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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990202024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-02
- Monat1899-02
- Jahr1899
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8SS Handrlsv erträgt darf man nicht bi« zum Jahr« 1904 warten und dies um so weniger, als jetzt in den Parla menten eine Mehrheit dafür vorhanden ist." Eine solche Forde rung erhebt zur Zeit nickt einmal mehr der Bund der Land- wirthe. Auch ibm genügt die Ankündigung der Regierung, beim Abscklnß künftiger Handelsverträge die Interessen der Landwirthschaft besser zu wahren al« bisher, — eine An kündigung, die u. A. bekanntlich zur Bildung deS Wirlh- schastlichen Ausschusses geführt hat Mit Befriedigung nimmt, um einen Zeugen aus dem Bunde der Landwinde zu nennen, der „Bundeskalender" für daS Jahr 1899 von der programmatischen Kundgebung des Landwirtbsckaft«- ministerS Frbru. von Hamnierstein vom 28. Januar 1898 und von der Bildung deS Wirthschaftlickeu AuSsckusses Rotiz, ohne eine Revision der bestehenden Handelsverträge zu ver langen. ES ist auch gar nicht abzusehen, wie vor dem Jahre 1901 die Handelsverträge revidirt werden könnten, eS sei denn, daß die betreffenden Staaten freiwillig auf eine Aenkerung der Tarifverträge eingingen. Das ist natürlich anSgeschlossen. Bis 1904 ist unser Handelsverkehr mit Oesterreich, Italien, Belgien, Serbien, Rumänien, Rußland und der Schweiz durch die Tarifverträge festgclcgt; eine Erhöhung der in den Tarifverträgen „gebundenen Zölle" ist bis 1904 nicht möglich. Die Forderung des Grafen Strachwitz kann also höchstens für den gekündigten Handels vertrag mit England praktisch werden. An diesem That- bestande ändert nicht das Geringste der oben wiecerzcgebene Hinweis des genannten CentrumSabgeordneten, daß „jetzt" rm Reichstage eine Mehrheit für die Revision der Handels verträge vorhanden sei. Dafür war eine Mehrheit schon längst verbanden, auch zu jener Zeit, als die Getreidepreise auf den niedrigsten Stand herabgingen, den sie in den letzten Jahrzehnten je gehabt hatten. * Berlin, 1. Februar. (Autorenschutz.) Ueber die Schutzlosigkeit des literarischen EigenthuniS in den Niederlanden sind in Deutschland in der jüngsten Zeit wieder zahlreich lebhafte Klagen laut geworden, die thcilweise auch in der Tagespresse ein verständnißvolleS Echo gefunden haben. Tie „Allgem. Ztg." äußert sich jetzt folgendcruiaßen zu dem Thema: „Allerdings haben wir bisher noch keinen Vorschlag entdecken können, dessen Durchführung eine Verbesserung deS bestehenden Zustandes sicherte, denn wenn gesagt worden ist, daß die niederländische Regierung sich einer entschiedenen Einwirkung deS Reiches gegenüber nicht ablehnend Verhalten würde, so erscheint dies zum Mindesten recht fraglich. An Bemühungen des Reicks, einen für die deutschen Urbeber und Künstler vortheilhaften Vertrag abzuschließen, dürfte es auch schon bisher nicvt gefehlt haben; wenn dieselben nickt den erwünschten Erfolg batten, so dürfte dies darin be gründet sein, daß die öffentliche Meinung in den Nieder landen für die Auerkennung des Autorenschutzes noch nicht reif ist. Freilich spielt dabei auch der Eigennutz eine große Rolle. Als kürzlich die niederländischen Buck- bändler sich wegen ihrer Anschlusses an den Internationalen Literar - Verband schlüssig machen sollten, neigte widerum die Mehrheit der Buchhändler, und ganz besonders die Verlagsbuckbändler, der Meinung zu, daß es besser gethau ist, den Anschluß nicht zu empfehlen. Offenbar ging man von der Ansicht aus, daß es auS materiellen Gründen gerathener sei, au« anderer Leute Haut Riemen zu schneiden. Ob bei dieser Sachlage die niederländische Negie rung geneigt ist, dim empörenden Mißstand bald ein Ende zu machen, auf Grund dessen daS literarische Eigenthum der Deutschen in den Niederlanden vogelfrei ist, muß abgewartet werden. Sollten die Entschließungen indessen gar zu lange Zeit in Anspruch nehmen, dann dürfte cS Sache der am Schutze des AulorenrecklS interessirten Staaten sein, die Niederlande auf ihre Pflichten aufmerksam zu machen." — Beim Kaiserpaar wurde heute Abend im Weißen Saale des Schlosses ein kleiner Ball abgebalten, zu dem gegen 900 Personen eingelaven waren. Der Groß Herzog von Baden führte die Kaiserin, der Kaiser die Herzogin Friedrich Ferdinand von Schleswig-Holstein. Im Laufe deS AbendS nahm der Kaiser mehrere Meldungen entgegen. — Der Kaiser hat für daS Kloster Maria Laach bei Koblenz einen großen, in Stein auSgefübrten Altar gestiftet, der vom Geheimen Baurath Spitta entworfen ist. — Der „Germania" zufolge werden die Bischöfe von Limburg und Fulda morgen Mittag 1 Uhr vom Kaiser in Audienz empfangen werden. — Der Großherzog von Baden empfing den Staats sekretär Grafen PosadowSky in längerer Audienz, ebenso den Eisenbabndirector de Terra, um dessen Werk „Im Zeichen deS Verkehrs" entgegenzunebmen. — Der Großherzog von Sachsen-Weimar wohnte, wie die Zeitung „Deutschland" berichtet, am Sonnabend einem Tbeile der Sitzung deS Reichstages in der Hofloge bei. Der Großherzog wurde vom weimarischen BunbeSrathS- bevollmächtigten von Heerwart empfangen und zog den Fürsten Herbert Bismarck, der ihn aufsuchte, in ein längere« Gespräch. — Eine unglückliche Hand haben die „Derl. Neuesten Nackr." bei der Ausgrabung folgender NeminiScenz gehabt, die sie „als richtunggebend" für iutereffant halten: Als im königlichen Hauptquartier zu Horitz der unter dem Ein druck der SiegeSnachricht von Königgrätz geschriebene Bries de« Kaisers Napoleon vom 4. Juli 1866 an Ee. Majestät den König, zunächst auf telegraphischem Wege, bekannt wurde, machte der König die politische Situation mit wenigen, flüchtig auf das Papier ge worfenen Worten klar: „Was fordern wir? — Annexion von Schleswig-Holstein; Suprematie über ganz Deutschland; Ersatz der Kriegskosten; Abdication der seindlichen Souveräne von Hannover, Kurhesjen, Meiningen, Nassau zu Gunsten ihrer Thronfolger; Ab tretung etwa eines böhmiichcn Grrnzstrichs, Ostfrieslands, Erb- ansprüche auf Braunschweig; — oder abjchlagen? Dazu schreibt das Blatt noch: Also bereits am 5. Juli 1866 war die Forderung der Erb- ansprüche aus Braunschweig im Sinne des Königs be schlossene Sache, zu einer Zeit, als er die Annexion von Hannover noch nicht erwog, sondern sich mit der Abdankung deS Königs Georg zu begnügen gedachte. Um so weniger wird jetzt von welsijchen Erbansprüchrn auf Braunschweig die Rede sein können. Damit ist nun glücklich erreicht, wogegen bisher von allen nationalen Blättern protestirt worden ist: die braunschwei gische Thronfolgesrage erscheint jetzt in derBeleuchtung des Falles Lippe. Und das haben mit ihren ReminiScenzen die „Berl. N. N." gethan. — Dem „Hamb. Corr." wird aus Berlin telegraphisch be richtet: „Die Meldung englischer Blätter, die russische Regierung hab« eine neue Note über das Programm der Ab - rüstungsconferenz an die Regierungen gerichtet, die ge wiße kritische Bemerkungen über das Programm zurückweist, bestätigt sich nicht. Der zur Zeit über die russischen Vorschläge zwischen den Regierungen schwebende Meinungs austausch bietet auch der russischen Regierung Gelegenheit, etwaigen Einwendungen gegenüber ihre Auffassung zu vertreten. Wie aus der December-Note des Grafen Murawjew ersichtlich, soll das endgiliige Conferenzprogramin erst auf Grund dieses Meinungsaustausches festgestellt werden. Ueber den Ort für den Zusammentritt der Konferenz ist noch nichts bestimmt; voraussichtlich wird die Wahl auf Brüssel fallen." — Die gestrige Besprechung im ReickStage über da« Bankgesetz wurde vom Abg. vr. v. Levetzow geleitet und da» Ergebniß dieser Berathung ist die Zustimmung zur Regierungsvorlage. Es war der Versuch gemacht worden, an einigen Bestimmungen, der Erhöhung des Grund« capitals, Beschränkung der Privainolenbankcn u. a., zu rütteln, aber ohne Erfolg. Die Nationalliberalen und da« Centrum stellten sich auf den Boden der Vorlage. — Der Entwurf deS dem Reichstage vorliegenden JnvalidenversicherungSgesetzes ist zu Stande ge kommen, ohne daß die Vorstände der JnvaliditätS- und Altersversicherungsanstalten gehört worden sind. Die Vorstände der Versicherungsanstalten treten nunmehr am 6. Februar in Eisenach zu einer Conferenz zu sammen, um zu dem Gesetze Stellung zu nehmen. — Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, braunschweigische Staatsminister vr. v. Otto ist gestern Abend aus Braunschweig hier angekommen. — Beim Minister des Innern Freiherr» v. d. Recke fand gestern eine größere Tafel statt, zu der unter Anderen der französische Botschafter Marquis de NoailleS geladen war. Lübeck, 1. Februar. Der Streik der Cigarren arbeiter der Firma Rose L Schweighoffer ist nach drei monatiger Dauer beendet. Die Arbeiter treten zu den alten Bedindungen wieder ein und scheiben auS ihrem Fach verein aus. * Hamburg, 1. Februar. Material für die Berathung deS Gesetzentwurfes zum Sckutze der Arbeitswilligen enthält folgende Notiz des „Hamb. Corr.": Auf Grund des von den Sckauerleuten gefaßten Beschlußes, betr. Ablehnung der vom Verein der Stauer von Hamburg-Altona errichteten Arbeits- nackweisbureaux für Schauerleute, hat die Organisation der Schauerleute heute Morgen vor den Zugängen der drei Bureaux Posten aufstellen lassen, um jeden Schauermann, ver sick an einem der drei Bureaux eine Arbeitskarte lösen will, hiervon abzuhallen. (-) Hamburg, 2. Februar. (Telegramm.) Die Bürger schaft entschied sich in ihrer gestrigen Sitzung gegen die Umsatzsteuer. * Münster, 1. Februar. In der mechanischen Weberei Ludwig Noest haben sämmtliche Arbeiter wegen Lohnstreites die Arbeit niedergelegt. -8- Halle a. S., 1. Februar. In der Sache des Siederei- arbeiter-AusstandeS hat sich bis jetzt nichts geändert. Die Direktion lehnt es ab, mit der Streikcommission zu ver handeln, da hinter derselben socialdemokratiscke Agitatoren stehen. Eine Anzahl der Ausständigen hat übrigens die Arbeit zu den alten Bedingungen wieder ausgenommen, die übrigen werden schon folgen, da eS an den nöthigen Unter- stützungsgelvern fehlt und die Zahl der Streikenden zu groß ist. Nach der von der Direktion veröffentlichenLohnnachweisung haben verdient Siedereiarbeiter pro Woche 17—28 Arbeiterinnen 7—12 je nach Alter und Leistung. Täglich werden Ver sammlungen der Ausständigen abgehalteu, in denen social- demokratiscke Führer sprecken. — Jo der Lohnbeweguug befinden sich ferner die Böltcker und die Schneider, zu Ostern wollen sie offen bervortreren, da jetzt die Zeit dazu nicht günstig ist. — Die hiesige Strafkammer verurtheilte gestern zwei Former Wilhelm Ziegler und Eduard Gott schlich von hier wegen Mißbandlung und Bedrohung zu 2 bezw. 6 Monaten Gefängniß. Beide waren am 16. Mai d. I. ausständig und sucklen andere an die betr. Arbeitsstelle gehende Former zu überreden, gleichfalls die Arbeit einzustellen. Da ihnen dies nickt in allen Fällen ge lang, so stießen sie Drohungen gegen dieselben au« und Gottschlich ging soweit, den Former Thürig mit den Händen am Halse zu würgen und ihn mit Todtscklag zu be drohen. Für diese Heldenkhateu erhielten die übereifrigen Nichtarbeiter obige Strafe. * ttotha, 1. Februar. Die Ablehnung der Forderung der Domänenverwaltnng für die Kosten der Wiederherstellung deS ScklosseS Friedenstein durch den Landtag veranlaßte den Leiter der Domänenverwaltung zu der Erklärung, daß zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Landtag und der Verwaltung der Herzog die Angelegenheit dem Schiedssprüche eines unparteiischen Gerichts unter breiten wolle. — Der Großherzog und die Groß herzogin von Hessen sind deute nach Darmstadt abgereist. * VreSlau, 1. Februar. Die Versetzung des Eisen- bahndirjeclionspräsideotenTodtin Essen nach BreSlau ist, wie die „Schles. Z." schreibt, rückgängig gemacht worden, da von verschiedenen Seiten Werth darauf gelegt worden ist, Herrn Todt in Essen zu erdalten. Ueber die anderweite Be setzung der Stelle des Präsidenten der Eisenbahndirection BreSlau verlautet noch nichts. * München, 1. Februar. DaS Freisinger Priester seminar veröffentlicht eine Darstellung, wonach sich vor gestern auf Einladung de« Münckener Erzbischofs eine ministerielle Commission, bestehend aus Ministerial direktor Erhard und Obermedicinalratb GraShey, begleitet von Domcapitular Neudecker, zur Besichtigung des Seminar« nach Freising begeben habe. Dinge, die eine sofortige Abhilfe erheischten, seien nicht bemerkt worden, obwohl da« ehemalige Residcnzsckloß der Freisinger Fürstbischöfe seinem gegenwär tigen Zwecke nickt durckweg entspreche. Die hauptsächlich in Betracht kommende Personenfrage bleibt in der Dar stellung unerörlert. Oesterreich-Ungarn. Lur Lage. * Wie», 2. Februar. (Telegramm.) Die deutsche Fortschrittspartei dielt gestern eine Sitzung ab, in der beschlossen wurde, auf dem Boden des VersammlungS- und PreßgejetzeS den Kampf, wie bisher, fortzuführen und die Reckte der Deutscken zu wahren. — Die freie deutsche Bereinigung beschloß in einer ebenfalls gestern abgehaltenen Versammlung, mit den deutschen Oppositionsparteien auch während der parlamentSlosen Zeit Fühlung zu halten. Frankreich. TreyfuS - Affäre. * Pari«, 1. Februar. Alle revisionsfeindlichen Zeitungen setzen ihren Feldzug behuf« Nichtigkeitserklärung der ganzen Untersuchung im Dreyfus-Proceß fort. Der Akademiker Lemaitre erklärt, die öffentliche Meinung würde auch das Urtbeil deS ganzen CassationöhofS nicht an erkennen, falls dieser ihrer Forderung nicht nachgiebt. * Pari«, 2. Februar. (Telegramm.) Beaurepaire ver öffentlicht im „Echo de Paris" einen Artikel, in dem er sagt, die neue Untersuchung habe ergeben, daß die Crimiaalkammer Les Cassationshofes, noch bevor sie den BerichtBard's gehört, also noch vor der Prüfung der geheimen Acten, bereits den Beschluß gefaßt habe, Dreyfus durch das Urtheil des Cassationshofes, gegen daS kein« Berufung möglich sei, für unschuldig zu erklären. Beaurepaire betont ferner, die Dreyfu« belastenden Theile der Geheimacten seien in der Verhand lung von der Criminalkammer nicht beachtet worden, obwohl der die Geheimacten überbringende Osficier hiergegen Einspruch erhoben habe. Endlich beschuldigt Beaurepaire die Criminalkammer, Picquart, noch bevor er vor dem Gericht erschienen sei, die geheim zuhaltende Aussage eine» Generals mitgetheilt zu haben. Ebenso seien dem Groß-Rabbiner Mittheilungen gemacht worden, die geheimzuhalten waren, so daß «S ihm möglich geworden sei, sich vorzusehen. (S. dagegen die folgende Meldung. D. R.) * Pari«, 1. Februar. In den Wandelgängen der Kanimer erhält sich die Ansicht, daß die Untersuchung in Betreff deS Ver haltens Bard's wenig Uebrrzeugendes zu Tage gefördert habe. Die UntersuchungSocten sollen ungenaue Angaben und sogar Briefe von College» der verdächtigten Mitglieder der Criminalkammer und auch von Mazeau selbst enthalten, die sich in lobender Weise über die Criminalkammer auSsprechen. Auch ein Brief Loew'« soll sich bei den Acten befinden, in welch«» der Schreiber auf die Beleidigungen und die Tode« drohungcn hinweist, die gegen die Mitglieder der Criminal kainmer ausgestoßen worden sind. Er habe deshalb ein un ver he trat he teS Mitglied der Criminalkammer zum Bcrichterstatte ernannt, damit nicht eine ganze Familie in Trübniß gesetzt werde, falls die Drohungen verwirklicht würden. Di« Uutersuchungs- commission soll die Behauptungeu Beaurepaire'« als unbegründet erkannt haben. — Beaurepaire wird, wie verlautet, am 10. d. Mts. einen öffentlichen Vortrag halten. * Pari«, 2. Februar. (Telegramm.) Nach einer Zeitungsmeldung aus Cayenne weigerte sich Dreyfus, die Fragen der Criminalkammer deS Cassationshofes schrift lich zu beantworten, und erklärte, er wolle nur in Paris sprechen. -"Rotterdam, 2.Februar. (Telegramm.) Esterhazy ist gestern früh von Paris hier eingetroffen und nm 11 Uhr nach dem Haag weiter gereist. Italien. Ter Papst uud Sie AbrüstuugSconserenz. * Rom, 1. Februar. Die italienische Negierung scheint der Theilnahme des Vatikans an dein Abrüstungscongreß nickt widerstreben zu wollen. Symptoniatiscke Artikel des „Popolo Romano" und der „Perseveranza" verweisen auf da« Garantiegesetz, das den Papst als Souverän aner kennt. Die Zuziehung deS Vatikans documentire wiederum, daß daS Papstlhum unter dem jetzigen Zustand die vollste Freiheit habe. In politischen Kreisen wird diese Haltung Italiens gelobt, weil so die Angelegenheit an Bedeutung verliere. (Frkf. Ztg.) Großbritannien. Friedensbewegung. * Rew Castle, 2. Februar. (Telegramm.) Earl Grey führte hier gestern Abend den Vorsitz in einer Ver sammlung zu Gunsten der Friedensbewegung. In einer Ansprache führte er auS, die Führer dieser Bewegung feien keine unpraktischen Tändler, die ihre Augen der Nothwendigkeit verschlössen. Daß England auch weiterhin die Herrschaft auf dem Meere führe, um sich selbst zu schützen und feine Culturmission in der Welt auch fernerhin zu erfüllen, in dieser Absicht sei der Vorschlag de« Kaiser« von Rußland zu begrüßen. Die Ruhe Europas dürfte gesickert sein, wenn die Mächte den 8tLtn8 guo in Bezug auf die Grenzen an erkennen und wenn die Grundsätze dergleichen Gelegenheiten für alle, auch die außereuropäischen Länder, von wem sie auch regiert werden mögen, Anwendung finden würden. Schweden und Norwegen. * Stockholm, 1. Februar. Der Vicepräsident der Ersten Kammer CaSparsson ist heute gestorben. Orient Fürstin Luise von Bulgarien s-. * Sofia, 1. Februar. Die Leiche der Fürstin befindet sich noch im Sterbezimmer. Nack Beendigung der Vor bereitungen wird diejelbe aufgebahrt und dem Publicum Zutritt gewährt werden. Unausgesetzt laufen Beileidskund gebungen ein. Alle Blätter, ohne Unterschied der Partei, be klagen den frühzeitigen Tob der Fürstin. Die meisten Geschäfte sind seit gestern geschlossen, ebenso alleTbeater und sonstigen Ver gnügungslocale. Heute wurden in allen Kirchen des Fürsten- thums Gebete für daS Seelenheil der Verstorbenen verrichtet. In der hiesigen Kathedrale wurde ein Requiem celebrirt, welchem zahlreiche Persönlichkeiten aus politischen, mili tärischen und Handelskreisen, sowie die Mehrzahl der Mit glieder deS diplomatischen Corps beiwohnten. Die öffent lichen Gebäude und die diplomatischen Agenturen haben auf Halbmast geflaggt. Die Vertreter der letzteren erschienen bei Grekow, um ihrem Beileid Ausdruck zu geben. Der Tag der Beisetzung ist noch nicht festgesetzt. Die neuen bulgarischen Minister. * Sofia, I. Februar. DaS neue Cabinet besteht au- vier Radoslawisten und vier Parteilosen. Die markantesten Persönlichkeiten in dem heute neu gebildeten bulgariscken Ministerium sind die Minister Grekow, Natchovits und RadoSlavow. Grekow, ein Mitglied der altconservativen Partei, zählt wie Natchovits und der aus dem Amte scheidende Stoilow zu den bulgarischen Staats- männern, die seit der Entwickelung des jungen Staates im Vorder gründe der politischen Ereignisse desselben stehen. Schon unter dem Battenberger spielte er eine große Rolle; er gehörte später dem Kreise der Regenten an, und in der Epoche Stambulow war er Minister des Aeußeru. Der Fürst machte ihn damals zu seinem persönlichen Vertrauten, er war sein Vertreter bei Abschluß der Ehepakten der so plötzlich dahingerafften Fürstin. Als Natchovis das Cabinet Stambulow verlieb, schloß Grekow sich diesem nicht an. Die von Jugend auf befreundeten Staatsmänner kamen hierdurch in eine persönliche Gegnerschaft, die erst vor Kurzem endigte. Grekow, der als Präsident auch das Ministerium des Arußern über- nimmt, ist ein feingebildeter und ungewöhnlich gewandter Jurist; in der Zeit seiner politischen Ruhe war er Advocat werke ernstlich gefesselt, ging die höhe Gestalt bis fast an das Ende des Kirchenschiffes, wo der Chor sich ihm anschließt. Hier machte sie plötzlich Halt vor einem der Leichensteine, faltete die Hände leicht ineinander und betrachtete mit tiefer Ver sunkenheit die Denkzeichen des Todes. Ich erschrak, denn ich hatte nicht erwartet, daß sie stehen bleiben würde, und setzte un sicheren Fußes meinen Weg fort. Es blieb mir nichts übrig, als hinter ihren Rücken an ihr vorbei zu gehen, und ich that es, indem ich den Fußsteig verließ und meine Schritte sänftigte. Doch hätte es dessen kaum bedurft; sie war so vertieft in den Anblick des Steines, daß sie dastand, ohne zur Seite zu schauen, und mich scheinbar weder hörte, noch sah. Ich ging bis zum Ende des Chores, wo eine enge Straße nach links hinweg führt, und wählte inir, vor ihr verborgen, dort einen Posten, auf dem ich ihr Vor überkommen erwartete. Doch geraume Zeit verging, ohne daß sie erschien, und als ich, von Ungeduld getrieben, ein wenig wieder vortrat, konnte ich noch eben erkennen, wie sie den Platz nach der anderen Seite hin überschritt und in eines der niedrigen, giedeligen Häuser hineintrat, die der langen, drohenden Südwand oer Kirch« ihre Fenster zukehren. Sie schritt — noch immer langsam — die Stufen hinan, die zur Hausthür emporführten, öffnete und schloß die Pforte und war mir entschwunden. Ich blieb allein auf dem verlassenen Platze zurück. Aus einem der Fenster in dem verfallensten der Häuser schaute ein zerzauster Kinverkopf hervor, sonst war keine Spur von Leben rings umher. Ein tiefes Schweigen, in dem die eigenen Schritte mir lauter als sonst zu tönen schienen, legte sich über die öde Stätte. Unwillkürlich war ich vor den Leichenstein getreten, vor dem die fremde, schöne Frau so lange gestanden hatte, und betrachtet», ihn, ohne sreilich die Ruhe zu finden, um die ganz unten angebrachte verwitterte Inschrift zu entziffern. Höher hinauf waren zwei gleichfalls schon entstellte Wappen heraus gemeißelt, ein geflügelter Engelskopf in den barocken Formen der Zopfzeit, mit aufgeblasenen Backen und künstlich gedrehten Locken schwebte darüber. Vermuthlich sollte er den Eingang ins Himmelreich andeuten, denn über ihm thronte die Madonna DaS Alles war konventionell und ohne künstlerischen Reiz; was da« Denkmal bemerkenswerth machte, war etwas Anderes. Ganz oben auf dem Leichenstein war aus anderem Material als er selbst — aus grauem Sandstein, an Stelle des röthlichen Marmors — eine nackte, liegend« Kindergestalt angebracht. Ein Leintuch nur umhüllte den kleinen Körper zum Theil; den Kopf auf den rechten Arm gestützt, lag das Kind mit zum Beschauer gewandtem Gesicht, todt oder schlafend. Vermuthlich wohl todt; denn hier war ja die Stätte des Todes, und seine stumme, ge waltige Mahnung erfüllt« den kleinen, verlassenen Platz. Jetzt siel mir auch ein, daß ich im Vorüberschreiten gesehen hatte, wie die Blicke der Frau fest auf die Gestalt des Kindes dort oben geheftet waren, doch gab mir das Denkmal keinen weiterrn Aufschluß. Es stammte aus einer entfernten Zeit, und der Stein, der das Andenken der Gestorbenen bewahren sollte, begann selbst bereits wieder zu zerfallen. Ich wandt« mich ab, um nun auch das Haus gegenüber noch einmal in Augenschein zu nehmen, als ich fühlte, daß mein Fuß an einen auf der Erde liegenden Gegenstand stieß. Mich niederbeugend, er blickte ich ein kleines schwarzes Kreuz, das sich von einer Kette oder einem Bande gelöst haben mußte. Niemand Anderes konnte es verloren haben als die schöne Frau, und ich hob es auf mit einer Empfindung freudigen Erschreckens, weil ich nun Gelegenheit hatte, mich ihr zu nähern. Mein erster Gedanke war, gleich zu der Fremden hinüberzu gehen und ihr das verlorene Kreuz zu überreichen, doch begann die Dämmerung schon herabzusinken, und ich fand es paffender, den Besuch bis zum nächsten Tage zu verschieben. Auch verlängerte ich mir so die süße Spannung, wie die Lippen wohl zu mir reden würden, die ich so stolz und schmerzlich geschlossen gesehen hatte. Mit verdoppelter Aufmerksamkeit aber betrachtete ich das Haus gegenüber, das ich morgen betreten sollte. Es war alt und schon ein wenig verfallen, aber vor Kurzem frisch geweißt und sauber; mit blanken Fensterscheiben sah es zu mir her. Archi tektonischer Schmuck war an der nackten Giebelwand nicht zu er blicken, aber dafür waren an zwei Fenstern des ersten Geschosses Blumenbretter mit Topfgewächsen angebracht, dir das öde Weiß der Mauer ein wenig belebten. Ein Instinkt sagte mir, daß dort die Unbekannte wohnen müsse, und auch die Art der Pflanzen, die vor den Fenstern aufgestellt waren, deutete auf sie hin. Es waren ausschließlich blüthenlose Gewächse mit glattem, ernstem, dunklem Grün; ein einziger Azaleenstrauch mit weißen Kelchen stand zwischen ihnen. Der Geist ihrer Besitzerin schien aus diesen Blumen ohne Farbe und Duft zu mir zu sprechen, ein abgeschlossener, weltentfremdeter Sinn, der im Tode das ersehnte Ziel deS Daseins erblickte. Tief in Träumerei versunken ging ich nach Hause und setzte den braven Ander! durch wunderliche zerstreute Reden in gerechtes Erstaunen. Als ich ihm «inen Auftrag gab, der wohl ganz un ausführbar gewesen sein muß, verzog er sein gutes Gesicht zu einem breiten Lachen und sagte: „Verzeihen's, Herr Major, aber deeS is z'rund für meinen viereckigen Kopf." Ich lachte nun auch, hieß ihn gehen und legte mich schlafen, um von meiner Un bekannten, von LeiLensteinen und weißen Azaleen zu träumen. Am anderen Mittag machte ich mich auf den Weg und betrat bald das stille Haus an dem kleinen Platze. Don einer alten Frau, die im Erdgeschoß, von drei verschiedenfarbigen Katzen um geben, in der Küche wirthschaftete, erfuhr ich auf Beschreibung und Frage, was ich zu wissen begehrte. Meine Unbekannte hieß Frau von Jttinghofen, hatte vor acht Tagen ein paar möblirte Zimmer im ersten Stock auf unbestimmte Zeit gemiethet und lebte dort völlig einsam und zurückgezogen. Nackdem ich die Aus kunft erhalten hatte, stieg ich die alte, steinerne Wendeltreppe hinan und hob mit klopfendem Herzen — ich schalt mich selbst über meine schulbubeichaftc Angst — die Hand zu einem Glockenzuge, der Frau von Jtünghofen's Namen trug. Ich hatte das Er scheinen eines dienstbaren Geistes erwartet; statt dessen trat sie selbst aus einer der Thüren hervor, bleich und ernst, auch hiev im Hause in tiefste Trauer gekleidet. Mit einer Verlegenheit, die mich, indem ich sie bemerkte, noch betretener machte, nannte ich ihr meinen Namen und sagte ihr, was mich zu ihr führe. Zum ersten Male sah ich, wie ihr stolzes Gesicht mit seinen reinen, edlen Linien sich ein wenig erhellte und wie ein -schwaches Roth der Freude in ihm emporstieg. In dem sie mich einlud, ins Zimmer zu treten, sagte sie, mir voran schreitend: „Sie machen mir eine größere Freude, als Sie es wissen können, indem Sie mir dieses Kreuz zurückbringen. Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar." Es war eine tiefe, merkwürdige Stimme, mit der sie sprach, ein wenig rauh, und doch von dem dunklen, milden Klang einer leise angestrichenen Cellosaite. Ich überreichte ihr das Kreuz, und indem sie es ergriff, machte sie eine hastige Bewegung, als wolle sie es an die Lippen führen und küssen. Aber sie besann sich im selben Augenblick, ließ die Hand wieder sinken und legte es auf den Tisch, von dessen weißem Tuche sich das Schwarz nachdrücklich abhob. Indem ich aus ihre Einladung mich niedersetzte, sah ich, daß es ein sehr einfach eingerichtetes Miethzimmer mit eschenen Möbeln war, das ich betreten hatte. Nur ein großes, durch einen Vorhang von brauner Seide verhülltes Bild in schwerem, schwarz goldenem Rahmen, das über dem gebrechlichen Sopha hing, und die Blumenrechen, die richtig zu den Fenstern hereinschauten, brachten ein wenig künstlerischen und lebendigen Schmuck in das einfache, unpersönliche Heim. Da Frau von Jttinghofen nach ihrem ersten, lebhaften Aus druck des Dankes nicht weiter sprach, so begann ich die Unter haltung, indem ich ihr erzählte, wo ich das Kreuz gefunden und wie ich sie in die Betrachtung de» alten Leichensteins vertieft ge sehen habe. Auch jetzt beantwortete sic nur durch rin ernstes Kopfneigen, und so fragte ich, um das Gespräch nicht verstummen zu lassen, ob vielleicht irgend rin« Familienbeziehung ihr be sonderes Interesse gerade für diesen Stein erweckt habe. Sie aber schüttelte den Kopf, richtete die Augen auf mich und sah mich mit dem Ausdruck eines so tiefen, bohrenden Schmerzes an, daß ich erschrak. „Sie haben vielleicht bemerkt, daß oben auf dem Leichenstein die Gestalt eines kleinen, gestorbenen Kindes nachqebildet ist. Das war es, warum ich ihn betrachtete. Auch ich habe ein Kind verloren. Dies Kreuz ist ein Andenken an meinen Buben; ich habe es ihm auf die Brust gelegt, als er ganz klein war." Und indem sie nun den Kopf zur Seite wandte, sah sie zu dem Bilde empor, das dort unter seiner Hülle von brauner Seide verborgen war. Ihrem tiefen Schmerze gegenüber verstummte ich unwillkür lich; die banalen Worte landläufiger Theilnahmebezeugung wollten mir nicht über die Lippen. In meinen Augen hätte sic lesen können, wie tiefes Mitgefühl mich erfüllte, doch sah sie mich nicht an, sondern hielt die Blicke nach oben auf das Bild gerichtet. Um nur etwas zu sagen, that ich endlich die ungeschickte Frage, ob der schwere Verlust sie erst vor Kurzem betroffen habe. „Es ist schon geraume Zeit her, aber ich fühle es noch wie am ersten Tage", gab sie zur Antwort, indem sie die Blicke von dem verhüllten Bilde löste und das kleine Kreuz vom Tische wieder aufhob, das sie nun ebenso aufmerksam betrachtete. Dann fügte sie leise hinzu: „Lassen Sie uns von etwas Anderem sprechen — ich ertrage es noch nicht." Um sie von ihren traurigen Gedanken akzulenken, begann ich mit Eifer über gleichgiltige Dinge zu reden, erzählte ihr von dem Leben in der Stadt, in der ja nun auch sie sich niedergelassen hotte, und kam zuletzt auf meine Existenz und Thätigkeit an diesem Orte zu sprechen. Als sie hörte, daß ich dabei sei, eine Geschichte der Trausnitz zu schreiben, stand sie plötzlich aus und sagte: „Da muß ich Ihnen etwas zeigen." Sie öffnete eine Thür, die den Fenstern gegenllberlag und zu einem zweiten, noch einfacher eingerichteten Zimmer führte. Als ich, ihr folgend, eintrat, legte sie mir, nachdem ich erst wenige Schritte in das Gemach hinein gethan hatte, die Hand auf den Arm. „Hier müssen Sie stehen bleiben, und nun sehen Sie dort hinaus." Sie wies auf das Fenster, dem gegenüber ich stand, und als ich ihrer Weisung folgte, sah ich nicht allzu fern, vom Holzwerk des Fensters und dem Grün des Waldes freundlich um rahmt, die alte Burg mit ihren Thürmen und Giebeln da droben in der blauen Frühlingslust schweben. „DaS ist ein hübsches Bild", sagte ich erfreut. „Ich wohne der Burg noch näher, aber sie liegt über mir, und ich kann sie nicht sehen." Oertsetzung fol;t.)
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