01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-05
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961205014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896120501
- OAI-Identifier
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- LDP: Zeitungen
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- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-05
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chlcmd u»d Oesterreich: vierteljährlich —. Direkte tägliche Krruzbandsrnvung tu» Ao-land: monalltch 7.50. Bezugs-Preis D» der Hauptexpedttion oder den im Stadt, benirk und den Bororten errichteten AuS- aavestellen ab geholt: vierteljährlich 4.SO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Di» Morgen-Ausgabe erscheint um '/.? Uhr. bt» Abeud-Au-gabe Wocheutags um 5 Uhr. , Redactio« »«- Erpeditio»: Johanne»«ässe 8. Di«Expedition ist Wochentag« «»unterbrochen ; ßsbffnel von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Dtt* Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), UniversitütSstraße 3 (Paultnum), LauiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Könlgsplatz 7. Morgen-Ausgabe. tWigerTaMall Anzeiger. Ämtsvlatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Nolizei-Äintes -er Lta-t Leipzig. Anzeigeu-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfq. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Breie verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Hxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbeförderung .Sl 70.—. Anuahmeschluß siir Anzeigen-. Abrud.Au«gabe: vormittags 10 Uhr. Morgr»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde fruher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Jahrgang: Sonnabend den 5. December 1896 ölk halte und damit Vorgehen werde, falls solche Preise gefordert werden sollten. Es lag in der Natur der Sache, daß nichts Näheres über die Beschaffenheit der ins Auge gefaßten Vorkehrung bekannt gegeben wurde. Werthvoll war die amtliche Bestätigung der von uns schon besprochenen Angaben der „Post" über die Handwerker- Vorlage. DaS Neue, was Herr v. Boetlicher dazu beibrachte, ist nicht überraschend. Man konnte sich denken, daß Preußen auSgehalten hatte und sich majorisiren ließ, denn der Eindruck seines Vorgehens in dieser Angelegenheit wäre, wenn es zurückgewichen wäre, noch ungünstiger gewesen als er ohnehin ist. Ta Württemberg die Umarbeitung der Vorlage in einem Bundesrathsausschuß beantragt hat, so liegt es nahe, die Vermuthung der „Post", daß die Ausdehnung der bewährten Gewerbevereine dieses Bundesstaates auf das Reich den Ausgangspunkt der zur Zeit schwebenden Beratbung bilden, für begründet zu erachten. Der Abstand zwischen diesen Vereinen und der Berlepsch'schen Zwangsinnung ist allerdings, namentlich auch hinsichtlich der Einfachheit resp. Complicirtheit deS Apparates, ein recht großer. Unmittelbar vor ihrem Abschluß erregte die Etatsdebatte ein lebendigeres Interesse durch die Erörterungen des Ham burger Streiks. Herr Liebknecht hatte den großen Kehler begangen, der vom Abg. Paasche am zweiten Tage mit der damals gebotenen Vorsicht berührt wurde, in einem Augen blicke auszugreifen, wo die Verhältnisse bereits klar zu Tage lagen. Seine von beschämender Feigheit zeugende Behauptung, die Socialdemokratie habe mit dem Ausstande nichts zu thun, erfuhr von zwei Seiten eine Beleuchtung, die selbst die eisenstirnigen Genossen in eine nicht zu verhehlende peinliche Verlegenheit versetzte. Herr v. Boetlicher zeigte auf die social demokratischen Abgeordneten Elm, Legien nnd Molkenbuhr bin, die „nicht da", sondern in Hamburg waren, und der Lübecker BundeSrathsbevollmächtigte, vr. Klügmann, fragte, ironisch die Angabe Liebknecht'S ernst nehmend, warum die Socialdemokratie sich nicht an dem Streik betheilige, da ihn der socialbemokratische Redner doch für berechtigt erklärt habe. Die Zeitnngsmeldung, daß die Neichsregierung sich über die Vorgänge auf das Eingehendste infvnn'rt habe, fand in der Ausführung deS Herrn von Boetlicher ihre volle Bestätigung. Um so bemerkenSwerther ist, daß dieser Regierungsvertreter die Anschuldigung, daß noch andere eng lische Einflüsse als die von dem Arbeiterführer Tom Man geübten sich bemerkbar gemacht hätten, nicht unbedingt zurückwieS. Herr v. Boetlicher bat auch die Ablehnung des Schiedsgerichts durch die Arbeitgeber gebilligt. Kür ihn war maßgebend, daß nur ein Vertreter der Rheder darin Sitz haben sollte; wer bei seinen Auslassungen weniger zn Zurück haltung genöthigt ist, wird nicht umhin können, der Er wägung der Arbeitgeber, daß eS sich in Hamburg nicht uni eine Lohn-, sondern um eine Macklfrage handelt — die Frage, ob die internationale Socialdemokratie die Nordseeküste wirth- schaftlich beherrschen soll —, mindesten» das gleiche Gewicht beizulegen. Die viertägige Generaldebatte des Reichstags über -en Etat. Q Der Reichstag hat die üblichen vier Tage auf die erste Berathung deS Etats verwendet. Bei der Uferlosigkeit dieser Debatte, die da» Hereinziehen aller möglichen Fragen gestattet, hätte er die doppelteZeit damit zuzubringen und ebenso gut hätte sich die Sache in einem Tage erledigen lasten. DaS politische Ergebniß ist, soweit die Verlautbarung derParteien in Betracht kommt, von der Erörterung über den Hamburger Streik abgesehen, gleich Null. Wenn naive Gemüther etwa eine Klärung der Stellung der Conservativen zur Regierung und zum Bunde der Landwirthe von der Erörterung erwartet hatte», so sahen sie sich enttäuscht. Nach dem, was die Herren v. Leipziger und Graf Limburg gesagt haben, können sie, ohne sich eines Widerspruches mit ihren Etatsreden geziehen zu werden, morgen mit Herrn v. Wangen heim wieder „schreien" oder maßvolle agrarische Tendenzen maßvoll vertreten. Das Wort Tayllerand's, die Sprache sei ein Mittel, die Gedanken zu verbergen, gilt schon lange nicht mehr bloS für Diplomaten. Ein klein wenig mehr Faßbares als die Abgeordneten- reden boten die Auslastungen vom Regierungstlsch. Wir rechnen dahin natürlich nicht die Erklärung des Reichs kanzlers über die Nebenregierung und über den Rücktritt des Herrn v. Bronsart, und ebensowenig das, was der Staats- secretair Hollmann über sein Verhältniß zum Marinecabinet „offenbart" hat. Dem Fürsten Hohenlohe war diesmal die für ihn bekanntermaßen ohnehin nicht schwierige Aufgabe, in kurzen Worten nichts zu sagen, sozusagen moralisch durch den Umstand erleichtert, daß die Frage der Verantwortlichkeit der Regierung von Herrn Richter in einer lediglich auf Sensation berechneten Weise angeschnitten worden war. Da eine Etatsdebatle auf der Tagesordnung stand, so hätte man eigentlich vomReichSschatzsecretair einen „erklecklichenSatz" hören müssen, nnd er hat ja, indem er die bisher augestrebte, von Herrn Lieber in der vorigen Tagung erzielte Schulden tilgung fallen lassen zu wollen schien, etwas BemerkenS- werthes gethan. ES fragt sich nur, ob er nicht mehr die Auffassung deS Grafen PosadowSky als die der verbündeten Regierungen zum Ausdruck gebracht hat. Nach der frei sinnigen und der klerikalen Presse wäre eine Finanzreform einfach durch Abstriche im Etat zu bewerkstelligen. Dadurch ließe sich aber nimmermehr die Unsicherheit der Finanz- wirthschaft der Einzelstaaten beseitigen, die durch die Schwan kungen in den Ueberweisungen und den Matricularbeiträgen entsteht. Außerdem ist mit Abstrichen im Reichsetat das Risico verbunden, das ein Hausbesitzer trägt, der an der Feuerversicherungsprämie spart. Was Herr v.Boetticher mitgetheilt hat,ist auch nicht viel. Er stellte einen Gesetzentwurf über das preußische Vereinsrecht, welcher das Verbot der Verbindung der Vereine untereinander beseitigen werde, in baldige Aussicht. Was die Vorlage etwa sonst noch enthalten soll, darüber konnte der Vicepräsivent deS preußischen Staatsministeriums keine Andeutung machen. Die in den Kreisen der Regierung entstandenen Meinungsverschiedenheiten darüber, welche neuen Beschränkungen deS Vereinsrechts man dem Abgeordneten hause zumuthen kann, sind nämlich noch nicht ausgeglichen. Vielleicht werden sie eS überhaupt nicht und daS Ware nach Lage der Dinge daS WünschenSwertheste. Dann wird — gemäß der Zusage des Reichskanzlers — ein Reichsgesetz- entwurf kommen, der sich auf die Beseitigung des erwähnten Verbotes beschränkt. Damit wäre nach der formalen Seite, da eine der ReichSgesetzgebung von der Verfassung überwiesene Materie reichsgesetzlich geregelt würde, das Richtige ge troffen und in materieller Hinsicht auch. Denn es er scheint auSgeschloffen, daß die verbündeten Regierungen einen Entwurf bringen, der in diesem Reichstage eine Mehr heit erhält, nnd eS ist nicht minder gewiß, daß die Regierungen Abänderungen, wie man sich ihrer vom Reichstage zur Zeit versehen muß, nicht zustimmen würden. Herr v. Boettcher machte weiter die erfreuliche Mit- tbeilung, daß die Reichsregierung Maßregeln zum Schutze gegen Monopolpreise für Petroleum parat Deutsches Reich. * Leipzig, 4. December. Eine Correspondrnz der „Köln. Zeitung" beschäftigt sich mit der Thatsache, daß im laufenden Jahre Vie Ziffer der in Ruhestand tretenden Mitglieder des Reichsgerichts besonders hoch ist. ES wird aber dabei nach einer Erklärung gesucht, welche völlig unzutreffend ist. Der Hauptgrund soll liegen in dem künftigenBürger- lichen Gesetzbuch für daS deutsche Reich. Dabei wird zunächst übersehen, daß eS mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes noch volle drei Jahre Zeit hat. AlSdann ist doch dieses Gesetzbuch zum weitaus größten Theile codificirteS Recht, worin alle hervorragenden Juristen zufolge ihrer Studien nnd ihrer wissenschaftlichen unausgesetzten Fortbildung zu Hause sind. Ob der Gesetzgeber in diesem oder jenem Puncte bei der Zusammenschweißung der deutschen Particularrechte und deS sogenannten gemeinen Rechtes mehr dem einen oder dem andern gefolgt ist, ändert nicht» an der Thatsacke, daß dem durchgebildeten Richter damit nichts Unbekannte» entgegentritt. Wirklich neu ist verhältnißmäßig nur Weniges. Und wenn eS auch mehr wäre, so würde eS doch denjenigen juristischen Kreisen, aus denen das Collegium deS obersten deutschen Gerichtshofes hervorgeht, nimmermehr schwer fallen, auch das noch geistig zu verarbeiten und zu beherrschen. Was die in der „Köln. Ztg" hervorgehobenen Abgänge betrifft, so sind dieselben zum größeren Theil verursacht durch hohes Aller und durch körperliche Leiden. Bei dem kleineren Theile dürfte die Ursache vielleicht zu suchen sein in ihrer Uebergehung bei der Besetzung einer Senatspräsidentenstelle mit einem in jüngerem Dienstalter stehenden Mitglieds deS Gerichtshofes, im Zusammenhang mit dem Umstande, daß im Reichs-Justiz-Amte der Grundsatz aufgestellt worden sein soll, ein über 65 Jahre alter Richter dürfe nicht mehr für eine Senatspräsidentenstelle im BundeSrathe vorgeschlagen werden. Wenn dieser hinsicht lich seiner Gerechtigkeit und auch seiner Zweckmäßigkeit für einen obersten Gerichtshof sehr anfechtbare Satz innerhalb des Reichsgerichtes ebenso verstimmt hätte, wie vielfach außerhalb, so würden wir das fehr begreiflich finden. Jedenfalls würden Männer, die einem Mißtrauen gegen ihre Leistungsfähigkeit weichen, nicht den Vorwurf unan gebrachten Ehrgeizes, sondern die Anerkennung zu rechter Zeit bethätizten Ehrgefühles verdienen. Damals Hal inan übrigens schwerlich geahnt, was noch kommen sollte. Die Art und Weise, wie ganz neuerdings bei der Besetzung einer Senatspräsidentcnstelle im Reichsgericht verfahren worben ist, hat höchst wahrscheinlich den Abgegangenen den Abschied wesentlich erleichtert. Berlin, 4. December. Der frühere polnische Ab geordnete Stanislaus ChlapowSki Hal einen „offenen Brief" an seine „deutschen College» und Freunde" gerichtet, der von den klerikalen Blättern, der „Köln. Volkszeitung" voran, außerordentlich beachtenSwerth gefunden wird. Und waS steht in dem Briefe? Nichts Anderes, als was ungefähr der Erzbischof Stablewski bei seiner Vereidigung dem Kaiser versprochen, was Herr v. Koscielski als sein Versöhnungs programm vertreten bat — bis ihm in Lemberg die Zunge durchging mit dem Bekenntniß, daß e« die neue Polentaktik ist, mit der man dem preußischen Staate ein Schnippchen schlägt. Dies ist der erste Theil. Der zweite Theil hat nm keines Aussalls gegen den „Verein zum Schutz des Dentsch- thumS" willen den Beifall der klerikalen Organe gefunden, zumal darin noch dem Minister v. Köller der Vorwurf der Doppel züngigkeit gemacht wird. Er habe einigen polnischen Abgeord neten versprochen, den Boycott zu mißbilligen, den der Verein inscenirt, und habe das Gegentheil gethan. Man staunt über die Dreistigkeit, mit der hundertfach durch Thatsache» wider legte Entstellungen sich aufs Neue hervorwagen und dazu noch als „verständig, loyal und beachtenSwerth" empfohlen werden. Jahrelang, ehe auch nur im Entferntesten an eine Abwehr gedacht wurde, hatte in Posen die deutsche Nachsicht oder Schwäche, gleichviel wie man es nennen will, es sich gefallen lassen, daß die polnische Kundschaft von deutschen Geschäften an polnische öffentlich in den polnischen Blättern verwiesen worden ist. Und nun haben die deutschen geboycottet! Gewiß, es ist auch unS bekannt, daß man dem Minister von Köller gegenüber mit der selben Dreistigkeit die Sache auf den Kopf zu stellen und ihm Sand in die Augen zu streuen versuchte, daß aber der Anschlag mißlang, weil eben dem Minister gegenüber das Gegentheil auS Thatsachen sich unschwer nachweisen ließ. BeachtenSwerth soll ferner die Auslassung deS Herrn Cblapowski darum sein, weil er über die Provinzialfarben sich äußert: die polnische Farbe sei ursprünglich weiß gewesen, wie die bourbonische Fahne; roth-weiß sei so beliebt, weil da» polnische Volk eben die bunten Farben liebe. Dann ist es um so merkwürdiger, warum bei jeder Dekoration, die polnisch-nationalen Charakter trug, Erzbischofsempfänge, Sokoltage, Gesangsfeste, ErinnerungStage, der Sinn für das Bunte sich aus die Anwendung gerade von „rotb-weiß" beschränkte, und der Jammer so groß war, als die Ausrede, e» seien dies die Proviuzialfarben, durch die Veränderung in das „Weiß schwarz-weiß" unmögjich gemacht wurde. Wir wissen auS bester Quelle, noch kürzlich ist es uns bestätigt worden, und wissen auch, daß es dem Centrum bekannt ist, wie sehr die SlaatSregierung entschlossen ist, ihren Weg zu gehen zum Schutz deS DeutschthumS unbeirrt durch polnische Declamationen, ob sie schmeicheln, drohen ober — unwahr sind, und wie wenig polnische Auslassungen eindrucksvoller werden, wenn auch sogenannte deutsche klerikale Blätter sie mit ihren Stempel „beglaubigen". Der Eifer aber, mit dem sich gerade das Organ des Abg. Bachem dazu drängt, die Führung in der Beschönigung der polnischen Propaganda zn behaupten, ist allerdings erklärlich. Es giebt weite Kreise am Rhein, denen der Kreuzzug des genannten Herrn und seines Kölner Landsmanns und Abgeordneten Fuchs zn Gunsten des Polen Szymanski nach Bomst-Meseritz noch immer nicht als nationale That erscheinen will, und so ist ihm jede Hilfe recht, selbst die Expectoration eines im Dienste seiner nationalen Interessen ergrauten Führers. L. Berlin, 4. December. (Privattelegramm.) Ter „Nat.-Ztg." wird von dem hiesigen Bureau des „Hannov. Anzeig." mit dem Bemerken, daß dieses Blatt sich unbedingt für die sachliche Richtigkeit der Meldung verbürge, das Folgende mitgetheilt: Der Kaiser bat sich in einer gestern in Hannover in der Militair-Reitschule gehaltenen Rede noch deS Längeren über dcn Fall Brüsewitz ausgesprochen, der ibn äußerst schmerzlich berührt habe. Er richte Haupt sächlich an die jüngeren Ofsiciere die Mahnung, sich stets der hohen Pflichten, welche ihnen die Uniform auferlege, bewußt zn bleiben. Namentlich sollen sie dessen eingedenk sein, daß die Uniform keineswegs einen Gegensatz zwischen OfficiercorpS und Bürgerschaft schaffe und daß ein derartiger Unterschied keinesfalls durch das Benehmen der Ofsiciere markirt werde» dürfe. Er hoffe und erwarte, daß das OfficiercorpS, so weit es an ihm (dem Officicrcorps) liege, stets bestrebt sei» werde, in einem guten Verhältniß mit der Bürgerschaft zu bleiben. L. Berlin, 4. December. (Privattelegramm.) Die „Nationalztg." meldet: Ein Commando der hiesigen Schul; Mannschaft soll nach Hamburg abgeben, um die dortige Polizei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung während des Streiks zu unterstützen. Es verlautet, das Commando werde etwa 5 Ofsiciere, 10 Wachtmeister und 200 Schutzmänner stark sein und noch heute abgeben. (-) Berlin, 4. December. (Telegramm.) Das Lber- BerwaltungSgericht wies die Klage des Bürgermeisters Nummert in Kolderz gegen den Oberpräfidenten Putt- kamer ab. — Die „Nat.-Ztg." schreibt: „Das Centrum hat, wie wir hören, mit der Regierung über die Justiznovelle die Com promi ßverh and lung en begonnen. Seine Führer sind bereit, die Besetzung der Strafkammern mit fünf Richtern preiszugeben, ebenso die Beseitigung deS Zeug- nißz wangs gegen die Presse. Eine Verringerung der durch die Berufung entstehenden Schwierigkeiten sucht man darin, daß die Berufung nicht an daS OberlandeSgericht, sondern an ein anderes Landgericht, bezw. an eine andere Strafkammer, als in erster Instanz geurtbeilt har, gehen würde. Die Aussichten für eine Verständigung gelten bis jetzt im Hinblick auf die große Zahl der Differenzpuncte als gering. Für den Beginn der dritten Lesung soll der 10. December in Aussicht genommen sein". — Vom untergegangenen Kanvnenbvot „JltiS" ist einer der Geretteten, der Matrose Habeck, in Bremen ringe getroffen. Als Gast deS Marine-MilitairvereinS machte Habeck nähere Mittbeilungen über die Katastrophe; er be stätigte, daß im letzten Augenblicke der Commandant des „Iltis", Capitainlieutenant Braun, ein dreifaches Hurrab aus den Kaiser ausgebracht habe, in das die Mannschaft kräftig einstimmte; er bestätigte ferner, daß der Oberfeuer werkSmaat Rehn darauf daS Flaggeulied angeslimmt habe, dessen erste Strophe noch zu Ende gesungen worden sei, bei Anfang der zweiten Stropbe fei daS Hintertheil des Schiffes auseinandergespalten und sämmtliche auf diesen, be findliche Mannschaften zu Grunde gegangen. — Zu dem Thema „Socialdemokratische Arbeit geber" liefert, wie wir den „M. N. N." entnehmen, die socialdemokratische „Holzarbeiterzeitung" folgenden Bei trag aus Ludwigsburg: Urber die beständigen Klagen der Lohuverhältaisfe bei Hof- liefrranten u. dgl. braucht man sich nicht so sehr zu wundern, wenn man in Betracht zieht, wie sie bei Mitgliedern der social- Fenttlet-n. Achicksalssäden. Skizze von Gertrud Frankr-Schirvelbein (Göttingen). Nachdruck verdotkn. „Sieb da, also wieder ein Materialist," schmunzelte der Herr Rath, auf dem Wege zum Bureau den neu eröffneten Laden bemerkend. „Hat Courage, der Mann! So viel Ecken, so viel Mater,alwaaren - Handlungen. Und Bolter- mann drüben mit seinen vier Schaufenstern macht sie doch alle todt .... ah!" Hier hob der Rath die Nase witternd in die Luft. Der Duft frisch gebrannten Kaffee» quoll ihm verlockend entgegen. Herr Theodor Blümeke, laut Firmen schild Inhaber de» über Nacht auS der Erde gewachsenen Geschäft», stand in der Thür und rührte in den knisternden, schwitzenden Bohnen, über denen ein zart bläulicher Duft schwebte. Nie glaubte der Natb ein so glückselige» Gesicht gesehen zn baden, als da« im Stolz de» Besitzes glänzende Theodor Blümeke'S. Und bei einem neugierigen Blick in den Laden entdeckte er ein niedliche» Frauchen, da» geschäftig hin- und herlief, ordnete und wischte, obgleich eS weder etwa» zu ordnen, noch zn wischen gab in dem blitzblanken, neuen Reich. „Nette Leute", dachte der Rath im Weiterschreiten. Dann fielen ihm seine Zahlen ein und er war den Dingen der Außenwelt verloren. Erst gegen Mittag, nachdem er sich über den unerklär baren Verbleib von fünf Pfennigen beinah um den Verstand gerechnet hatte, meldete sich der Selbsterhaltungstrieb. Er griff in die Tasche nach seinem in ZeituugSpapier gewickelten Frühstück. Kreuzhimmeldon —I Wieder gerade hatte die Räthin die Wetterkarte erwischt, die die fetteste Drucker schwärze enthielt! Wie oft hatte er dagegen gewettert, selbst Stürme und Niederschläge heraufbeschworen. Es half nicht«. Der Mensch, speciell der weibliche, besitzt einmal ein geradezu unheimliches Beharrungsvermögen! Der Rath biß in die hellblonde, zähe „Schrippe" und verzog das Gesicht. Die Butter war wieder einmal ranzig. Boltermann, der Große, erlaubte sich öfter dergleichen Scherzchen mit seinen Kunden. Und er durfte eS. Denn er war „Mode". Und obgleich der Rath nie Gelegenheit gehabt — bei einem bescheidenen Gehalt und sechs Kindern — sich zum Gourmand auSzubilden, obgleich es ihm gegen den Manne-stolz ging, über ein so gleichgiltigeS Ding wie das Essen ein Wort zu verlieren — zu dreist und zu anhaltend war auf sein« Toleranz gefrevelt worden. Hier hieß e» Wandel schaffen. „Liebes Kind", sagte er Abend» zu seiner Frau — sehr sanft und diplomatisch, denn die Ralhiu hütete eifersüchtig ihre wirthschaftliche Selbstständigkeit, — „wie wär'S, wenn wir unfern Bedarf für die Wirthschaft jetzt 'mal drüben in dem neuen —" „Bei dem großspurigen Kerl?" schnitt sie ihm da« Wort ab, voll Geistesgegenwart sogleich zur Offensive übergebend. Und nun kam eine ganze Fluth von Gegengründen, die dem Rath «ine staunende Anerkennung für die Erfindungsgabe inner Frau abnöthigte. Der eigentliche, uneingestandene, ja sorgsam verhüllte Kern ihrer Abneigung war indessen nicht-, als die im Gesetz der Trägheit begründete Furcht vor einem Wechsel. Zuletzt, da sich alle ihre Einwände dem logischen Scharfsinn deS Gatten gegenüber als unhaltbar erwiesen, führte sie die Kinder und die „Guste" in» Treffen. „Die Guste?" — „Na ja. Die bat sich nun 'mal zu Boltermann'» gewöhnt." — „Aber Blümeke ist ja viel näher!" — „Trotzdem. Und wenn sie kündigt?" — „So kann sie zum Teufel gehn I" rief der Rath jetzt ernstlich böse. Die Räthin zuckte beleidigt die Achseln, und der Haus herr hatte seinen Willen durchgesetzt — aus Kosten des häus lichen Friedens. Beim nächsten Frühstück blieb ihm zwar der Aerzer über die „Wetterkarte" nicht erspart. Dagegen genoß er mit wahrer Wonne den Geschmack einer tadellos frischen Süßrahmbutter. Beim Mittag, dem die Frau Rath schweigend präsidirte, sprach er freundlich unv mit schonender Rücksicht auf die verletzten Gefühle der Dame seine Anerkennung aus. „Wir sind kein einzige- Mal vorher ^so gut bedient worden." esse „Du drückst Dich gleich etwa- kräftig auS," bemerkt« die Frau Räthin spitz. „Indessen, Du weißt, daß ich Deine Wünsche respectire. Was mein Wirtschaftsgeld anbelangt —" „Ach, bei Deinem Spargenie!" scherzte der Rath galant. „Also wir geruhen hiermit, den jungen Anfänger zu unser»! Hoflieferanten zu ernennen — wie?" — Die Räthin zuckte die Achseln. „Sieh, liebes Kind, wir leben uuu 'mal in einer Zeit —" „Die sehr teuer ist nnd da» Unerhörteste an Steuern au» uns berauSprcßt," fiel die Räthin ein. „So meinst Du doch wieder?" „Haben auch nie eineu solchen Preis gezahlt." „Gute Waare hat ihren Preis. Ehe ich Wagenschmiere „In einer Zeit —" vollendete der Rath, etwas aus dem Concept gebracht, „in der jeder, sozusagen, mit ver pflichtet ist für den andern. Wir sind heutzutage nicht mehr im Stande, kaltblütig zuzusehen, wenn einer unserer Mitstreiter im Daseinskampf trotz all seines verzweifelten Ringen» unterliegt. Wir sind uns endlich unserer socialen Pflicht bewußt geworden, fühlen un» haftbar, solidarisch —" „Tu sprichst ja wie ein socialdemokratischer Leitartikel", sagte seine Gattin etwas beunruhigt. „Wenn Du indessen von Deinem Gewissen durchaus gedrängt wirst, die tbeuerste Butter zu essen, so werde ich Dir im Laufe des Monato bei Heller nnd Pfennig berechne» können, was Deine Menschenliebe Dich kostet." ES war dem Hausherr» nun trotz all seiner philanthro pischen Grundsätze keine angenehme Ueberraschung, als die Gattin schon am 25. d. M. den Bankrott ansagte. Sie hatte ihr Talent zum Sparen schon zu oft aufs Glänzendste be wiesen, al» daß er ihr mit einem Vorwurf hätte zu nahe treten dürfen. Der Grund lag also wo ander» . . . zweifellos in dem neuen Regime. Schade! Er hatte sich so wohl ge fühlt dabei! Kaffee, Butter, Käse — alle» war so rein, frisch, appetitlich gewesen . . . Aber freilich . . . auskommen mußte man! Der wohlgenährte Chef de» Hauses Boltermann hatte indessen unerhörte Anstrengungen gemacht, den Concurrenten au» dem Felde zu schlagen. Zwei neue Commis mit ge branntem Haar — eine Comteffe hätte sich solcher Cavaliere nicht geschämt — schienen auS ihrer höheren Sphäre herab gestiegen, um voll Todesverachtung den Karolinen, Mienen, Jetten und Güsten der ganzen Umgebung den Hof zn machen. Und sie kamen denn auch, die Küchenfeen und die jungen Bürzermädrl», aus Kellern, Mansarden, Beletagen — rvi«
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