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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961012020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896101202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896101202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-12
- Monat1896-10
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7-182 lange dk gegenwärtige Machtcvnstellation bestehen bleibt, so lange Rußland« Politik in Ostasien alle Hände voll zu thun hat und Deutschland seinem östlichen Nachbar weder dort, noch im Orient hindernd in den Weg tritt, oder eine Situation herbeiführt, di« für Rußland von d«r polnischen beite her gefährlich wäre, für durchaus unwahrscheinlich, daß die zarische Regierung sich durch französische Ambitionen und Provocationen dazu drängen lassen könnte, die eigene Ruhe und die Ruhe der Welt diesen zu opfern. Wenn also ei» französisches Blatt jubelt: „Es bat sich in der Welt etwa« verändert", so ist gerade da« Gegentheil richtig. Geändert batfich nur derGrad derVerantwortung,welche die russische Politik trägt. Sie ist ungleich schwerer, als vor den Tagen von Pari« und ChalonS, und darüber giebt man sich in Petersburg sicherlich auch keiner Täuschung hin. Will man den fran zösischen Freund auf der vom Zaren deutlich vorgezeichneten Linie halten, so wird man sein überquellendes Selbstgefühl unerbittlich einzudämmen haben. Wir hoffen und vertrauen, daß der Zar und seine Regierung dieser schwierigen Aufgabe sich gewachsen zeigen werden. * Daß e« dem Sultan und der türkischen Regierung mit dem jüngst zur Schau getragenen Reform eifer nicht Ernst ist, war vorauSzuseben, wenigstens konnte man sich, gestützt auf mancherlei Erfahrung, darauf gefaßt machen, daß, wenn schließlich doch etwas aus dem Bereich der Versprechungen in die Wirklichkeit übergeführt werden sollte, dies nicht viel zu bedeuten haben werde. So wird der „Intern. Corresp." »Mterm 11. October aus Konstantinopel gemeldet: Der gestrigen Botschafter-Sitzung, welche im Palais der österreichischen Botschaft slattfand, lag der Entwurf des kaiserlichen Jrades vor, welcher die Einführung der Verwaltungs- reformen in allen Provinzen des türkischen Reiches anordnen soll. Die Botschafter erklärten einstimmig den Wortlaut dcS Jrades als viel zu unbestimmt und nichtssagend: man beschloß daher, der Pforte zu antworten, es müsse vorher eine inter nationale Commission eingesetzt werden, um einen genauen Reformplan ausznarbeiten. Eines hat der Sultan wenigstens erreicht, und darauf kam eS ihm vor Allem an, er bat wieder Zeit gewonnen, denn die Zusammensetzung einer internationalen Eonferenz und ihre Einigung über einen umfassenden Resormplan kommt nicht von beute auf morgen zu Stande. Auch die zur Ermittelung der an dem Blutbad vom 28. August die Schuld Tragenden eingesetzte Commission scheint Spiegelfechterei gewesen und bereits in der Auslösung begriffen zu sein. „Wie konnten," schreibt die „Neue Freie Presse", „diese türkischen Functionaire ausländischer Herkunft, diese Kampbövener Pascha, Lecoq Pascha, Szechenyi Pascha, sich auch so gröblich in der Intention irren, welche mit ihrer Mission verknüpft war? Sie wollten unparteiisch sein und sollten doch von Amts wegen finden, daß die türkische Polizei einschließlich der Knüttelmänner an jenen schrecklichen August tagen nichts als ihre Schuldigkeit gethan hätte. Es wurde ihnen ein entsprechendes Protokoll unterbreitet, und als sie sich weigerten, dasselbe mit ihren Unterschriften zu versehen, wurden sie von dem Geheimsecrelair des Palastes, Izzet Bey, sehr empfindlich angelassen. DabatKamphövener Pascha, indem er dem Geheimsecrelair bemerklich machte, daß er preußischer General und Marschall des Sultans sei, aus feinen Sitz in der famosen Commission verzichtet und Lecoq Pascha hat sich „als Soldat und anständiger Mensck" mit ihm solidarischerklärt. Der Borgang ist typisch für die Vorstellungen, welche man in Konstantinopel von den Commissionen hat, mit deren Hilfe man der Welt von altersber Sand in die Augen streut." Wir haben noch keine Bestätigung dieser Meldung erkalten, theilen sie aber in der Hoffnung mit, daß ihr ein osficiöses Dementi auf dem Fuße folgt. — In Kreta scheint es gleichfalls mit der Einführung der Reformen nicht recht vorwärts gehen zu wollen, wenigstens haben der „Int. Corr." zufolge die Botschafter der Pforte erklärt, die Einsetzung der internationalen Militaircommission zur Organisirung der kretensischen Gendarmerie dürfe nicht länger verzögert werden. Die Regierungen der Großmächte seien bereit, den Militairattachös der Kon stantinopler Botschaften die Mitwirkung an Len Arbeiten der Commission zu gestatten. Ebenso sei es nothwendig, die Vorarbeiten zur Ausnahme der kretensischen Anleihe zu be schleunigen, da der Nothstand auf der Insel keine weitere Verzögerung der Angelegenheit zulasse.— Zn Makedonien glimmt der Aufruhr weiter, es kommt fortgesetzt zu Zusammen stößen der Insurgenten mit türkischen Truppen, bei denen bald diese, bald jene eine Schlappe erleiden. Zu einer größeren Action haben eS die Aufständischen indesseu bisher nicht bringen können und der nahende Winter dürfte ihren Operationen für diese« Jahr ein Ziel setzen. In Bezug auf die jüngsten Vorgänge in Zanzibar nimmt der „Hamb. Corr." in einem officiösen Artikel das Wort. DaS Blatt knüpft an die Mittheilung LeS „Reuter'schen BureauS" an, die Verstärkung der englischen Zanzibarflotte stehe in Zusammenhang mit der „Flucht" deS Prätendenten Said Khalid auf deutsches Gebiet und fährt dann fort: „Deutschland hat den Flüchtling nach dem ostafrika nischen Schutzgebiet schaffen lassen, da er auf die Dauer doch nicht im deutschen Consulat in Zanzibar bleiben konnte, ohne der Sckutzmackt Unanehmlichkeiten zu bereiten. Für England hat dieser Schritt gar keine Bedeutung, nachdem deutscherseits die Auslieferung deS flüchtigen Sultan« verweigert worden war. Der Protest de« englischen ConsulS in Zanzibar gegen die Ueberführung war vollkommen zwecklos, da die>e Absicht in London officiell mitgetheilt worden war, ohne daß, soweit bekannt, die englische Regierung Schritte gethan hat, um die Ausführung dieser Maßregel zu verhindern. Wenn England jetzt sein Geschwader in Zan zibar verstärkt, so giebt cS dafür nur die Erklärung, daß man in London befürchtet, Said Khalid könne vom Festlande aus Schritte thun, um in Zanzibar zu intriguiren und dem Protektor, der ihn auS dem Sultanate vertrieben hat, Schwierigkeiten zu bereiten. Ob Said Khalid sich heule noch als „Prätendent" fühlt, wissen wir nicht. Darauf kommt es für Deutschland auch gar nicht an, denn das ist doch selbstverständlich: der unter deutschem Schutz siebende und auf deutschem Boden befindliche Ex-Sultan hat die Pflicht, sich jeder Handlung zu enthalten, welche einen Mißbrauch deS dem politischen Flüchtling gewährten Asylrcchts in sich schließen könnte. Anderenfalls würde Deutschland die Pflicht haben, ihm anheimzugeben, Las deutsche Gebiet zu verlassen und anderswo ein Unter kommen zn suchen. Wenn also die „Pall Mall Gazette" meint, das Verhalten Deutschlands in dieser Sacke habe dem englischen Publicum vor Augen gerückt, was bezüglich des Zanzibar-Vertrages, der England Helgoland gekostet, von der boua ticles Deutschlands zu halten sei, so ist die Anklage nur von psychologischem Interesse. Seitdem die Türkei dem englischen Thatendrang versperrt ist, sucht man, wie es scheint, nach einem anderen minder schwierigen Terrain für die Be- lhätignng desselben und ergeht sich fürs Erste in heftigen und leidenschaftlichen Worten. Der Drohung, den deutschen Freunden in Bezug aus Zanzibar einen Denkzettel zu geben, den sie sicher nie vergessen werden, ist in Deutschland ein Heiterkeitserfolg gewiß." In gleichem Sinne haben wir uns bereits ausgesprochen. Deutsches Reich. * Berlin, 11. October. Die Berliner „Volks-Zeitung" citirt in einem Artikel über den Fürsten Bismarck und die Maigesetze aus einem Briese desselben an den Grafen Roon eine Stelle, wo es heißt: „Ich stehe dienstlich auf der Bresche und mein irdischer Herr hat keine Rückzugslinie, also: vexilla rexis prockeuot und ich will, krank oder gesund, die Fahne meines Lehnsherrn halten, gegen meine sactiösen Vettern so fest wie gegen Papst, Türken und Franzosen." Das urgelekrte Berliner Demokratenblatt übersetzt die lateinische Stelle wie folgt: „Die Fähnlein des Höllenfürsten rücken an; der bekannte Anfang eines lateinischen Hymnus." Hieran anknüpfend, schreiben die „Hamb. Nachr": „Die „VolkS-Ztg." scheint zu den infernalischen Mächten in engeren Beziehungen als zu den himmlischen zu stehen, wenigstens können wir uns ihre Uebersetzung nur so erklären. Fürst Bismarck hat, als er den Bries an den Grasen Noon schrieb und ebenso als er die darin enthaltenen lateinischen Worte später einmal im Reichstage gebrauchte, sie aus einem Hymnus des Fortunatus citirt, der sich im „Hymnologischen Blüthenstrauß altlateinischer Kirchenpoesien", gesammelt von vr. H. A. Daniel (Halle, E. Anton, 1840) findet, als „Hymnus äs pki8sione Oomiui" in der neueren Samm lung „I^auäa Liorst', Auswahl der schönsten lateinischen Kirchen hymnen von K. Simrock, Stuttgart, Cotta 1868, abgedruckr ist und dessen Eingang lautet: Vexrlla regw proäeunt (tulxst. crucis mvsterium stc.). Wenn die „Volks-Ztg." den Vers auf den Höllenfürsten bezieht, so hat sie allerdings insofern Recht, als Dante im 34. Gesänge der Hölle die höllischen Heerschaaren mit dem Hymnus Vexilla rezis proäeunt inkerui einführt. Der Dichter hat also durch Hinzufügung des lnksrui feinem Zwecke entsprechend den rsx in satauas umgewandelt, und wir finden es ganz begreiflich, daß diese Travestie ins Höllische dem Berliner Demokratenblatte und seinem unchristlichcn Hasse gegen den Fürsten Bismarck besser zusagt als der kirchliche Urtext des Fortunatus." * Berlin, 11. October. Die Bäckereiverordnung hat mittelbar eine Privatklage des Bäckermeisters Pctzold aus Löbtau bei Dresden veranlaßt, die gestern vor dem hiesigen Schöffengericht verhandelt wurde. Angeklagt war der Redacteur der von der hiesigen Bäckerinnung herausgegebenen „Bäckerztg." Wilhelm Paersch. Herr Petzold gehörte zu denjenigen Bäckermeistern, die s. Z. von der Arbeilerschutz- commission vernommen wurden. Abg. Bebel hatte ihn s. Z. in einer Reichstagsrede als einen „weißen Raben" bezeichnet, denn er hatte vor der Commission ausgesagt, daß er mit einer neunstündigen Arbeitszeit einen Betrieb eingerichtet habe, bei dem er im Stande sei, allen Bedürfnissen seiner Kundschaft gerecht zu werden und noch in die Lage gekommen sei, die Sonntagsarbeit abzuschaffeu. Ueber diesen „socialdemokratischen Musterbäckermeister" brachte das Iunungsorgan in seiner Nr. 9 einen Artikel, worin mit- getbeilt wurde, daß dieses Kunststück Petzold'S dadurch seine Erklärung finde, daß er mit Hinterlassung einer großen Schuldenlast verduftet sei, nachdem er noch so unhöflich ge wesen, seine „Genossen" hineinzulegen. Wer seine Mehl rechnungen nickt bezahle, so fügte das Blatt hinzu, könne wohl leicht den redlichen Wettbewerb au- dem Felde schlagen. Die „Bäckerzeitung" war genöthigt, die thatsachliche Unwahrheit dieser Mittheilung anzuerkennen und einer Berichtigung Petzold'S, der nickt verschwunden war, Raum zu geben. Petzold hat nun noch den Privatklageweg gegen alle Zeitungen beschritten, die den falschen Bericht der „Bäckerzeitung" nack- gedruckt batten. Ter Kläger halte unter Beweis gestellt, daß ihm durch den Artikel großer Schaden zugefügt worden sei, da er darob nur mit Schwierigkeiten und unter erhöhtem Preise von Mehlhändlern in Dresden sein Mehl habe beziehen können. Er verlangte daher nickt nur eine Bestrafung des Angeklagten, sondern auch eine Buße von 3000 und batte eine ganze Reibe von Zeugen auö Dresden geladen, die seine Bebauptung über den erlittenen Schaden bestätigen sollten. In einem anderen Processe war zur Sprache gekommen, daß der Artikel von dem Obermeister Bernard auf Grund brief licher Mittheilung aus Dresden versaßt worden ist. Nach sehr langen Vergleichsverhandlungen kam zwischen den Parteien ein Vergleich zu Stande, wonach der Angeklagte den Namen des Dresdener Briefschreibers nennt, eine zufriedenstellende öffentliche Erklärung erläßt, sämmtliche Kosten übernimmt und an den Kläger eine Buße von 1000 zahlt. — „Authentisch" berichtet der Correspondent der „Franks. Ztg." aus Konstantinopel: General von Grumbckow- Pascka habe außer seiner Mission an den deutschen Kaiser noch eine Specialmission in Deutschland auszusübren, die mit nambaften Neuanschaffungen bebufs Completirung der Artillerie zusammenbängt. Diese Notiz entbehrt, wie die „Post" erfährt, jeder thatsächlichen Unterlage. — Der Deutsche Bürgerverein „Vorwärts"- einer der ältesten konservativen Vereine Berlins, hat in einer am 8. d. M. abzebaltenen Versammlung einstimmig folgende Resolution gefaßt: „Der Deutsche Bürgerverein „Vor wärts" bedauert, daß Herr v. Krause, Verfasser einer Schmähschrift gegen Hofprediger Stöcker, immer noch Vor sitzender res Wahlvereins der Conservativen Berlins ist. Ferner spricht der Verein über die gegenwärtige Lage der Bürgervereine sich dahin aus, raß dieselben auch ferner das Tivoli-Programm für fick anerkennen, daß sie aber mit Rücksicht auf unsere Berliner Verhältnisse mit den Deutsch socialen und Christlichsocialen enge Fühlung und Freundschaft halten müßten." — Der Gesandte in Stuttgart von Holl eben hat sich nach Stuttgart zurückbegeben. — Ter am hiesigen Hofe beglaubigte Gesandte der Schweizerischen Eidgenossenschaft Lberst Roth ist vom Urlaub zurückgekehrt. * Danzig, 10. Oktober. Unter Führung des Ober präsidenten v. Goßler begab sich eine Commission von Beamten nach dem sogenannten Danziger Haupt, nm das von der An siedelnngscom Mission erworbene Terrain in Augen schein zu nehmen und zu prüfen, ob sich dasselbe zur An legung von Rentengütern eigne. Es hat sich dabei, wie die „Danz. Ztg." erfährt, herausgestellt, daß der Grund und Boden sehr gut hierzu geeignet und auch preiswert!) ist. Eine zweite Frage wurde zur Erörterung gebracht, nämlich, ob sich das Gelände mehr zur Auftheilnng größerer Rentengüter oder besser zu Arbeiterstellen eignet. Man kam dahin überein, daß es angebracht wäre, Arbeiterstellen in der Größe von 2—4 Morgen aufzutheilen, deren Bewirthschaftung den Frauen der dort wohnenden Arbeiter, Fischer, Schleußeu- beamten rc. nicht schwer fallen würde, während die Männer ihrem Berufe nachgehen könnten. Die jährliche Rente würde dem jährlichen MicthzinS, der von den dort wohnenden Arbeitern jetzt gezahlt wird, gleichkommen und nach einer Reibe von Jahren würde die Stelle in das Eigenthum des Rentenzahlers übergehen. * Tcssan, 10. October. Das älteste Mitglied der souve ränen Familien Europas, die verwittwete Frau Herzogin von Anhalt-Bernburg geb. Prinzessin Friederike zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, vollendete am 9. October ihr 85. Lebensjahr. * Essen, 10. October. Wie gemeldet, wird der Kaiser im Laufe dieses Monats den Krupp'schen Werken in Essen einen Besuch abstatten. Hierzu wird der „Voss. Ztg." ge schrieben: „In der Kanonenwerkstatt der hiesigen Krupp'schen Gußstahlfabrik herrscht gegenwärtig eine überaus rege Tätig keit. Es werden unter Anderem auch Versuche mit einer neuen für die Leistungsfähigkeit der Geschütze und Geschosse wichtigen Erfindung angcstellt, über die natürlich nichts Näheres in die Oeffentlichkeit dringt. Auch der Kaiser soll sich für diese neue Erfindung sehr interessiren und fick an Ort und Stelle persönlich von deren Wirkungen überzeugen wollen, weshalb sein Besuch bei Geheimrath Krupp in der nächsten Zeit bestimmt erwartet wird." * Äotha, 10. October. Das „Gesetzblatt" verordnet die Nachweisung der Staatsangehörigkeit außerdeutscher, in Betriebe innerhalb des Herzogthums eintretender Arbeiter. * Wiksbade», 10. October. Feldmarschall GtitMädMnr Graf Gurkow ist hier eingetroffen. * Stuttgart, 10. October. Der Ortsausschuß der deutschen Partei beschloß, die Anregung zu einer all gemeinen Feier des hundertsten Geburtstage« deS Kaiser« Wilhelm I. am 22. März 1897 zu geben. * München, 10. October. Die Landwirthschast verlangt, daß die Menagecommissionrn der einzelnen Compagnien, Bataillone und Regimenter Kartoffeln und andere Victualien dierect beim Producenten einkaufen. Das bayerische Kriegsministerinm hat jedoch, der „F. Z." zufolge, in einer Verfügung erklärt, daß es den Menagecommissionen derartige Anweisungen nicht geben könne. Frankreich. Rachklänge vom Zarenbesuch. * Paris, 10. October. Der „Jour" tischt seinen Lesern das Märchen auf, der Zar habe während der Revue in CbalonS eine chiffrirte Depesche Kaiser Wilhelm's erhalten, worin der Kaiser dem Zaren mittheilte, die ganze Garnison von Metz werde bei der Durchfahrt des Zaren zur Begrüßung bereit stehen. Der Zar habe umgehend dankend abgelehnt und habe dann eine neue Depesche Kaiser Wilhelm's, diesmal in englischer Sprache, empfangen, in der es hieß, die Armee werde trotzdem zur Stelle sein. Diesmal habe der Zar nicht mehr geantwortet. Der „Jour" erzählt das ganz ernsthaft. * Paris, 11. October. Ein obscureS Blättchen, die „V6- rito" (!), erzählt ganz ernsthaft, Kaiser Wilhelm sei Donnerstag während der Festlichkeiten zu Ehren des Zaren incognito in der Spiegelgalerie des Schlosses zuVersarlles gewesen. In der „Vsritö" wird sehr anschaulich geschildert, wie der Kaiser finster in einer Ecke gestanden habe. DaS mit Rochefort's Hilfe gegründete „Echo du Soir" hat e« für nölhig befunden, über diesen Hellen Blödsinn Recherchen an zustellen, und natürlich überall Dementi« geerntet, das Blatt behauptet aber, man habe ihm aus der Polizeipräsectur erklärt, daß der Kaiser allerdings früher schon incognito in Paris gewesen, die Polizei aber sei immer davon benach richtigt worden und habe den Kaiser durch Agenten be wachen lassen. Italic«. * Rom, 11. October. Der Minister des Aeußern Venosta veranstaltete heute zu Ehren der montenegrinischen Minister eine Tafel, zu der auch der Ministerpräsident di Rudini und andere Minister, sowie mehrere Hofwürden träger, die Spitzen der Civilbehörden und die höheren Beamten des Ministeriums des Auswärtigen erschienen waren. Großbritannien. Der Rücktritt Rosebery'S. * London, 12. October. (Telegramm.) Die Blätter bringen die Nachricht, daß Lord Rosebery alle seine politischen Verpflichtungen aufgegeben habe, man glaubt jedoch nicht, daß er beabsichtige, sich dauernd vom politischen Leben zurückzuziehen Die „Times" stellen die Lage hinsichtlich der Führerschaft der liberalen Partei als änßerst verwickelt dar, so daß der Wiedereintritt Gladstone's in das politische Leben zur Wiederherstellung der Einigkeit ernstlich ge boten erscheine; dieser Vorschlag sei indessen in Anbetracht des hohen Alters Gladstone's ein Rath der Ver zweiflung. Dänemark. * Kopenhagen, 11. October. Der Verein der dänischen linksparteilichen Blätter, welcher bisher dem Beitritt Dänemarks zur Berner Convention betreffend Len Schutz des Ur heberrechts Widerstand geleistet hat, nahm in einer heute stattgehabten Generalversammlung eine Resolution an, in welcher erklärt wird, daß der Verein nach dem Beitritte Nor wegens zur Convention keinen Anlaß habe, den Widerstand fortzusetzen. Orient. Die türkischen Wirren. * Athen, 10. October. (Meldung der „Agence Havas" ) Der makedonische Bandenführer Gula Grutas wurde bei einem gestern erfolgten Zusammenstöße mit türkischen Truppen getödtet und sein Kopf im Triumphe zurück nach Grevena gebracht. Seine Bande rückt inzwischen in der Richtung auf Siatista vor. I. 6. Eanea, 11. October. Die grauenhafte Zerstörung und Schändung des christlichen und jüdischen Fried hofes in Heraklion durch den mohamedanischen Pöbel wurde von den Consuln in amtlicher Form den Regie rungen gemeldet. Gleichzeitig erhoben die Consuln wegen des Vorkommnisses und besonders wegen der theilnahmlosen Haltung des türkischen Militairs während dieser Scenen bei dem Generalgouverneur sehr ernste Vorstellungen. * London, 12. October. (Telegramm.) Die „Times" melden ferner aus Konstantinopel unter dem 10. d. M., daß die Botschafter nach einer Unterbrechung von zehn Tagen gestern wieder zu einer Berathung zusammen- „ES ist hier so Vieles unklar, was mir mein Neffe heute noch aufklären muß, wenn ich nicht einer schlaflosen Nacht entgegensetzen soll. Entweder ist er, ganz so wie er mir sagte, im Hotel Bristol abgestiegen und in diesem Falle muß er mit dem weiblichen Wesen, von dem der Oberkellner uns erzählte, in Beziehungen gebracht werden, oder aber er ist nicht hier abgestiegen und dann bat er mich belogen." Fragend blickte Stepan Wassilitsch in das Gesicht der Petuschkiwna, offenbar wollte er ihre Meinung hören, aber diese äußerte niemals eine Meinung über Ilija Andrej. „Ich weiß nicht, mein Fürst, ob sich diese Fragen je beantworten lasten, die Hauptsache ist, daß der junge Herr da ist." Mißmuthig wandte sich Stepau Wassilitsch ab. Er fühlte mehr denn je, daß in Sachen seines Neffen er kaum auf die Mitwirkung der Petuschkiwna zu hoffen babe. Diese zog fick auf einmal zurück und das war dem Fürsten lieb, mit seinem Neffen mußte er allein fertig werden. Er citirte den Nahim herbei, der sich seit einer halben Stunde in sein Burschenzimmer verkrochen, weil er ermüdet war, denn er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. „Verschaffe mir einen Wagen, Nahim, Du wirst mich be gleiten, wir haben einen Besuch zu machen." Der Tatar horchte erstaunt auf und blickte nach der Pendule binüber; der Fürst indessen, welcher eS seinem Lebens retter ansah, daß er Bedenken geltend machen könnte, deutete energisch mit der Hand nach der Thür, zum Zeichen, daß er gehen solle. » Noch einen Augenblick lang zögerte Stepan Wassilitsch, noch erwog er, ob er eS wagen solle, ohne Genehmigung der Sonja sich zu seinem Neffen noch in dieser Abendstunde zu begeben, dann aber raffte er sich trotzig auf, griff nach seinem Pelz und verließ da« Gemach. Ging sie nicht auch, ohne ihn zu fragen? ES that ihm Wohl, die Bande etwas gelüftet zu haben, die die Petusch kiwna um ihn geschlungen. Und als er auf dem Corridor mit seinen Stelzfüßen dahinschritt, fragte er sich, ob Sonja nun ebenfalls Stunden der Unruhe zu durchleben habe, wie er. Im nächsten Augenblick kamen ihm diese Gedanken kindisch vor und er schämte sich ihrer. Trotzdem that es ihm wohl, sich ein« Art von Genugthuung ihr gegenüber verschaffen zu können. Der Hotelwagen war bereit, den Fürsten nach dem nicht Weit entfernten Heilinstitut deS DoctorS Rüsolm zu bringen. Hm Vestibül legte Nahim ihm den Pelz um und dann stieg der Fürst mit vieler Rüstigkeit in den Wagen. Nahim nahm wie gewöhnlich neben ihm Platz. Als das Gefährt in die Straße hinein rollte, konnte sich der Fürst nicht enthalten, seinen Diener zu fragen, ob er vielleicht erfahren habe, wo Sonja Petuschkiwna beute einen Besuch gemacht. Der Tatar blinzelte mit den Augen, lächelte unterthänig, aber wußte es nicht. Mürrisch wandte sich der Fürst von ihm ab; was hätte er darum gegeben, erfahren zu können, wo Sonia war. Da hielt der Wagen schon, Stepan Wassilitsch blickte durchs Wagenfenster und sah die Front eines palastartigen GebäydeS. Der Wagenschlag wurde geöffnet und der Fürst stieg mit der geschickten Unterstützung seines Nahim aus. Er gab dem Kutscher Befehl, auf seine Rückkehr zu warten, während Nahim die paar Steinstufen zum Hause hinaufstieg und an einer Klingel zog. Alsbald erschien ein Portier, der eine beinahe bunte Livree trug und Nahim rief diesem zu: „Fürst Romanskoi!" „Ist Ihr Doctor zu Hause?" fragte der Fürst von der Straße herauf und wagte es nicht, ohne die Unterstützung Nahim'S die Steinstufen zu betreten. Eine Minute später stand Stepan Wassilitsch in einem mit Teppichen belegten Hausflur, wo sich vor ihm ein kleiner sehr gelehrt aussehender Herr devot bi« über den Gürtel verbeugte. „Doctor Rüsolm, mein Fürst, ich stehe vollkommen zu Ihren Diensten. Darf ich Sie bitten, ins Zimmer zu kommen? Sie sind leidend, ich wußte bis jetzt nicht, daß mein Ruf so weit gekommen sei, daß ich der Ehre gewürdigt werden konnte. . ." „Ich komme nicht als Patient", entgegnete dieser und war etwas ungehalten, denn nichts war dem Fürsten un angenehmer als sinnlose Complimente, „sondern ich bitte Sie, mich zu dem Grafen MatscherSkoff zu führen." Und als der Arzt wie verblüfft dastand und nicht gleich antwortete, fuhr der Fürst mißtrauisch auf: „Was soll da bedeuten? Ist Graf MatscherSkoff nickt im Hause?" Wie kalter Reif legte sich die Befürchtung, daß Ilija Andrej gar nicht im Hause sei, auf sein Herz und Gemüth. Mit verhaltenem Athem, mit stechendem Blick starrte er in das Angesicht des Mcbiciners. Dieser wußte sich in der That noch immer nicht zu fassen. „Der Herr Graf ist in der That anwesend", begann er endlich, „aber sein Zustand ist in der That —", er blickte hier nach einer Thür des Erdgeschosse« hinüber, hinter der sich etwas regte —, „in der That nicht Besorgniß erregend. Eine kleine Wirbelverrenkung, eine schmerzhafte Venenziehung, einige Hautschürfungen und dazu kommt noch ein hochgradiges Schnupfenfieber. Bei der Jugend des Patienten indessen, bei seiner ganzen Constitution erscheint jede ernste Gefahr aus geschlossen." „Haben Sie die Güte, mich zu meinem Neffen zu führen." „Der Patient schläft und in Anbetracht der Fieber erscheinungen . . ." „Dann wecken Sie ihn", unterbrach der Fürst den Arzt eigensinnig, und hatte ihn zugleich in Verdacht, daß er nicht übel Lust habe, ihn hinaus zu complimentiren. „Es dürfte nicht ganz unbedenklich sein, den Patienten gerade jetzt auS dem Schlummer zu wecken, will es aber mit den nöthigen ärztlichen Vorsichtsmaßregeln versuchen. Haben Sie die Güte, nur einen Augenblick inS Sprechzimmer ein zutreten." ' Als Stepan Wassilitsch sein Mißtrauen entwaffnet sah, fügte er sich gern dem Wunsche deS ArzteS und trat ins Sprechzimmer eia. ES war ein mehr als dürftig aus gestattetes viereckiges Gemach, das von einer Petroleumlampe beleuchtet wurde. Dieser Doctor Rüsolm sowohl, als auch sein Empfangszimmer, machten keinen guten Eindruck auf den Fürsten. Volle zehn Minuten ließ man ihn warten. Endlich er schien der Arzt, welcher vielleicht inzwischen Toilette gemacht, wieder. „Der Herr Graf", begann der Arzt, und da« schmale Gesicht war nun roth vor Aufregung, „glaubt nicht, daß sein hoher Verwandter, Fürst RomanSkoi von Slekok im Hause sei. Er behauptete, es sei das einfach undenkbar." „Dann werde ich mich ihm selber zeigen!" entschied sich Stepan Wassilitsch und ging nach der Thür, „haben Sie die Güte, mich in sein Gemach zu führen." „Mit Vergnügen, mein gnädigster Herr." Der Arzt ging nun dem Fürsten voran auf den Haus flur zurück und von dort gerade auf jene Thür zu, hinter der vorhin daS verdächtige Geräusch vernehmbar war. Er lauschte einen Augenblick und öffnete jetzt »st vorsichtig die Thür. DaS Alle- kam dem alten Herrn höchst merkwürdig vor, und man sah e« ihm an, wie er vor Begierde brannte, in daS Zimmer zu seinem Neffen zu gelangen. Er schob den Arzt auf der Schwelle zur Seite und trat ein. Dieser und Nahim blieben zurück. In dem ebenfalls fragwürdig ausgestatteten Gemach, das von einer grünen Ampel beleuchtet wurde, befand sich kein Bett, wie der Fürst erwartet, sondern ein alter Divan stand an der jenscirigen Wand und auf diesem lag ein junger Mann, der mit einer rothen Decke zugedeckt war. Im Zimmer war es drückend warm, die Luft war mit Parfüm durchhaucht. Dieses Parfüm fiel dem Fürsten auf. Braucht Ilija Andrej jetzt, nach seiner Reise um die Welt Parfüm? „Guten Abend, mein theurer Ilija Andrej. Du schriebst mir nach Slekok und Dein Brief lief mir hierher nach. Wie geht es Dir? Was hat denn dieses Parfüm in Deiner Stube zu bedeuten?" Dunkelroth im Angesicht richtete sich der Patient auf. Jetzt machte er in der That den Eindruck eines Fieberkranken. „Der Arzt sagte mir", fuhr Stepan Wassilitsch fort und weidete sich an dem Unvermögen seines Neffen, sich auch nur zu einer passablen Antwort aufzuraffen, „daß Du gar nicht daran glauben wolltest, daß ich mit unserer lieben Sonja Petuschkiwna hier sei?" „Ich konnte das nicht gut annehmen, theurer Onkel", brachte Ilija mühsam hervor, „und doch hätte ich mich er innern müssen, daß die Reise ja projectirt war." „Ganz recht", der Fürst blickte sich hier wieder im Zimmer um, „Du hättest Dich erinnern müssen." Er ging auf ein mal auf den runden Tisch zu, auf dem die alte Petroleum lampe stand, hob die herabhangenden Zipfel der verschossenen Tischdecke auf und deutete auf eine altmodische Fruchtschale, die mit Apfelsinen, Papilotten, Pralinös und russischem Thee- kucken gefüllt war. „Warum stehen denn diese Süßigkeiten unter dem Tisch, mein lieber Ilija?" „Ich weiß nicht", entgegnete dieser verwirrt, „der Doctor hat das Körbchen weggeräumt." „Ich wußte gar nicht, daß Du für solche Süßigkeiten schwärmst. Jedenfalls hast Du Dir da« auf Deiner Reise um die Welt angeivöbnt." WaS sich Stepan Wassilitsch in diesem Augenblicke dachte, verrieth er seinem Neffen nicht, Wohl aber blickte er ihn voll Bosheit scharf und fragend an. Dieser saß da, als ob er ersticken müsse. „Auf mich macht diese« Zimmer den Eindruck eines Schlupfwinkels, in dem Du Dich am Ende von einer Dame bedienen und pflegen läßt, denn hier riecht e« nach Damen l" (Fortsetzung folgt.)
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