02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991221026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-21
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen lgefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluk für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestelle» je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. 93. Jahrgang. «49. Donnerstag den 21. December 1899. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. December. Eine willkommene Bescheerung ist es nicht, die unserem Wirtschaftsleben durch die Erhöhung des Bankdisconlcs auf 7 Procent und deS Lombardzinssußes aus 8 Procent in der WeihnachtSwocke zu Theil wird. Die Reichsbant bat seit ihrem Bestehen einen solchen Satz niemals gekannt, ihre Vorgängerin, die Preußische Bank, nur in Kriegsläuslen und sonstigen höchstzespannlen politischen Lagen. Gewisse Bauk- ofsiciöse — andere sind ernster — verfahren unklug, wenn sie diese seit einem Menschenalter — nämlich seit l870 — unerhörte Anspannung des Geldpreises leicht nehmen und eS so darstellen, als ob die ge waltige Vertheuerung des kurzfristigen Credits nur den großen Handel und daS Großgewerbe berühre. Es werden in Wahr heit zahllose mittlere Geschäftsbetriebe in Mitleidenschaft ge zogen und für diese ist es bei einem DiScont von 7 be;w. 8Proc. ein alberner Trost, wenn man ihnen sagt, der Hypotheken zinsfuß erhebe sich noch immer nicht erheblich über 4 Proc. Wer sich eines solchen Cavaliertons befleißigt, leistet nur der Hetze gegen unsere Währung Vorschub, die nach der neuen Verfügung der Sächsischen und der Neichsbank prompt wieder eingesetzt hat. So bedenklich ist allerdings diese Agitation nicht; soweit wir bis jetzt wabrzunehmen ver mochten, sind eS nur die am weitesten vorgeschobenen Posten der antisemitischen und der Agrardemagogie, die — unterstützt von der Gedankenlosigkeit des einen oder des andern journalistischen BörsencauscurS, einer merkwürdigen Menschensorte — die deutsche ReickSgoldwäbrung für bankerott erklären. Diese Hetzer sind zum Theil gänzlich verständnißlvS, zum andern Theil arbeiten sie im Parteiinkeresse, wohl wissend, daß ihr Geschrei nicht gefährlich ist. Denn wäre die Lage der Währung thatsächlich kritisch, so würde eS, da der fanatischste Bimetallist weiß, das; Deutschland nicht von beute auf morgen zur Doppelwährung übergehen kann, als Verratb an der vaterländischen Volkswirthschaft betrachtet werden müssen, daS heimische Geldshstem als bankerott hin zustellen. Wer in ungewiß sich wendender Schlacht unter die Soldaten schreit: „Eure Gewehre taugen nichts", der ver dient nicht einmal deS Standrechts Kugel, sondern den Strick. Zur Ebre der Herren muß angenommen werden, daß sie selbst die Situation für wohl er träglich halten. DaS ist sie denn auch wirklich und vor Allem wird unsere Währung — die Münzvorlage erscheint im Lichte der neuesten DiScontoerhöbung nickt staats männischer als bei ihrem Austauchen, übt aber keine praktische Wirkung — durck die Geldtheuerung in keiner Weise com- promittirt. Es hat niemals eine Währung gegeben und eS ist keine Währung auszudenken, die eine scharf credit- erschwerende Bankpolttik auöschließt. Wer beispielsweise von der Geschichte der ehemaligen Oesterreichischen Rationalbank, der Vorgängerin der Oeslerreickisch- uugarischen Bank, die mit Papiergeld, also mit einem physisch inS Unendliche vermehrungsfähigen Geldmaierial, zu wirlhschaften hatte, auch nur Weniges weiß, der wird dies nicht bestreiten. HättenwirdieDoppelwäbrung.sowürdenwirstattdeS geringen Goldabflusses ins Ausland, der sestgestelll werten muß, nach der Lage der Dinge einen unendlich größeren zu verzeichnen haben. Denn daS Gresham'sche Gesetz, daß daS schleckte Gelb daS gute vertreibt, ist noch immer nicht widerlegt, selbst vom Bunde der Lanvwirthe nicht. Unter den Ursachen der Geld knappheit steht nicht in letzter Reihe die Thatsachc, Laß große Bimetallisten-, Silber- und Papiergeldstaaten nenerdingS zur Goldwährung übergegangen sind —, das Gegentbeil eines Beweises für die Richtigkeit der Doppelwäbrungslebre. Eine weitere Ursache ist, daß alle diese Länder, auch Oester reick, industriell außerordentlich floriren und deshalb un gewohnte Anforderungen an den Geltmarkt stellen. Von den Staaten der lateinischen Münz-Eonvention läßt sich daS nickt behaupten, auch kein Stützpunkt für die Bimetallisten. Bei unS in Deutschland ist die In anspruchnahme durch Industrie und Handel geradezu exorbitant. Lck die dem ungeheure» Geldbegebre zu Grunde liegenden Unternehmungen durchweg gesund sind, ist eine ankere Frage, die mit der Währung nichts zu tbun bat. GrüiidungSschwintel und Ueberspeculation vertragen sich mit jedem Geldsystem. Wir möchten diese Frage nicht bejahen und theilen nicht einmal die Hoffnung eines Berliner Blattes, das von der Geldstockung wenigstens die gute Wirkung erhofft, daß wirtbschaftlich nicht berechtigte Unternehmungen durch sie verhindert werden würden Die Dummen stolpern nicht über den Zwirnsfaden des Zinsfußes, wenn sie von Schlechten heraugelockt werden. Die belehrt — und dies nur auf eine kleine Weile — einzig der „Krach". In Amerika, in Lonton und anderwärts bat eS schon vernehmlich geknistert. Tie mittleren und die kleinen Eapitalisten warnend auf die Erscheinungen in der Speculationswelt aufmerksam zu macken, wäre ein weit gemeinnützigeres Beginnen, als Be- nnruhigling wegen der Währung inS Land zu tragen. Aber freilich, das agrarische Berliner Blatt, das heute am lautesten lärmt, hat seiner Zeit die sächsische Finanzverwaltung wild angesallcn, als diese durch eine, wie nachträglich glänzend erwiesen, den Verhältnissen des Geldmarkts angepaßte Rentenemission dem Publicum einen Anreiz zur Abkehr von der Betheiligung an gefährlichstem Papierspicie bot. Die „Deutsche TageSztg." verdrießt eS, daß wir jüngst (am Sonnabend) die Maßnahmen angeführt haben, die während der Amtsführung des Fürsten Hohenlohe zur Förderung der Landwirlhfchast getroffen worden sind. Das genannte Blatt macht feinem Verdrösse nicht nur in der üblichen Herabsetzung jener nicht abznlcugnenden Maßnahmen, sondern auch durch die Ausstreuung unwahrer Behauptungen und Verdächtigungen Luft. Unwahr ist, daß unser Artikel der „Nat.-Lib. Corr." entstammte; die „Deutsche TageSztg." bedient sich dieser in daö Gewand einer positiven Nachricht gekleideten Vermuthung zu dem Zwecke, an sie eine hämische Verdächtigung des Abg. I)r. Sattler als angeblichen Urhebers unseres Artikels zu knüpfen. Unwahr ist ferner, daß wir die „landwirthsckastSfreundlichen Tbaten des Füisten Hobenlobe" aufgezäblt hätten; wir haben lediglich und ausdrücklich die Maßnahmen angeführt, die „während ter Amtsführung des Fürsten Hohenlohe" zur Förderung ter Landwirtbschaft getroffen worden sind. Damit aber ent sprachen wir einem Wunsche, den Niemand anders, als die „Deutsche TageSztg." selbst klipp und klar ausgesprochen hat! Die „Deutsche TageSztg." war es nämlich, die in ihrer Nummer 585 vom 14. d. M. gegenüber der „Norddeutschen Allgemeinen Ztg." wörtlich Las Nachstehende schrieb: „Sie berust sich auf die zahlreichen gesetzgeberischen und admini strativen Maßregeln, die während der Amtssnhrung des Fürsten zu Hohenlohe zur Hebung und Förderung der Land- wirthschaft ergriffen worden seien. Die „Nordd. Allg. Ztg." hätte . . weit wirksamer die Vertheidigung geführt, wenn sie diese Maßnahmen im Einzelnen angeführt hätte. Wir haben uns den Kopf zerbrochen, waS damit gemeint sei. Es ist uns unmöglich gewesen, irgend etwas Wesentliches und Bedeutsame» zu finden . . Von den vielen kleinen Mitteln ist kaum eines angewandt worden ... Ja, wo sind denn die gesetzgeberischen und administrativen Maßregeln zur Hebung und Förderung der Landwirthschaft? Wir können uns keiner entsinnen. Vielleicht Hilst unS die „Nordd. Allg. Ztg." auf die Sprünge." Nacktem wir, unbekümmert darum, was die „Nordd. Allg. Ztg." thun otcr lassen würde, der „Deutschen Tages zeitung" „auf die Sprünge geholfen", die Vertheidigung „weit wirksamer" gefüvrt, kurz, ihren Wunsch erfüllt haben, bringt die „Deutsche TageSztg." Folgendes auf das allzeit geduldige Papier: „Es ist sehr unvorsichtig, mit derartigen Versuchen für den preußischen Ministerpräsidenten Stimmung mache» zu wollen; denn die Annahlne, Laß die preußischen Landwirthe ihre Ansichten in Folge solcher komisch wirkenden Verhimmelungen der Landwirth- jchastsliebe de» Reichskanzlers ändern könnten, ist selbstverständlich völlig verfehlt. Die Verbitterung kann dadurch nur gesteigert werden." Oüarta uou orudoseit! Die deutschen Landwirthe aber könnten, wenn sie wollten, aus dieser Episode erkennen, mit welchen Mitteln an ihrer „Verbitterung" gearbeitet wird. Leider läßt die Episode auch vorauSsehen, welchen Ersolz ter in unserem heutigen Morgcnblatte im telegraphischen Auszug mitgclhcilte Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg." über die gegen Len Fürsten Hohenlohe in der conservaliven und agrarischen Presse gerichteten Angriffe bei den Angreifern haben wird. Die Auftraggeber des gouvernementalen Blattes wären freilich schlechte Politiker, wenn sie glaubten, daß solche verständige, gute Worte auf die bürgerlichen Gcschästüpoliliker und die adeligen Führer der Agrarpartei Eindruck machen könnten. Den sächsischen Conservaliven wird ohne Zweifel das in der „Nordd. Allg. Ztg." Gesagte „scheinen", aber sie werden kaum den Muth haben, ihre Gedanken und Empfindungen taut werden zu lassen. Es ist aber auch gar nicht an zunehmen, daß der feine Menschenkenner Hoheuloke von ter vernünftigen, freundlichen Zusprache etwas erwarte. Ihm dürfte cs nur darum zu thun sein, für den Fall längerer Fortdauer seiner Tbätigkeit, wie für den ihrer baldigen Be endigung, die bei seinem in der „Nordd. Allg. Ztg." aus drücklich hervorgehobencn hohen Alter im Bereiche naher Möglichkeit liegt, noch einmal ein Uebrigeö im Dienste der Sache deS inneren Friedens und der ReichScntwickelung gethan zu haben. Dieser Zweck ist erreicht. Die instinctive Antipathie der weißen Bevölkerung in den Lüostaatcn von Rordamerlka gegen die sreicn Neger hat es nie dazu kommen lassen, daß die schwarzen „Bürger", für deren Rechte so viel Blut vergossen wurde, nach jeder Richtung hin eine absolute Gleichstellung mit den Weißen erreicht haben. Jetzt besteht sogar, wie aus Washington berichtet wird, die Ab sicht, den beiden Häusern des Congresses eine Bill vorzulegen, nach welcher den Negern das bisherige Wahlrecht wesentlich verkürzt und möglicher Weise ganz ge nommen werden soll. In einigen Staaten — Missisippi, Südkarolina und Louisiana — ist ihnen das Wahlrecht schon jetzt ganz erheblich erschwert. In diesen Staaten besteht die Bestimmung, daß nur solche Personen wählen dürfen, die lesen und schreiben können, sowie gewisse andere Bedingungen erfüllen, denen der Neger vielfach nicht entspricht. Aehnliche Bestimmungen treten demnächst in Alabama, Nordkarolina und Georgia in Kraft, während der Staat Virginia über eine Vorlage zu ent scheiden hat, in der den Negern bedingungslos das Wahl recht abgesprochen wird. Es ist ganz unverkennbar, daß die Abneigung gegen die schwarzen Mitbürger, die in den Süd staaten auch nach der Aufhebung der Sclaverei verständlich er schien, langsam auch in den nördlicheren Staaten Eingang ge funden hat, und die Congreßmitglieder, die noch in der letzten Session recht energisch für die Rechte der Neger eintraten, haben bis jetzt noch nicht gezeigt, daß sie geneigt sind, auch in dieser Session zu der Frage in dem fricheren Sinne Stellung zu nehmen. Die Negerfrage in Nordamerika ist wegen der prin- cipiellen Bedeutung, die sie hat, durchaus nicht so einfach oder belanglos, wie sie vielfach erscheinen mag und es wäre im Inter esse der ruhigen Weiterentwickelung der amerikanischen Politik zu bedauern, wenn sie jetzt a-ufgerollt werden sollte. Der Krieg in Südafrika. Bom Kriegsschauplatz ist heute nur wenig zu berichten. Von Interesse ist nur, daß das „Ncuter'sche Bureau" jetzt zugiebt, daß die Boeren feste Stellungen unmittelbar am Modderflusse selbst, zwischen Brücke und Furth errichtet haben. Hiernach erscheint es doch ausgeschlossen, daß, wie dasselbe Bureau vor einigen Tagen meldet, Lord Methueu Modderriverstation, ebenfalls am nördlichen Ufer des Flusses, nicht weit von der Eisenbahnhrücke, in ein befestigtes Lager umgewandelt habe und dort auf Verstärkungen warte. Entweder sitzt er noch zwischen den beiden Flüssen Modder und Riet fest oder er hat sich auf daS Südufer deS Niet zurückgezogen. Wie dem auch sei, er ist nach allen Seiten abgcschnitten und überall von festen Positionen der Boeren umgeben. Wie die „Times" unten» l6. auS Modder River erfahren haben wolle», soll eS bis dahin zn weiteren Feindselig keiten nicht gekommen sein, wogegen beide Parteien Mil- tbeilungeu über die Gefangenen und Verwundeten auS- getausckt batten. Dem widerspricht unsere Meldung vom 19. December, nach welcher Melbuen in der Nacht vom 14. zum 15. versucht hat, nach Süden durckzubrecken, aber zurück geschlagen worden ist. Englische Blätter brachten dieselbe Meldung; sie wird also dem BeschwichtigungStelcgramm der „Times" gegenüber aufrecht erkalten werden müssen. Ucber die neue» Aushebungen wird weiter berichtet: * London, 20. December. In der heute unter dem Vorsitze des Lordmayors abgeballenen Sitzung der Eity Corporation wurde mitgetheilt, daß süc die Ausrüstung eine- FreiwilUgeucorpS der City von 1000 Mann, das in Südafrika Dienst thun soll, durch Subjcriptiou 25 000 Psd. Sterling aufgebracht worden seien, daß Lord Rothschild 5000 Pfund gezeichnet und General Wolseley daS Anerbieten der Corporation angenommen habe. "London, LO.December. DerHerzog von Marlborough, die Parlamentsmitglieder Lord Valentin und Sir Elliott Lees, sowie der Romanschriftsteller Conan Doyle meldete» sich für den Freiwilligrndienst in Südafrika. " Lttawa, 20. December. (Reuter's Bureau.) DaS zweite canadische Contingent wird auS drei Feldbatterien und drei Schwadronen Jäger zu Pferde, im Ganzen auS 1050 Mann, bestehen. Fruilletsn. q Eine Aordlandgeschichte. Don v. Paul Kaiser. (Nachdruck verboten.) Jetzt aber drückten sich Tolje's Kinder an Jakko heran. Hatten die Großen ihre Geschichten gehört, nun dachten sie, könnten auch sie an die Reihe kommen. Hatte er ihnen doch früher so schöne Geschichten und Märchen erzählt. Dann waren sie ihm auf den Schooß geklettert, und das Mädchen hatte dir Arme um seinen Hals gelegt, wenn sie am Zeltfeuer saßen. Nun sollten die schönen Tag« wieder kommen. Jakko, ihr großer, prächtiger Spielkamerad und Märchenerzähler, war wieder da. „Nicht wahr, lieber Jakko, jetzt wohnst Du wieder bei uns, in der Käta? Und Argo bleibt auch hier, Dein schöner Argo?" Und Argo blickte verständnißvoll drein, als müßte auch er die alte Freundschaft wieder erneuern. Nun war der Kaffee fertig, zu dem Mutter Tolj« einlud. Die Stimmung wurde noch froher, als das geliebte Getränk seinen wärmenden und begeisternden Einfluß auf Alt und Jung ausübte. Um das Feuer gekauert saßen sie, und die Kinder riesen: „Jakko, erzähle, erzähle doch!" Tolje hatte ein Paar Schneeschuhe zur Hand genommen, welche er mit einer firnißähnlichen Flüssigkeit überzog, um sie gegen Schnee und Nässe widerstandsfähiger zu machen. Dann und wann hielt er sie übers Feuer, sie zu trocknen. Aber es ging ihm heute diele häusliche Arbeit nicht wie sonst von statten. Es gab zu viel zu fragen und zu hören, wg§ seine ganz« Aufmerk samkeit in Anspruch nahm. „Jakko, erzähl« doch, guter Jakko!" riefen die Kinser, ihre Ungedulv nicht länger bezähmens. Sie klopften Jakko's Schulter und streichelten ihm die Wangen. Da begann Jakko: „Weit im Norden, wo ich dir großen Heerden zu hüten hatte, war es wohl schön, aber es gab Quälgeister da, welche oft wie tausend Teufelchen in die Heerde fuhren und sie auseinander sagten, gerade wi« der Wolf. Es giebt noch mehr Mücken da, als wir hier schon im Sommer haben. Da hörte ich auch, woher die vielen Mücken kommen. Als der liebe Herrgott die Welt ge schaffen hatte, da war sie überall so schön und so gut. Der Teufel aber stand von Weitem und sah sich die schöne Welt an. Und sein schwarzes Herz schwoll immer m«hr von Neid, und er dacht« jeden Tag in seiner Bosheit nur darüber nach, wie er sie verderben könnte. In die Flüsse, die so schön und silberhell hin liefen, warf er große Steine. Auch die Erve warf er sonst ganz voll davon. Und als er sah, wie die Rennthiere so schön und ruhig auf der Weide gingen, machte er Fliegen und Mücken und anderes Teufelszeug. Das flog an die Thicre zu Hunderten und Tausenden heran und machte sie wild, daß sie in die Berge wie rasend fortliefen. > Da war lein Aufhalten. Kein Hund und Hirte konnte das. Erst wo die Berge so hoch und kühl und dem Himmel näher waren, gab es keine Mücken mehr. Da wag ten sie sich nicht hin. Der Himmel war zu nahe. Aber wenn die Thiere wieder ins Thal gingen, war es dieselbe Plage." Nicht blos die Kinder, auch die beiden Alten waren bei dieser Erzählung Jakko's aufmerksam«, dankbare Zuhörer. Tolje hob oft seinen Blick von den Schneeschuhen und sah den Erzähler mit offenem Munde an. . „Da riefen", so fuhr Jakko fort, „die Menschen zum Golt- Schöpfer, er möge sie doch befreien von dieser Teufelsplage, unter der Mensch und Thier im Nordland so jämmerlich auszu stehen hätten. Und der Herrgott hörte. Er nahm einen großen Sack und stopfte alle Mücken hinein. Dan gab er den Sack einer Frau und sagte, sie sollte ihn nur zum Meer hintragen, das jen seits der Berge ist, und den Sack hineinwerfen. Sie sollte ihn aber ja nicht öffnen und Nachsehen, was darin wäre. Nun schleppte die Frau an dem großen Sack. Manchmal mußte sie ruhen, weil er so schwer war. Da konnte sie es vor Neugierd« nicht länger aushalten, -als sic wieder so neben dem Sack saß. Sie mußte einmal nachsehen, was darin war, und öffnete und schaut« hinein. Die hungrigen» Mückrnschvärme aber stürzten hinaus, setzten sich zunächst auf die Frau und stachen sie so lange, vis sie todt war." „Das war ihr ganz recht!" rief Jalle, der Knabe Tolje's. „Seitdem", fuhr Jakko fort, „hat Lappland wieder die dielen Mücken. Di« Menschen sind's nicht Werth, daß der Herrgott sie davon befreit; denn sie hören nicht auf sein Wort." Tolje und seine Frau nickten Beifall zu dieser letzten Aeuße- rung. Der Knabe aber fragte, indem er sich eines früheren sehr beliebten Spieles und Sportes erinnerte: „Jetzt dürfen wir uns wohl nicht mehr an Deine Haare hängen?" „Hängt Euch nur cm! Wir wollen versuchen", antwortet« Jakko. Da gingen die Drei hinaus, denn das Zelt war zu klein für das muntere Spiel, welches nun beginnen sollte. Jakko beugte sich nieder. Der Knabe hängte sich an das lange, strähnige Haupthaar auf der einen Seite, während das Mädchen dasselbe auf der anderen Seite that. Nun erhob sich Jakko in seiner ganzen Größe und drehte sich wie ein Kreisel, indem er di« Kinder etliche Male herumschleuderte. Das gab viel Jubel vor ver Kala. Auch Tolje und seine Frau kamen auf das Freuden geschrei der Kinder in den Eingang des Zeltes und sahen lächelnd zu. Dann traten sie wieder in die Kata, denn Mutter Tolje wollte noch einmal die Kaffeekanne in Umlauf setzen. Die Kinser hingen nun erst recht wie die Kletten an Jakko und riefen: „Erzähle nun von der Zaubererbraut." Er begann wirklich aufs Neue: „Es lebt« bei uns in Lapp land einmal ein Zauberer." Da aber wurde er durch die Hunde unterbrochen, welche an schlugen. Es war ein jedes Wort übertäubcndcr Lärm, der jetzt losbrach, und zu den auch Argo seinen Beitrag zu geben sich dringend berufen fühlte. Es kamen einige Männer in grauer Tuchkleidung auf Schneeschuhen vor Tolje's KL:a an, Hans Grok aus Funüsdale» und Knall-Ivar aus Tännäs. Sie fragten nach Fredrik Tolje und Pät Jonasson und wurden arrig bewillkommnet. Nachdem man den alten Jonasson in das Zelt gerufen hatte, zogen sie ein amtlich«» Schreiben hervor, in welchem alle Svart- mor-Lappen dahin verständigt wurden, für den Schaden, welchen ihre Rennthiere wieder angerichtrt hätten, Ersatz zu zahlen, und zwar eine halbe Kron« für jedes Thier. Wenn dieser Betrag nicht bis zu einem gewissen Tage erlegt loäre, würde er zwangsweise eingezogen werden. Man werde alsdann zur Pfändung ihres Eigenihums schreiten. Davon kamen auf Tolje vierundfünfzig Kronen. Tolje ftüftzte tief auf und sagte: „Von meinen hundert zwanzig Thieven!" „Wie, Tolj«?" rief Jakko aus, „Du hast nur wenig über hundert Rrnnkhiere, Du, der Du einst mindestens tausend be sessen hast?" „Jakko, ich habe kein Glück gehabt. Du siehst, wie es hier geht. Ich muß, um den Schadenersatz zu zahlen, wieder acht bis zehn Stück hinschlachten." Wir Lappen werden in dieser Gegend alle arm." Tolje's Frau begann laut zu schluchzen. „Wenn Ihr verarmt", sagte Knall-Ivar, „so wird sich die Regierung Eurer annehmen und Euch Unterstützung geben, daß Ihr nicht Noth leidet. Schlimmer ist es für uns Bauern. Wic müssen selber zusehen, wenn wir nicht Hungers sterben wollen." „Wenn die Regierung sich unser recht annehmen will, so muß sie uns zuerst vor Euch schützen und nicht zugeben, daß Ihr uns so schändlich behandelt", nahm Jakko das Work. Der Zorn leuchtete ihm aus den Augen. Er kämpfte innerlich einen schweren Kampf. Es trat jetzt eine längere Pause ein. DaS Schweigen drückte auf die Versammelten wie «in Alp. Endlich brach Jakko die pcinvollc Stille, indem er aus seiner Brusttasch« ein Notizbuch hcrvorzog und vierundfünfzig Kronen in Papiergeld hinzähltc. „Das ist nicht viel weniger, als ich besitz«", sagt« er zornig, „aber ich kann es nicht sehen, daß Tolje seine Thiere Euretwegen wegschlachten soll, Ihr Blutsauger." „Fange Keiner Streit an", fiel ihm jetzt Ivar in's Wort. „Es könnte Euch theuer zu stehen kommen!" „Hütet nur Eure Rennthiere besser", sagte Hans Grot, der hierbei auch keine stumme Rolle zu spielen gedachte. „Dann werdet Ihr nicht wieder solche Unannehmlichkeiten haben." „Uebrigens", fuhr Ivar fort, „haben wir das Geld nicht für uns, sondern für den Lappvogt abzuholen." „Nehmt den Judaslohn nur hin", sagt« Jakko, „und laßt uns in Frieden." Nachdem diese Abgesandten der richtenden Gerechtigkeit in Tolje's Zelt noch etwas Platz behalten hatten, gingen sie endlich. E- war, wie wenn ein großer Stein plötzlich in einen ruhigen See geworfen wird, und daS Wasser äUfspritzt, und d« Wellen herum noch eine Weil« ihre Kreis« bilden, aber dann sich Alles wieder sänftigt und ebnet. Di« Lappen athmetcn auf, al- ob «ine große Last von ihren Schultern genommen sei. Sie sprachen aufs Neue dem Kaffee zu. „Erzähle doch weiter, guter Jakko", bat Tolje's Tochter, Margret. „Bester Jakko, erzähl« doch nur mehr von der Zaubererbraut." „Laßt mich jetzt, Kinder, ich habe von Anderem zu sprechen." „Tolje und Jonasson", fuhr er dann fort, „jetzt müßt Ihr mir die wahre Ursache bekennen, weshalb es Euch so übel geht." „Du siehst es ja mit Aug«n, Jakko", antwortete Tolje, „woher das Uebel kommt, an dem wir so schwer zu tragen haben." „Ich erinnere mich", sagte Jakko, „daß Ihr Euch ofr gerühmt habt, wir gut Ihr Eure Heerde zu weiden verstündet, wie Ihr so große Thiere hättet, größer, als di« Lappen in anderen Gegenden." „Was können wir thun, wenn das Moos abnimmt?" „Komm mir nicht wieder damit, Tolj«, es wächst noch Moos ginug im weilen Lappland. Wie könnt Ihr Euch rühmen, daß Ihr Eure Heerde so wobl zu ziehen versteht und sie doch nicht ordenkl'ich hütet." „Da- ist ein Geheimniß", sagte Jonasson halblaut. „Ein Geheinmiß?"
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