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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990615025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-15
- Monat1899-06
- Jahr1899
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471V Appclkiiifianz verhandelt. Ein Arbeitsbursche war bei Ver richtung einer Thätigkeit beschädigt worden, die nickt in das Bereich der ihm obliegenden Arbeit siel. Er war dazu durck einen Arbeiter veranlaßt, welcher den Burschen unter einem direkt erlogenen Vorwande vermochte, seine, des Arbeiters, Maschine zu ölen. Der Gerichtöhos machte den Arbeit geber für den so entstandenen Unfall haftpflichtig. Zu diesem Ürtheil bemerken selbst solche Blätter, die grundsätzlich mehr auf Seiten der Arbeiter, als auf der der Arbeitgeber stehen, es sei zwar in der Ordnung, daß der verunglückte Bursche sür den ihm widerfahrenen Unfall schadlos gehalten werde, aber man könne es doch für keine normale Situation an sehen, daß der Arbeitgeber sür die Folgen einer Handlungs weise verantwortlich gemacht werde, die ein Arbeiter sich in offenbarem, absichtlichem Ungehorsam gegen die strikten Vor schriften der Fabrikordnuug habe zu Schulten kommen lassen. Diese Praxis deS Gerichtshofes setze geradezu eine Prämie auf die DiSciplinlosigkeit im Fabrikbetriebe. Von den Philippinen kommen Nachrichten über weitere Kämpfe zwischen den Amerikanern und den Filipinos, die, auö amerikanischer Quelle stammend, sür Letztere natürlich ungünstig lauten. So wurde dem „New ?)ork Herald" aus Manila tclegraphirt, die amerikanischen Truppen hätten am 11. Juni LaS PinaS besetzt, nach dem ein Kampf stattgcsnndcn batte, in dein rin Amerikaner gelobtet und 2l verwundet wurden. Die Truppen hätten unter dem tropischen Regen und der Hitze sehr zu leiden. Tiefe SiegeSnachricht bat selbst in Washington allgemein überrascht, denn die Nähe der Rebellen bei Manila läßt den Ernst der Situation erkennen. Die Ver luste der Amerikaner werden aus sechzig angegeben, man befürchtet jedoch, daß die Zahl der Opfer viel größer ist. Tie Regierung will umgehend 5000 Mann Soldaten nach Manila schicken. Weiter wird uns gemeldet: * Washington, t4. Juni. General OtiS berichtet im Draht wege aus Manila: Lawton'S Truppen, die daS Land südlich von Bacoor (Provinz Cavite) besetzt halten, unternahmen eine RccognoScirnng westlich und südlich aus der Linie des Zapot» Flusses und aus der Straße nach Bacoor. Die Filipinos zogen sich nach Jmu zurück. Gestern fand ein heftiges Gefecht statt, bei dem die Amerikaner 10 Todte und 20 Verwundete hatten. Tie Verluste der Filipinos sind sehr schwer. ES ist nicht unwahr scheinlich, daß die Filipinos in den südlichen Provinzen weiter keinen entschiedenen Widerstand leisten. Das ist doch sehr wenig wahrscheinlich, zumal die Ameri kaner einen Verlust von 10 Tvdtcn und 20 Verwundeten zu geben, also offenbar sehr schlecht weggckommeu sind und außerdem die Regenzeit der beste Verbündete der Eingeborenen ist, der den Amerikanern die Wcitersübruug der Feindselig keiten so gut wie unmöglich macht. Eher ist cö möglich, daß die inneren Zwistigkeiten unter den Filipinos den Amerikanern schließlich doch noch den Sieg in die Hand spielen. Wie unS nämlich auö Paris berichtet wird, erklärte der dortige Vertreter der philippinischen Negierung Agoncillo, er habe eine Meldung erhalten, welche leider die Ermordung des Generals Luna durch Leute Aguinaldo'ö bestätige. Der Vorgang könne die eingewcihten Kreise nicht überraschen, da die Haltung Luna'S unter den Philippinern schon seit Längerem großes Mißtrauen hervor gerufen habe. Luna sei fortgesetzt bemüht gewesen, die Verhandlungen mit den Nordamerikanern wieder aufzunehmen, und habe der thalkräfligen Vertheidigungö- politik Aguinaldo'ö vielerlei Schwierigkeiten in den Weg gestellt. Man behauptet sogar, Luna habe daS kürzlich verbreitete Gerücht von der angeblichen Ermordung Aguinaldo'ö zu dem Zwecke in Umlauf gesetzt, um sich plötzlick als alleiniger Machthaber auSrusen und in dieser Stellung von den Nordamerikanern bestätigen zu lassen. Die persönlichen Freunde Aguinaldo'ö hatten daher Luna schon mehrfach augedroht, ihn zu beseitigen, falls er seine zweideutige Haltung nicht aufgeben werde. Äguinaldo selbst sei zwar bisher jedem derartigen Versuche mit Entschiedenheit eutgcgengctreten, doch habe er augenscheinlich die Erbitterung seiner Anhänger nicht völlig bemeistcrn können. Deutsches Reich Berlin, 14. Juni. (Herr Richter und die Mi nister.) In ihrem Grimme über die Zustimmung der großen Mehrheit der Presse zu der Erwerbung der Karolinen schreibt die „Freisinnige Zeitung": „Einzelne Blätter gefallen sich auch darin, die Zustimmung zu der Vorlage um der schönen Augen des Herrn v. Bülow willen zu verlangen. Was ist uns Herr v. Bülow? Er ist heute Minister und morgen ist er eö nicht mehr." So ganz gleichgiltig ist es doch sonst der „Freisinnigen Zeitung" wohl nicht, wer Minister ist. Wenn ein Mann, wie Herr v. Köller oder wie Herr v. d. Necke zum Minister gemacht wird, so wird im Lager der freisinnigen Volkspartei sofort daraus verwiesen, welch ein rcactionärer Wind in den höchsten Regionen wehe. Die Auslastung deS Nichter'schen Organs zeigt recht deutlich, welche unglückliche Rolle rin Minister spielen würde, der dazu verdammt wäre, sich auf die freisinnige Volköpartei zu stützen. So lange er die Befehle des Partei chefs auöführte, wäre Alles gut und schön. Wenn er aber ich einmal in irgend einer Frage erlaubte, vom Parteistand- puiicte abzuweichen, würde eö beißen: W.aö ist uns Herr Soundso?, und man würde ibn kaltsinnig fallen lassen. Der Nichter'sche Liberalismus besteht eben darin, daß nur die Parteileitung handeln darf, wie sie will, daß aber jeder Andere sich der Selbstständigkeit zu begeben hat. § Berlin, 14. Juni. (Lage deS Arbeitsmarkteö.) Eine merkwürdige Erscheinung ist auf dem deutsche» ArbeitS- markte eingetreten: Arbeitslosigkeit als Folge günstiger Geschäftslage! Die Berliner Monatsschrift „Der Arbeitömarkt" führt hierüber in ihrer neuesten Nummer auS: Die Kohlenbergwerke können in der Hockconjunctur nicht mehr allen Anforderungen gerecht werden, dies führt bereits zu Bctricböeinsckränkungcn in manchen Industrien; wenn specicll die Hochöfen sich einschränken müssen, so macht sich der so entstehende Mangel an CoakeS, Roheisen und Halb zeug an den verschiedensten Stellen der Maschinen- und Metall-Industrie geltend. So zeigt sich in der Hoch- conjnnctur auf der einen Seite Arbeitcrmangel und als dessen Folge auf der andern Seite Arbeitslosigkeit. Arbcitcrmangcl kommt im Kohlen- und Eisengewerbc zwar in jedem Früh jahr stellenweis vor. Was aber in diesem Jahr darüber berichtet wird, übersteigt alles sonstige Maß. Nach Schätzungen, wie sie in die Tagespresse übergegangen sind, sollen allein im niederrheinisch'westsälischen Bergbau zur Zeit 15 000 Berg leute fehlen. Ob der Arbeitermangcl nun freilich allein an der Coakes- und Kohlennoth Schuld ist, deren Folge» so einschneidend sür den Arbeitsmarkt sind, wäre noch zu untersuchen. Wenn z. D. die dem Kohlen- shndicate angehörigen Zechen ihr Quantum an Kohle nicht fördern, das Syndicat also darum außer Stande ist, seinen Lieferverpflichtungeu nachzukommen, so wird der Vermuthung Ausdruck gegeben, daß die Abnahme der Förderleistung gegenüber den eingegangenen Verpflichtungen nicht immer auf den Arbeitermangel, sondern vielmehr zu einem guten Theil auf den Wunsch der Zechen nach einer weiteren Steigerung der Kohlenpreise zurückzusührcn sei. Diese Vermuthung ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen, da der Arbeitermangcl sich mehr auf die Gruben und Zechen beschränkt, deren Kvhlcnproduction neu, also bei der Uebernahme von Lieferungen für daö laufende Jahr noch nicht mit in Rechnung gezogen ist. Die wider spruchsvollen Erscheinungen deS ArbcitSmarktcö treten auch darin zu Tage, daß die Arbeitsnachweise ein günstiges, die Krankenkassen weit eher ein ungünstiges Zahlen bild geben. Die Arbeitsnachweise sind andauernd außer Stande, so viel Arbeiter zu beschaffen, wie von ihnen ver langt wird; auf 100 offene Stellen kamen im Mai dieses Jahres nur 98,0 Arbeitsuchende (gegen 114,1 im Vorjahr). Hingegen hat im Laufe des Mai der Mitgliederbestand der Krankencassen um 1 Proc. weniger zugeuommen als im Vor jahr (nämlich nur um 0,6 Proc. gegen 1,6 Proc.). Aller dings muß bei günstigcrLage schließlich auch einmal dieZnnahme stocken, wenn neue Arbeiter nicht mehr vorhanden sind; aber eine ganze Anzahl von Lassen (so die meisten Berliner) zeigen dircct einen Rückgang der Beschäftigten. In manchen Be rufen ist die Zahl der Beschäftigten selbst geringer als im Vorjahre. Im Baugewerbe zeigt sich jetzt, was der „ArbcitS- markt" schon oft warnend vorhersagte, daß ein milder Winter auf daS Vaubedürfniß im Sommer verringernd wirken muß. — Der Kaiser dürste am 16. d. M. Vormittags in Hannover eintrcsfcn. Derselbe wird zunächst eine Be sichtigung dcö KönigS-Ulaiien-NegimentS auf der Vahrcnwalder Heide abhalteu. Im Anschluß hieran soll dem Vernehmen nach die Ucbcrrcichung der dem genannten Regiment ver liehenen silbernen Pauken stattfinden. — Ueber die Aeußerung des Kaisers betreffs der Arbeitcr-Wohnungöverhältnisse in Kabinen geht der „Krcuzztg." von einer „absolut sicher informirten Seite" folgende Mittheilung zu: Se. Majestät hatte die Gemahlin deS LandrathS v. Estorfs inS Gespräch gezogen. Er erwähnte dabei auch »eben den von ihm anerkannten Borzügen des Gutes die ihn wenig befriedigenden Arbciter- wohnungen KadinenS, deren Besserung er sich Vorbehalte. Scherzend hat Se. Majestät etwa hinzugesügt, da hätte es ja das Lieh beinahe besser. Bon einem allgemeinen Urtheil über die Wohnungen im Osten und einem Vergleich der Ställe mit „Palästen" kann gar nicht die Rede sein. DaS Letztere um so weniger, als der im Berichte der „Elbiuger Zeitung" auch erwähnte „Schweincstall" im Abbruch befindlich ist. Der Berichterstatter des genannten Blattes kann nur aus eine größere Entfernung, ungesehen, von der Unterredung Sr. Majestät etwas gehört haben; daher er geben sich die Jrrthümer in feinem Bericht, die zu den in diesem Falle ganz unangebrachten politischen Erörterungen Anlaß gegeben haben. — Wir die „National!. Corr." aus zuverlässiger Quelle hört, haben die verbündeten Regierungen und daS Reichs schatzamt Alle- vorbereitet, um den mit Spanien ab geschlossenen Vertrag über den Ankauf der Karolinen-, Palau- und Mariancninseln und der Regelung der beider seitigen Handelsbeziehungen und de» dadurch erforderlichen Nachtragsetat ohne Verzug dem Reichstag vorlegen zu können. Da die spanische Deputirtenkammer mit der Zustimmung zum SenatSbcschlusse nicht zögern dürfte, so nimmt man an, baß die bereits im Druck befindlichen Vorlagen schon am Montag im Reichstag vertheilt werde» können. — Ueber die Verlängerung deö HandelSprovi- soriumS mit England hat gestern die wirthschaft- liche Vereinigung tcS Reichstages berathen. Der conscr- vative Abg. Frhr. v. Wangen heim führte de» Vorsitz. In der Aussprache darüber wurde namentlich Widerspruch erhoben gegen die unbeschränkte Dauer der Vollmacht. Weiter wurde besonders bemerkt der Gegensatz, der zwischen den Abgg. Graf Kanitz auf der eine» Seite und den Führern des Bundes vr. Nösicke, vr. Hahn und L u ck c - Petershausen auf der anderen hervortrat. Während die Führer deS Bundes bei jeder Verletzung der Meistbegünstigung durch irgend eine der britischen Besitzungen sofort die Vollmacht zur Meistbegünstigung deS gcsammten britischen Reiches zurückziehen wollten, warnte Graf Kanitz eindringlich vor einem solchen scharfen Vorgehen, da das Mutterland über die in Zollsachen autonomen Colonien nicht verfügen könne und ein Zollkrieg mit England wohl von Niemand gewünscht werde. Den Führern der Conservativen schien daS schroffe Auftreten der drei Wortführer deS Bundes der Landwirthe recht unbequem zu sei». — Die Mitglieder der localorganisirtcn Gewerkschaft der Maurer beschlossen die ausständigen und ausgesperrten Maurer zu unterstützen. Nach längerer Erörterung, wurde folgender Beschluß gefaßt: „Die heutige Versammlung der Maurer Berlins und der Umgegend siebt nach wie vor auf dem Standpunkt ihrer am 6. v. M. gefaßten Beschlüsse. Sie sieht der Aussperrung durch die Arbeitgeber mit Rübe entgegen und ver spricht, die gefaßten Beschlüsse durchzusühren. Die Arbeit auf den auögesperrten Bauten wird nur bann wieder aus genommen, wenn annehmbare Vermittclungsvorschläge von Seiten der Arbeitgeber der Commission der Gesellen gegen über gemacht werden, in der Weise, daß Arbeitgeber und Gesellen dabei befriedigt werden." Auögesperrt wurden gestern rund 1000 Maurer und heute früh etwa 6000, so daß etwa 7000 Arbeiter auf etwa 850 Bauten feiern. Die Heißsporne unter den Ausständigen wollen die Aussperrung durch die Arbeitgeber mit einer weiteren Forderung von 70 Stundcnlohn beantworten. — Die Aussperrung der Maurer hat auch die Entlassung einer größeren Zahl von Hilfs arbeitern zur Folge gehabt. Da auch die Putzer und Zimmerleute an der Aussperrung intercssirt sind, so wollen diese in den nächsten Tagen Stellung dazu nehmen. Die Berliner Mörtelwerke und mehrere große Ziegeleien wollen, da eö sich nicht lobnt, den Betrieb jetzt aufrecht zu erhalten, diesen gänzlich einstcllen, wodurch auch viele Bauten, auf denen jetzt noch gearbeitet wird, zum Slilllicgen kommen. DaS Berliner Gewcrbege richt hat au die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer geschrieben und seine Vermittelung zur Beilegung deö Streits angcboten. Eö scheint aber vorläufig auf keiner Seite Neigung zu bestehen, das Einigungsamt anzurusen. — DaS Einigungöamt deö Berliner Gewerbe gerichts fällte heute in Sachen deö Ausstandes der Steinsetzer, da eine Einigung nicht zu erzielen war, ein stimmig einen Schiedsspruch, nach dem den Steinsetzern ein Maximallohn von 65 Z bei neunstündiger Arbeitszeit zu gewähren ist. Die Arbeitgeber lehnten den Schiedsspruch ab, während die Ausständigen ihm bedingungslos zustimmten. — Herzog Johann Albrecht, Regent von Mecklenburg- Schwerin, hat sich nach kurzem Aufenthalte hier nach Schwerin zurückbegeben. — Der deutsche Botschafter in Konstantinopel Freiherr Mar schall von Bieberstein hat einen Urlaub angetrcten. Während der Abwesenheit desselben sungirt der Erste Sekretär der Botschaft Legationsrath von Schloezer als Geschäftsträger. — Ter russische Militärbevollmächtigte Oberst Prinz Engalitscheff hat Berlin mit längerem Urlaube verlassen. Er hat sich »ach Wie» begeben, um sich mit der Gräfin Stecubock-Fermors zu vermählen. — Cultusminisler vr. Bosse hat sich nach Beendigung seiner dreiwöchigen Brunnencur in Ems am heutige» Tage nach Köln am Rhein begeben und wird im Laufe des morgigen Tages wieder in Berlin eintreffcn, um die Leitung seines Ministeriums zu übernehmen. Wie di» „Post" hört, gedenkt vr. Bosse »inen zweiten Urlaub in den ersten Tagen de- Monats August aazutreten. — Heut» trifft hier der mexikanische Finanzminister Herr JosS U Liman tour ein. Mexiko bietet für Deutschland »In er- beblicheS wirthschastliches Interesse dar: dieser sildamerikanische Staat, der sich seit langer Zeit vermöge einer fähigen und ver- trauenSwürdigcn Negierung in ruhiger Fortentwickelung befindet, hat die Stütze seines Credils vornehmlich in Deutschland gefunden; daS Eintressen des mexikanischen Fiuaiizministers hängt wohl mit dem endgiltigen Abschluß des Berlrags über die Convertirung der 6procentigcn mexikanischen Anleihe in eine bprocentige zusammen. Um die Hebung der wirthschastlichen Berhältnisse Mexikos hat der Minister Limantour sich große, allseitig anerkannte Verdienste er- worben, welche auch de» deutschen Gläubigern Mexiko- zu Gute gekommen sind. * Posen, 14. Juni. Dem „Schildberger Kreisblatt" zu folge trifft der Kaiser im October auf Schloß Antoni» beim Fürsten Nadziwill zur Hirschjagd ein; das Schloß ist bereits restaurirt. * Posen, 14. Juni. Die Kreiöshnode Posen I hat iu ihrer Sitzung vom 8. Juni einstimmig folgenden Beschluß gefaßt: die Kreissynode Posen I gicbt ihrem tiefe» Bedauern darüber Ausdruck, daß der von der königliche» StaatS- regierung dem Herrcnhause vorgelegte Gesetzentwurf über die Feier dcö Charfreitagü nicht in der ursprüng lichen Fassung ---genommen worden ist. Sie spricht aber die dringende Viu« auS, daß daS Abgeordnetenhaus die Vorlage der königlichen Staatsregierung wieder Herstellen möge, und hegt dabei die Erwartung, daß insbesondere die evangelischen Herren LandtagSabgeordueten auö der Provinz Posen ein- müthig dafür eintrcten werde». Gleichzeitig drückt die Synode dem Mitgliede deS Herrenhauses Herrn Professor D. Veyschlag in Halle ihren herzlichen Dank für daS treue evangelische Zeugniß auS, welches er in den Verhand lungen deS Herrenhauses über diese Frage abgelegt hat. * Detmold, 14. Juni. Morgen beginnt vor der hiesigen Strafkammer der Proccß gegen Archivraih Berkemeier wegen angeblicher Beiseiteschaffung amtlicher Acte »stücke. Minister von Misitscheck ist als Zeuge geladen worden. rs. WcitzcufclS, 14. Juni. Zur Lohnbewegung der Bergarbeiter im Zeitz-WeißenfelS-Meuselwitzer Kohlenrevier ist zu melden, daß am Sonntag, den 18. Juni, verschiedene große Bergarbeiterversammlungen stattfinden werden, zu denen u. A. Landtagöabgcvrdnetcr Paul Horn, NeichStagSabgcordncte H. Sachse und A. Strunz auS dem Königreich Sachsen als Redner gewonnen worden sind. Auf der Tagesordnung steht die Antwort der Grubenbesitzer auf die Lohncingabe rc. * Weimar, 14. Juni. Zum Geburtstag deö Groß- herzogS werden hier der Herzog-Regent von Mecklen burg und seiue Gemahlin eintrcsfcn. w. Jena, 14. Juni. In einer socialdemokratischeu Versammlung sprach gestern Abend Reichstagsabgeordneter Schwartz über die sog. „Zuchthausvorlage". In einer Resolution wurde der socialdcmokratischc Landtagsabgeordnete Ba udert anfgefordcrt, sofort nach Zusammentritt des weimarischcn Landtages die Negierung zu interpelliren, wie ihr Vertreter im Bundeörath sich zu dem Entwurf ver halten habe. * BreSlan, 15. Juni. (Telegramm.) Der Kron prinz von Griechenland traf gestern Abend auö Leob- schütz hier ein und reiste um 10^/i Uhr nach Frankfurt a. M. weiter. * Gera, 14. Juni. Der Fürst hat sich zum Sommer aufenthalt nach Schleiz begeben. * Slrafjbnra i. Els., 14. Juni. Der Landes - Ausschuß nahm heute die in Form ciueS NachtragöetatS ringebrachte Erhöhung der Gehälter der mittleren Beamten und der Subalterubeamten an, sowie ferner den von dem Abgeordnete» Winterer eiiigcbrachtcn und begründeten Antrag, die Regierung zu ersuchen, dahin zu wirken, daß die dem Statthalter zu stehenden Befugnisse (sogenannter Diclaturparagraph) auf gehoben werden. Die Zeit und die Tagesordnung der nächsten Sitzung sind unbestimmt. * München, 14. Juni. Die CentrnmSpartei hat für die Landtagöwahlen bereits ihren Wahlaufruf ver öffentlicht. BemerkcnSwerth ist darin folgender die Mittel zur Erzielung der „inneren Wohlfahrt" behandelnder Passus: „Unsere Abgeordneten werden dafür ciiitretcn, daß die bestehen den und berechtigte» Klagen auf dem weiten Gebiete des staatlich geleiteten Unterrichtes thunlichste Abhilfe erfahren; sie werden dar über wachen, daß daS Recht der Eltern aus die Erziehung ihrer Kinder unangetastet bleibt, sie werden daher der seit Langem von den Liberalen und Socialdemokratcn und neuestens von den Führern des Bauernbundes angestrebten Verstaatlichung der Volksschule Widerstand entgegensetzen; sie werden hingegen die Mitwirkung der Negierung zu dem Zwecke fordern, daß in den Mittelschulen r GotteSglaube und die religiöse Gesittung lebendig erhalten zogen, als zur kalten, gemessenen Schwiegermutter, deren Miß gunst oft unverhüllt zu Tage trat. Frau Jutta gab sich kaum die geringste Mühe, ihre Abneigung gegen Benita, die fast an Haß grenzte, zu verbergen. Es existirte in Frau Jutta's Vergangenheit ein wunder Punct, der ihren Widerwillen gegen Alles, was mit der Bühne in Verbindung stand, erklärte. Obzwar sie ihren Mann nicht gerade auS leiden schaftlicher Liebe geheirathet — ihre beiderseitigen Väter hatten die Verbindung aus Geschäftsrücksichtcn passend gefunden —, so war sie ihm doch herzlich zugethan gewesen, und als sie eines Tages die Entdeckung gemacht, daß ihr Gatte in den Banden einer verführerischen Theatersoubrette lag, da hatte cs sie furcht bar getroffen. Es hatte einen stürmischen Auftritt zwischen ihr und dem Ungetreuen gegeben, Frau Jutta hatte mit Scheidung gedroht; da hatten sich die Verwandten, einen Familienscandal fürchtend, ins Mittel gelegt, der junge Ehemann halt« in Sack und Asche Buße gethan, und der Friede war, mühsam genug, wieder hergestcllt worden. Die hübsche Soubrette erneuerte ihr Engagement am Stadt theater nicht, und die Grooßfeld'sche Ehe war fortan ein« muster- giltige. Von dem Hause fernerstehenden Personen ahnt« Nie mand, daß es je Stürme in ihr gegeben. Die Nachwehen der selben hatten jedoch noch lange auf Frau Jutta gewirkt und ihrem Seelenleben eine ganz andere Richtung gegeben. Von jeher eine in sich gefestete Natur, ward sie mit der Zeit hart und herrisch. Ihr Gatte, im Bewußtsein seines an ihr begangenen Unrechts, ordnet« sich in den meisten Dingen ihren Wünschen unter; cs hatte stets den Anschein, als wolle er etwas gut machen. Frau Jutta wäre übrigens eine erneute Untreu« ihres Joachim gleich giltig gewesen; sie hatte längst abgeschlossen mit den Idealen ihrer Mädchenzeit und denjenigen, an welche sie in den ersten Jahren ihrer Ehe geglaubt. Ihr genügte es nun, daß sie innerhalb ihres Hauses ihren Mann beherrschte. Um sein« geschäftlichen An gelegenheiten kümmerte sie sich nie und außerdem — mochte er doch außerhalb der Mauern ihres stolzen, unantastbaren Heim- rocsens treiben, waS er wollte. Daß ihr Sohn eine Sängerin hcimgefllhrt, hatte sie noch viel härter getroffen, als jene Enttäuschung, welche sie an ihrem Gatten, zu dem sic voller Vertrauen aufgeblickt, erlebt. Me chanisch greift die alte Dam«, sich aus ihrem Nachdenken auf- raffeno, wieder zu ihrer Arbeit; da erscheint der wohlgeschult« Diener »ater der Portiöre und meldet in gedämpftem, ehr erbietigem Tone, daß der Theetisch bereit stehe. Frau Jutta legt den grauwollcnen Armenstrumpf in das Arbeitskörbchen und schreitet, ihre volle, imposante Figur — man merkt ihr die Fünfzigerin nicht an — hoch aufrichtend, in das Eßzimmer, wo unter ver an schweren Vronzeketten vom Plafond herabhängenden Lampe der mit peinlicher Accuratess« gedeckte Theetisch steht. Die schwere silberne Theemaschine summt anheimelnd, die ge schliffenen Theegläser funkeln im Licht der Lampe, der kalte Auf schnitt auf Platten und Schüsseln und die knusperigen Weiß- brödchen winken appetitlich und einladend. Während Frau Jutta mit der Bereitung des Thees beschäftigt ist, öffnet sich eine auf den Korridor mündende Thür und der Hausherr, ein« mittelgroße, zur Corpulenz neigende Gestalt, tritt ein. Galant führt er die Hand seiner Frau an seine Lippen und nimmt dann am Tische Platz. „Wünschest Du Rum zu Deinem Thre?" fragt Frau Jutta, ihm das Flacon mit dem röthlichbraunen Inhalt hinüberreichend. Er greift danach mit einer dankenden Kopfneigung und langt sich gleich darauf «in Lachsbrödchen. „Du folgst heute nicht Eugenie's Aufforderung?" fragt er dann, „ich bin leider auch verhindert, aber da ich neulich bereits an unserem Bostonabend fehlte, so kann ich der Kleinen nicht den Gefallen thun." „Ich bleibe zu Hause", erwiderte Frau Jutta kalt, „wie ich vorhin auch zu Günther bemerkt, die Gesellschaft an Eugenie's Abenden ist mir zu bunt. ES sind Elemente darunter, die mir nicht gefallen: Künstler oder sogenannte Künstler u. s. w. Ich bin, wie Dir bekannt, in strengen Grundsätzen erzogen, bin eine auS der alten Schule, der Fortschritt der Zeit hat noch nicht Macht über mich gewonnen, wenn ich auch unmodern dastehen mag mit meinen veralteten Ansichten. Uebrigens, Joachim, sage dem Kutscher, wenn Du ihn zurückschickst, er möge nicht aus spannen, Günthers werden Eugenie's Abendgesellschaft besuchen." „Ich hörte", bemerkte der alte Herr, „als ich vorhin den Cor- ridor passirte, Benita droben singen; sic besitzt wirklich eine hervorragende Stimme." „Schade, daß sie dieselbe nicht der Bühne erhalten", warf Frau Jutta herbe ein. „Sie wird Furore machen im Concert", fuhr der tolerant denkende Schwiegerpapa fort, „Günther sprach heute Morgen —" „Benita wird nicht in diesem Concert mitwirken", fiel Frau Jutta ihrem Manne mit scharfer Betonung in's Wort. „Ach — schade, und weShakb nicht?" ,Hch verstehe Dich nicht, Joachim. Gottlob, Günther giebt, noch etwas aus mein Urtheil. Er wird es seiner Frau ver bieten, sich der öffentlichen Kritik auszusehen. Mag Benita in Privatcirkeln und zu Hause ihre Triller und Rouladen hervor schmettern, auf die Bretter deS StadttheaterS, wo diese Wohl- thätigkcitsvorstellung in großem Stile stattfinden soll, darf die Frau Günther Grooßfeld'S nicht mehr, daS ist sic unserem Namen, der nun leider auch der ihrige, schuldig. Daß unsere Meinungen über diesen Punct, wie cS scheint, auSeinandergehen, wundert mich allerdings keineswegs, lieber Joachim. Jedenfalls wird Benita nicht mitwirk«»." Herr Grooßfeld räusperte sich leise, leerte sein TheeglaS und erhob sich. Wenn Frau Jutta in diesem Tonfall sprach, war jeder Wider spruch von vornherein ausgeschlossen. Den alten Herrn beschlich zwar Mitleid mit Benita, sie hatte sich, er wußte es, auf die Mitwirkung im Concert gefreut, aber schließlich war csGünthcr's Sache, die Recht« seiner Frau seiner Mutter gegenüber zu ver treten. Der alte Herr zog wiederum in chevalereSkcr Werse die Hand seiner Gattin an seine Lippen. „Gute Nacht, Jutta", sprach er, sich verabschiedend, „es wird, fürchte ich, heute eine lange Sitzung werden; erst das Boston und dann — Herimer wollte mich mit einem Geschäftsfreunde aus Frankfurt, der sich besuchsweise bei ihm aufhält, bekannt machen; er soll ein kleiner Krösus sein, ein Geschäftsgenie." „Deine Clubsitzungen Pflegen nie von kurzer Dauer zu sein", erwiderte Frau Jutta trocken. „Gute Nacht, Joachim." AIS sich die Thür hinter dem Hausherrn geschlossen, drückte Frau Jutta auf den Knopf der silbernen Tischglocke und befahl dem eintretenden Diener, die Haushälterin zu rufen. ES galt, die Zusammenstellung eines Menus zu berathen; am kommenden Sonntage, dem Tage, an dessen Abend das Wohl- thätigkeitsconcert stattfinden sollte, beabsichtigte Frau Jutta, ein Diner zu geben. Denkens und einige nähere Bekannte deS Hauses sollten an demselben Theil nehmen. Frau Jutta vertiefte sich, sobald die Haushälterin erschienen, in Berathungen über frischen Caviar, Markpastetchen, Rehbraten und Ananaseis, sie war ganz Hausfrau in dieser Viertelstunde; Benita, das WohlthätigkeitSconcert und der geheime Aerger über Mann und Sohn, die, sie fühlte es, im Stillen ihrer Ansicht nicht beistimmten, waren vergessen. Sie hatte gesiegt, wie immer, und das genügt« ihr. Die verhaßte Schwiegertochter sollte nicht alle, einer Künstler phantasie entsprungenen Capricen durchsetzen, so lange sie, die Schwiegermutter, ein Wort mitzureden hatte. Zweites Capitil. Nachdem Günther daS Wohnzimmer seiner Mutter verlassen, war er mit einer tiefen Falte zwischen den Brauen die teppich- belegten Stufen, welch« zu der von ihm und Benita bewohnten Etage führten, hinangestiegen. „Die gnädige Frau ist im Kinderzimmer", ertheilte ihm, auf seine Frage, das Stubenmädchen Bescheid. Als Günther das hohe, luftige, nach allen Regeln der Hygieine eingerichtete Gemach, das eigenste Reich seine- anderthalbjährigen Sohnes betrat, glättete sich die finstere Falte auf seiner Stirn. ES war ein reizendes Bild, welches sich seinen Blicken darbot. Neben dem Bettchcn ihres Kindes saß auf einem niedrigen Tabouret Benita und sang mit halblauter Stimme ein Wiegen lied. Sie machte ihrem Gatten ein Zeichen, leise aufzutreten, und fuhr dann im kosenden, gedämpften Singen fort: „Mutteraug's Sonnen, Hell strahlt ihr Licht, Nacht ist zerronnen. Wo es anbricht. Trübt auch die reinen Leid mancherlei, Du darfst nicht weinen, Eia popei." Sanft ersterbend verhallte der Refrain. Benita erhob sich und schritt über den Korkteppich, der den ganzen Fußboden über spannte, auf ihren Mann zu. „Komm", sagte sie leis«, „sich' nur, wie süß er schläft! Ist er nicht das reizendste, das hübscheste Kind, unser Sohn?" „Und Du die eitelste aller Mütter", flüsterte ihr Günther neckend ins Ohr; aber auch sein Auge erstrahlt« in Vaterstolz, als er den wirklich prächtigen Kleinen in seinen weichen, Weißen Kissen schlummern sah — die Wangen leicht geröthet, die dicken Händchen geballt. Eng einander umschlungen haltend, standen die jungen Eltern in den Anblick ihres Kindes versunken. Eine halbe Stunde später schritt Gunther im Musiksalon auf und nieder, das Erscheinen seiner Frau erwartend. Benita war noch bei der Toilette. Günther sah distinguirt und stattlich aus im schwarz«» Gesellschaftsanzug; er war ein schöner Mann, seine hohe-Figur wies ein vollendetes Ebenmaß auf, auS dem ovalen Antlitz schauten ein Paar dunkelgraue Augen, die gewöhnlich einen ernsten, gesammelten Ausdruck hatten, aber auch blitzartig auf leuchten konnten, wenn eine leidenschaftliche Regung seine Seele durchfluthete. Eben blickten sie finster drein .... Warum brachte ihn da» Schicksal in steten Conflict mit den Wünschen seiner Frau und denjenigen seiner Mutter? Er hatte sich von jeher der Ueberlegenheit der Letzteren gebeugt, er hatte bereits früh den geistigen Werth der Fra», welche hauptsächlich seine Er ziehung geleitet, erkannt, und sich in der Regel willig ihrem Urtheil und ihren Bestimmungen untergeordnet — allein als ihn eine leidenschaftliche, tiefe Neigung zu der jungen Opernsängerin erfaßt, die bei ihrem ersten Auftreten auf der Bühne seiner Vater stadt sein Herz gewonnen, da hatte er zum ersten Mal« gegen den Wunsch seiner herrischen Mutter gehandelt — Binita war sein geworden. Aber er wußte wohl, wie tief Frau Jutta'» Mutterstolz litt und er wollte Balsam auf die Wunde legen dadurch, daß er nach wie vor in kleineren Dingen, in Fragen, die das Alltägliche im Zusammenleben dieser Alten und Jungen be rührten, nachgab und daß «r auch Benita veranlaßt«, das Gleiche zu thun. Und Benita überwand sich auS Liebe zu ihm, und so hatte sich das Verhältniß zwischen Eltern und Kindern bis her ganz leidlich gestaltet. (Fortsetzung folgt.)
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