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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991128012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-28
- Monat1899-11
- Jahr1899
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H.NlU W LchzMlTiijMlit! MÜ Ai>Mlüil.<>8», Acnstlig, NLsvcmdn IMS. WglW-AONbt.) zur bevor di« endgiltige Entscheidung, fällt, von d«r daS Schicksal unteres Stadttheater» ^ggg«v^, im nächsten Jahrzehnt abhängt, möchten wir einem hohen Rath, den Herren Stadtverordneten und der gesammten Bürgerschaft Leipzigs noch einmal di« nachfolgenden Sätze zu reiflicher Ueberlegung unterbreiten: l. Unsere Vaterstadt Leipzig stand von jeher im Mittelpunkte des geistigen Deutschlands und nahm immer auf all«» seinen Gebieten eine führende Stelle eia. Dir brauchen nur an nasere ehrwürdige Nnivcrfität, unser weltbekannte- Konservatorium, unseren universellen Buchhandel zu erinnern. Tiefe von unseren Vorfahren errungene Ehrenstellung müsse« Wik Unserer Vaterstadt er halten und dürfen weder Anstrengung noch Opfer scheuen, um in dem in unserer Zeit auf- Heftigste entbrannten Konkurrenzkämpfe der deutschen Großstädte mit Ehren zu bestehen. II. Dad Theater bildete von jeh« «inen Hauptfaetor im geistigen und künst lerischen Leben unserer Stadt. Das Stadttheatcr ist der Stolz und die Freude der Leipziger Bürger. Wir hören es gerne, wenn mau Leipzig eiae Th-aterstadt nennt. Kein« ander« Stadt kau» «i» so eifriges und treue» Theaterpubtieu» aufwetsen, wir Leipzig. III. Das Leipziger Stadttheater hat eine ruhmvolle Ver- und konnte früher zu den ersten Bühnen Deutschlands gerechnet werden. Einem Stücke, das hier seine Prob« bestanden hatte, waren alle Bühnen geöffnet; ein Künstler, der hier mit Erfolg ausgetreten war, hatte die erste Staffel des Ruhmes erklommen. In Leipzig zum ersten Mal« ausgrführt zu werden, war das beiße Sehnen der Autoren, die daher ihre neuen Werke mit Vorliebe an unserer Bühne einreichten. Aus die Fremden übte das Theater eine starke Anziehungskraft aus. Noch unter der Direktion Förster—Neumann pilgerte man nach Leipzig, um Mustervorstellungen zu sehen, wie man heute nach München, Berlin, Dresden, Karlsruhe u. f. w. pilgert. IV. Gegenwärtig liegt unser Theater darnieder. LU städtischen Bühnen leitet, ist das künstlerische Niveau ihrer Leistungen langsam, aber stetig gksUNkkN» ES kommt Niemand mehr nach Leipzig vortrefflicher Theatervorstellungen wegen. Die Fremden, di» sich in unserer Stadt oufhalten, besuchen statt de« Theater-, da« ihnen nichts «ehr zu biete» vermag, di» Varistsvorstellungen. V. Der echte Künstlergeist ist ans unserem Theater ge- Aeutzerlich bleibt dem Anschein nach da« Unternehmen glänzend, da es mehr nach wirthfckastlichen, a,s nach künstlerischen Principien geleitet wird. Wenn wir der Direktion auch jeden materirUc» Gewinn gönnen, so sollten unser« städtischen Bühnen doch in erster Linie Kunstinstitut» und «rst in zweiter Linie ein „Geschäft" sein. Zudem lehrt die Erfahrung, daß die hefte künstlerische Leistung auch das beste „Geschäft" verbürgt. VI. Das klassische Schauspiel, Ilchkr vernachlässigt. Die Meisterwerke unserer größten Dichter werden pietätlv- heruntergespielt, ohne innere Antheilnahme. In der Darstellung herrscht Stillosigkeit. Der Vortrag schwankt zwischen veraltetem Declamire» und nachlässigem Sprechen. Die Ausstattung ist nicht nur ost sehr dürftig, sondern auch widersinnig, insbesondere nach- lässig »usammengestellt. Zudem mutz da« klassische Drama oft als LückenbÜtzSk gelte«; ganz NN- würdig, dem idealen Zwecke nicht entsprechen-, sind die sogenannten Klassiker-Vorstellungen zu halben Preisen. VII ooo-nidmoeon«» leidet ebenfalls unter her Stillosigkeit der Aufführungen, wenn sich VII. g»ch ip dieser Beziehung in letzter Zeit eine klein« Wendung zum Besseren bemerkbar machte Das klassische sowohl wie Pas moderne Schauspiel leide» ebenso unter der Ansängerwirthschast. Richt gereift« Schauspiel«» werden mit Rosten betraut, die sie noch nicht brwättigen können. VIII. Die Schattspielnovitäten einen zuverlässigen Gradmesser für den Geist, den Geschmack und die Kennt- nist der Bübnenleitung. Pi, Tatsache, daß von den Schöpfungen der modernen Bühnendichtkunft die Dutzend- und Schundwaare die meiste Beachfuqg findet, daß statt der bedeutendsten Werke der modernen Dramatik Stucke wie da« „Weiße Rügt'", „Der Schlafwagencontroleur", „AlS ich wiederkan," u. f. w. am raichefteq tffg Weg ggf unsere Bühne finden, spricht für sich selbst. IX Alt Utßp Pkt Optk krankt an dem Mangel wirklich geschulter Gesangskrästs, Auch in der Oper hfrrscht LaS Anfängerthum in bedenklicher Weise. Ter Spielpson ist öde. wenig abwechslungsreich und ohne Rücksicht aus historisch-pädggogijche Grundsätze ausgestellt- Di, meisten Overn sind „abgespielt" und sollten gründlich neu rinstudirt werden. Wirkliche gründlich« Nrueinstudirnngen g». hören zu denSelwulntten. Manche Opern werden srshft dgnn noch als „stehend" betrachtet, wenn infolge von Personal, wechsel olle Rollen in andere Hände übergegangen sind. Die Ausstattung der älteren Opern ist meist«»« höchst dürftig. Sogar zerrissen« Dekoration»» kommen vor. X. Mit den Wagneropern «nd den modernen Werken steht es nicht viel bester. Unter Angelo Reumann war da« Leipziger Stadttheater die erste Wagnerbühne. Dieser Ruhm ist laugst verblaß». Die Rollen, die seinerzeit »ine Netcher-MindermgüN la»g, finge« heut« mmd-runtthig«, gar nicht vergleichbare Kräfte. Da- sagt gegugl Apch dstr herrscht GtiUosjgkeit. -iuzelu« glänzend, AgSstattungen (Lobengrin, Tannhäuser) lassen nur die ungenügenden musikalisch,» Darbt,tunae« um fo greller Pevartrnten. Hier noch mehr als in der älteren Oper macht sich der Mangel tiNkk tüchtig,« Rkgte gelten», die über »an ganzen seenischen Apparat wacht, der meisten- sehr WgNß-lhast funktioniert. XIII. Unser Stadttheater soll Talente fördern und bildere, aber nicht zur Theaterschnle herabsinken. weil sie billiger sind al« auSgrlernte Arbeiter, so grassirt auch an unserem Stadttheater eine übermäßige Anfingcr- toirthschaft. Da diese Anfänger unser Stadttheater naturgemäß nur als Durchgangsstation betrachten und die Direktion, die immer wieder neue billige „Lehrlinge" erhalten kann, keinen Versuch macht, hier ansgcreiste Lräste zu halten, fo entsteht eia immerwährender Personenwechsel, bei dem an »ine ruhige kiinstlerich« Entwickelung und Ausgestaltung unserer Oper und unseres Schauspiels nicht zn denken ist. XIV. Unser Theater ist heute nur noch eine Provinzbühne, abhängig vom Berliner Premiereomarkt vnd von den Berliner Theaterageuten. Unser Theater hat. Dank dem Unser- srändniß und der Gleichgiltigkeit seines Leiters gegenüber den Anforderungen der Zeit, sein eignes, selbstständiges Leben eingebüßt. Kein bedeutender Autor sendet mehr seine Stücke ein. Tas litterarische und künstlerische, ja zum großen Theil bereits das musikalische Ansehen unserer Bühne außerhalb Leipzigs ist dahin. Leipzig wird nicht mehr genannt, kommt nicht mehr in Betracht. Es hat sein« Borrechtr an Berlin, München, Hamburg u. A. abgetreten. XV. Unser Theater könnte auch heute noch groß dastehen und könnte sich seinen alten Platz wieder zurückerobern. Ter Zeitpunkt ist günstig. Ein Gegengewicht gegen die Berliner PrennLrenwirlhschast thut noth; gerade die besseren Autoren sehnen sich nach einer unabhängigen Bühne, die dem Terrorismus der Berliner Premiörenclique entrückt ist. Leipzig mit feinem fo eminent theaterfreundlichrn «nd theater verständigen Publicum wär» grrad« der rechte Ort dazu. XVI. Wir dürfen nicht die Hände in den Schoost lege« und sprechen: es isi anderswo auch nicht besser, Tas ist erstens unrichtig; denn thatsttchlich sind die Theaterverhältnifse in vielen gleichgroßen, ja in manchen kleineren Städten besser als bei uns, schon deshalb, weil nicht die gleiche Zerfahrenheit und Planlosigkeit herrscht, wie bei uns; und zweitens ist der Umstand, daß ander« Städte vielleicht »In noch schlechteres Theater haben, als wir, durchaus kein Grund, weshalb wir keine Besserung unserer Theaterpechältnisse anstreben sollten. Dagegen hat Leipzig das Siecht und die Pflicht, seine alte Ehrenstellung »urockzuerobern. XVII. Finanzielle Opfer sind nicht nöthig keine vermehrten Ausgaben, Weber für berühmte virtuose«, noch für kugurtöse Uusftattnnaxn. svudern wir verlangen von ihr einzig und allein erhöhte persönliche lllrveit, grötzere geistige An- sirenqung. Wir verlangen vom Theaterleiter dasjenige Maß wissenschaftlicher UN- künst lerischer Bildung, da- zur Leitung eines so vielseitigen und complicirte» Aunstinstitute» nöthig ist, und wir verlangen von ihm, daß er sich die Unterstützung eincS wirklichen Dramaturgen von litteearischem Ruf und fachmännisch gebildeter moderner Regisseure sichert, wir verlangen von ihm, daß er sein Amt von einem höhere» Grsichwpumt, al» lediglich von dem des Geschäfts betrachte Daran hindern ihn die billigen Eintrittspreise nicht. Unser« billigen Eintrittspreise sind ein Degen. 2bmn verdaust uns-r Gtadt-Theater seine materielle Vlüthe, seine grohe Rentabilität. Alle Bühnen mit höheren Preisen mache» schlechte Geschäft»; denn die höheren Preise entfremden den besten Stamm des Theaterpublicums. XVIII. Von der gegenwärtigen Direktion ist eine Besserung unserer Theaterverhältnifse nicht zu erhoffen, Jahrk lang hat der jetzige Pächter Gelegenheit gehabt, seine Fähigkeiten als Theaterleiter zu zeigen. Man könnte fast behaupten, er habe da» Gegsutlwil »etha». Da» Theater ist unter sein«! Leitung ständig grsunl« pnd ist gegenwärtig aus einem Tiefstände angelangt, dem gegenüber die Leipziger Bürgerschaft nicht mehr gleichgiltig bleiben konnte. Die fieberhafte Thätjgkeit der Direktion in den letzten Wochen, dje lediglich tzprch die Angst, Len einträglichen Posten zu verlieren, hervorgerufcn wurde, kau» au diesem Urttzeil, Nichts ÜNhe-ll, «he« so wenig wie die schönen Ver- sprechunge» und Ankündigungen. Tas ist ein Strohfeuer, dgs nur allzurosch wieder verjö'HtN Wird- Zudem waren die vielen Nyvitätcn, mit denen wir in den letzten Tagen überschwemmt wurden, wedrv hkffcp eistftgdsst pgch sass-faltiger jnftenirt; sie ft,Heu also künstlerisch auf keine» hötz,kcn Stuf, als da« früh,. Gebotene, XIX Bei einem etwaigen Wechsel in der Direktion des Stadttheatcrs könnten wir nur gewinnen. werden. Weniger als die jetzige Direktion in den letzten Jahren für das Theater gethag tzqt, kögptt sxsbst bej esn,r un glücklichen oder ungeschickten Wahl der neu» Pächter nicht thuo. Unter allen Uwstägden aber müßt, sich strebsamer zeigen; denn er müßte sich ja die Achtung unseres Publikums erst durch Skaten ,rwech,n. Zudem sommg, ch,nn die öffentliche Ausschreibnng erfolgen sollte, qs« Bewerber ,jp, Anzahl allererster KünMekSSM^N tp vt- tracht, bei welchen man wahrlich nickt mehr von einem „Experiment" reden darf. La» gefährlichste Experiment wär, di, Wiedirertheilung der Pacht an Herrn Dir. Staegemaug. XX. Aus diesen nnd noch vielen anderen Gründen glaube« wir, dast bei der bevorstehenden Nenverpachtung des Ttadttheaters dem freien Wettbewerb llor MotwfkMremie Lussckuss «les llomllös -er breiteste Spielraum zu gewähren ist, ». » ' »L ll,b,rzertgu«g hegen, datz sich nnr aus diesem Wege der geeignet, Vetter kür unsere städtischen Bnbuen finden lägt. Da« Theater ist kt» fo stbergus Wcktttg,» Pttrd iL giistmkg Lspeg upscrq: ktilZf» bah fein Wohl und Weh, jedem Bürger am Herzen liegen mutz. Wir hoffen daher tavcrsichtlich, dast die Behörde«, die ja dieser Sache zu entscheiden haben, an dem berechtigten Wunsche der Le,pztgrr Bürgerschaft nach ein«; Verbesserung unserer TheaterverhältMfie nicht achtlos »oribergehe, tnapfi«. Der ZkitpUNet, eine solid?, energische Verbesserung anznbahnen, isi da. Wird er verpatzt, so würde unser Theoter tfitzhf ein tzvejt?k-s gelegt werden und de» litterarische Ruf Leipzigs «nd sein alter Rühm al» Dh-aterftadt vollends prblaffpH. XI, Mit den Operrr-Novitirterr LUt- ^r°LLe?^ch'L Opern-Rovität zu hören, und auch dann ist sie meist pjcht Wptztz g,p. Zudem beweist die Direktion in der Auswahl dieser Novitäten ein« MtNjg glünltch, chgtsd. X». Die Planlosigkeit herrscht an unserem Stadttheater. In Oper und Schauspiel fehlt es an eiitn ztrlbemntzte», ans fUte« ästhetischen «rundsfitzxn fotzenden Leituaa. Daher die Hilflosigkeit und Unsicherheit allen neu.» Lricheimnigrn gegenüber. Di, Pirtktja» weih seihst picht, wohin sie steuert. Sir hat sich auf keinem Gebiet« ihrer Thätigstit »in ersichtlich«« künstlerisches yi'l gesteckt, da» st, zo erreichen sucht. Neber deu täglichen Easfeuravvort scheint ihr Jater^s« nicht hinan« z» geben. Unser Stadlttzemor HM auch schon tagst keine« Dramaturgen mehr tztzm sitterqrischer Bedeutung. E n Thea»«, iekretär ist noch kein Dramaturg, auch dann noch nicht, wenn er di,st» Titel fßtzrt und hi« and da einen Prolog in Versen ftlstasiba. _ . 0,tp»fe, de« SS. Ro»«m»«r 1SSS.
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