01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990325016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-25
- Monat1899-03
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Gröbere Schristrn laut unserem Preis- verzeickniß. Tabellarischer und Zifferrssatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 25. März 1899. 93. Jahrgang. Neue Lismarckbriefe. L. Unter den interessanten und werthvollen Urkunden, welche die soeben erschienenen Lieferungen 3 und 4 vom 6. Bande des Bismarck-Jahrbuches enthalten, fesseln vierzehn oom Fürsten Bismarck selbst herrührerroe Briefe naturgemäß am meisten. Neun davon find an Herbert Bismarck gerichtet. Tie veranschaulichen auf das Rührendste das innige Verhältniß, vas zwischen Baier und Sohn bestand, die treue Fürsorge, die Bismarck aus dem Drange der Geschäfte heraus seinem Erst geborenen widmete; schreibt er ihm doch noch, um Nur ein Bei spiel anzufiihren, nachdem er für einen Berliner Courier bis Mitternacht sich die Finger „steif" geschrieben. Daß auch diese Briefe Bismarck wieder als Meister in der Kunst des Brief schreibens zeigen, braucht kaum besonders heroorgehoben zu werden; sie sind dem Berständniß und dem Gesichtskreis des Knaben und des Heranwachsenden Jünglings, soweit sie aus der Jugendzeit Herbert Bismarck's stammen, auf das Vortreff lichste angepaßt. Die Briefe aus der späteren Zeit enthalten zahlreiche Mittheilüngen, die von hohem politischen und ge schichtlichen Interesse find. So schreibt z. B. Bismarck am 7. September 1870: „In Paris i st Republik; ob sie sich hält, wie sie sich entwickelt, müssen wir abwarten. Mein Wunsch wäre, daß wir die Leute dort etwas in ihrer Sauce schmoren lassen und uns in den eroberten Departements häuslich einrich ten, ehe wir weiter vorgehen. Thun wir es zu früh, so verhin dern wir damit, daß sie sich unter einander entzweien. Lange kann ihr innerer Frieden mit dieser ziemlich socialistischen Ge sellschaft an der Spitze nicht dauern." lieber die Behandlung Napoleon'L III. in Wil - Helmshöhe schreibt Bismarck aus Ferriöres am 23. Sep tember 1870: „Die Kränkung über Wilhelmshöhe begreife ich; die Küche, Stall und Livreen sind gegen den Willen des Königs von Berlin geschickt worden, und Napoleon hat darauf seine eige nen schnell entlassen und verkauft, um zu sparen. Im klebrigen ist uns ein gut behandelter Napoleon nützlich, und darauf allein tommt es mir an. Die Rache ist Gottes. Die Franzosen müssen ungewiß bleiben, Pb sie ihn wiederbekommen. Das fördert ihre Zwistigkeiten." Ueber die Beschießung vonParis schreibt Bismarck aus Versailles am 12. November 1870: „Du versäumst nicht viel hier, selbst die Franzosen schießen ihre 93-Thalerkugeln nicht mehr ins Blaue, und unsere haben noch immer keine Munition. Welche Einflüsse deren Ankunft etwa hindern, darüber habe ich meine Gedanken, schreibe sie aber nicht nieder. Meine Tinten- llexer aber manövriren Tag und Nacht und intriguiren nach Frankfurter Art. Wenn nicht «in deutsches Unwetter dazwischen fährt, so wird mit diesen Diplomaten und Bureattkraten de: alten Schule nichts zu Stande kommen, wenigstens in diesem Jahre nicht." Don den sonstigen Briefen Bismarck's beziehen sich zwei auf das Attentat Ku llmann's. An Kaiser Wilhelm I. schreibt Bismarck aus Kissingen am 27. Juli 1874 u. A.: „Möchte es mir auch gelingen, persönliche Beleidigungen, wie die vom 13., mit dem Gleichmuth hinzunehmen, den Ew. Majestät in ähnlichen Fällen bewährter, denn der Zorn und der Haß sind schlechte Rathgeber in der Politik, und ich bitte Gott um Demuth und Versöhnlichkeit." An den LandrichterStrossenreuier schreibt Bis marck am 10. December 1874 aus Berlin u. A.: „Bei unserer letzten Begegnung . . . hatten Sie die Güte mir mitzutheilen, daß Kullmann auch Ihnen gegenüber als eines seiner Motive die Thcusache bezeichne: habe, daß „seine" Fraction, die des Cen trums, von mir beleidigt worden sei. Diese bereits am Tage der That von ihm gebrauchte Wendung ist in dieser Form, mit diesen Worien, in den Schwurgericht-Verhandlungen nicht repro- ducirt worden, und wird aus diesem Grunde von Seiten der Centrumsfraction bestritten, daß sie überhaupt von Kullmann gethan worden sei. Ich würde daher Ew Hochwohlgeboren sehr dankbar sein für eine Aeußerung daüber, ob es thunlich ist, daß Sie mir direkt eine Bestätigung des oben Gesagten geben, oder ob ich, um eine solche actenmäßig zu erhalten, einen besonderen Antrag in irgend einer amtlichen Form stellen muß." Viel Beachtung wird ein kurzes Schreiben Bismarck's an AdmiralTirpitz vom 4. December 1897 finden, in dem es über die Marine-Borlage heißt: „Ich finde die Ge- sammtforderung unseren Bedürfnissen entsprechend, wenn ich auch eine stärkere Begünstigung der Kreuzer-bei der Eintheilung vorgezoaen hätte. Diese Auffassung würde mich aber, wenn ich im Reichstage wäre, nicht abhallen, für die Vorlage zu st mmen, so wie unsere Fachmänner sie für richtig bemessen gehalten haben." - Im Anschluß an die hier mitgetheilten Stellen verdient aus einem Aufsatze Prof. Or. Horst Kohl's der Briefwechsel Erwähnung, der in Sachen des Penzler'fchen Sammelwerkes „Für st Bismarck nach seiner Entlassung" (Ver lag von W. Fiedler in Leipzig) zwischen dem Fürsten Herbert Bismarck und Herrn Fiedler stattgefunden hat. Der letztere be nutzte die Thatsachc, daß Fürst Herbert das ihm vorgelegtc Vor wort jenes Sammelwerkes geändert hatte, um urbi et ordi im Börsenblatt des deutschen Buchhandels, im Prospekte u. s. w. zu verkünden, daß Penzler's Sammelwerk nun auch oom Fürsten Bismarck als eine Sammlung authentischer Kundgebun gen anerkannt sei. Dieser Behauptung gegenüber erklärt Fürst Herbert, daß außer ihm alle Herren der näheren Umgebung seines Vaters wiederholt Zeugen der protestirenden Aeußerungen gewesen sind, mit denen er sich dagegen verwahrte, alle ihm in dem Penzler'schen Werke zug«schrieibenen Artikel inspirirt zu haben. Fürst Herbert fügt hinzu, der Alt-Reichskanzler hab. einen Theil jener Artikel sogar als seinen Ansichten z uw ider - laufend bezeichnet; Penzler's Gewährsmann, Redacteur l)r. Hofmann von den „Hamb. Nachr.", sei bei seiner Durchsicht ohne Zweifel guten Glaubens gewesen; „fein Gedächtniß kann ihn aber auch täuschen, und für die Bestätigung seiner Erinne rung muß es hier wie in allen ähnlichen Fällen heißen: anckialur et altera pars, zumal wenn diese altera pars Fürst Bis marck ist." Hiermit dürften die Acten über die „Au- thenticität" des Penzler'fchen Sammel werkes cndgiltig geschlossen sein. Von dem sonstigen reichen Inhalt der neuesten Lieferungen des Bismarck-Jahrbuches, deren Herausgabe der hochverdiente Professor Vr. Horst Kohl mit bekannter Sorgfalt sich unterzogen hat, heben wir hervor: Zwei Denkschriften des Geh. Oberregie rungsraths H. Wag en er aus den Jahren 1872 und 1874; einen Brief des Generalleutnants von Suckow, des früheren würtiembergischen Kriegsministers, an Bismarck; ein Schreiben in Bismarck's Auftrag an Staatsministcr Hofmann; einen Brief der Wiitwe des Feldzeugmeisters Beneoekan Bismarck; einen Brief B smarck's an den mecklenburgischen Minister Graf von Baffewitz; einen Aufsatz von Neubauer über „Steia und Bismarck"; einen Aufsatz von Peters vorfs's über „Bismarck's „Gedanken und Erinnerungen" und Treitsch'e's „Politik"; einen Aufsatz Kohl's zur Bismarck-Literatur; end lich die „Chronik" vom 1. Januar bis 31. December 1898. — Mögen die neuen Lieferungen dem Bismarck-Jahrbuch neue Freunde gewinnen. Deutsches Reich. * Leipzig, 24. März. Heute demenlirt auch daS officielle Parteiorgan der sächsischen Conservativen, daS Dresdner „Vaterland", die in der „Hilfe", dem „Leipz. Gen.-An;." und anderen Böllern aufgelauchte Nachricht, die sächsischen Cartell-Parteien beabsichtigten, in der nächsten Landtags tagung einen Gesetzentwurf einznbringen, der der Polizeibehörde das Neckt giebk, Vereine und Versammlungen, die di Sicherheit dec Staates bedrohen, einfach zu verbieten. Das Blatt schreibt wörtlich: „Wir sind in der Lage, diese Mitlheilnng auf Grund bester Information als erfunden zu bezeichnen." * Berlin, 24. März. Zum Entwurf einer Fern- sprechgebührenordnung schreibt die „Berk. Corresp." in einer Polemik gegen die „Germania" unter Anderem: „Daß, wenn die Ermäßigungen bis zu 70 cA gehen, die Er höhungen aber nur 5 bis 30 betragen sollen, bei gleichbleiben dem Gesammtertrage eine große Zahl von Theilnehmern eine Erhöhung erfahren muß, liegt auf der Hand. Die „Germania" überschätzt aber die Zahl, wenn sie diese auf fast drei Viertel aller Abonnenten annimmt. Nach sorgfältig vorzenommenen Schätzungen würden gegenwärtig 60 Proc. aller Theilnehmcr mehr zu zahlen haben, und zwar zwischen 5 und 30 <^(, 4 Proc. würden nach wie von 150 zu zahlen haben, wogegen 36 Proc. Ermäßigungen bis zu 70 erfahren würden. Dieser letzte Procentsatz wird von Jahr zu Jahr wachsen, weil alle neu hinzu kommenden Orte in den ersten drei Jahren nur mit 80 heran- gezrgen werden sollen, während sie jetzt 150 zu zahlen haben. Zu n 51.5 Orten, welche nach dem' Stande vom 1. April 1898 ermäßigt würden, sind bis zum 1. Februar 1899 165 Orte neu hinzugekommen, welche künftig 80 c/( statt 150 cA zu zahlen hätten; für das nächste Jahr sind 252 Stadtfernsprecheinrich- tungcn vorgesehen, für die dasselbe gilt. So verschiebt sich das Bild von Jahr zu Jahr mehr zu Gunsten Derer, die Ermäßi gung haben. Nun meint der Gewährsmann der „Germania", in Folge der Zulassung der Gespräche gegen Einzelgebühr würde sich die Durchschnittsgcfprächszahl der Abonnenten so erhöhen, daß die Abonnementsgebühr überall bald das zulässige Maxi mum erreichen würde. Das wird doch wohl kaum zuireffen. Es ist im Gegentheil anzunchmcn, daß die Abonnenten künftig mehr als bisher darauf halten werden, denjenigen Theil der Gespräche, der ganz überflüssiger Weise ge führt wird, etwas e i n z u s ch r ä>n k e n. Um den kleineren Leuten in großen Städten die Benutzung des Telephons zu er leichtern, will die Verwaltung bereits in den nächsten Wochen mit der Einrichtung zahlreicher Fernsprechautomaten vorgehen, bei denen Jedermann gegen Einwurf eines 10 Pfennig stücks innerhalb der S.adt sprechen kann mit wem er will. Haus anschlüsse in großen Städten werden immer theuer herzustellrn und zu unterhalten sein, und daher auch nie ganz billig werden können. Dies zeigt der Vergleich mit London, Paris, Wien, Pest und Brüssel, in denen überall die Hausa.ischlüsse theuerer sind als in Berlin. Endlich ist noch eins zu beachten. Nach den Berechnungen, die dem Entwurf« zu Grunde liegen, würoe bei Annahme der Vorschläge ves Entwurfs lediglich dieselbe Äe- sammtgebllhreneinnahme aufkommen, wie bei dem jetzigen System. Dafür beabsichtigt aber die Verwaltung, ohne weitere Zuschläge den Ueberga.xg zum Doppelleitungssystem zu bewerkstelligen, um auf diese Weise eine ganz wesentliche Verbesserung der Sprechverständigung zu erzielen. Welche Kosten dies verursacht, kann man daraus entnehmen, vaß allein die Umwandlung 'der jetzt vorhandenen Anlagen in solche mir metallischer Rückleirung etwa 20 Millionen Mark losten würoe. Es handelt sich dabei nämlich um die Herstellung von rund 300 000 Kilometer neuer Leitung, ganz abgesehen von der nöthigen Veränderung Ser Apparate u. s. w. Ta alljährlich eiwa 60 000 Kilometer Anschlußleitungen neu angelegt werden, so wiederholt sich — bei Einführung des Doppelleitungssystems — die Mehrauswendung von 20 Millionen Mark etwa aller fünf Jahre: dies macht jährlich rund 4 Millionen Mark Mehr kosten. Mit Rücksicht auf die hieraus erwachsender Mehrkosten hält es die Verwaltung für unbedingt geboten, den bisherigen, auf etwa 4 Millionen Mark berechneien Ueberschuß auch künftig ausrecht zu erhalten. Fiskalische Rücksichten, d. h. die Absicht, aus dem Fernsprechwesen mehr herauszuschlagen als bisher, liegen dem Entwurf ganz fern." — Recht wenig will uns be sonders der Theil dieser hochofficiösen Auslassung gefallen, in welchem die Erwartung ausgesprochen wird, daß Lei „überflüssige Theil der Gespräche" einge schränkt werde. Das ist nicht der große Zug, den man von der deutscher Verkehrspolitik zu erwarten berechtigt ist. * Berkin, 24. März. Die „Berk. Pol. Nachr." schreiben: „Wenn in einigen Blättern die Wahlen zu den Hand werkskammern bereits als nahe bevorstehend bezeichne: werden, so muß doch daran erinnert werken, daß sie nicht wohl eher vorgenommen werden können, als die auf die Hand werkskammern selbst bezüglichen Bestimmungen des Hand- werksorgauisanonsgesetzes vom Jahre 1897 i K: lt ge'etzk sind. DieS ist aber bisher noch nicht der Fall; eine kaiser liche Verordnung stebt in dieser Beziebung noch ebenso aus, wie bezüglich eines TbcilcS der Bestimmungen über daS Lehrling? wesen und die Meisterprüfung. Es darf aber angenommen werten, daß der Entwurf zu einer solchen Verordnung dem- nächt dem BnndcSratb zur Beschlußfassung wird unterbreite: werden. Tie Vorarbeiten für die Errichtung der Hand werkskammern werden durch diese Sachlage natürlich nicht berührt, wie dies ja auch schon die inzwischen in Preußen und in anderen Bundesstaaten erfolgte Abgrenzung der Kammerbezirke beweist. Man würde übrigens seblgehen, wenn man annebm.n würde, daß in allen Bundesstaaten Wahlen zu Handwerkskammern in Aussicht stehen. In Sachsen wird dies beispielsweise nicht der Fall sein. Tort wird man den schon seit nahezu vierzig Jahren beliebenden Gewerbekammern die Wahrnehmung ter Reckte und Pflichten der Handwerkskammern übertragen. Im Gesetze selbst ist ein solches Verfahren dann als zulässig erklärt, wenn die Mitglieder der Gewerdekammern an« Feriilletoii. Vom Nicaragua-Canal. Von vr. Karl von Scherze r. Durch eine der jüngsten Botschaften des Präsidenten Mac Kinley an den Congreß in Washington scheint die Frage der Sprengung des ccntralamcrikanischen Isthmus, die Herstellung einer vertehrerleichterndcn, völkerverbindenden, culturweckenden interoceanischen Wasserstraße zwischen den beiden Weltmeeren in ein entscheidendes Stadium getreten zu sein, eine Frage, welche bereits seit mehr als drei Jahrhunderten nicht blos die Phantasie einzelner Idealisten, sondern das politische und wirthschaftliche Interesse aller civilisirten Nationen erregte, ohne daß gleichwohl ein ausschlaggebendes Resultat bisher erreicht worden wäre. Schon Kaiser Karl V. befahl wiederholt durch zwei an den Statthalter 'der tisrrs kirme gerichtete Decrete vom 12. März 1532 und 20. Februar 1534: „Ihm die besten und passendsten Mittel vorzuschlagen, um eine Verbindung zwischen dem schiff baren Theil des Chagresflusses und dem Stillen. Ocean zu be werkstelligen." Allein Ignoranz und blinder Priesterglaube ver zögerten die Ausführung dieses Riesenwerkes in einer Epoche, wo Spanien noch majestätisch groß an der Spitze der mächtigsten Staaten schritt und wo castilische Seefahrer und Conquistadoren in Amerika Wunder der Energie und Standhaftigkeit, wenn schon von brutaler Gewalt begleitet, verrichteten. Ja, ein Autor jener Zeit, der ?. JosS de Acosta von der Gesellschaft Jesu, ent« blödete sich sogar nicht, in seiner „Istoria natura) cko knckiaa" (1588) vor solchem frevelhaften Beginnen dringend zu warnen, „indem die Stkafe deS Himmels sicher Denjenigen ereilen würde, welche sich vermäßen, die weisen Schöpfungen der Vorsehung auf der Erde durch Menschenhand verbessern zu wollen".') Die Nachfolger Karl's V. verzichteten auf die Ausführung der klugen Pläne ihre- großen Vorgänger-, mit dessen Tode das heilige ') lüdro VI. Oap. XX. Anck Hieronymus de Huerta, welcher 1622 eine Ueberse-ung von PliniuS' Naniraeschichte verausgab, zeig: (pax 237) große Entrüstung darüber, daß Menschenhände Vir Werke Gotte« corrigiren wollen: „Dio que pn^o los termiacw a los innrer, orüivü el convenievte mejor q»v imaginären lor aombres." Auw über da? Klima und ander» Schrecknisse der Natur im JkthinuS ließen sich die spanücheii Gelehrten deS achtzehnten Jahrhundert» arge Uebertreibnngen zu Schulden kommen. So zum Bespiel ver- stiegen sich Don Jorge Juan und Antonio Ulloa, welche im Auf- traqr ihrer Regierung von 1736 bi- 1745 die Aequatorial-Gegendrn Amerika- zum Zwecke von Oradmessuugen besuchten, zu folgendem Ausspruch: „Da- Klima der Hafenstadt Portobello verzehrt di» Kräste des Manne- und tüd'et di» Weiber im ersten Wochenbett. Di» Ochsen verlieren ihr Fletsch, di« Küh« ihr, Milch und dir Hennen HSreu aus, Eier »u legen!!!" ... Feuer in Spanien für immer erloschen schien. Auf ihn folgte ein König, welcher während einer langen Regierung seinen einzigen Ruhm und Ehrgeiz darin suchte, den Schwung der Geister und die Freiheit der Gedanken in Banden zu schlagen und in der Verfolgung dieses traurigen Zieles alle die überreichen Kräfte und Hilfsquellen Spaniens vergeudete, während später des mächtigsten Reiches Scepter immer nur von schwachen, un fähigen Händen getragen wurde, bis Spanien zuletzt durch eigenstes Verschulden zu der gegenwärtigen politischen Un bedeutendheit hinabsank! Seit jenen längst vergangenen Zeiten beschäftigten sich die bedeutendsten Männer eines jeden Jahrhunderts mit einer Auf gabe, an deren glücklichem Erfolg eine ganze Welt Antheil nimmt. Nationalökonomen, Ingenieure, Naturforscher und Rerseschriftstcller, ja sogar gekrönte Häupter haben es nicht ver schmäht"), über ein schon so lange seiner Lösung harrende? Problem zu sinnen, die Mittel und Wege ausfindig zu machen, um die verrammelte Brücke zwischen Nord- und Südamerika, jenem leidigen Damm, welchen die unterirdischen Mächte zwischen beiden Weltmeeren verkehrsstörend aufgethürmt haben, zu sprengen und dadurch eine freie Wasserpassage für den Handel und Verkehr aller Nationen der Erde zu schaffen! Erst die glückliche Durchführung des Canals von Suez, jene geniale Lesseps'sche Correctur eines scheinbaren Naturfehlers, bat da- Problem eines Durchstiches des centralamerikanischen Jsth- muS mit um so mehr Vertrauen auf die Tagesordnung gesetzt, als mit den Mitteln, über welche Technik und Association, jene beiden wunderwirkenden Großmächte unserer Zeit, verfügen, alle Hemmnisse der Natur vollkommen überwunden werden können. Der Ovnfy'öq internntjc>"nl <)->§ sciom^g p^naxcpstiqnp<r. welcher vom 1. bis 11. August 1875 in Paris tagte, bot durch *) Der König der Niederlande sendete zu Anfang deS Jabres 1829 in der Person de? General- Berveer einen Svrciol-Devoll- mäcktigten nach Guatemala, um wegen der AuSsüdrunn eines CaualS Verbandlnngen anzukuüpien, welch» I, der durch die Revolution deS Jahre« 1830 vereitelt wurden. Im J,bre 1844 machte die Regie- rung von N-caraqua beim König der Belgier neuerdings Versuche, wrlche ebenfalls durch polit iche Dazukoinmniss, mißglück en. Im Apr-l 1846 wurde zwischen SrSor Marcoleta, damaligem ck'uKaires von Nicaragua am Hofe von Belgien, und Prinz Loui» Napoleon, zu jener Zeit Gefangener in Ham, ein Vertrag wegen Erbauung eines VerbiudunqscanalrS abgeschlossen, welcher den Titel: ,.6'nn»! X»sx>ISon ilo Xicara«»»" sichren sollte. Aber außer der Veröffentlichung eines Pamphlet« über diesen Gegenstand, welches die Initialen des Mesaugenen von Hain trögt, bl rb auch die'er Ver such ebenio resultatlos wie die Untersuchungen von Michel Chevalier, Bailey, Cochrane, Falmare, Fitzroy, G:rella, Gallisteo, Hughes, Lloyd, Morel, Orrstedt, Stephen«, Squier, Ammrr, Mrnoral n A., wrlche tast inSgesamm» weit mehr di» zu beseitig,»den Hindnnissr aufgedeckt, al« di« Mittel gelehrt baden, aus welche Weise dieselben au« dem weg« geschafft werden können. das Zusammenströmen von Geographen und Ingenieuren au- allen Theilen der Erde eine ganz besonders günstige Gelegenheit, diese Frage eingehend zu prüfen und zu erörtern. Infolge einer gemeinsam mit dem deutschen Naturforscher Or. Moritz Wagner unternommenen mehrjährigen Durch forschung des centralamerikanischen Jsthmusgebietes, welche uns eine genaue Kenntniß der geographischen Verhältnisse desselben von Panama bis an die mexikanische Grenze verschaffte, wurde mir die Ehre zu Theil, in jener Sitzung der V. Gruppe des Congresses den Vorsitz zu führen, in welcher die verschiedenen Projecte zur Durchstechung des Isthmus zur Discussion und Be- schluhfassung'gelangten. Von den sieben Vorschlägen, welche der Versammlung zur Berichterstattung vorlagen und von welchen ein jeder von dem betreffenden Projectanten in leicht begreif licher Weise als der zur Durchführung geeignetste bezeichnet wurde, waren es jedoch nur zwei, welche von der Versammlung einer eingehenden Prüfung werth gehalten und einer Discussion unterzogen wurden, obschon selbst in Bezug auf diese beiden Vie Schlußfolgerung nur auf eine Resolution hinauslief, in welcher dem Wunsche des Congresses Ausdruck gegeben wurde: „daß die Regierungen der beim Durchstiche des centralamerika nischen Isthmus am meisten interessirten Staaten mit mög lichstem Eifer die Studien derjenigen Tracen fortsetzen möchten, welche der Schifffahrt in Bezug auf Acceß und Verkehr die größten Vortheile bieten dürften.") Es haben somit von allen vorgelegten Projekten nur zwei die Wahrscheinlichkeit der Ausführung für sich: nämlich die Trace des Leffeps'schen Canales, welcher die Verbindung deS Atlantischen Oceans bei Aspinwall mit dem Parisischen Ocean bei der Hafenstadt Panama herzustellen bezweckt, sowie daS sogenannte Nicaragua - Project, wodurch die Verbindung des Hafens von Grehtown am Atlantischen Ocean unter Benutzung des oberen Laufes deS San-Juan-Flusses, sowie des Nicaragua- Sees mit dem Hafen von Brito am großen Weltmeere ermöglicht werden soll. Und zwar concentrirt sich gegenwärtig das Haupk- augenmerk auf den JsthmuS von Nicaragua, nackdem die nord amerikanische Regierung sogar in officieller Weise zu Gunsten desselben aufgetreten ist, während durch eine unverantwortliche Vergeudung des vorhandenen gewaltigen Capitols die von Lesseps am Isthmus von Panama unternommenen Arbeiten ") „äpi'ös uno ckikm-ision au sujat äo la könne «la conaourü que le eon-tre, «la 1875 pent apporter nur tevtativez äe peree- ment <l'»a >»nal iatero^öaniqns, I'a«^mb!öe formale le voen, qne les xouvernem-nts ,le« -tat, i»t«re^8 ä ootte xrancke cnleepriüe en pour-uivevt lei Ltuäes avse le plus ck'activits penible, et »'»tfaelient aui ira^ö» qui pr^enkenl ü la navixanon plu» eranilea fa^ilitö« ck'ae<^8 et <l« circulation." Ovmpte-renäu ck» zeancer cku cvoxrd, ioternati' v tt cke» »cionce» tkso<srap>äque«, tenu 4 pari« clu 1er au H XoÜt 1875. Tow« krewier, v»ss. 505—507. Lari«, 1878. wieder unterbrochen werden mußten und seither völlig ins Stocken gerathen sind. Unter diesen Umständen erscheint eS uns von allgemeinem Interesse, die Nachtseite der Herstellung eines internationalen Schifffahrtcanales am Isthmus von Nicaragua offen und rückhaltlos darzulegen. Es bleibt vor Allem eine bemerkcnswerthe Thaisacht, daß Engländer und speciell Amerikaner bei ihren bisherigen Ver suchen, das in Rede stehende, für den künftigen Weltverkehr wichtigste geographische Problem zu lösen, weder die ihnen sonst so eigenthümliche nachhaltige Energie, noch die richtige Einsicht in die dortigen Naturverhältnisse bewährt haben. Ihr praktisches Talent, von welchem sie anderwärts, namentlich beim Ba» de: Pacificbahn, so großartige und bewunderungswerihe Beweisc gc liefert, scheint dieselben in der Tropenzone mitunter ganz im Stiche gelassen zu haben, wennschon man ihnen die interoceanische Eisenbahn zwischen Aspinwall und Panama verdankt. Fast all-: der am centralamerikanischen Isthmus unternommenen Expedi tionen kehrten entweder unter dem Einflüsse des Klimas und der infolge der Unwirthbarkeit der Gegend ausgestandenen Strapazen gang unverrichteter Dinge wieder zurück oder sie lieferten aus Mangel an wissenschaftlicher Vorbereitung und ge nugen-er Ausrüstung so ungenaue und unverläßliche Berichte, daß dieselben der Förderung des gewaltigen Unternehmen- weit mehr schadeten als nützten. Wohl darf nicht unbeachtet gelassen werden, daß die Schwierigkeiten von genauen Terrain - Beobachtungen und Messungen außerordentlich groß sind in einem Lande, wo daS hunderttheilige Thermometer in den Nackmittagsstunden -j- 30 bis 32 Grad Celsius erreicht und bei der Masse der verwesenden Organismen in einer ungemein feuchten Atmosphäre die giftigsten Miasmen sich bilden. Doch sind die Fieber im Innern der Land enge seltener als an der Küste, wo das Salzwasser der ein dringenden Meeresfluth, besonders in der Nähe der Fluß mündungen, die bösartige Wirkung der Malaria noch steigert. Und ebenso ist nebst der Dichtigkeit des Pflanzenwuchses der Mangel eines überragenden Gipfelpunctes ein vielempfundener Nachtheil, indem dieser unglückliche Umstand den Besteiger ver hindert, einen orientirenden topographischen Ueberblick der Cor- dilleren, sowie des Reliefs der ganzen Landenge zu gewinnen. Nach verschiedenen, entweder völlig mißglückten oder doch nur höchst ungenügenden Explorationen überließen die Ameri kaner das Feld der Erforschung jener noch so unbekannten Binnenlandschaften Jahre hindurch fast gänzlich den Franzosen, welche jedoch in ihren Expeditionen nicht glücklicher waren. Selbst wenn die von dem Franzosen Felix Belly gemachte an gebliche Entdeckung einer beträchtlichen Depression im Jstbmus von Nicaragua oder, genauer gesagt, auf der schmalen Landenge, welche die Salinas-Pucht am Stillen Ocean von dem Wasser, decken de- großen Nicaragua-Seei trennt, al- richtig sich be stätigen sollte, so würde die« die überwiegenden Vorzüge de»
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