01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990330016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899033001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899033001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-30
- Monat1899-03
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um Uhr. die Abrnd-Auögabe Wochentag- um b Uhr. Nedartion und Expedition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Filialen: ktto Klemm s Eorttm. «Alfred Hahn), Universitatsstraße 3 (Paulinum), Lotti» Lösche, Katharinevstr. 14, Part, und Köntgsplad 7. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder'den im Stadt- dejirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4-bO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährUch 6.—. Direete tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. ripMr. TWeblatt Anzeiger. Atttlsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Äiutes der Ltadt Leipzig. Auzeigeu.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter demRedactionsstrich (-ge spalten) 50»j, vor den Familiennachrichken (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung M—, mrt Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde srnher. Anreisen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig- 182. Donnerstag den 30. März 1899. 93. Jahrgang. Gewerkschaftliches. In Berlin tagte kürzlich ein „Bauarbeiterschutzcongreß", dem zunächst ein Verbandstag des „Centralverbandes der Maurer und verwandten Berufsgenossenscl-aftcn Deutschlands" und so dann ein solcher der Zimmerer auf dem Fuße folgten. Alle drei sind Veranstaltungen der sogenannten Gewerkschafts bewegung, die nach bekannter Lesart nicht das Mindeste mit der Socialdemotratie zu thun hat. Oder doch vielleicht? Zu der Vorversammlung des erstgedachten Congresses waren laut „Vor wärts" drei Mitglieder der socialdemokratischen Reichstags commission „delegirt", Frohmc, Hoch und Stadthagen, bei denen kaum Jemand besondere Erfahrung und Kenntniß in Hinsicht des Bauhandwerks vermuthen wird. Diese in großer Zahl und vielgestaltiger Gliederung ab gehaltenen Gewerkschaftsversammlungen haben wesentlich auch den Zweck, einen Theil der in den socialdemokratischen Taschen angesammelten Arbeitergroschen in die Taschen der Agitatoren niederer Ordnung in Gestalt von Reise- und Tagegeldern über zuleiten. Liest man die Berichte des „Vorwärts" über diese Kongresse, so darf man erstaunt sein, solchen Berichten in dem social-revolutionären Ecntralorgan zu begegnen. Falls die Gegner der Socialdemokratie es darauf anlegten, nck oaulos zu demonstriren, daß von solchen Gewerkschaftscongreffen nicht das Geringste für die Förderung der Arbeiterinteressen zu erwarten ist, sie könnten es nicht besser erreichen, als indem sie diese „Vor- wärts"-Berichte verbreiteten. Denn kräftiger kann diese That- sache nicht erhärtet werden als durch die seitens des „Vorwärts" so sorgsam verzeichnete selbstgefällige Wichtigthuerei, hinterher bei genauerem Zusehen gar nichts steckt als allgemeine Redens arten, und die weit davon entfernt ist, auch nur selbst daran zu glauben, daß mit solchen Tagungen ernsthafte Arbeit ge leistet werden könnte. Aber dennoch haben diese GewerkschaftScongresse und die Art ihrer Abhaltung ihren Zweck — für die Socialdemokratie. Sie sollen den Beweis liefern, daß die Gewerkschaften ganz etwas Anderes als die Socialdemokratie wären, Laß sie sachliche und fachliche Interessen der „organisirten" Arbeiter verfolgten, daß also die Socialdemokratie die Gewerkschaften und gegebenenfalls letztere jene verleugnen dürfe. Dieser „Beweis" wird namentlich deshalb so .gründlich" geführt, damit jenrn. bürgerlichen Blättern, welche fortgesetzt für die Socialdemokratie arbeiten, der erforderliche Stoff nicht ausgehe. Wie wenig die Gewerkschaften für die Arbeiter leisten, wie sehr Mühe und Kosten auf der einen und Erfolg auf der anderen Seite im Mißverhältniß stehen, das zeigt wiederum sehr deutlich die Rechnung des Maurerverbandes. In diesem sind mit 700 Zahlstellen 60 000 Mitglieder „organisirt". Die Einnahmen be trugen 621 000 ^//; also 10 pro Kopf zahlt der „organisirte" Maurer jährlich an Steuer für den Centralvcrband allein, womit seine „gewerkschaftlichen" Lasten natürlich erst zum Theil be glichen sind. Davon wurden nicht weniger als 431000 für Streiks verausgabt. Jeder organisirte Maurer steuerte also allein zum Centralstreikfonds 7 -// bei. An den Streiks waren 19 72.1 Maurer, also etwa ein Drittel der „organisirten", be- theiligt, welche 211730 Arbeitstage verloren und 841000 Lohnausfall erlitten. Jeder an den Streiks betheiligte Maurer erhielt also durchschnittlich 21 Streikunterstützung, während ihm durchschnittlich 11 Arbeitstage und 42 Lohn verloren gingen. Also baarer Verlust für jeden Streiter 21 c-kk! Dafür Hai er aber auch das erhebende Bewußtsein, daß von den nicht auf Streiks verwandten rund 190 000 cK ein großer Theil in die Taschen seiner „Organisatoren" geflossen ist. Die Wirkungen der Gewerkschaftsbewegung, speciell unter den Maurern und Zimmerleuten, sind ja neuerdings durch den Löb- tauer und den Charlottenburger Landfriedcnsbruch grell be leuchtet worden. Der „Vorwärts" meint zwar: „Die Tendenz 2er Arbeiterorganisationen, die uiwermeidlichen Reibungen zwischen Arbeitern und Unternehmern möglichst schnell und glatt zu erledigen, ist in diesem Falle gerichtlich consiatirt worden", er irrt sich aber gründlich; denn er wird sich doch nicht etwa einer Unwahrhaftigkeit schuldig gemacht haben, welche ihn und die socialdemokratischen Machthaber und Parteikrippenkostgänger charakterisirt? Gerichtlich consiatirt ist nämlich vor dem Berliner Schwurgericht II in dem Charlottenburger Landfriedensburch- processe nichts Anderes, als was z. B. in dem Breslauer Hoch- verrathsprocesse des „alten"Liebknecht auch schongerichtlichconstatirt wurde, Laß nämlich die socialdemokratischen Führer sich sorg fältig vorsehcn, um nicht mit dem Strafgesetzbuch in Conflict zu kommen. Herr Liebknecht berief sich bekanntlich darauf, er hätte seine Worte so gewählt, um eine Majestätsbeleidigung zu ver meiden, d. h. eine strafgerichtlich faßbare. So machen es die Gewerkschaftsführer apch. Erst wird aufgewiegelt und wenn die Siedehitze da ist, folgen die Friedensmahnungen, die dann natür lich vergeblich sind, sich aber sehr hübsch ausnehmen, wenn sie unter Zeugcneid „gerichtlich consiatirt" werden, während es naturgemäß unmöglich ist, im gleichen Processe die vorher gegangene gewerkschaftliche „Bearbeitung" ebenfalls zu con- statiren. Die gewerkschaftlich „Organisirten" genießen also nicht nur das Privileg, ihre Organisatoren ernähren, sie zu Cong ressen auf ihre Kosten Lelegiren zu dürfen, sondern cs ist ihnen auch der Vorzug eingeräumt, etwaige strafrechtliche Folgen gewerkschaft licher Verhetzung auf sich zu nehmen, wie es im Löbtauer Falle kivgt, während di« Hetzer frei ausgehen. Denn sie werden stets wissen, zu „rechter" Zeit zum Frieden zu reden, damit es „ge richtlich constvtirt" werden kann. Deutsches Reich. Berlin, 29. März. «Die „zahme" Social demokratie.) Es ist dem bürgerlichen Radikalismus allemal eine wahre Wonne, wenn er irgendwelche scheinbare Zeichen der socialdemokratrschen „Mauserung" anführen kann. So schreibt gelegentlichneuerlrcherAuslassungen deS socialistischenTheoretikers Bernstein ein Berliner freisinniges Blatt: „Der aufmerk- sameBeo Pachter der politischen Entwickelung muß zu der Ueberzeugung gelangt sein, daß die deutsche Social demokratie sich immer mehr auS einer Partei der revolutionären Phrase zu' einer Reformpartet entwickelt." Der aufmerksame Beobachter wird diese Ueberzeugung durchaus nicht haben, sondern nur der oberflächliche. Eben jetzt zeigt sich wieder das Ueberwiegen der radikalen und revolutionären Richtung darin, daß die opportunistische Haltung des Parteioorstandes bei der Nichterwähnung des Löbtauer Urtheils fast ausnahmslos von der Parteipresse gemißbilligt wird, indem gleichzeitig in dieser Presse die aufreizenden Bemerkungen, daß die vom Schwur gerichte in Dresden Verurtheilten „Opfer des neuesten Curses" seien, „unter dem neuesten Eurse dem Zuchthause verfallen, ins Unglück gestürzt seien", fortwährend wiederholt werden. Man muß doch wohl auf die Gesinnungen einer Partei aus ihrer Presse schließen. Und wenn Männer, die sich der brutalen Gewaltthätigkeit schuldig gemacht haben, als Opfer be zeichnet werden, wenn andererseits immer wieder an der wichtigsten Säule des bestehenden Staates, der Justiz, gerüttelt wird, dann muß man ein derartiges Verfahren als revolutionär bezeichnen; man müßte denn gerade auf dem kindlichen Stand- puncte stehen, nur in der Errichtung von Barrikaden und in der Verübung von Attentaten die Bethätigung revolutionärer Ge sinnung sehen zu wollen. 8. Berlin, 29. März. (Der Bund der Land- wirthe in der Provinz.) Die „Deutsche Tageszeitung" berichtet heute über eine Versammlung, die jüngst der Bund der Landwirthe in Brom berg abgehalten hat. Die dort be schlossenen Resolutionen unterscheiden sich im Tone leider be trächtlich von der Mäßigung, die auf der letzten General versammlung des Bundes in Berlin bemerkt werden konnte. So wird z. B. von dem Entwurf eines Fleischbeschau ge s e tz e s in der einstimmig angenommenen Resolution gesagt: „Der Volksvertretung keines anderen Landes dürfte eine derartige Vorlage geboten werden." Des Weiteren wird das Verbot solcher Fleisch- waaren gefordert, bei denen keine genügende Controle möglich sei; dahin rechnet man Wurst und Büchsenfleisch. Was man in Bromberg von Seiten des Bundes der Landwirthe unter einer nachdrücklichen Vertretung der wirthschaftlichen Interessen Deutschlands gegenüber dem Ausland versteht, geht aus dem Ausdruck des Bedauerns darüber hervor, „daß sich bei der Etats- berathung keine Stimme gegen den Abschluß des deutsch- englischenHandelsvertragsprovisoriums und die vom Bundesrathe begangene Vollmachtsüberschreitung er hoben hat." Nicht weniger fällt aus einer Resolution über die Nichtdurchführung des Börsengesetzes jene Stelle ins Extreme, an welcher von dieser Nichtvurchführung gesagt wird, sie stelle sich „als eine schwere Schädigung des monarchischen Ge dankens dar. — Auf der Brombcrger Versammlung hat Herr Fritz Bley ausgeführt, daß es bei dem Hader der Parteien keine andere Sammlung geben könne, als auf dem Boden der nationalen Wirthschaftspolitik. So lange die „nationale Wirt schaftspolitik" durch den Bund der Landwirthe derart einseitig aufgefaßt wird, dürfte es mit der Sammlung auf dem Boden derselben nur sehr langsam vorwärts gehen. (D Berlin, 29. März. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Dem Vernehmen nach werden al- Ver treter des deutschen Reiches an der Arteden-conserenj im Haag der deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster, der Professor der Rechte in München Frhr. v. Stengel, der Professor der Rechte in Königsberg Zorn und je ein höherer Officier des LandheereS und. der Marine theilnehmen. D Berlin, 29. März. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen gestern Nachmittag mit den älteren Prinzen einen gemeinschaftlichen Spazierritt. Zur Abend tafel bei dem Kaiserpaare waren geladen General v. Lindequist, Staatssekretär Tirpitz und vr. Wiegand, Director deS Nord deutschen Lloyd. — Heute Morgen unternahmen, wie schon mitgetheilt, der Kaiser und vie Kaiserin den üblichen Spazier gang. Sväter hörte der Kaiser den Vortrag des Wirkt. Geh. ..u.ys Vr. von LucanuS und begab sich um 11 Uhr nach Charlottenburg, um dort einen Vortrag deS Professor- vr. Slaby zu hören. — Das Kaiserpaar beabsicht Ende April bezw. Anfang Mai in Primkenau zum Besuch bei dem Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein einzutreffen. — Die Marinecassengeschäste gehen mit dem 30. März 1899 von der General-Militärcasse auf die Reichs- Hauptcasse über. Alle Geldbeträge, welche auf Anweisung der Marineverwaltung bisher bei der General-Militärcasse in Empfang zu nehmen waren, insbesondere auch Marine- Pensionen, Wittwen- und Waisenzelder, Unterstützungen, sind von diesem Zeitpunct ab bei der ReichShauptcasse, Kur straße 1—5, 1 Treppe, zu erheben. — Unter den Nachrichten über die Neuorganisationen in der deutschen Armee ist auch die Errichtung einer Jäger brigade erwähnt worden. Dieselbe wird beim 14. Armee corps, und zwar bei der neugebildeten 37. Division, nur aus Iägerbataillonen formirt werden. Der Stanvort dieser einzig in der Armee zusammengesetzten Brigade wird Kolm ar sein, es gehören zu derselben die Iägerbataillone 8 (Schlett- stadt), 4, 10 und 14 (alle drei in Kolmar). — Falls im Streite um das Stuck's che Decken gemälde gerichtliche Entscheidung angerufen werden sollte, würbe der „Post" zufolge der Reichskanzler als Auftrag geber in Betracht kommen. — lieber Major von Wissmann, der auf einer Re sc in Südwestafrika begriffen war, waren in der letzten Zeil einige Besorgnisse aufgetaucht, da e- hieß, daß die euro päischen Begleiter ihn verlassen hätten. Die „Magdeb. Ztg." theilt jetzt mit, daß der Reisende gesund wieder in Swakov mund eingetroffen ist und über Eapstadt und die Ostküne von Afrika nach Deutschland zurückkehren dürfte, wo er in etwa vier Wochen erwartet wird. — Die Vorlage, betreffend den Schutz der Arbeits willigen, sott, der „Berliner Börsenzeitung" zufolge, nun mehr im Reichsamt des Innern festgestellt sein, ebenso um fangreiche und eingehende Begründungen ihrer Bestimmungen. Die Vorlage dürfte, wie das genannte Blatt meint, den BundeSratb kaum lange in Anff>ruch nehmen, da die ein gehenden Vorverhandlungen zwischen den verbündeten Regie rungen alle Fragen von Belang erledigt haben. Ter Ein bringung des Gesetzentwurfes im Reichstage dürfte, kein genannten Blatte zufolge, bald nach Ostern entgegeugesehen werden. — Aus dem preußischen Staatsgebiete ist durch Ver fügung des hiesigen Polizeipräsidenten als lästiger Ausländer der 48 Jahre alte, aus Warschau gebürtige Schriftsteller Simon Zungherz, ein russischer Staatsangehöriger, a us- gewiesen. * Gotha, 29. März. Groß her zog von Hessen wird heute Abend wieder hier cintreffen. tb. Meiningen, 29. März. Der Herzog sandte an den Bürgermeister Scherff in Kranichfeld folgendes Telegramm: „Sprechen Sie meinen Bürgern aus, daß ich von ganzem Herzen tbeilnehme an dem großen Unglück, das die Stadl Kranichfeld betroffen hat. Es werden Ihnen von der Hof- casse 3000 -ckl zugehen zur Linderung der ersten Noth." * Wiesbaden, 29. März. Eommerzienrath Dessauer schenkt; der „Voss. Ztg." zufolge dem Kaiser die auf seinem Besitzthum im Römerkastell Stockstadt am Main kürzlich zu Tage geförderten sehr werthvollen Altäre, die der Kaiser dem von ihm erbauten Saalburgmuseum zuwicS. Unter den Altären ist ein büstenartig geschmückter Altar -er eavp- tischeu Gottheiten Isis und Serapis von großem wissen schaftlichen Interesse. « * Nürnberg, 28. März. Bezüglich des Formerstreiks im Schuckert'scben Etablissement beschlossen die Streikenden den „Münch. N. N." zufolge die Anrufung des Gewcrbe- gerichtS als Vermittelungsamt. Oesterreich-Ungarn. Jur inneren Lage. * Wien, 28. März. Ein Communiguö beruft die Der trauensmänner der d e u t s che n O p p o s i t i o n s p a r t e i e n zum 9. April zu einer Conferenz ein behufs Feststellung der nationalpolitischen Forderungen der Deutsckzrn Oesterreichs. * Wien, 29. März. (Telegram m.) In L i n z traten während der letzten Feiertage 12, in Saaz gestern 60 Per sonen gemeinsam zum Protestantismus über. (Magdeb. Ztg.) * Pest, 29. März. (Telegramm.) Ein gut unter richteter Wiener Gewährsmann des „Pest. Lloyd" oersicher: auf Grund ovn Mittheilungen, die ihm von zuständiger Seite zugelommen seien, gegenüber anderweitigen Behauptungen einiger Wiener Blätter, daß die österreichische Regierung ihre Absich:, das Sprachengeseh mit Hilfe des 8 14 ein- §ufiihren, durchaus nicht aufgegeben habe; nur habe sie die Ausführung dieses Planes verschoben. Sie wolle um eine Besprechung dieser Maßregel im Prager Landtage zu vermeiden, erst den Schluß dieses Landtages abwarten. Die Aufhebung der Sprachenverordnungen soll dann anfangs Mai erfolgen. (Voss. Ztg.) vom Harem?) Lindau hat seine Orientreise augenscheinlich mit großem Er folge zurückgelegt. Die Tagebuchblätter, die aus jener Zeit her rühren und durch den Verlag von Fontane <L Co. in Berlin ver öffentlicht worden sind, zeugen für den eingeheimsten großen Ge winn an Kenntnissen und Erfahrungen. Ein tieferes als das ge wöhnliche Eindringen in die fremdländischen Verhältnisse scheint dem Autor noch durch sehr günstige Beziehungen zu einfluß reichen Persönlichkeiten ermöglicht worden zu sein. Dein flotter UnterhaltungStvn bringt das Geschaute und Erlebte außerdem zu so günstiger Wirkung, daß das Werk zweifellos das Interesse weitester Kreise erregen wird. Aus dem reichen Inhalte deS BucheS, daL Reiseschilderungen auS Athen und Brussa umfaßt, einen Ausflug in die asiatische Türkei, da» Blutfest der Perser, Ostern am goldenen Horn schil dert und schließlich ein hoch interessantes Bild von Mohammed'» Beziehungen zu Len Frauen entwirft, heben wir speciell den letztgenannten Abschnitt hervor, weil er die Eigenart der Lindau- schen DarstellungLweise und sein« kritische Beobachtungsgabe am deutlichsten hervor treten läßt. Lindau wesst vor Allem darauf hin, daß alle Bestimmungen über di« unwürdige Behandlung der türkischen Weiber auf die persönlichen Stimmungen und Erlebnisse des Propheten zurück- -uftihren seien, ebenso daß de» Letzteren Eifersucht und Sinn- lichlkeit von größtem Einfluß auf di« da« Weib betreffenden Gesetz« d«S Koran- gewesen wären. An die Sekbstcharakteristik Mohammed's: „Es giebt zwei Ding« auf dieser Welt, die mich über Wes reizen und entzücken: Weiber und Wvhlgerüche! sie erfreuen meinen Sinn und stärken meine Andacht beim Gebet" anknüpfend, schildert Lindau da- „im Leben und Schaffen de» *) Ferien im Morgenlande, Tagebuchblätter aus Griechenland, der europäischen Türkei uid Kleinasien von Pa u l Lindau. Prel» 3,50 »kk. Berlag von F. Fontane <L Eo. in Berlin. Propheten so bedeutende, ja in wesegntlichoa Dingen ausschlag gebende Verhältniß Mohammed's zu den Frauen". Die bedeu tendste und einflußreichste Rolle spielte unter letzteren die dritte Frau Mohammed's, Mscha, die das zehnte Jahr noch nicht erreicht hatte, als sie Jenem, -der damals ein Fünfzigjähriger war, vermählt wurde. Dieses Mißverhältniß in den Jahren zeitigt« bei Mohammed selbstverständlich bald Essersucht und Miß trauen. „Und nun", sagt Lindau, „nahm auch der Koran, der neben einigen goldenen Sprüchen lauterer Weisheit so viel an fechtbare und lediglich durch di« Individualität, daS Tempera ment, durch den Charakter Mohammed's bestimmt« Vorschriften enthält, den Frauen gegenüber eine ganz veränderte Stellung ein. Jetzt wurde das „heilige Buch" ein treues Spiegelbild der Aengstlichkeit eines eifersüchtigen Asien. Di« unwürdige Ab sperrung der Werber von allem und jedem Verkehr mit Männern, di« ihnen anbefohlen« völlige Verschleierung, wenn sie auS d«m Dunkel deS vergitterten Harems herauSzutreten gezwungen waren, ihre argwöhnische Uedenvachung durch verstümmelte Scheusale, alles Las läßt weniger als vorgeblichen Inspirator des Koran den Erzengel Gabriel erkennen, als den mißtrauischen Gatten eines thörichien und zur Flatterhaftigkeit neigenden Kinde». DaS ist nicht das liebliche Säuseln der Engelstimme, «r ist da» Poltern der Eifersucht. Auch Mohammed, der Adam als den ersten Propheten gelten läßt, hatte sein« Eva. Lindau erzählt dann weiter, wie A'ischa ernstlichen Grund zur Eifersucht gab, was di« harten Bestimmungen d«S Koran über daS Loos der Weiber im Islam zur Folg« hatte. Wir über gehen den ungemein charakteristisch dargestellten Vorgang selbst und wenden un» seinem Nachspiele zu. Mohammed, der nicht di« Rolle eines geprellten Ehemannes spielen, eben so wenig aber auch von seiner geliebten A'ischa lassen wollte, versuchte erst die gegen Letztere erhobenen Beschuldigungen als verleumderisch« Lügen hinzusiellen, als ihm das nicht gelang, mußte wieder der Erzengel Gabriel herhalten. Derselbe sollte angeblich in der Nacht eine Botschaft an Mohammed überbracht haben, „die ihm Gewißheit gewährte, daß Ai'scha unschuldig sei — und wenn nicht, so Gvlt ihr doch verleihen würde." Diese angebliche Bot schaft des Erzengel» hat in der rnernndzwanzigsten Sure deS Koran ihre Siötte gefunden. Lindau giebt di« betreffende Stelle ausführlich wieder, daran die Bemerkung knüpfend: Diese ganze fadenscheinige Argumentation ist nichts Anderes, als das^_blöve Verlegenheitsstammeln eines verliebten alten Narren, der genau weiß, was er von den moralischen Qualitäten seines Liebchens zu halten hat, aber von dem jungen Blut nicht lasser will. Der Ausspruch Mohammed's: „Mir ist auf "dem Gebiete der Vernunft und der Religion kein Fehler bekannt, der das Sitt lichkeitsgefühl im klügsten und verständigsten Menschen so völlig zu «rstickon vermocht«, wie ihr Werber", rührt aus der Zeit seiner Kämpfe um A'ischa her, von da an datirt aber auch sein Be streben, „sich durch Gitter und Riegel vor weiterer solchen Un annehmlichkeiten zu schützen". Weil A'ischa's Leichssinn ihm beun ruhigt halt«, verurtheilte er all« Frauen zur Schmach des lebens länglichen Gefängnisses. Lindau betont des Weiteren mit Recht, daß diese durch rein persönliche Interessen von Mohammed in den Koran einge schmuggelten Bestimmungen um so bedenklicher sind, als sie für Vie nahezu zweihundert Millionen Moslem den Leitstern für alle ihre Handlungen, die Basis ihrer Sitter lehre bilden und in das Dasein deS Einzelnen viel stärker «ingreifen, als etwa Las Evan gelium in bas Leben des gläubigen Christen. „Das Weib hat vsm Mann« nicht b'loS zu gehorchen, es ist überhaupt ein in feriore» Wesen. Die Weiber werden von den Eltern v«r- und vom Gatten gekauft. Der Koran räumt dem Ehemann« aus drücklich da» Recht «in, di« Frau im Falle des Ungehorsam» zu prügeln. Durch den bloßen Willen des Mannes kann sie einfach weggejagt werden. Der Eltern wird vom Koran sogar die Pflicht auferlegt, die Heranwachsenden Töchter unter diesen beleidigenden Bedingungen möglichst schnell an den Mann zu bringen. ES ergiebt sich daraus von selbst, daß alles Erdenkliche geschieht, um di« Wckkber des Islam so viel wie möglich im Zustande der Ein fältigkeit und Unwissenheit zu lassen. Die Mohammedanerin, die von Kindheit an> unter dem Zwange ihrer Sippe steht, kennt weder die Freiheit noch die Vergnügungen der europäischen Ge sellschaft. Sie soll nie erfahren, was außerhalb ihrer vier Pfähle vor sich geht, und di«Europäerinnen nicht beneiden, die ihr von früher Jugend an als untergeordnete, unzüchtige Weibs bilder, als gründlich verächtliche Geschöpfe geschildert werden." Originell und pikant schildert Lindau dann di« Freitage, an denen allein di« mvhammevanischen Schönen Vie Thore ihres Ge fängnisses verlassen dürfen. „Durch di« breiten Spiegelscheiben ser Haremswagcn kann man ungehindert in letzter« hineinsehen. Einige der Damen wirken in ihren prächtigen, grellfarbigen, bauschigen Sckidengewändcr-n sehr schön, mit ihren dunklen Augen, ihren starkgeschwungenen Brauen, den langen Lidern, der meistens mattgclbrn Gesichtsfarbe. Geschminkt sind sie wohl alle. Sie sind, wie die türkischen Städt«, auf Fernwirkung berechnet." Daß sich die Phantasie „von dieser Jugend und Schönheil ohne Lust, von dieser Pracht ohne Genuß" lebhaft angeregt fühl:, erscheint auch Lindau als selbstverständlich. „Wir ersinnen Mär chen von verwunschenen Prinzessinnen, Vie der Erlösung harre:. In uns erwacht ein kindischer Drang, mit ihnen irgendwie zu cominuniciren, ein Drang, der noch erhöht wird durch das Be wußtsein oes U n m ö g l i ch e n, denn", führt r-r weiterhin aus. „man traue nur Denen nicht, die von galanten Abenteuern mit schönen Türkinnen fabeln! Dafür bat Mohammev gründlich gesorgt, daß Annäherungen an die Bekennerinnen des Islam Unmöglichkeiten geworden sind. Es fehlt ja an allen Vor- und Zwischenstufen der Intimität." Der Autor berichtet dann nock von etlichen „tiirk'isch-n Liebesromanen", wie solche sich höchstens TultanStöchter erlauben dürfen, und die durchweg einen graust gen Abschluß fanden. Ebenso läßt er den Leser einen Blick Hineinthun in die inneren Zustände der großen HaremS. Ein solcher ist übrigens eine sehr kostspielige Sache, so daß jugend liche, abenvlänvische Schwärmer für Harems zustande (er giebt solche Schwärmer wirklich) wohl kaum an eine Verwirklichung ihrer we-iberfeindlichen Phantasien Herangehen werden. Do be richtet Lindau, daßdieGattindeS Marineministers Hassan Paschas «inen Hausstand von e:wa 80—100 weiblichen Personen Ml:, darunter Tänzerinnen, Sängerinnen und Scritenspielerinnen. Die Kosten für den Unterhalt dieses Harems werden auf etwa 600 000 Frcs. jährlich angegeben. Di« gleiche sorgfältige Ausführung, die Lindau diesem selt samen Lultur- und Sittenbild« hat zu Theil werden lassen, ge staltet auch Vie übrigen Capitrl des inhaltreichen Buche» zu einer ebenso fesselnden wie belehrenden Lectüre. Mit historischen Rückblicken wechseln landschaftliche Schilderungen, Beobachtungen über orientalische Kunst, >umd lustige Anekdoten wieder lösen stati stische Aufzählungen ab. Da» Werk kann mithin al» ein dan- kenSwercher Beitrag xur Kenntniß Orient» angesehen wer- den. > - M. Uh s«.
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