02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-31
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961231022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896123102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896123102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-31
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Ammh«eschl»h für Lnzeißen: Ab«»».«uSgabe: vormittag w Uhr. 1Horge».AuSgobe: «achmütag« Ihchr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde fr-tzer. Anzeige« furd stets an die Erpeditian zu richten. Druck nud Berlag va» E. Pnlz in Leipzig. Donnerstag den 31. December 1896. 9S. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3l. December. Während die Kinder ihre Wunschzettel vor Weihnachten aufzuftrllrn pflegen, benutzen die „Großen" die letzten Tage des Jahre- zur Formulirung der Wünsche, die sie im kommenden Jahre erfüllt zu sehen hoffen und zu deren Er füllung sie selbst «ach Kräften beizutragen entschlossen sind. Schon seit einer Reihe von Jahren ist man in Deutschland daran gewöhnt, daß der Wunschzettel, den das Centru« durch seine Presse in der letzten JahreS- woche den Regieruogen präfentiren läßt, durch rück sichtslose Begehrlichkeit sich auSzeichnet, aber so an maßend wie diesmal ist die ultramontane Wunschliste denn doch noch nicht ausgefallen. Was z. B. die Bonner „Reichszeitung" zu fordern sich erdreistet, batte nian noch kor einem Jahre nicht für möglich gehalten. DaS schwarze Blatt findet nämlich, daß das „Jahrbuch deS Deutschen Krieger- bundeS für 1897" die Parität in mehreren Puncten schmählich verletze; eS würden in dem Jahrbuch unter Anderem Aus- sprüche Kaise r Wi lhel m'S I. angeführt, „von denen zwei besser ungrdriickl geblieben wären, da sie in jedem katholischen Leser unliebsame Empfindungen wachrufrn" müßten, darunter der Satz: „In meinemStaate soll jedem Glauben S- bekenntniß das volle Dl aß der Freiheit, welches mit den Rechten Anderer und mit der Gleichheit Aller vor dem Gesetze verträglich ist, gewahrt bleiben!" Die „A. Z." bemerkt zu dieser in die Form einer Klage gekleideten Forderung: Wie muß den ultra montanen Kampshähnen der Kamm geschwollen sein, wenn sie allmählich gegen die Wiedergabe solcher Sätze zu prv- testiren wagen mit der fadenscheinigen Motivirung, daß am 10. December desselben Jahres, in dem dieser Aus spruch gefallen sei — er ist einem Schreiben an die preußischen Bischöfe vom 18. October 1871 entnommen — „das erste Culturkampfgrsetz, der sogenannte Kanzel paragraph, als Gesetz veröffentlicht wurde, dem eine ganz« Reibe weiterer Gesetze folgte, die alle eingestandenermaßen bezweckten, die Katholiken vom Papst lvSzureißen und die Er richtung einer Rationaltirche vorzubereiten". Gewahrt man diese Anmaßung, so könnte man in der Thal meinen, der belle Tag sei im Schwinden und dir Nacht breche an. Und würdig schließt dieser Dreistigkeit eine andere deS Reichstags abgeordneten Iw. Sigl sich an, der zwar dem Eentrum nicht angebört, aber doch ein Ultramontancr vom reinsten Wasser ist. Er fordert in einem „dreißig Jahre preußischer Herr lichkeit" überschriebenen Leitartikel seines „Vaterland" Oester reich direct zum Abfall vom Dreibund auf, indem er schreibt: „Heute zieht sich ein furchtbares Krtegsgewitter über Europa zusammen, das in zwei Kriegslage«: geweilt erscheint: hie Preußen und Italien, dort Rußland und Frankreich. Die Entscheidung liegt, wie so ost im Lause der Geschichte, st, den Händen Oesterreichs. Handelt Oesterreich, heute im Besitze eines zahlreicheren, vorzüglicher »»»gebildeten und orgauisirien Heeres als ff, das zugleich »der die besten Wasfen der Welt verfügt, am Lage der Entscheidung seinen Interessen entsprechend, eingedenk der bitteren Er fahrungen in den Jahren 1858 und >888, so wird man in Berlin gar bald kn bitterster Weise empfinden, welch liese Wahrheit in dein oft bewährten, wenn auch heute vielfach vergessenen Satze liegt: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher!" Die „Hiimb. Nachr." knüpfen an diese Auslassung die Forderung, baß der deutsche Reichstag ein Mitglied, welches öffentlich die Erwartung anSspricht, ein Staat, mit dem wir in einem Bündnißvertrage stehen, werde unter Bruch dieses Vertrage« das deutsche Reich vernichten helfen, nicht mehr unter sich dulde. Nnd in der Thal ist es eine Schmach für die deutsche Volksvertretung, wenn ihr Mäüner angebören, die auS ibrer tzäterländSfeindlichen Gesinnung kein Hehl machen. Aber Mit der Ausschließung solcher Mitglieder würde tvefiig oder gab nichts geändert werden, so lange sie mit ihrer Gesinnung in breiten Volksschichten Autlang finden und so lange diese Polsschichten durch zarte Behand lung des UltramontaniSmuS von oben her und durch eifriges LirbeSwerben conservativer und „teutschfreisinnigrr" Führer nm die Gnnst der mächtigsten Fractivn in dem Wahne er halten werden, jene Gesinnung sei mindestens keines Deutschen unwürdig und berge keine Gefahr für den inneren Frieden und die äußere Sicherheit deS Reiches. Wenn Wünsche von der Art der beiden mitgetbeilteu am Schaff dieses JahreS offen geäußert werden könoen, so deutet' as auf eine schwere Erkrankung im Organismus des Rei.-, dir durch Amputation einiger Glieder des Reichstags nicht geheilt werden kann. Nur wenn der ganze Körper kräftig reagirt gegen einen Giftstoff, der infolge langer Verkennung seines Wesens eine so unheimliche Wirkung hervorbrinqen konnte, ist eine Ausscheidung dieses Stoffes möglich. DaS deutsche Volk selbst, niit spärlichen Ausnahmen, trägt die Schuld daran, daß am Schluffe diese- JahreS solche Wünsche und Forderungen ungeschent fick hervorwagen, und eS wird auch die Schuld an der Erfüllung solcher Wünsche tragen, wenn e» durch sie sich nicht aufrütteln und zu einer kräftigen Reaction gegen ultramontane Anmaßung und Herrschsucht bewegen läßt. Der Hasc«arbeiterstreik in Hamburg wird sich noch in das neue Jahr binüberzieken. Der von der socialdemokratische» Presse an di« „Genossen" gerichtete Aufruf zu Sammlungen in der Weihnachtszeit hat den Erfolg gehabt, daß die Unter- stütznngögelder zunächst noch ohne Kürzung bezahlt werden können, und eS liegt also für die Streikenden im Augenblick kein starker äußerer Zwang vor, von der Fortsetzung deS Streikes abzustehen, zu der ihre augenscheinlich sehr gereizte Stimmung sie lebhaft antreibt. Der von den Ausständigen selbst prvvocirt« Versuch de« Senat-, vermittelnd einzu greifen, ist somit als vorläufig oder auch endgiltig gescheitert zu betrachte», und e» wird inimer wahrscheinlicher, daß der entbrannt« „Elaffenkampf" — Lobnstreit kann man ja be kanntlich nicht sagen — gar keine förmliche Schlichtlmg finden, sondern nach und nach einschlafen wird. Auf die ungeheuren Verluste an Nationalvermögen, welche der AnSstand zur Folge bat, ist schon wiederholt hingewiesen worden. Bedauerlich ist, daß einige mit der Socialdeinokratie al- solcher svm- pathisirende bürgerliche Blätter sich immer «och veranl fit fühlen, mi: einem großen Aufwand von Schlauheit nnd C binationSgabe uachznweisen, daß „die Lage und Stimmung der Arbeitgeber keine rosige" sei. Als ob da- irgend Jemand geleugnet hätte, als ob das überhaupt ander- »täglich wäre! Die socialdemokratische Presse selbst bemüht sich unablässig, den Streikenden die verscherzten Sympathien der weiteren Oeffent- lichkeit wieder zu gewinnen und alle Schuld auf die „Hart herzigkeit nnd Brutalität" der Arbeitgeber zu schieben, aber ohne Erfolg, den« die Schwäche ihrer moralischen Position ist zu offenkundig. Sie tritt auch in den Apologien der Ausständigen immer aufs Neue zu Tage, sofern bei der Recht fertigung deS Streik- stet- nur auf den Moment zurück gegangen wird, in welchem der Arbeitgeberverband den Lchred-gericht-vorschlag der Herren Hachmann, Hinrichsen rc. ablehnte. Von dem AuSbruch deS Streiks der Schauer leute selbst und seiner Berechtigung ist gar nicht di« Rede, und doch versteht es sich, wie die „Allgem. Ztg." mit Recht betont, von selbst, daß darauf Alles ankommt. War der Streik thatsächlich unmotivirt, was dnrch zahlwiche zuverlässige Zeugnisse erhärtet scheint, so bildete derselbe natürlich eine schwere Provocation der Arbeitgeber, und man konnte von ihnen nicht erwarten, daß sie mit sonderlicher Bereitwilligkeit auf den AuSgleichsvvrschlag eingehen würden, zumal wenn man ihnen zumnthete, di« »rei Manner, die diesen Vorschlag machten, al- ihre Vertreter anznsehen und nur einen einzigen binzuzudrlrgiren, während die Streikenden ihnen u. A. drei socialdemokratische Reichstags abgeordnete als Schiedsrichter präsentirten. Von „Brutalität" kann dabei schlechterdings nicht die Rede sein. Damit fällt aber die ganze Vertheivigung des Streiks in sich zu sammen nnd es kann keinem Zweifel mehr unterligrn, wer die empfindliche Lection verdient hat, die ihm der schließliche Verlauf dcS Ausstandes ertheilen wird. Der Tlambutow-Prvcctz bat geendet, wie vorauszusehen war: Boni Georgien» ist freigesprochen, Tüfektschiew und Atzvw sind wegen Beihilfe zu dein Verbrechen zu drei Jabren eiasachrr Gefängnißbast verurtbeilt worden. Die directe Thäterschaft konnte Georgien» nicht nachgewiesen werden und ebensowenig ist Tüfektschiew derselben überführt worden; aber das ist durch den Proceß festgestellt, daß der Letztere eine füh rende Rolle in dem blutigen Drama gespielt hat. Dasselbe hat Boni Georgien» gelhan, ja er hat noch mehr in die Einzelheiten der Ansführnog eingegriffen, daher es höchst auffällig ist, daß er als Freigesprochener den Gerichtssaal verläßt. Die Frage, inwieweit die Polizei schuldig ist, wurde nicht genügend erörtert: im klebrigen trugen Widersprüche, fehlende Angaben und fehlende Zeugen zur Genüge dazu bei, die Begriffe zu verwirren und den Proceß zur Farce werden zu laßen. Die eigentlichen Mörder sind, unzweifel- baft mit Hilfe der Polizei, entschlüpft, die Anstifter, die sich vielleicht in hohen Stellungen befanden, ließ daS Gericht unbehelligt. „Regierung und StaatSanwall", sagte die Wittwe Stanibuivw'S, „kennen die Urheber der blutigen Schandthat, aber diese befinden sich nicht auf der Anklagebank." ES sind freilich nur seichte Spuren, die zu den Hinter männern führen, und manche Spur mag fasch sein — namentlich erscheint die Mitwisserschaft des Fürsten Ferdinand ausgeschlossen —, aber eS hat an solchen nicht gefehlt, und der Umstand, daß auch nicht der leiseste Versuch gemacht worden ist, sie in den Vordergrund zu bringen, ver dächtigt daS ganz« Gerichtsverfahren in hohem Grade. DaS Fragezeichen bleibt bestehen, vielleicht auch für die Geschichte. Aus Bulgariens inneren Frieden aber wird der Proceß nicht fordernd wirken; alle Dämonen der Leidenschaft sind wieder aufgerüttelt, und wenn der Vulkan abermals zum AuSbruch kommt, braucht man sich nicht zu wundern. Ein Land, in dem die Justiz lahm geht, die Polizei sich an Verbrechen betheiligt und politische Morde an der Tagesordnung- sind, ist noch weit von endgiltiger Eonsolidirung entfernt. In Bulgarien haben «och alle da« DurchschnittSmaß de- Gewöhnlichen kleber ragenden gewaltsam geendet. Fürst Alexander wurde gewalt sam beseitigt; Usvuvw, de7 tapfere Nertheidiger von Widdin, 1887 kriegsgerichtlich in Rustschuk erschossen; Pannitza, der gewandte Revolutionair und erfolgreiche Makedouierschwarmer, der den bnlgarisch-albanesischen Bund vorbereitete, endete durch Pulver und Blei; Wulkowitsch und Beltschew, hervorragende Männer d«S Landes, sielen durch Mörderhand; Nalschewitsch — in seiner Art auch ein ungewöhnlicher Mensch — kam mit einer Kugel in den Hals davon, und schließlich war Stambulow an die Reihe gekommen. Die Welt tveiß, wie er gestorben ist und wie er begraben wurde. Und auch »ach dem Tode gönnte man ihm keine Ruhe, mit Dynamit wurde sein Grabmal gesprengt. Ze lwher Jemand steht in Bulgarien, um so leichter und um so tiefer fällt er. Und rasch ist er vergessen. So war e« und so wird es noch eine gute Weile bleiben. In Serbien ist da« erwartete EoalitionScabinet unter Simitsch gebildet und es dürfte ibm diesmal sogar in Folge seiner Zusammensetzung eine längere Laufbabn be- schieben sein, als den bisherigen Versuchsminisierien. Ueber- wiegend ist eS gemäßigt radical und bildet nach all gemeiner Auffassung den Vorläufer zu einer völlig radikalen Regierung, sobald nur die Verfaffungsrevision in Angriff ge nommen oder in kurzem Wege durch Wiedereinführung des „kkstav" von 1889 durchgeführt ist. Simitsch,' der fick in Wien als Gesandter stets wohler gefühlt bat wie als Minister präsident in Belgrad, wffd sich wohl diesen Posten als Rück zug gesichert haben, sobald Nikola Pasitsck wieder an die Spitze der Regierung tritt, was nur eine Frage der Zeit ist. Die Zusammensetzung deS Eabinets macht Simitsch alle Ehre, eS sind Männer von Namen, Verstand nnd Ansehen. Der Ministerpräsident Simitsch selbst ist parteilos. Seil dem Jahre 1890 war er Gesandter in Wien. Im Jahre 1894 wurde er vom König Alexander mit derBildung eine- ventrale« CabinetS betraut, doch konnte sich dieses nur zwei Monat« halte». Er trat ab. Swetoniir Nikolajewitsch wurde Minister, während Simitsch sich nach Wien zurückzvg. Auf diesem Gesandtschaft- posten hat er ungemein viel Tack in den heikle« Fragen bewiesen, die zwischen Serbien und Oesterreich-Ungarn schwebten, und er bat die meiste« einem glückliche» Ende zuzesührt. Die Radikalen besitzen im neuen Ministerium die wichtigsten Aemter. Vuitsch ist abermals Finanzminister, ein gutes Zeichen für die serbischen StaatSglänbiger, denn er ist der einzige Mensch in Serbien, der wirklich vvlks- wirtbschaftliche Kenntnisse besitzt und in seiner früheren Ministerschaft etwas geleistet hat. Audra Nikolitsch, «in Vertrauensmann deS König-, ist CultuSminister, Milewa- nowitsch, eine der werthvollsten Kräfte der Radikalen, Justijniiuisler, Mika Gevrgiewitsch, welckffr daS besondere Vertrauen deS Königs genießt und ein warmer Freund Oesterreichs ist, Minister deS Innere«. Er war eS, aus welchem der Anarchist Lautbier 1893 da- bekannte Attentat verübte. Nur schwer erbolte sich Gevrgiewitsch, der damals in Paris serbischer Gesandter war, von dem heimtückischen Messerstich. Velim iro witsch, ei« tüchtiger Ingenieur und wobl da- am stärksten radical gefärbte Mitglied des Eabinets, wurde Minister für öffentliche Arbeiten. Alle diese radikalen Kräfte sind bewährte VerwattungSmänner. Daffelbe kann man vom General Mischtowitsck, der Krieg-mmister wurde, und der liberalen Partei angehört, sagen. Säment- liche Mitglieder des CabinetS befanden sich schon früher in gleichen Stellungen. Die bisher an der Regierung befind liche Fortschrittspartei ist nnvertretrn. Gegenwärtig bildet Atesffnie» den Schauplatz sehr folgen reicher und verwickelter Jntriguen mehrerer großer euro päischer Mächte. Wir wiesen vor eisiger Zeit darauf hin, daß cs Rußland und Frankreich anscheinendaelunzen ist, den NeguS zum Rachefeldzug gegen da- Reich der Mahd ist en zu bewegen und somit in den Kampf um de« Sudan einen immerhin bedeutenden Machtfactor zu Ungunst» England» ein zuschieben. Nunmehr hat England, Ivie au- emervo« un- re- gsftrirte» Meldungdcr „KölnischenZtg " hervorgebk,sei«en<A«gen- coup vorbereite», indem es eine Verbindung mit RaS Man ga s ch a angebahut hat. RaS Mangascha spielt Meielik gegen über etwa dieselbe Rolle, wie Meaelik selbst seinerzeit argen über dem Kaiser Johannes. ES ist in der «eueren Geschichte Abessiniens traditionell, daß die mächtige« Stamwe-Häoptlmg- jeder für sich «ach der Kaiserwürde streben, u«d es bestem daher zwischen dem Negn« und dem RaS rin natürlicher Gegensatz, der um so ausgeprägter ist, als sie di« beiden Landschaften vertreten, die von je um die Hegemonie streiten: Tigre und Schoa. Indem England den eistrff'rchtigen Häupt ling in sein Interesse ziebt, wirft eS dem NeguS eineu Stein in den Weg und bindert ihn zunächst, gegen de« Sudan vvrzugeben. Fübrt der Gegensatz zu längerer oder gar Lauernder Zerrüttung Abessinien«, so kann dir« England nur erwünscht sein, da eS einen gefährliche« Mitbewerber um den östlichen Sudan verliert, während Frankreich und Ruß land nur ein starke« Abessinien al« Grgrntrumps gegen Eng land gebrauchen können. Deutsche- Reich» * Berlin, :>0. December. Wir habet» einen Bedicht »er „Wrserztg." über dir Schwindeleien de- 1)r. Mundt-Laufs mitgrthrilt, den da- Bremer Blatt für identisch hielt mit dem in neuester Zeit vielgenannten Polizeiagenten und „Journalisten" Nvrmann-Schumann. Mit dieser Annahme befindet sicb aber, wie mehrere» Blättern geschrieben wird und wie die „Wes.-Z." selbst einräumt, da« Bremer Blatt in einem Olk Schwester meiner Schwäger!». 4s Novelle von German iS. Nachdruck »«rboten. Ich nickte. „Gut, Fräulein v. Gölten! WaS da ein gezeichnet siebt, ist ein edler Charakter, ein lebhafte« Tem perament und ein scharfer Verstand — aber viele verworrene Fäden laufen darüber bin. Sie wurzeln im Herzen. Das liegt mit dem Köpfchen im Streit. Letzteres bleibt Sieger» nicht immer — aber oft. Einmal, eS ist noch nicht lange ber, baben Sie eine Thorheit begangen, rin Glück verscherzt — büten Sie sich, daß eS nickt wieder geschieht. Einen Mann giebt eS — er ist noch nicht alt —, den stellen Sie über alle anderen Männer, bewundern ihn, beten ihn an — allerdings ohne sein Wissen. Aber da« ist auch gut. Ec ist unerreichbar für Sie. Der Buchstabe W. herrscht vor in Ihrem Herzen — möge er Ihnen kein wirkliche« Weh bringen." Aergerlich, fast heftig zog Nora ihre Hand wieder fort — und war entschieden im Begriff, etwas sehr Unvorsichtiges zu sagen, wurde aber zntn Glück davor bewahrt, denn in demselben Augenblick nannte Frieda, die ebenfalls am Tische saß, den Namen Wißmann, und sogleich wurde er von all' den Anderen laut nnd jubelnd wiederholt. „Ja — Wiffmann — Wiffmann", bieß r« von olle« Seiten» „arme Norä, Du bist erkannt! Er weiß nichts von Deiner Liebe, sein Name beginnt mit W., nnd er ist un erreichbar für Dick. — Dein Schwager bat seinem Bruder gewiß etwa« von Deiner Schwärmerei für den großen Afrika reisenden verrathen." „Auf Ehre, kein Wort, meine Damen", beeilte ick mich sogleich zu versichern. „E- ist mein Seberblick, welcher da« Dunkel durchdringt, aber nur in der Nenjabr«nacht ist e« mir gestattet, den Schleier zu lüften — morgen bin ich wieder so blind und unwissend wie jeder andere arme Sterbliche und vermag den Schicksalsgöttinnrn kein zarte« Geheimniß mehr abzulauschen." In meinem Herzen aber freute ich mich, daß Westritz und WiffmanN dieselben Anfangsbuchstaben hatten, und be wunderte Fran Frieda'S ruhige Geistesgegenwart, welche sie gleich den richtigen AuSweg finden ließ, während Nora sich, mir gegenüber wenigstens, sogleich verrathen hatte. Al« cS Mitternacht schlirg, schüttelte man sich die Hände, stieß mit vtn Gläser« an nnd wünscht« sich «in glückliche« neues Jahr. Ernst und Frieda sahen sich so zärtlich und vielsagend in die Augen, daß ich ganz neidisch wurde und zü ihnen tretend leise sagte: „So gut mochte ich eS auch einmal baben, Kinder!" Ernst nickte gerührt nnd flüsterte, indem er sein GlaS erhob: „Violet? — auf rin glückliche« Gelingen — fall« — falls Dn noch derselben Meinung bist." Ich sah ibn ganz erstaunt an. „Mrin lieber Ernst — wie könnte e« wobl ander- sein?" Er räusperte sich verlegen. „Hm — ja — natürlich — ick meinte nur — Nvra; rS will niir manchmal scheinen, als gefiele sie Dir doch sehr gut." „Thut sie auch — thüt sie auch", bestätigt« ich sofort, „sie erinnert mich lebhaft an mein Ideal!" Eifi paar Herren, die heränkamen, trennten unS, — ich schob mich weiter, heimlich nur nach der Schwester meintr Schwägerin auSspäbeNd. Endlich stafiv ich vor ihr. „Nun, Mein gnädige- Frau lein", meinte ich, „wollen Sie mir nicht auch Glück wünschen?" „Ich wüßte nicht, wozu", sagte sie herb, „Sie haben ja Alles, was Ihr Herz begehrt." „Vielleicht doch nicht", erwiderte ich ernst, „und wenn wir un- auch zuweilen ein Bischen zanken, wir sind doch wieder gute Kameraden, nicht wahr? Also seien Sir ein mal lieb und gut, geben Sie mir Ihre Hand und sagen Sie: Ich wünsche Ihnen, daß Ihre eigenen Wünsche in Erfüllung gehen." Sir reichte mir die Hand, die ich feierlich küßte, aber sie sagte nicht-, sie sah mich nur an, etwas forschend» etwa- vorwurfsvoll» dann schüttelte sie den Kopf nnd ging eiligst davon. Am NeujahrSmorgen standen wir Alle spät auf und saßen noch beim Frühstück, al- der Bote, der de- Feiertags wegen nach der Post gesandt worden war, nicht nur einen ganzen Stoß Briefe und Karten, sondern auch eine große Kiste brachte für Fräulein v. Gölten, die au» Erfurt von I. E. Schmidt kam nnd einen großen Korb voll herrlicher Blumen enthielt. — Da in Burgau keine Treibhäuser waren, machte derselbe wirklich einen feenhaften Eindruck, nnd meine kleine Feindin saß vor UrberraschuNg ganz stumm und starr davor. „Von wem er nur sein kann?" murmelte sie halb er freut» halb erschreckt, nnd strrifte mich mit einem scheuen Seitenblick. Aber daß ick der Geber sei, erschien ihr doch sehr un wahrscheinlich, ich ließ mir nicht daS Geringste merken, nnd als Ernst nun neckend sagte: „Ich wette, Nora, Herr v WiffmanU hat von Deiner stillen Anbetung gehört nitd sendet Dir zum Trost diesen duftigen Gruß", da war der Bann gebrochen und wir beendeten da« Mabl in heiterster Laune. Nack dem Tbauwetter war wieder Frost tingetreten, ber Dorftrick, der ein« ganz stattliche Ausdehnung hattet hart ge froren, wir ließen ihn kehrt» und liefen dann stundenlang Mit einander Schlittschuh. „Ein schöne» Paar", hörte ich die Leute sagen, al- wir Hand in Hand, leicht beschwingt, vvrübetstogrit, und „ein schöne» Paar" stand auf den Gesichtern von Ernst und Frieda, al» sie endlich hinabkamen, um un» abzuholen. Kein Mißten störte unser gute- Einvernehmen an diesem Tage, «tid ick vergaß meine Rolle so ganz, oder spielte sie Nora gegenüber so natürlich, daß Ernst mich Abend» am Ohrläppchen zog und mir leis« zuraunt«: „Nimm r« mir nicht übet, Wolf — aber D» bist doch rin echter Don Juan!" Ich fand «- nun selbst an der Zeit, ein Ende za macken, und als ich am anderen Tage ein« Rechnung von m»inei>, Schneider erhielt — der Brave war in dieser Beziehung sehr pünctlick —, steckte ich den Brief hastig in meine Bries tasche, ging damit auf mein Zimmer und erklärte eine Stunde später, daß ich «Kreisen müsse. Dir beiden Damen waren nämlich in die Nachbarschaft gefahren, um einen Krankenbesuch zu machen, Md ich wollt« gern, ohne Abschied zu nehmen, den Rückzug antrrten. Der arme Ernst war ganz bestürzt. Er wollte nicht in mich dringen, um nicht indiScret zu erscheinen und ick tbat ihm Nicht de» Gefallen, ihm von selbst weitete Ausschlüsse zu geben. In großer Hast packte ich meinen Kostet, tvobei ich ab sichtlich Verschiedene- vergaß, umarmte mtiNefi Brudtr, tief ihm vom Wagen aus zu: „Auf baldige- Wiedersehen -- empfiehl mich den Damen!" — und rollte davon. Zwci Tage später, am frühen Morgen, telegraphirtr ich von Berlin auS an meinen Bruder Folgendes: „Violet ist mein! Komme mit ihr und Begleitung blute Mittag drei Uhr nach Burgau. Abhvlnng in HorA bestellt. Welche Verwirrung diese Depesckt htrvortitf, tffubr ick bann später! Frieda, al- HaUSfkäfi, wär in Verzweiflung, weil gerade an diesem Tage sich kein gute- Menn zusclmfktn- stellen ließ und sie nicht wußt«, tvie dikl Gastzißltßtr sie yeizen und zurechtMackeN laste» sdlltt; — Ernst, dkl eß sich rifiMal batte beqfitm Mächen Wvklttt nach den ditwn Fest tagen, rasirte sich schleunigst und »erschafft sich dabei vor Aufregung da» Gesicht und Nora erklärte, sie habe Migräne
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