner, Dejeuner und Souper seinerseits verschmäht, für „ungebildet". Früher gab es Festungsbauschretber, je^t führen die Herren den klingenden Namen „Fortrficationssecretaire". Früher sagte man FestungS- bau und Befestigung; seit dem 15. November 1877 iß an die Stelle dieser Wörter „Fortification" getreten." Erst ganz kürzlich hat der Zwrigverein Berlin-Charlotten burg, ein The» d«S Allgemeinen deutschen Sprach-Verein-, für die Verdeutschung einiger Fremdwörter, die sich gar zu breit machten, Preise ausgeschrieben. Die betreffenden Worte waren: 1. Cocon, 2. Conditor (Conditoreiwaaren), 3. Lonfituren, 4. Galanteriewaaren, 5. Materialwaaren, 6. Parfümerien (Par fum, parsümiren), 7. Quincaillerien (Quincailleriewaaren), 8. Makulatur (maculirrn), 9. Jet, 10. Kinetoqraph. Für je eine Verdeutschung waren fünf Mark ausgesetzt. Wie erfolgreich solch rin Wettbewerb ausfallen kann, erhellt aus den Ergebnissen, di« erzielt wurden. Denn wenn auch nicht jedes Wort genügend ver deutscht wrrdew konnte, so gewann unser« Sprache gleichwohl Bereicherungen, die mit wirklicher Genugthuung begrüßt werden können. Es wurde nämlich folgenden Verdeutschungen der Preis zuerkannt: 1. Cocon — Serbling, 2. Conditor — Kunstbäcker, Conditorwaaren — Kunstbackwaaren, 3. Konfitüren — Sülz früchte, Fruchtsülzen (warum nicht eingemachte oder gezuckert« Früchte? Bei Sülze denkt jeder Mitteldeutsche an „Sülze mit Essig und Del". D. Red.), 4. Galanteriewaaren — Zierkurz- waaren, 5. Materialwaaren — Haushaltwaaren, 6. Parfum, Parfümerie, parfümiren — kein Preis. Die allein empfehlens- wertheu Verdeutschungen ,^Duft" (Duft-Waaren, -Wasser, -Oel), „beduften" sind bereits in all diesen Verbindungen in Sanders' Verdeutschungswörterbuch enthalten; 7. Omncaillerie — kein Preis. Die treffendste Bcrdeutschung: „Klingwaaren" ist in Heyse's Fremdwörterbuch« gegeben; 8. Makulatur — kein Preis. Die treffendste Verdeutschung „Altpapier" ist in Haus- ding's Fremdwörterbuch« enthalten. Für „maculiren" konnte keines der dargebotenen Worte mit einem Preise bedacht werden; 9. Jet — Schwarzsteine, 10. Kinetograph — Lebebilder. Am meisten überwuchert war wohl ehedem die technische Ausdrucks weise der deutschen Post. Man weiß, wie erfolgreich der ver storbene Staatssecretair Stephan in dieser Hinsicht gewirkt hat und wie wir cs ihm noch über das Grab hinaus zu danken haben, daß das eingeschlcppte Unkraut wenigstens zum großen Theil mit Stumpf und Sti«l ausgejätet wurde. Wie cs ehedem aus gesehen, geht am besten aus den folgenden Reimen hervor. Ein Beamter der seligen Thurn und Taxis'schen Postverwaltung, den dieser sprachliche Schlendrian bis tief in sein gut deutsches Herz hinein verdroß bestieg nämlich den Pegasus. Und nachdem er das geflügelte Dichterroß mehrmals muthig hin- und her getummelt, konnte am nächsten Morgen über sämmtlichen Ein gängen zu den Arbeitsstellen deS hochwohllöblichen Thurn und Taxis'schen Amtes ein Gedicht in gar deutlicher Schrift befestigt erscheinen: „Wir, die sich zum Zweck vereinigt, Daß die Sprache werd' gerSinigt Bon des Fremdworts Mihqeftoltung Hier bee dieser Pofwerwattung, Wollen ihr in Gutem rathen, Das, sie Hüde sich vor Schaden, Niemals nehme mehr rn'n Mund Folgenden poflol'schen Schund: Vours, Concept, eroept und Manco, Disst-renz, aeonti, franoo, Allegirt, cum, respektive, Porto, Pensum, exclusive, Progression, plus, Differenz, SinuS, pro, Corrrsponderu! Schwerer Strafe wird versi-llrn, Braucht sie eine« nur von allen! Schrecklich sind und niemals scherzen Wir, di« Fremdwörter a-uSmerzen.- „Bei voller Schonung der Ueberlieferung" — so soll nach dem Erlasse des Monarchen diese Säuberung vom sprachlichen Un kraut vorgenommen werden. Gerade dieser Wortlaut dünkt uns sehr bedeutsam. Denn schon wiederholt wurde ein Feldzug gegen die „Fremdwörterseuche" unternommen und Vorschläge gemacht, wie man ihr am ehesten und sichersten steuern könne. 'tAber man schoß meistens über das Ziel hinweg und die Vorschläge, welche darauf hinausliesen, fest eingebürgerte Fremdwörter zu ver deutschen, nahmen -sich oftmals geradezu komisch aus. Selbst bedeutende Männer und tüchtige Forscher thaten in diesem Streben des Guten zu viel. Beethoven, der hin und wieder von einem wüthenden Haß gegen das Fremdwort erfüllt war, gefiel sich wiederholt in solchen Verdeutschungsversuchen. Einige der selben mögen hier Platz finden. So hieß er Arie Lustsang, Ein sang; Canon Kreisfluchtstück; Chor Vollsang; Concert Tonstreit werkversammlung, Tonkampf; Dilettant Kunstzeitvertreib liebender; Fuge Tonfluchtwerk, Fluchtwerk; Musik Tonwerkerei; Orchester Tongerüst, Tonkünstlerbühne, Tonwerkcrschaar; Trom Peter Schmettermessingwerker u. s. w. Meistens nehmen sich solche erzwungenen Verdeutschungen so komisch aus, daß sie geradezu auf die Lachmuskeln wirken. Ein Concert, das vor einiger Zeit in St. Avold statffand, wurde durch folgende teutomanische An Wandelungen angekündigt: „Großes Streichgetön, ausgefllhrt von der Streichbande des zweiten hannoverschen Lanzenreiter Haufens 14 unter Leitung des königlichen Spielwarts Herrn B. Stuber." Aus der Spielfolge seien noch folgende Merl Würdigkeiten hcrvorgehoben: Schwärmerei aus „Der Postknechr von Lonjumeau" von Adam; ein Lied auf der Schnabelflötc mit Klappen (Klarinette) von Neibich; Bierertvnz nach Gedanken an dern „Pariser Leben" von Offenbach; ein Zick-Zack-Durcheinander (Potpourri) von Schreiner; „Der Thunichtgut", Eiltanz von Faust Nein, so weit dürfen wir nicht gehen. Ausdrücke, die seit Jahrhunderten bereits Bürgerrecht in unserer Sprach« ge sunden haben, müssen vor solcher Verdeutschungssucht verschont bleiben. Da gefallen uns etliche Uebersetzungen viel besser, die ein Witzblatt einmal in Vorschlag bracht«, als gerade die Teuto manie sich darin gefiel, allerhand feste Bestandtheile unseres au- fremden Zungen entlehnten Wortschatzes zu untergraben. Es handelte sich darum, aus dem Eisenbahnbetriebe jedes rin geschleppte Fremdwort mit Stumpf und Stiel fortzuroden, und da war es der „Kladderadatsch", der mit ebenso viel Humor wie Treffsicherheit die folgenden Verdeutschungen anempsahl: Tarif — Derkehrsspeisekart«, Billet — Nichtübertragbarer Berechtigungs schein, Tender — Kohlenkasten, Passagier — Lebendes Packet, Courierzug — Entgleisunasgelegenheit, Lokomotive — Eil- schleiche, Conducteur — Anschnauzer, Nichtrauchercoup« — Schmollwinkel, RauchcoupL — Schwitzkasten, DamencoupH — Lästerschul«, Perron — Drängelbord, DahnhofSinspector — Rothkäppchen u. s. w.
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