01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961107017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896110701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896110701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-07
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Bezug-'PreiS ftt «M chONtzteppetzttloN ovo« SO 1» Bttchs- ichtztrt «nd dm Bororieu «rickteren AuS- oabesrellen «bgebvlr: viert»li»brtich^lL.r(L 5»i »wrunallarr täglicher Zuftellnn- m« Hau» ÜLO. Durch die Poft bezog» für LmUschland »nd Oesterreich: oienrlitdrlich X A—. Liren» tägliche Kreuzbaadieadiurg PO U»ät«ch: M*»c»iich 7ch<z. DI» Morgm-HstPgar, «rschedck ma '/,7 Uhr. Ich Abentz-Misgabr ^Rochen *ng« AW A Uhr. Ledvti« mtz Lrvrttttrm: L-tztm»e«>nfi« L. DteKz»e»ttton ist Wochen«,« «nnterbroch« W^jftech von früh 8 hi» Abend« 7 Uhr. FiNalk«: Dtt» Ole»«'s Lorti». Mkkretz Patz»^ Uoiversitäitstratz« S (Paulinumj, Lonl« Lösche, Katbarnienftr. 14. oan. und Königsvlatz 7- Morgen - Ausgabe. MpMr TagMalt Anzeiger. AmtsbsaLt -es H'önigkichen Land- «nd Ämlsgerichkes Leipzig, des Nalhes und Nolizei-Äintcs der Ltadl Leipzig. 5K7. «»«»»»«»»SSOSWSSSSSSSSSSS Sonnabend den 7. November 1896. Anzeigeu-Prei- dir S gespaltene Petitzeile PO Pf-. Neelame» unter de» Aedacttonsstrich (4ge- spalte») ÜO^, vor den Kamülennachrichtea (SgeipaUo) 40 Grvher« Schriften lant »nserem PniS- »«rzelchnch. Labellariicher and Ztsftrajatz nacy Häher«, Laris. Gptt»-Vril»»e» (gefalzy, »nr mit der Vtorqea-Auoaab«. odae BoftbrsSrderaag 80.—, mlt PojtdesSrdernng ^l ?v.—. ÄnoahmeschluL für Aazei-ru: Abend-Ausgab«: vormittag« 10 UhL Diorgr»-Ausgabe: Nachmitlag« 4 Uhr. Lei den Filialen und Annadmrftelle» je «in* halbe Stunde früher. Uttgeigr» sind stet« an dt» Gxpröttt»» zu richt«. Druck und Berlin non E. Bolz tn Lelvji- SV. Jahrgang. Die Sedeutung -es Sieges Mac Hinley's für Amerika mid Europa. Vs Der mit einer überraschend großen Mebrbeit er rungene Sieg Mac Kinley'« bat die Bereinigten Staaten zweifelt»« vor einer unmittelbaren schweren Eisckütte- rung bewahrt. Denn selbst wenn man da« Undenkbare an nehmen will, daß dir Absichten Brvao'S, falls seine Wahl ibm di« Durchführung ermöglicht oätte, in ilrem schließ lichen Erfolge zu einer Hebung der Lage der Bereinigten Staaten gerührt batten, so wurden sie für'« Erste eine schwere Krisis hervorgrrufcn haben. Und e« ist dabei eben di« Frage, ob der obnebin in schwieriger Lage befindliche Tiaal sich durch diese Krisis zu der angeblich besseren Zukunft noch hätte hindurch finden können. Wir haben gesagt, daß Mac Kinley'« Wahl den Staat vor einer unmittelbaren schweren Krisi« bewahre; eine latente Krisis aber bleibt bestehen, einmal natürlich, weil durch die Wahl noch nicht die wirtbsckaftlicke Depression gehoben ist, und zweiten«, weil die Anhänger Bryan's sich nicht endgiltig besiegt geben werden, und in der Thal auch in den nächsten Wahlkampf mik günstigen Aussichten werden ziehen können, wenn nicht Mac Kinley die vier Jahre seiner Präsidentschaft besser auSnuyt, als seine Borgänger, vor allen Dingen diejenigen unter ihnen, die gleich ihm zur revuvli- kaoilchen Partei gehörten. Daß der Lochschutzzoll, bekanntlich Mac Kinley's Lieb- liogSide«, den Bereinigten Staaten eine dauernde Besserung der Lage nicht dringen kann, werden wir weiter unten er örtern. Wir wollen zunächst bervorheben, wa« für eine Verbesserung der wirthschaftlichen Lage nothweudig ist. E« ist die Beseitiguaz de« Raubbau« auf allen Gebieten. Die Amerikaner haben Raubbau im eigentlichen Tinne de« Worte«, d. h. also Raubbau am Grunde und Boden von Anbeginn ihrer Herrschaft getrieben. Fenimore Eooper hat in seinen Romanen nicht nur phantastische Indianer geschichten erzählt, sondern einen klaren Blick für die Schäden in seinem Vaterland« bewirken. In seinem Roman „Die Prairie" laßt er rinrn Richter bitter darüber klagen, daß in seiner Ortschaft dieZuckerabornbäume ohne Weileres niedergeschlagen würden, stall daß man auf eine rationelle Weise den Gewinn darau« zöge. Der Richter knüpft daran die Bemerkung, baß der auf diese Weise betriebene Raubbau sich noch bitter an dem Lande rächen würde. Eooper bat diesen Roman im Jahre 1827, also vor nahezu 70 Jahren geschrieben, und die Zeit, in der er ihn spielen läßt, liegt noch weiter zurück, aber die prophetischen Worte seine« Richter« haben sich in einer grausamen Weise erfüllt. Die Amerikaner haben sich der prachtvollste» Wälder beraubt, indem sie mrilenweite Strecken rücksichtslos niederbrannten, wenn sie auch nur einen kleinen Tdeil diese« Gebiete« unter den Pflug bringen wollten. Sie haben den Boden nicht etwa rationell bewirthschaftet, sondern sie haben herauSgezogen, wa« sie daran« konnten und sind dann weiter gezogen. Sie haben einen ungeheueren natürlichen Neichthum in den riesigen Büffelheerben gehabt, die noch in der 2. Hälft« diese« Jahrhundert« bestanden. Al« sich aber die Möglichkeit bot, da« Leder der Büffel in großen Partiten vortheilhast zu vtrkaufen, bildeten sich große capitalkräftige Gesellschaften, di« durch ihre Jäger, man müßte richtiger sag«», Schlächter, dir Büfselheerven in rücksichtslosester Weis« vernichten ließen. Um recht rasch in den Besitz von möglichst viel Häuten zu kommen, begnügt« man sich nicht mit der einfachen Jagd, I sondern man umstellte di« Büffelheerben und feuert« mit I Sprenggeschossen in sie hinein. Erst als von den ungezählten Tausenden der Thiere nur noch wenige Hunderte Exemplare volhaiiveu waren, erkannte man den Schaden, den man an gerichtet hatte, und verbot die Tödtung von Büffeln. Aber e« war zu spät; die Thiere konnten sich nicht mehr fort pflanzen, und jetzt sind die Büffel anSgestorbru. Hätte man die Jagd darauf in vernünftiger Weise betrieben und die Thiere so geschont, wie bei un« Wild und Wa'd geschont werden, so wären sie eine dauernde Quelle des Woblstande« und der Ernährung für Tausende gewesen, während sie so nur einigen Wenigen zu schnellem, brutal erworbenem Reich- thum verdalsen. Wir haben diese« Beispiel genauer besprochen, weil es deutlich zeigt, wie da« amerikanische R.iudsystem in letzter Linie nur dem GrvßcapitaliSmns zu Gute gekommen ist. Diese« selbe Naubsystem bat die wntbsckastlicken Ringe ge gründet, cs dal auch die unerhörte politische Eorruption zu Wege gebracht. Soll der amerikanische Staat in« Gleich gewicht zurückgebracht werden, so muß dem unerträglichen Raubsystem ein Ente bereitet werden. Es muß sowohl die politische Mißwirtbschaft, wie die unerträgliche Uebermacht des Großkapital« beseitigt werben. Mik dem Hochschutzzoll würde da« Großkapital in Amerika nur gestärkt, die große Masse de« Volkes würde geschädigt werden. Denn wenn infolge rigoroser Zölle die amerikanische Industrie auf den Gebieten, die fetzt dem Import besonder« zugänglich sind, z. B der Eoufeciion, selbstständig werden würde, so würden sich sofort wieder Ringe bilden, di« die Fabrikation und den Bertrieb der Waare in die Hand nehmen und mangel« der Eoncurrenz de« Aus lande- die Preise unnatürlich steigern würden. E« würbe inbessen wohl auch Europa ein Wort mitsprechen, wenn die Bereinigten Staaken durch unerhörte Zölle den Import zu einer Unmöglichkeit machen und damit dem Handel der großen europäischen Industriestaaten eins her wichkigsten Gebiete de« Absätze« versperren wollten. E« könnten bann von diesen Staaten, die zugleich zu einem erheblichen Tbeile Abnehmer de« amerikanischen Export« sind, Repressalien ergriffen werden, die besonder« von ver amerikanischen Land- wirtbschaft bitter empfunden werben würden; die Laubwirtb- schaft aber bat obnedie« in Amerika scvwer genug zu kämpfen, und Mac Kinley wird gut barao thuu, sie nicht noch mehr zu belasten. Mac Kinley'« Wahl ist aber für Europa auch darum von Bedeutung, weil sie, wir schon erwähnt, di« schwere unmittelbare Erschütterung, die Bryan'S Wahl bervorgerusen hätte, beseitigt und wenigstens die Möglichkeit einer Besserung der Zustände gewährt. Dena e« kann für Europa nicht aleichgiltig sein, wenn ein so hochentwickelte« Land wirth- sckaftlick darniederliegt und dadurch in der Fädigkeit der Aufnahme eine« reichen Import« beschränkt wird. Je gesünder die Laae der Bereinigten Staaten ist, desto leb hafter wird ihr Handelsverkehr mit den europäischen Staaten sein können. Wir Deutsche aber wünschen dem Nordamerika nischen Bunde nicht nur au« diesem Gruak« eine Besserung ihrer Zustande, sondern auch in dem Gedenken an di« Millionen unserer Landsleute, die unter dem Tteraenbaonrr ihren Erwerb suchen. Deutsches Reich. 42 verlier, S. November. Die »Rationalzeitnng" beruft sich auf einen Bericht über den aationalliberalen Delegirtentag, den der Lanbtag«adzevrdnete Reichardt im aatioualliberalen Verein zu Magdeburg erstattet hat, al« auf tin Zrugniß für ihre, der „Nationalzeitung", HauSpolitik Da gegnerische Blätter diese Aneignung als berechtigt bin nehmen und für ihre Zwecke anSnützen, so mag der Grünt der lleberelustinimung zwischen dem Berliner Blatte und dem Magdeburger Redner hier eine Beleuchtung finden. Tie „Nationalzeitung" war bekanntlich au? Giündrn, deren Wuckt Niemand verkennen kann, höchst unzufrieden mit dem national liberalen Delegirtentag. Herr Reichardt aber bat bemerkt: „Wir erwarteten von dem Parteitage eine bestimmtere Stellung nahme in wirtbschasttichen Fragen und eine Festigung der Part», durch eine klare Aussprache. Ich glaube. Beides ist aus dem Delegirtentag erreicht worden." Und weiter: „Wir Magdeburger hoben für den Antrag Bueck (ausdrücklich, Berurtheilling des Antrags Könitz) gesummt und sind hiermit in der Minderheit geblieben, aber ich halte dir Ablehnung doch nicht für ein Unglück Die Berdandlungen über diesen außer, ordentlich wichtigen Punct haben zu einem befriedigenden Ergeb »iß geführt." Die „Nalionalzeitunz" war nicht im Stande, Be friedigung zu verratben, obwohl sie von einigen von ibr auf dem Delegirlentage gefeierten Triumphen gefabelt bat. Letzteres tbut da« Blr l auch au« Anlaß der Magdeburger BereiuSversammluug, indem eS seine „Gcnuathuung" darüber äußert, »daß auf dem Parteitage wenigsten« in einigen Fragen — und zwar ausschließlich in Folge der von der „Nationalzeitung" veranlaßten Erörterungen — im Sinne einer den liberalen Ueberlieferungen entsprechen den Wirtbschaftspolitik beschlossen worden". Unter diese» Fragen könuen nur zwei Beschlüsse verstanden sein. Ersten« der über die Goldwährung. Dieser ist von dem Eentralvorstande der Partei vvrgeschlagea und in dessen Fassung von dem Parteitage ohne Debatte angenommen worben. Sollte also, was wir nicht wissen, die »National zeitung" die Währungsfrage vor dem Delrgirtentage „erörtert" haben, so wird außer ihr Niemand glauben, der Central- vvrstand und die Versammlung hätten „in Folge" der Be lehrungen und Drohungen diese« Blatte« beantragt und be schlossen. Ebensogut wie die Resolution zu Gunsten der Goldwährung könnte da» Blatt die Annahme der jenigen , welche die Abwehr rückschrittlicher Bestrebungen auf dem Gebiete von Kirche und Schule fordert, aus seinen Einfluß zurücksübren. Der zweite Beschluß, der in Betracht kommen kann, ist der gegen bi« Zwangsmnung de« preußischen Handwrrkergesetzentwurf«, sowie gegen den Besäht- gungsnachweis gerichtete. In der Zurückweisung dieser Einrichtungen ist die nationalliberale Presse von Anbeginn ein- mütbig gewesen, der Delegirtentag bat die vom Eeniralvor- stande vorgeschlagene Resolution zwar nicht sachlich erweitert, aber formell präciser gefaßt. Er hak allerdings auch insofern eine materielle Einschränkung beschlossen, al« er sich nur gegen die Einführung d«S „allgemeinen obligatorische» Be fähigungsnachweise«", also nicht gegen eine solche für gewisse Gewerbe, wie z. B. da« Baugewerbe, erklärte. Letztere« war keine neue Willenskuudgrdung der Partei, denn auf dem Frank furter Delrgirtentage ist gleichfalls dir Zulässigkeit des Befähigungsnachweise- für bestimmte Haudwerkszweigc anerkannt worden, und wir glauben nicht, daß diese an den Dorschlägtn de« Eentralvorstande- angenommen« Aendrrung e« ist, auf deren Urheberschaft sich die „Nationalzeitunz" be rufen möchte. Die Erörterung der .Nationalzeitung" bat also den Delegirtentag in keiner Weise beeinflußt: im andern Falle würde auch die Befriedigung, die diese Versammlung hervorgerufen hat, nicht vorhanden sei» können. Wa« das Blatt gewollt halte, war die Verdammung de« Börsenreform gesetzes, die Vertreibung von Männern wie Osann au« ter Partei und die Verbrüderung mit Herrn Richter. Nicht „iasolge" dieser seiner Erörterung, aber doch thaisäcklich aus dem Parteitage ist das Verbot de« börsenmäßigen Getreide- terminhandclS gebilligt, vr. Osano al« Hauptredner bei der geselligen Zusammenkunft gebeten und da- Cartell mit dem Freisinn von a ll en S ei ten als ein für die Nationalliberalen nickt ernsthaft in Betracht kommendes Project bei Seite ge schoben werden. Ueber die sonstigen Triumphe der „Na- kionalzeitung" auf dem Delegirtentag« wollen, da der osfi- cielle stenographische Bericht sie mit dem Mantel schonungS- vollen Schweigen« bedeckt, auch wir hinweggrhen. * Berlin, 6. November. In der ,^k>ru;-Ztg." wird wieder da« alte Klagelied über den Einbruch der Antisemiten in da« conservative Lager angestimmt. Für die am 13. d. M. im Wahlkreise Notenburg-Hersfeld slatlfindende Ersatzwahl zum Abgeordnetenbause ist al« konservativer Candidat der Vorsitzende de« lantwirthsckast- lichen KreiSvereinS Rotenburg-Isenburg (RonSbausen), Mit glied der Landwirthschaftskammer zu Kassel und Vertrauens mann des Bundes der Landwirtbe, ausgestellt, ter erklärt bat, für den Fall seiner Wahl der deutsch - conser- valivrn Fraction beitrrten zu wollen. Von den Antisemiten ist als Gegenkandidat der NeichslagSabgeordnete Werner aufgestellt. Die »Kreuz-Ztg." führt nun in großer Betrül niß Klage darüber, daß eine in Bebra abgebaltene Versammlung von Mitgliedern de« Bunde« der Landwirthe aus dem Wahl kreise beschlossen bade, beide Bewerber für gleich ge nehm zu erklären und demenlsprechend den Mitgliedern des Bundes in Bezug auf ihre Stimmenabgabe völlige Freiheit zu lassen. Dir „Kreuzzig." erinnert warnend darau, daß schon vor längerer Zeil auf enge Beziehungen zwischen dem Bund der Landwirthe und veu Antisemiten hingewieseu wurde. Es bandele sich hier wieder um einen Fall, wo «in alter conser- vativer Wahlkreis von den Drutschsocialen angegriffen werde, deren Tbateudurst sich leider mebr gegen die Eonselvativen als gegen die Freisinnigen wende. Die Erkenntniß, daß die agra rische wie die antisemitische Bewegung sich in Wahrheit gegen die Eonservativen richtet, kommt spät. Vertin, 8. November. (Telegramm.) Gegenüber ter. Meldung der „Post", der Minister de« Innern von der Recke bade in einer Besprechung mit dem Vorsitzenden de« deutschen GastwirtbsverdaudeS Müller durchdlicken lassen, daß die Bedrängnis der Gastwirtbe durch die Be- stmimungen über die TonntagSruhe auf den Einfluß ter Synoden zurückzufübrea sei und daß der Minister die Gast- wiribe gegen zu große Bedrängniß schützen werde, ist die „Nordd. Allgem. Zkg." zu der Erklärung ermächtigt, der Minister babe sich zunächst darauf beschränkt, Herrn Müller anzubören; alsdann die Frage der äußeren Heuighaltung des Sonntag« berührt worden sei, habe der Minister, ohne die Slellungnabme anderer Behörden zu kritisiren, dem Sinne nach geäußert, eö komme darauf an, in dieser Frag» die richtige Mitte zu halten, und endlich sür den Fall, daß der Gast- wirtbSverbaod künftig in da- Ressort des Ministeriums des Innern gehörige Beichwerden zu erbeben haben sollte, an heimgegeben, diese durch den Vorstand zur Sprache zu bringen. L. Ü. Vertin, 6. November. (Privattelegramm.) Der bekannte Militairattachä Major ». Fttnck« ist vou seinem Madrider Posten abberuseu. L Berlin, 8 November. (Privattelegramm.) Da« Ttaal-miuifteriu« trat heute Nachmittag 2 Uhr unter dem Vorsitz de« Fürsten zu Hohenlohe im Dienstgebäud« am Leipziger Platz zu einer Sitzung zusammen. Ü. Berlin, 8. November. (Privattelegramm.) Hof prediger Stocker hat eineu neuen Aufschub in der vom FerriHstoir. Urvater Hausrath. Gklzzenblatt von Elise Pol ko. Unter den mannigfaltigen Ueberbleibseln einer vergangenen Zeit, die niemals aufdören wird, die späteren Generationen mit einem seltsamen Zauber zu umspinnen, sind e« besonder- drei Dinge, die mit einer wirklichen Stimme zu un« reden und eben deshalb ganz besonder« wirken: alte Uhren mit einem Schlagwerk, singende und klingende Instrumente aller Art und alle Elaviere. — Ich begreife die Vorliebe meiner so warm bewunderten Collegin Marie von Ebner-Esckenbach für jene sinnreich construirten Kunstwerke, die dem „Glücklichen" zu allen Tagen „keine Stunde" geschlagen haben, und ich möchte wobl einmal lauschen dürfen, wa« in ihrem Poeten heim diese vielgerübmle Ubrensammlung für Geschichten erzählt; mich aber zieht e« mehr noch zu den alten Elavieren hin, deren Stimmen mir stet« da« Herz bewegen, wo sie auch vor mir laut werden mögen. Eine Uhr ist immerhin ein „Urväter Hausrath" im Werkeltagskleide, «in Streichinstrument dagegen oder ein Clavier erscheint in einem Festgewande, gleichsam ein geladener bochwillkommer Gast, der Zeuge ist von unseren Fe iertag«st im mungen, den frohen wie den traurigen. — Wie eine jener Muscheln, dir an- Ohr gedrückt wie Merrr-rauschen und Wellensang klingen, so lasten die leise berührten Saiten »der Tasten, jene müden, alten Stimmen, mit einem Schlage eine Reihe von Bildern lebendig werden, die wir nicht müde werden zu be trachten. Laßt sie euch doch nicht entgehen, wo ihr sie auch immer finden mögt, jene alten Geigen, Guitarren, Mando linen, Eelli und Elaviere, — streift nicht achtlo« an ihnen vorüber l ——Es bringt Gewinn, ihnen zuzuhören, denn sie reden mit Jedem, brr an sie berantritt, in eben der Sprache, die er versteht, also da« rechte „Volapük". Ja dem Zimmer de« Grvßherzog« von Weimar steht ein unscheinbare« Tafel- clavier, — und wenn die besuchende» Fremde» durch di« ge weihten Räume geführt werden, so sagt di« Stimme de« Enstoden mit gleichgiltiaem Ton, im Vorübergeben über die Schulter zeigend: »Auf dem Klavier da haben einst Goethe, Schiller und — Beethoven gespielt". Aber kein Biograph der Welt hat doch berichtet, daß eben jene beiden Dichter heroen jemals irgendwelche Tastenkunststücke ausgeführt. — Nun, man mußte das ernsthafte Ding da selber befragen. — wer sollte sonst darüber wabrbrttsgrlreue Au-knnst geben? — Der Fremdenschwarm verlief sich in den schönen Neben räumen, — -- aber eia Menschenkind war zurückgeblieben, das Herz voll Fragen, und Lffnete leise und vorsichtig da« gebrimnißvoll dreinblickendr Instrument. — Die alte Leipziger Firma .Jrmler" war über der Elaviatur eingefügt — — damals träumte auch nicht die kühnste Phantasie von einem „Blütbner". Die Untertasten waren weiß. Leise und vorsichtig wurde von der Neugierigen ein Accord angeschlagen. Es schrillte und brummte wundersam, al« ob die Töne, au« tiefem Schlafe jäh erweckt, durcheinander schwirrten, riefen und klagten. — Da fielen di« schweren Fenstervorbängr plötzlich langsam zusammen, allerlei Kerzen auf den Wand- jeuchtern entzündeten sich, al« ob schon die elektrische Beleuchtung ihre Wunder offenbarte, die Tbüren sprangen geräuschlos auf, und herein schritt ein Zug in verschollenen Gewändern: di« Gäste de« genialen Gortdefreuudes Karl August nabten, — er selber stand hoch aufgerichtet mitten im Zimmer, grüßte und lächelte. Neben ihm erschien seine Gemahlin, die ernste Herzogin Louise, in der tief niedergehenden Haube und dem gelben Gewände, das so enganschließend au ihrer Gestalt nirderfloß, sie blickte schwermüibig auf die Eintretenken. Hinter ihr tauchte die heitere, lebensfrische Herzogin Amalie auf, und dann rauschte da» Gefolge der flüsternden, lächelnden Hofdamen und Eavaliere herein. — Unter den Gästen aber .Welch' reicher Himmel — Ster» bei Stern I" Zurrst erschien Goethe in seiner volle» imponirenden Schönheit, — Schiller folgte, aber bleich und müde auf den Arm seiner zärilichen Gefährtin gestützt, Wieland mit seinem eigenibüm- lichrn Lächeln, Herder mit den klaren Augen, der jugendliche, ein wenig schüchterne Jean Paul, der klug blickend« Merck, dann Knebel, Musäus, Einsiedel, Stein, der Hosmarschall vou Kalb. Und nun erst dir Frauen! Ebarlottr von Stein war da, Karoline von Wolzogen, die schöne Kalb, dir Zauberin Eoroaa Schröter, das geistvolle Fräulein Göchbausen und viel« Andere, alle schon, glücklich, anziehend, liebend und geliebt. — Eia wenig neugierig waren sie Alle, denn ein neues, kostbares Clavier war eben von Leipzig angekoniulen nach langer Reis». Im Vorbrigehrn legt« wirklich Wolfgang von Goethe dir schönen Hände scherzend aus die Tasten — auch der blaffe Schiller tippte vorsichtig mit dem Finger aus die Elaviatur, Da trat Venn die Schülerin des alten Leipziger Cantors Hiller, der verzogene Liebling Wrimars, die schöne Sängerin Eoroaa Schröter, an das Elavier, nahm mit sanfter Gewalt di« durchsichtigen Dickterhänve von den Tasten — schob auf den Wink Karl August'«, den idre strahlenden Augen fragend suchten, «inen Schemel heran und, während die Anderen sich gruppirten, sang sie ein wunder bares Lied, da« all« Herzen seltsam durchschauen«: „War einst ein König in Lbule Gar treu bi« an da« Gradl" Die berückenden Töne verhalten wie in weiter Ferne. — Die Aerzen erloschen Die Vorhänge theiltea sich wieder, rin grauer Herbsttag schaute herein. Da« Bild verschwand. Tas war die Begrüßungsfeier jenes Leipziger Elavirr« im Schlöffe zu Weimar — aber die eigentliche Weihe empfing es doch erst Jahre spater, an einem FrüdlinaSabend. — Auf demselben Schemel vor der Elaviatur saß da ein jugendlicher Mann mit einem imponirenden Haupte und mächtiger Musikerftirn, Ludwig van Beetdvven aus Bonn. Er war auf dem Reiseweg nach Wien, um dort der Schüler Joseph Haydns zu werden. Er berührte mit den Fingern die weißen Tasten, dir mächtig erklangen, und in seinem Herzen entstand die beiße Sehnsucht nach dem Besitz eines solchen Prachtinstruinrntes. — Er phantasirte — und wunderbar rauschle, sang und klang «S da unter riesen geweihten Hauden, wie ein blühender Frühling zog e« daher, — wie die «n'seffelte Leidenschaft stürmte es vorüber, — wie Mondschein leuchtete es auf; die ersten Gedanken der unsterblichen Sonaten wurden vielleicht geboren an dem Leipziger Clavier im Schlösse zu Weimar. Unweit von jenem alten Instrument steht auch eine herrliche Marmor büste de« Vater Bach, und wer'» nicht glauben will, welche Hände e- berührt, nun, der frage sie nur sie bat Alle« gehört, — die Fingerübungen Goethe'» und Schiller'« sowohl wie das bimultlstürmende Spiel eine« Titanen: Ludwig's von Beethoven. Und da steht auch in Wetzlar ein anderes altes Clavier, — rin Stück Urväter Hausrath — und träumt, — an dessen Saiten gar viele hübsche Geschichten hängen und dessen schwarze Taften auch einmal Goethe'» Hände berührten; es ist da« einstmalige geliebte Eigenlbum der reizenden Charlotte Kestner, al« sie noch al« Lotte Buff dem Vater den Haushalt führte und den Geschwistern die früh verstorbene Mutter zu ersetzen vom Morgen bi- zum Abend sich mühte. E« stand als vornehmste- kostspieligstes Hausgeräth am Krufter drs - "> Wohnzimmer« — nicht weit davon batte da- Spinnrad sein Plätzchen gefunden. — Ader wenn die Kinger de« Mädchen oi« Tasten erklingen ließen, so geschah die« nur, um, wie Lotte es selbst gesteht, „ein Tänzchen" zn spielen. Wie hätte sie auch sonst Zeit haben können zu eben dieser Beschäftigung, wenn sie Tag für Tag im vollsten Sinne des Worte« „nach rein Rechten" sahl? Und die Tänzer, di« dann so lustig umberwirbrlten, waren di« Geschwister groß und klein, wenn sie eben mit gesündesten» Appetit bas Besperbrod verzehrt batten, das die Hand der Schwester ihnen so sorglich bereitet. Mit der einfachen fröhlichen Melodie diese« Tänzchen» flogen kann sicher alle die mannigsachen und wahrlich nicht leichten Hausbaltungssorgen auf und davon, die das junge tapfere Mävchrnberz doch wobl oft genug beschweren mochten. — Uno trotz de« seltsamen Schnurren« und Schnarren« dieses alten Kasten« — vor dem ich eines Tages stanD —, lassen eben diese Töne zur Stunde noch die aomutbigsten Bilder wach werden, von zartestem Farbenschmelz, deren Mittelpunkt eine vielbewunderte Mäkckrngestalt bildete mit dem Molto: „Dienen lerne bei Zeiten das Weib »ach seiner Bestimmuo g " Wa- für Geschickten werden aber in Kundert Jabrea Wohl unsere heute gebrauckten Elaviere und Flügel, die sick dann ebenfalls in Urväter Hausrath verwandelten» erzählen?! Ack, e« wird, fürchte ich, mit wenigen Ausnahmen, nur ein wirre« Getöse sein, da« von ihren Tasten und Saiten Dem entgegrnströmt, der einst so unvorsichtig ist, sie aus^ufragen! Es werden Sagen von Eltern — Gestalt in Tönen ge winnen, die ihre unmusikalischen, talentlosen Kinder mit aller Gewalt an die Instrumente getrieben, zum Sckrecken und zur Qual aller Hausgenossen, von Tbränen, dir geflossen, von trostloser Dilrttanleumusik und martervollem Gesang ohne Ende, — bei offenen Fenstern, zur Verzweiflung aller Hörer, die nicht zu entfliehen vermögen. — Und da» Motto aller der Spielerinnen und Sängerinnen, die, im Gegensatz zur Wrrtber'schen Lott«, immer .Zeit" haben, dürfte der Spruch sein von jenen „Lilien des Feldes", die — nicht nähen, noch spinnen. Nun, da lob« ,ch mir doch jene schlichten »Urväter Haus- rathS-Geschichtrn und -Bilder" aus dem Amtsdause Buff in Wetzlar und von dem Leipziger Jrmler-Tafrlclavier in dem schönen Schloff« zu Weimar. Uad ich glaub«, viele, viele Andere denken genau ebenso wenn sie'- auch nicht laut sagen, damit man sie nicht .zopfig" schilt am Ende dieses, unseres Jahrhunderts. —
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