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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991106021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-06
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8610 „Wenn absolut Bilderbriefmarlen (!) geschaffen werden sollen, o nehme man sie in Bayern aus der bayerischen Ge- chichte und auch daS Bild der Bavaria." Als Borlage ür ein Bild auS der allerneuesten bayerischen Ge- chichte können wir der »Neuen Bayer. Ztg." eine An- ichtSpostkarte rmpfeblen, die uns Heuer in München ge- eigt worden ist; sie stellt die bayerische Hauptstadt Lar, über der blutroth die Sonne aufgeht, und enthält im Border- grunde eine anziehende Gruppe: einen Caplan Hand in Hand mit einem Socialdemokraten. Bei der Wahl diese»Bildes würde die erklärendeUnterschrist erspart werden können. Alle», was da» Londoner KriegSamt vom Kriegsschauplätze in Natal jetzt bekannt giebt. ist veraltet und überholt und bat nur noch sehr bedingten Werth. Die Nachrichten katiren fast ausschließlich vom DouuerStag, nur zwei vom Freitag und betreffen Einzelheiten über die Beschießung von Ladysmitb und dem südlich gelegenen Colenso. sowie über verschiedene Ausfälle aus der Stadt, bei denen Abtheilungen der Boeren „überrumpelt" oder in die „Flucht geschlagen" sein sollen. Einen Theil dieser Meldungen gaben wir schon im heutigen Morgeublatt wieder, der Londoner Dcpeschensack ist aber auf einmal so gefüllt, daß wir noch mit weiteren Meldungen gleicher Qualität dienen können. Man be richtet unS: * London, 6. November. DaS „Reutersche Bureau" berichtet auS Colenfo vom 2. d. M.: Heute gingen die Boeren gegen Liese Stadt vor. Sie kamen von Ladysmith her, stellten ihre Batterien auf demCroblerS Klooshiigel auf und eröffneten als bald rin Feuer sowohl auf Ladysmith im Norden, wie auf Colenfo im Süden. Die Boeren verwenden Kanonen von großem Caliber gegen Colenfo und zielen hauptsächlich auf daS Fort Wylie. Mein, da ihre Geschütze zu weit tragen, fallen die Geschosse sämmtlich diesseits der Stadt. — Während des Vormittags entgingen ein Postzug von Ladysmith und ein anderer Zug dem Feuer der Boeren und trafen, ohne Schaden genommen zu haben, hier rin. Die Zugsührer berichten, die Boeren hätten außer Mausergewehren auch Norden- feldt-Schnellfeuergeschütze. * Colenfo, 2. November, 9 Uhr 10 Min. Abends. Die vor geschobene Patrouille eines auf 2000 Mann geschätzten Corps der Boeren, das jedoch keine Feldgeschütze hatte, bekam mit den englischen Vorposten Fühlung. Nachdem mehrere Schüsse ge- wechselt worden waren, zog sich die Boeren-Patrouille auf die Haupt- truppe zurück. Auf englischer Seite wurde ein Mann gelobtet. Die Boeren hatten zwei Todte. * London, 5. November. DaS Kriegsamt hat ein Telegramm LeS Generals Buller empfangen, das eine mit einer Taubenpost übermittelte Depesche aus Ladysmith vom 3. d. M. enthält, »ach welcher Tags vorher General French mit Cavallerie und Feld- artillerie ausgerückt ist und das Boerenlager ohne Verluste auf englischer Seite wirksam besch offen hat. General Joubert sandte einen Osficier und neun Verwundete. Acht von den gefangenen Boeren wurden dafür ausgetauscht, weil keine anderen transportfähig waren. General Brock- le hurt griff den Feind heute mit Feldartillerie und Cavallerie südwestlich von Ladysmith an. Der Kampf dauerte mehrere Stunden. Tie Verluste auf englischer Seite waren gering. Die Beschießung der Stadt dauerte gestern und heute fort. Biele Granaten find in die Stadt gefallen. Die Truppen sind gesund, die Verwundeten befinden sich in guter Verfassung. * London, 6. November. (Telegramm.) Die Morgenblättcr veröffentlichen folgende Nachricht aus Ladysmith vom 3. d. M.: Am Schlüsse des Angriffs auf das Boerenlager ber vesterS ergriffen dir Boeren eilig die Flucht und ließen viele Todte und Verwundete aus dem Kampfplatze zurück. DaS englische Granatfeuer hatte furchtbar gewirkt. DaS ganze Lager mit Borrätheu fiel in die Hand der Engländer. * Estcourt, 3. November. Die Boeren beschießen Lady smith weiter, richten aber wenig Schaden an. ES gelang den Schiffsgeschützen, die Virrzigpsünder der Boeren auf Heps- worthhügel rndgiltig zu demontiren.(?) Gestern griff auf einem RecognoScirungsritte nach Süden englische Cavallerie den Feind an und fügte ihm großen Schaden zu. Die letztere Meldung bestätigt, was schon berichtet wurde, daß die bei Colenfo stehenden englischen Truppen den Ort geräumt und sich weiter südlich — nach Estcourt — zurückgezogen haben. DaS war die Lage am Freitag. WaS nachher geschehen ist, darüber verlautet nichts Bestimmtes, namentlich auch darüber nicht, ob Ladysmith seitdem gefallen ist, was als sehr unwahr scheinlich bezeichnet werden muß. Bis Freitag jedenfalls war wieder der Erfolg auf Seite der Boeren und es ist immer noch sehr möglich, Laß eö bei den der Aufgabe von Colenfo vorhergegangen Kämpfen um Ladysmith eine zweite große Schlacht gegeben hat, über die der amtliche englische Telegraph bekanntlich schweigt. Noch heute geht uns folgende Meldung zu: * London, 6.November. (Telegramm.) Tie,,Times" berichten ans Pietermaritzbnrg vom 3. d. M.. vwiiae Afrikander erhielten die Nachricht. Latz gestern, den 2. d. M., eine blntige Schlacht zwischen Ladysmith und Colenfo geschlagen worden sein soll, in der viele Boeren gefallen seien, Larnnter zahlreiche Anverwandte hier lebender Afrikander. Tie engttsche» Bewohner von Pietermaritzbnrg dagegen wissen bisher nichts von einem Kampfe. Auffallend ist ferner, daß erst gestern, also am Sonntag, in London die auS Ladysmith und Estcourt am Donnerstag und Freitag eingetroffenen amtlichen Telegramme bekannt gegeben wurden. Diese nur von Erfolgen der Engländer berichtenden Meldungen sollen offenbar den schlechten Eindruck wieder ver wischen, den die Bekanntgabe des Rückzugs aus Colenfo gemacht hatte. Man kann sich auch heute des Eindrucks nicht erwehre», daß noch etwas Weitere« gescheden ist, WaS zu verschweigen das Londoner KriegSamt für opportun hält. Wie dem aber sei, fest steht, daß Colenfo von den Engländern trotz starker Befestigung aufgegeben werden mußte, daß Ladysmitb seit Donnerstag früb auch von Süden her eingeschlossen und nun mehr von jeder Verbindung abgeschnitten ist. Die Ausfälle, die General Wbite etwa noch wagen möchte, können keine Unterstützung von Colenfo mehr erhalten und die große englische Entsatzarmee ist noch weit vom Treffen. Bis heute ist eS White nicht gelungen, sich durchzuschlagrn, um sich nach Pietermaritzburg und Durban zu Wersen, deren Deckung jetzt, wo die Landung der englischen Truppen bevorsteht, viel wichtiger ist, als die Behauptung von Ladysmith. Aber eS fragt sich über haupt, ob White an einen Durchbruch nach Süden denken kann, denn es ist nicht gewiß, ob seine Truppen einen Train für den Transport der Munition und Lebensmittel besitzen. DaS Fehlen eines Trains würde General White zu seinem Verhängniß in Ladysmith festhalten und auch gleichzeitig die Erklärung für seine Unbeweglichkeit während der ersten Periode des Krieges liefern. Der Mangel eines TrainS bei einer so exponirten Truppe würde ein neuer Beweis dafür sein, daß dieser Krieg von englischer Seite mit einer an Leichtsinn grenzenden Sorglosigkeit be gonnen worden ist. Wird nun General Wbite im Stande sein, in Ladysmith so lange ausznbalten, bis die Verstärkungstruppen in Süd-Afrika, beziehungsweise in Natal eintrrffen? Dies wird in erster Linie von der Menge der Vorräthe und von dem moralischen Zustande seiner Truppen ab- hänzeu. Nach Miltheilungen aus Capstadt erwartet man dort daS Eintreffen des ersten Eckellons des Buller'schen CorpS, der 1. Division des Generals Lord Methnen, für den 6., 7., 8. und 9. d. Da alle Transportschiffe von der englischen Negierung mit der Bedingung gechartert wurden, daß sie in Capstadi Befehle über die eventuelle Fortsetzung der Fahrt eiuzuholen haben, so dürften dieselben dort wahrscheinlich die Weisung erhalten, die Truppen in Durban auszusckisfen, wo sie am 10., 1l., 12. und 13. d. ein treffen könnten. Obwohl die südafrikanischen Bahnen auf mili tärische Transporte nicht eingerichtet sind, so wäre eS doch mög lich, einen Theil der Truppen und deS Trains mittels Bahn wenigstens bis Pietermaritzburg oder Weston zu befördern. DaS weitere Vorrücken müßte in Fußmärschen und theil- weise sogar in Gefechts-Formation znrückgelegt werden, da die Boeren von Ladysmith und Pomeroy auS das Gelände gegen Pietermaritzburg zu gewiß mit ihren fliegenden Corps durchstreichcn werden. Vom Tage der Ausschiffung bis zum Eintreffen der Verstärkungen in dem Raume zwischen Colenfo, Weenen und Estcourt würden daher mindestens 10 bis 12 Tage vergehen, so daß General White vor dem 25. November kaum auf Entsatz rechnen kann. Die Truppen in Ladysmitb dürften heute einschließ lich der Nichtcombattanten 10 000 Mann und mehr als 3000 Pferde und Maulthiere zählen. Hierzu kommen nach Abzug der Frauen und Kinder noch etwa 1500 Personen der Civil- bevölkerung, so daß — nahezu 12 000 Menschen und 3000 Thiere durch mindestens drei Wochen zu verpflegen sein werden. WerLen aber in einer kleinen Stadt wie Ladysmith so große Vorräthe aufgestapelt sein? Mit Rücksicht aus die geringe Voraussicht, welche der englische Generalstab in diesem Kriege an den Tag gelegt hat, darf man der Intendantur auch kaum zumuthen, daß dieselbe für den Fall der Ein schließung von Ladysmith so umfassende Vorsorge getroffen hat. — Die englischen Nachrichten vom westlichen Kriegs schauplätze lauten nicht mehr so übermüthig, wie bisher. Man meldet unS: * Kapstadt, 3. November. („Reutcr'S Bureau.") Nach Nach- richten aus Mafeking sichren die Boeren ein großes Geschütz aus Pretoria sieben Meilen von Mafeking auf. Sie feuerten bisher 16 Schüsse ab, nur einer traf die Stadt und setzte einen Laden in Brand, der verbrannte. Die Garnison ist völlig unverletzt. Sie rechnet nicht auf einen Angriff im Rücken. (Also be fürchtete man einen solchen Angriff. D. Red.) * Loudon, 5. November. Dem Kriegsamte ist eia Telegramm zugegangen, nach welchem in Kimberley am 31. v. M. alle Verwundeten wohl waren. (Mittwoch Abend war, so wird weiter gemeldet, in Kimberley Alle» wohl und man erwartete stündlich einen Angriff aus die Stadt. Da jetzt von Verwundeten die Rede ist, hat rin solcher Angriff offenbar stattgesundrn; wir nehmen an, daß er sür die Boeren glücklich verlausen ist, denn sonst würde dem KriegSamt «ine grgentheilige Meldung zugegangen sei». D. Red.) Daß die Boeren die wichtige Eisenbahnstation ColeS- berg besetzt haben, wurde schon gemeldet. Nach der einen Version hat das kleine dort lagernde Polizeicommando die Waffen gestreckt, nach der anderen bat eS die Stadt verlassen und ist nach Newport in südlicher Richtung gegangen. ES ist unbegreiflich, daß die Engländer auch hier nicht sür eine starke Besatzung gesorgt haben. Dieser Fehler wird das Vordringen der erwarteten Ersatztruppen erheblich erschweren. — Von großer Wichtigkeit ist folgende Mittheilung der officiösen „Pol. Corr.": * Bon unterrichteter Seite erfahren wir, daß die portugie sische Regierung au dem Entschlüsse, in Bezug aus den englisch- transvaalischen Krieg vollständige Neutralität zu beobachten, festhalte. AuS der Thatsache, daß zwischen Portugal und Eng- land eia offenkundiges freundschaftliches Berhältaiß besteht, dürfe nicht geschlossen werden, daß daS Lissaboner Cabinet geneigt sein dürfte, von der bezeichneten RichtuagSlinie abzuwrichen, etwa englische Truppendurchzüge durch Las Gebiet von Lourengo - MarqueS zu gestatten oder sonst auf Transaktionen eiazugehen, die den Charakter einer Begünstigung der einen kriegführenden Partei tragen würden. Das Unterbleiben einer osficiellrn Neutralitätserklärung seitens Portugals sei nur auf den Umstand zurückzuführen, daß, offenbar im Hinblick auf die unklare völkerrechtliche Stellung der Südafrikanischen Republik gegenüber England, auch von keiner anderen Macht eine formelle Kundgebung in solchem Sinne ausgegangen ist. Mit dem Unterbleiben sonstiger „TranSactionen" ist der Verkauf der Delagoabai an England gemeint, von dem vielfach die Rede war. Für Transvaal war eS eine große Sorge, in Ungewißheit über einen etwaigen Einfall Englands durch portugiesisches Gebiet zu sein, der eine direkte Be drohung Pretorias bedeutet hätte. Diese Sorge scheint nnn behoben, und die Boeren brauchen ihre Streitkräfte nicht auch noch nach dieser Seite hin zu zersplittern. Die englischcit Seerüstungcn gewähren der durch die Meldungen vom südafrikanischen Kriegsschauplätze nicht wenig niedergedrückten öffentlichen Meinung jenseits deS Canals insofern einen gewissen Trost, als sie sich sagt, daß Albion nach wie vor uneingeschränkte Herrin des OceanS ist und, gestützt auf die erdrückende Uebcrzahl seiner schwimmenden KriegScolosse, eintreten denfalls noch ganz anderen Prüfungen Stand zu halten vermöchte, als rhm augenblicklich in Südafrika be schicken sind. Ohne gerade nach irgend einer Seite bestimmte Befürchtungen verlautbaren zu lassen, erklären die Londoner Blätter den derzeitigen Stand der inter nationalen Dinge dock für einen solchen, welcher den englischen Staatsmännern die schärfste Wachsamkeit zur Pflicht mache. Ohne einem Widerspruch zu begegnen, betonen sie, daß der Feld zug in Südafrika nicht nur die militärischen Hilfsmittel deS Reiches in weitgehendem Umfange für sich beanspruche, sondern daß unter dem militärischen Gesichtspunkte England sich heute in einer so kritischen Lage befinde, wie solche seit dem Krimkriege nicht mehr vorgekommen sei. Dement sprechend gewinnt die SeekricgSmacht Englands in den Augen des dortigen Publikums noch mehr als bisher die Bedeutung des Grundpfeilers, der alles Andere hält und trägt, so daß selbst ziemlich merkliche Erschütterungen des Gebäudes der überseeischen Politik verbältnißmäßig eindrnckSlos bleiben, so lange die Flotte ihrer Aufgabe sich gewachsen weiß. Vor läufig hat die Ankunft des CanalgeschwaderS in Gibraltar einen schweren Druck vou dem Herzen der öffentliche» Meinung gewälzt. Dort nimmt nach dem allgemeinen Dafürhalten daS Canalgeschwader seinen denkbar günstigsten Posten ein; kann doch der Felsen von Gibraltar gewissermaßen als das Pivot aller englischen Flottenevolutionen in der Näbe der europäischen Küste angesehen werden. Nachdem die Kreuzer deS englischen Canalgeschwaders nach Südafrika abgegangen sind, haben seine acht Schlachtschiffe I. Classe vor Gibraltar geankert, so daß England jetzt im Mittelmeer und auf der Mittelmeerroute über eine gewaltige Seestreitmacht ver fügt. DaS stets schlagfertige Mittelmeergeschwader und das Canalgeschwader stellen ohne die bald eintreffenden Verstärkungen eine Flotte von 18 Schlachtschiffen I. Classe. 1 Rammschiff, 8 Kreuzern, 1 Torpedodepotschiff, 7 Torpedo bootszerstörern, 6 Torpedokanonenbooten und 4 Depeschen fahrzeugen und Sloops dar. England kann den Canal der Bertheidizung durch die Schiffe der Küsten- und Hafenwache (daS Reservegeschwader), die zahlreichen Schulschiffe und Torpedofahrzeuze überlassen und im Mittelmeer eine Flotte concentriren, die — gegenwärtig wenistcnS — jeder möglichen Vereinigung von fremden Seemächten überlegen ist. ES ist bezeichnend für die Verhältnisse im osmanischen Reich und für die Rechtspflege unter dem Scepter deS Groß herrn, daß allem Anschein nach der Mord an dem StaatS rath Djavid Bey, dem Sohne des greisen Großvezirr» Halil Nifaat Pascha, ungesllhnt bleiben wird. Die Unter suchung gegen Hadji Mustapha, der beschuldigt ist, Djavid Bey Lurch fünf Revolverschüsse ermordet zu haben, ist zwar abgeschlossen und Hadji Mustapha dem Strafgerichte über geben worden. Daß aber dem albanesischen Mörder kein Haar gekrümmt werben wird, dafür bürgt, wie der „Frankfurter Zeitung" geschrieben wird, seine Abstammung, sowie die Einmüthigkeit, welche die albanesischen Stämme beseelt, sobald es sich um einen Act der Blutracke handelt. Der Großvezier mag in seinem Schmerz als Vater des Ermordeten oder im Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit als höchster Beamter noch so energisch fordern, daß der Ge rechtigkeit freier Laus gelassen werde, so wird er es dock nicht erreichen, daß ein Albanese und sei er selbst einfacher Tage löhner wie Hadji Mustapha, wegen eines Mordes mit dem Tode bestraft wird. Im ersten Verhöre nach seiner Ver haftung bat Hadji Mustapha nicht bloS den Mord am Sohne des GroßvezierS gestanden, es waren auch mehrere belastende Augenzeugen da, wie der Osficier, welcher den Mörder durch einen geschickt geführten Säbelhieb zum Stehen brachte und der Polizer überlieferte. Einen Tag später leugnete der Albanese deu Mord gänzlich ab und kurze Zeit darauf ^verschwanden die Belastungszeugen, einschließlich des erwähnten OfficierS, von Konstantinopel. Dagegen tauchten plötzlich andere Zeugen auf, die alle Eide schwuren, daß Hadji Mustapha unschuldig sei, und dieser selbst forderte schließlich einen be trächtlichen Schadenersatz sür die ihm von dem Osficier zugefüzte Verletzung. Ein solcher wird ihm Wohl auch in reichlicher Weise gewährt werden, sobald das Gericht seinen vorauSzusehenden FreispruchZ verkündet hat. Wie groß der Haß und die Verachtung waren, welche die Albanesen gegen Djavid Bey hegten, gebt auch auS der folgenden durchaus beglaubigten Episode hervor. Vor einigen Tagen sandte der Sultan die älteste kaiserliche Prinzessin zur Frau Djavid's, die in den kaiserlichen Harem abgeholt wurde. Beim Passiren der Palastwachen präsentirten die albanesischen Garden vor der Sultana rcglementSmäßig die Gewehre. Die Wachen wußten nicht, daß die andere Dame Djavid's Frau sei. Sie halten es aber später in Erfahrung gebracht, und als nach mehrstündigem Aufenthalt im Harem die Sultana ihren Gast wieder nach Hause begleitete, ver weigerten die albanesischen Garden den ihr schuldigen Gruß und rauchten, die Arme auf die Gewehrmündung gestützt, Cigarette». Der Sultan war durch diesen Vorgang im höchsten Grade beunruhigt. Deutsches Reich. -g- Leipzig, 6. November. Gestern Vormittag verstarb der kaiserliche NeichSgerichtsrath Herr Georg Ludwig Conrad von Bruchbausen. Der Heimgegangene wurde im Jahre 1846 auf Gut Stovern bei Oelde in Westfalen geboren. Nach Vollendung seiner juristischen Studien wurde er im Jahre 1866 beim Amtsgericht Iburg als Auditeur eidlich verpflichtet, mit dem 1. April 1868 an das Amtsgericht Osnabrück versetzt und von Anfang Januar 1869 ab zu den Geschäften des lönigl. Obergerichts in Hildesheim zugelassen. Am 1. Juli 1871 zum Gerichtsassessor ernannt, wurde er im Jahre 1872 Amtsrichter beim Amtsgericht Aschendorf, am 1. Oktober 1875 Mitglied deS Obergerichts im Bezirk deS AppellationSgerichtS zu Celle und mit den Geschäften eines Substituts des Kronanwalts beim Obergericht Aurich beauftragt und am 1. Juli 1876 etatmäßiger Richter bei dem dortigen Obergericht. Am 1. Juli 1882 erfolgte die Versetzung von BruchhausenS an daö Landgericht Halle, am 1. April 1887 an das Landgericht Naumburg, wo er am 1. Februar 1888 zum Oberlandesgerichtsrath ernannt wurde. Am 16. Mai 1893 erfolgte seine Ernennung zum Rath beim Oberverwaltungsgericht in Berlin; seit dem 1. Mai 1891 gehört er dem Reichsgericht an. * Berlin, 5. November. (Die nächste Reichstags- Campagne.) Nach einer im Bureau des Reichstags zusammengestellten Uebersicht liegt für den am 14. d. M. wieder zusammentretenden Reichstag noch folgender Be- rathungSstoff ausderZeit vor der Vertagung vor: 1) An Vorlagen müssen noch in zweiter und dritter Berathung erledigt werden: Das Postgesetz, die Fernsprcchgebührenordnung, die Gewerbeordnungsnovelle, Concessionspslicht der Gesindevermiether rc., die Gesetzentwürfe betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgrsetzes, der Strafproceßordnung (Einführung der Berufung gegen Straskammerurtheile, Nacheid rc.) und des Strafgesetz, buches (lerc Heinze), der Gesetzentwurf über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, die Arbeitswilligenvorlage, das Telegraphenwegegesetz und der Gesetzentwurf, betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau; 2) an Resolutionen: die Resolution Graf v. Schwerin» Löwitz (cons.) betr. die Zollvergütung bei der Ausfuhr von Mehl und drei Resolutionen, die ursprünglich zum Invalidenversicherungs gesetz gestellt waren und die Einführung einer Witwen- und Waisenversicherung für die Arbeiter resp. einer reichsgesetzlichen Krankenversicherungspflicht anstreben; 3) Wahlprüsungen betreffs der Wahlen der Abgg. Gras v. Dönhoff (cons.), v. Kardorff (Rp.), SmalaskyS (Littaucr); 4) eine große Anzahl von Petitionen, trogen zu werden. Ich spreche nicht von den Ehefrauen, sondern von den selbstständigen, wie Eure Gnaden jetzt sind. Jeder glaubt, bei den Geschäften mit einer solchen Dame profitiren zu tonnen. Diese Geschäftsleute wissen nichts von der Frauen bewegung und von den neuen Entdeckungen über die enormen geistigen Fähigkeiten der Frauen; sic halten die Frau für ein menschliches Lebewesen zweiter Classe — natürlich nur in finan ziellen und ähnlichen Angelegenheiten, sonst wissen sie wohl, wo das Weibliche Trumpf ist. Und weil sie so gering denken von den Frauen —" „Doch sie können sich irren, ich war stets ein« praktische Frau — und kann und will es jetzt beweisen. Auch wird mir doch Wohl guter Rath zur Seite stehen." „Was mich betrifft, ich kann mich nicht aufs Land verbannen. Die Wurzeln meiner Existenz sind in der Stadt. Ich will Dir gelegentlich mit meinen Erfahrungen unter die Arme greifen, aber es giebt so viel Kleines, worin man Fehler machen kann, Laß daraus sich allmählich etwas Großes herausbilvet. Und wenn man nicht immer anwesend ist, kann man's nicht hindern." „Ich werde mir Alles reiflich überlegen, zunächst aber mich meines neu erworbenen Besitzes freuen." Vagenow zerrte ärgerlich an seinem Schnurrbart, doch er tröstete sich — wenn er einmal Frau von Siebeneck als seine Gattin heimzcsührt, werde sich da- Uebrige schon finden. Das Gut mußte verkauft werden; der Ertrag der Güter war ja so gering, er konnte das Geld besser verwerthen. Inzwischen fanden sich allmählich die Trauergäst: ein, Wagen auf Wagen fuhr in den Schloßhof. Die Kreisstände alle, die adeligen und bürgerlichen, waren eingetroffen. Herr von Trautheim machte die Honneurs des Empfanges, da kein naher Anverwandter des Barons anwesend war. Seine Excellenz der lanvwirthschaftliche Minister war auch gekommen. Die Verdienste des Barons um die Landwirtschaft verdienten zwar gerade keine Medaille, aber er war persona xrata bei Hofe, und der Minister sollte auch der jung«n Wittwe das Bedauern des Königs und der Königin über den schweren Verlust ausdrücken. Und die junge Wittwe erschien, schwarze Schleifen im lockigen Blondhaar, die schlanke Taille durch ein schön sitzendes Trauer kleid gehoben, leichtfüßig wie immer, mit dem freundlichen Lächeln auf den Lippen, das ihr eigen war, die Gäste begrüßend. Immer wieder mußte sie sich selbst zur Ordnung rufen; denn eine innere Stimme rief ihr zu, man sieht auf Dich, man beobachtet Dich; nach Allem, was vorgegangen, will man in Deinen Mienen lesen, ob die Liebe zu Deinem Gatten ganz erloschen war — und so mußte sie denn dem Ernst de» Tages volle Rechnung tragen, aber ihre Bemühungen, den Schein zu wahren, ließen gerade das wahre Gefühl, das in ihr lebte, nicht zur Sprache kommen, und weil sie fortwährend an die Trauerversammlung dachte und an den Eindruck, den sie auf diese zu machen verpflichtet war, ver dunkelte sich fortwährend das Bild des Todten in ihrer Seele. Ganz allein stand sie nicht unter den Männern; die Gräfin Pfeiler war mit herüber gekommen und leistete ihr Gesellschaft, ebenso eine andere Gutsnachbarin, Frau von Schramm. Sehr liebenswürdig von den Damen, dachte Clara, aber der Gräfin hat er jedenfalls sehr den Hof gemacht, und sie stellt ihm hierüber eine Quittung aus. Das geht mich nichts weiter an, das könnte mich höchstens ärgern, und Frau von Schramm ist überhaupt eine Kokette, wer weiß, wer weiß! Und diese feindseligen Gedanken verscheuchten wieder die Trauerstimmung, die sich nur langsam wiederherstellte, als der Zug in die Kirche ging, wo eine Art von Katafalk errichtet war und der Prediger bereit stand, vor einer alle Bänke des Schiffes und der Emporen überfüllenden Menge die Leichenrede zu halten. Die Bewohner des Ortsarmenhauses waren auch anwesend; die rothe Hanne und die schwarze Loricke tauschten ihre Be merkungen aus. Der Minister mit dem großen Ordensstern intercssirte sie lebhaft, auch der Graf Pfeiler mit dem Johanniterkreuz, und die Loricke erzählte allerlei Geschichten von dem Grasen, der nicht besser sei als der Baron, aber sein Wesen nicht so offenherzig treibe; auch der alt« Invalide sprach mit; der ganze Ordenskram hatte für ihn keinen Werth, wenn das eisern« Kreuz nicht dabei war. Die schöne Frau Blume flüsterte ihrem schlagkräftigen Bräutigam zu, auf die Baronin deutend. „Nun, übermäßig traurig sieht sie gerade nicht aus, aber er war auch ein Schling«!, und wenn Du solche Streiche machen solltest und dann den Hals brechen, so giebt's keine Wittwentrauer, sondern nur Wittwmfreude — merke Dir das!" Die kleine Lehrerin durfte sich nicht unter die vornehmen Damen mischen, in deren Mitte die Baronin stand. Auf einer Empore hatte sie Platz genommen, ganz in der Nähe der Orgel; denn sie trug schwere Sorge um den Vater, der sehr verstört auLsah und hinter ihr unruhig auf- und abschritt wäh rend der ganzen Predigt, die rührend wirkte. Denn der noch junge Prediger, der in seinen Mußestunden Dichter war und auch einen Go'schnittband religiöser Gedichte, durchwebt mit einigen ketzerischen Minneliedcrn, herausgegeben hatte, verweilte gefühlvoll bei dem räthselhaften Unfall, dessen Opfer rin noch so junges Leben geworden, und bei der Traurr der vereinsamten Wittwe, die jetzt ohne Halt in der Welt dastehe und der alle Freuden des Lebens verkümmert seien. Ein kaum merkliches überkgenes Lächeln spielte um Clara's Lippen; der gute Prediger — Theolog und Lyriker zugleich — was wußte er vom Leben? Die Anderen sahen recht andächtig darein und hegten in der Stille allerlei böswillige Gedanken. - Die Orgel hatte schon einen kurzen einleitenden Gesang vor der Predigt begleitet; doch es war kein musterhaftes Orqel- spiel, cs schlichen sich allerlei Fehler ein, die nur der Küst«r des Nachbardorfes bemerkte. Doch nach der Predigt setzte die Orgel mächtig dröhnend ein; aber es war «in Tumult ver worrener Töne, falsche Registergänge wurden gezogen, Labial und Zungenpfeifen taumelten durcheinander. Wie ein in Convuksionrn befindliches Ungeheuer stieß die Orgel ein wüstes Gebrüll und zuckende Schmerzenslaute aus oder ließ einen dumpfen Donner durch das Kirchengewölbe hallen. Wenn auch viele Zuhörende und nicht blos unter den Dorfeinwohnern nicht viel mehr von der Musik verstanden, als daß sie ihnen der liebste Lärm war, so wurden doch Alle durch diesen takt- und maß losen Lärm in Aufregung und Verwirrung gesetzt. Das war ja über ihren Köpfen wie das Hereinbrechen des jüngsten Ge richts, dessen rollender Donner und schmetternde Posaunen sich auch nicht um Fuge und Contrapunct kümmern! Der Pfarrer rang die Hände. Kleine Störungen hatten schon manche Leichenfeier unterbrochen, in der <r seines Amtes als Seelen hirte waltete. Doch wenn eine solche kirchliche Großmacht wie die Orgel sich in einen Störenfried verwandelt«, so mußte sich ja Alles in chaotischen Wirrwarr auflösen. Vagmow und Herr von Trautheim hatten sich gleichzeitig durch das Gedränge, in welches sich die andächtige Zuhörer schaft aufgelöst, Bahn gebrochen, um die Treppe zur Empore zu erreicken. Noch immer hatte der betäubende Musik lärm nicht aufgehört, wenn er sich auch nur in einzelnen Stößen entlud, wie die letzten Züg« eines fortziehenden Gewitters. Oben anyekommen, sahen sie, wie Nepomuk Blomer noch immer auf der Tastatur herumpaukte, obschon Eulalia vor ihm flehend auf den Kniern lag und der College vom Nachbardorfe ihn ge waltsam von seinem Thronsessel, wo er ein anarchisches Ton gesindel commandirte, herunterzureißen suchte. Er klammerte sich gleichsam krampfhaft an den Tonriesen fest, drückte die Tasten an Manual und Pedal noch mit soviel Kraft nieder, wie ihm der Kampf mit dem Widersacher übrig ließ, die von dem mißhandelten Instrument fortzudrängen suchten. Endlich erstarb der Donner in den Höhen; Trautheim und Vagenow hatten sich dies Irrsinnigen bemächtigt, da stand «r zwischen ihnen mit rollenden Augen, verwirrtem Haar, das ihm in's Gesicht herunterfiel, und eh« sie es hindern konnten, hatte er sich über die Empor« gebeugt und rief herunter mit einer von innerem Krampf vibrirenden Stimme, die fick in der Höhe über schlug. „Glaubt ihm nicht, dem Mann im Talar! Er lügt — der Sohn war wie der Vater. Alles Unheil kommt von den Gottlosen — Mord- und Todtschlag. Die liederliche Sippe da unten mag die Zipfel seines Leichentuches halten. Gleich und Gleich gesellt sich gern! Aus dem Jenseits habe ich höhere Kunde. Die Siebeneck — Vater und Sohn sind gerichtet — gerichtet." Vagenow hielt dem kreischenden Magister den Mund zu; er schleppte ihn fort in's Schulhaus. Eulalia folgte in stiller Ver zweiflung. Der Küster von Dalldorf hatte inzwischen die rebellische Org«l zur Raison gebracht und mit ernster Feierlich keit tönten ihre geregelten Klänge wieder durch die Kirche. Vagenow und Trautheim waren dorthin zurückgekehrt, nachdem sie zwei jungen stämmigen Leuten vom Dorfe die Be wachung des Schullehkers anvertraut hatten. Der Arzt des Barons, vr. Schlomiller, war zur Leichenfeier eingetroffen, doch wegen eines plötzlichen schweren Krankheitsfalles in daS Dorf abberufen worden. Ihm lag nicht viel an der Trauer feier; er schlug den Verlust, den er durch den Tod des Barons erlitten, nicht hoch an, denn dieser gehörte zu seinen schlechtesten Kunden und erfreute sich einer Gesundheit, wie sie eigentlich nur für Plebejer paßte. Kaum war der Arzt von seinem Patienten zurückgekommen, als er aus der Kirch: in's Schulhaus hinüber geholt wurde. Er kannte den alten Blomer, und als er ihn in seiner noch immer maßlosen Erregung vor sich sah, rief er mit einer gewissen Genugthuung: „Na endlich!" Eulalia sah ihn fragend an. Der vr. Schlomiller war lange Zeit in «iner psychiatrischen Klinik thätig gewesen und war auch in seiner jetzigen Praxis sehr zufrieden, wenn ihm irgend ein Fall begegnete, der in das Gebiet der Seelenheil kunde gehörte: „Ich meine nur, liebes Fräulein daß ich vorausgesaqt habe, «s werde einmal zum Eklat kommen, das Leiden werde ein« acut« Wendung einnehmen. Es ist Paranoia mit Hallu» cinationen und da sind die heftigsten Affecte möglich." „Paranoia", fragte Eulalia, deren Wißbegier durch Alle», was ihr fremd war, lebhaft erregt wurde. (Fortsetzung folgt.)
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