02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-23
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991223029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899122302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899122302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-23
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Lieber hat bekanntlich jüngst in der ReichSlagsrede, in der er die Stellung des Kcnlrnms zu der Flotten Verstärkung erörterte, lebhaft gegen die Unterstellung protestirt, daß seine Partei bei dieser Gelegen heit an Handelsgeschäfte denke, und ebenso lebhaft die Behauptung verfochten, daß seine Gefolgschaft von keiner Partei an nationaler Äcsinnung sich übertreffen lasse. Ganz zweifellos bat der „Mußpreuße" vr. Lieber auch in dieser Rede nur seine tiefste Ueberzeugung ausgesprochen. Um so peinlicher muß eS ihn daher berühren, daß die Presse seiner Partei nicht nur so kurze Zeit nach seinem Proteste durch Zusammenstellung der Iesuilenfrage mit der Flottenfrage heiße Sehnsucht nach einem Handelsgeschäfte verräth, sondern auch durch ihre Artikel über den heutigen 80. Geburtstag vr. Edmund Jörg'S ihrer nationalen Ge sinnung das denkbar schlechteste Zeugniß ausstellt. Niemand wird es den Organen des Centrum- verdenken, daß sie den 80. Geburtstag eines Mannes, der seiner Zeit als ultra montaner Führer und Herausgeber der „Historisch-politischen Blätter" eine große Rolle gespielt hat, als Festtag betrachten und feiern. Daß aber die CentrumSpartei bei diesem Anlaß Edmund Zörg bedingungslos verherrlicht und auch für die Episode von 1870 nicht die geringste Einschränkung macht, daS drückt der Gesinnung, anS der heraus jene Verherrlichung erfolgt, den bezeichnenden Stempel aus. „Unvergeßlich" sind der „Germania" Zorg's Reden aus dem Schicksalsjahre der deutschen Geschichte unsere- Jahrhunderts, „unvergeßlich" im Sinne eines schmückenden Beiworts gemeint. Uns sind Jörg'S damalige Reden in anderem Sinne „unvergeßlich"; uns sind sie ein Denkmal nsrs poromiilw der ultramontanen Vaterlandslosigkeit und Reichöfeiudschaft. Noch deutlicher als in der „Germania" wird Jörg'S Wirksamkeit i. I. 1870 von dem Organe der bayerischen Ceutrumspartei, der „Neuen Bayerischen Zeitung", in folgenden Sätzen gepriesen: „Was Zörg als Parlamentarier geleistet, lebt in frischer Erinnerung. Wie ein FelS stand er in den brandenden Wogen der KampfeSzeir, die bayerische Centrumssraction verehrte in ihm den Führer. Wer erinnert sich nicht an die Kämpfe, die Ed. Zörg in der bayerischen Abgeordnetenkammer 1870 gegen den Bündniß- fall und dann gegen die Versailler Verträge geführt." — Angesichts solcher unverblümter Huldigung für einen der abscheulichsten Excesse des Parlamentarismus ist eS angezeigt, über den Kampf Jörg'S gegen den Bündniß- fall, d. h. über seinen Antrag auf Erklärung der „bewaffneten Neutralität", einem Geschichtsschreiber daS Wort zu geben. W.Oncken schreibt hierzu in seinem „Zeitalter des Kaisers Wilhelm" u. A. daS Nachstehende: - „Die „bewaffnete Neutralität" ... war einfach sinnlos geworden, nachdem Frankreich an Preußen den Krieg erklärt hatte und nun ««zweifelhaft der erste Artikel des Schutz- und Trutzbünd- uisse» vom 22. August 1866 in Kraft trat, wo eS hieß: ,,E» gewöhrleisten sich die hohen Vertragsmächte gegenseitig di- Un« Verletzlichkeit des Gebiete» ihrer bezüglichen Länder und verpflichten sich, im Falle eines Krieges ihre volle Kriegsmacht zu diesem Zwecke einander zur Verfügung zu stellen." Da Bayern sich nicht derselben Stellung erfreute wie Belgien und die Schweiz, so konnte es nur neutral bleiben, wenn Frankreich und Preußen ihm dos gestatten wollten. „Frankreich", sagte Jörg, „Hot es angeboten, und wenn ich recht verstanden habe, mit ausdrücklicher Gewährleistung für die Pfalz. Preußen hat zwar bis gestern Abend über unsere Neutralität sich noch nicht geäußert, aber es ist gewiß, auch sie wäre schon ein großer Vortbeil für Preuße», weil daun seine linke Flanke durch unserLand gedeckt märe." Man traut seinen Augen nicht, wenn mau so etwas liest. Für Las Empfinden des Redners war e-Z höchst bezeichnend, daß er einen Streitfall, der Deutschland angehe, gar nicht zu erkennen vermochte, vielmehr nur einen Mißgriff der „preußischen Hauspolilik", der durch heimliche Betreibung der Königswahl des Prinzen von Hohenzollern begangen worden sei und deu der König Wilhelm sich nicht hätte weigern sollen durch Ertheilung der Zusage, welche der Kaiser ge- fordert, wieder gut zu machen. Ueber seine UrtheilSkraft aber forderte er ein vernichtendes Urtheil heraus dadurch, daß er erstens ganz ernsthaft von einer Gewährleistung der Pfalz durch Frankreich sprach, daß er zweitens nicht einsah, waS die Nachsorderuugen vom 12. nnd 13. Juli bedeuteten, und endlich nicht begriff, daß eine Duldung der Neutralität Bayerns sür Preußen moralisch, politisch und militärisch gleich unmöglich war: moralisch, weil es dadurch alle Rechte des unrecht Angegriffenen aufgegebcn, politisch, weil «seinen förmlichen Bruch des Vertrags vom 22. August gut geheißen, und militärisch, weil es auf seinen und seiner Vcr. büudetcn Aufmarsch in der Nheinpfalz, d. h. an der allein richtigen Stelle, verzichtet haben würde, der Stelle, die zugleich durch gar nichts so sicher gewährleistet ward, als durch eben diesen Aufmarsch. Kurz die ganze Rede JörgS war das Denkmal einer beispiellosen Selbstverblendung." Daß gerade um ihretwillen ein Widersacher des Reiches zum 80. Geburtstage von der Presse derselben Partei ge feiert wird, die dem Begründer des Reiches Gruß und Glück wunsch zum 80. Geburtstage versagt hat, eröffnet einen tiefen Blick in daS Wesen des „nationalen" CenlrumS. Seinen be onderen Charakter verräth da- Organ des bayerischen CentiumS durch die Behauptung, Zörg habe sich bei feu er Abstimmung gegen den Bündnißfalt in guter Gesellschaft befunden, denn auch der jetzige Prinz-Regent habe da gegen gestimmt. Zu Wahrheit ist die bayerische Kammer der ReichSräthe am 20. Zuli 1870 dem Beschlüsse der Zweiten Kammer für Bewilligung deS KriegScrevils obne Debatte einstimmig beigetreten. Aber der „N. Bayer. Ztg." paßt eS nun einmal, ihren gläubigen Lesern einzureden, der Prinz- Regent sei 1870 ein Genosse der „unvergeßlichen" Tbat Zörgs gewesen. Wie peinlich muß eS Herrn Or. Lieber sein, daß das bayerische Centrumsorgan nickt einmal eine Fälschung scheut, um nur ja mit um so besserer Aussicht auf Erfolg die von Herrn Lieber gepriesene nationale Gesinnung aus den Bayern herauSzutreibenl Kaiser Franz Josef hat die erbetene Demission des CabinetS Clary bewilligt und den Ritter v. Wittek, welcher provisorisch mit dem Vorsitz im Minister rath betraut wurde, zum Eisenbahnminister ernannt. Ferner wurden Graf WelscrSheimb zum LandeSvertheidigungS- minister und Ritter v. Cbleudowski zum Minister ohne Portefeuille wiederernannt. Weiter betraute der Kaiser mit der Leitung der übrigen Ministerien nach stehende SeclionschefS: Mit der Leitung des Acker bauministeriums Freiberrn von Blumfeld, mit der Leitung des Ministeriums deS Innern von Stummer, mit der Leitung des Finanzministeriums Freiberrn v. Zorkasck- Koch, mit der des Handelsministeriums abermals Dr. v. Stibral, mit der deS Justizministeriums Ritter v. Schrott und mit der deS Ministeriums für Cnltus und Unterricht Ritter v. Bernd. Die „Wiener Allgemeine Zeitung" charakterisirt das Ministerium Wittel als Ueber- gangsministerium obne irgendwelche politische Färbung, welches in keiner Weise in die Lage kommen werde, in einer politischen Frage zu entscheiden. Darum sei auch die heftige Sprache einiger raticalen und der ihnen nahestehenden Organe gegen dieses Ministerium unverständlich, da s.'ine Existenzdauer im Vorhinein ebenso begrenzt sei wie sein Programm, und der Umstand, daß daS neue Cabinet nur drei definitive Minister enthält, den eminent provisorischen Charakter desselben dartbut. Die an die er wartete Uebernakme ter Leitung deS Ministeriums deS Innern durch den ScctionSchef Stummer geknüpften Besorgnisse der Raticalen vor einer Rückkehr in die Aera Thun bezeichnet das Blatt als geradezu lächerlich, da die Berufung des ge nannten SeclionschefS, ter deutscher Abstammung ist, einfach aus bureaukraliscken Gründen erfolgte. Wer diesem ru einer eng begrenzten Aufgabe für eine kurz bemessene Frist be rufenen Ministerium, welckeS einfach daS Gefüge deS Staates aufreckl zu erhalten bade, Mißtrauen entgegenbringe, verkenne vollständig dessen Mission. Unser ständiger Herr Mitarbeiter in Sydney schreibt uns unterm 18. November: Die dcutsch-englischc Abmachung über Samoa wird hier und in Melbourne ziemlich resignirt ausgenommen. Man empfindet es zwar als einen Mangel an Rücksichtnahme deS Mutterlandes, daß die Colonien in der Sacke gar nicht befragt worden sind, aber man ist auch andererseits überzeugt, daß England gezwungen war, dies Opfer zu bringen, um mit Deutschland gut zu stehen. Der kiesige Premierminister batte einem ZeilungS- bcrichterstaller gesagt, den Colonien sei von dem Londoner Cabinet nicht die geringste Mittheilung über die Abmachung gemacht worden. Er wurde aber dadurch Lügen gestraft, daß zur gleichen Zeit der Premierminister von Viktoria im dortigen Parlamente erklärte: „Den austra lischen Negierungen sei von der Absicht, ein solches Abkommen zu treffen, vertraulich Mittbeilung gemacht worden. Der Premierminister von Ncu-Süd-WaleS, Mr. Lyne, habe eine Conferenz angeregt, Neu-Seeland habe in der Sacke keine Stellung genommen, Queensland sei, wie er wisse, mit dem Abkommen einverstanden. Auch er sei durck dasselbe befriedigt; directer interessirt als Viktoria seien aber NeusüdwaleS, Queens land und Neuieeland." Der Premierminister von Neuseeland, Mr. S ed don, hat, ganz wie sein College von NeusüdwaleS, ver breitet, daß er von der Abmachung keine Kenntniß gebabt bade. Er und Neuseeland batten bisher als die leidenschaftlichsten Widersacker der deutschen Annexion von Samoa ge golten. Mr. Seddon wird von Mr. Chamberlain angewiesen worden sein, sich in da» Gcs bebene zu fügen. Er hat gerade jetzt besonderen Grund, eS mit den leitenden Männern in London nicht zu verderben, weil er daran denkt, wenn, wie allgemein angenommen wird, die Neuwahlen im nächsten Monate seine Kan mermajorilät verringern, zurück zutreten und als Generalag r der Colonie nach London zu gehen. Gewisse Kreise in N.aseeland scheinen dagegen die deutsch-englische Abmachung nickt ruhig binnebmen zu wollen. Zn Auckland ist vor ackt Tagen ein Entrüstungs meeting zusammengerufen worden. Auckland ist von allen Handelsplätzen Neuseelands am meisten am Handel mit Samoa betheiligt. Aber auch an anderen Orten erbeben sich Stimmen der Mißbilligung. Es könnte sein, daß in der bevorftebenden Wahlcampagne daS Abkommen von der Opposition gegen Seddon und seine Partei verwerthet würde. Der Krieg in Südafrika. Zur militärischen Lage. General Buller bat am Tage nach der ersten Schlacht bei Colenso einen Waffenstillstand von einem Tage erbeten, um seine Tobten begraben und seine Verwundeten herein bringen zu können, und hat einen Theil seiner Truppen gegen Frere und Estcourt zurückgesandt, um seine NückzugSlinie gegen zwei starke Boerencorps zu schützen, welche von Spring field und Weenen der seine Verbindungslinie bedrohen. Er wartet angeblich jetzt auf die fünfte Division, welche ihn verstärken soll, aber auS Capstadt wird bereits gemeldet, diese selbe fünfte Division müsse schleunigst gegen de Aar vorgeschoben werden, wolle man nickt den ganzen Norden der Capcolonie aufgeben und die Generale French und Gatacre entweder absckneiven lassen, oder mindestens zwingen, sich sofort auf die Hafenstädte zurückzuzieben. General Buller, welcher bereits lO OOO Mann Cavallerie als eiste Vorbedingung einer erfolgreichen Operation in Natal bezeichnet und schleuniast erbeten hat, fordert jetzt auch „mebr Artillerie", da seine (ursprünglich bekanntlich 36 bis 42) Geschütze von vornherein den Anforderungen der Lage nickt entsprochen hätten. Er hätte deren „mindestens 64 be durft, zumal da die Boerenartillerie qualitativ der seinigen weit überlegen" sei. Obne eine so ent- spreckend verstärkte Artillerie sei an ein Erzwingen des NebergangeS über den Tugela nickt zu denken. Zum Glück sind diese feblenden Batterien bereits besorgt; Canada Hal deren drei und Australien eine versprochen. Die Nackrichten au« Ladysmitb lauten zur Abwechselung wieder einmal fast hoffnungslos. General White signalisirt, immer per Heliograph, seine Truppen seien durch Entbehrungen zu angegriffen gewesen, als daß er, wie Buller erwartete, eine Diversion im Rücken der Beeren babe unternehmen können, und Fieber und Dysenterie nehmen jetzt einen täglich be drohlicheren Umfang an. Nun muß aber dock am 18. December, also drei Tage nach der Schlacht, dock wieder ein AuSfallS- versuch auS der typbuSverseuckten Stadt gemacht worden sein. Wie wir schon mittheiiten, gehören die in der Pielermaritz- durger Depesche des KriegsamteS vom 22. December atS todt und verwundet Angegebenen zu der Besatzung von Ladysmith. E« sind im Ganzen 21. Bon Verlusten der Boeren oder von einem Eifolg des Gefechts wud nicktS gesagt. Auch dieser Ausfallsversuch ist also blutig abge schlagen worben. Wir sagten gestern schon, eS sei auffallend, daß die Boeren nur zwei englische Geschütze als in der Schlackt bei Colenso wirklich erbeutet ausfübrten. Möglich also, daß sich noch acht Geschütze, welche die Engländer im Sticke lassen mußten, noch an derselben Stelle befinden, wo sie auszepflanzt waren. Die Boeren können, so wird behauptet, die Beute nicht über den Tugelafluß schaffen, weil die Fer»illetsn. Der neueste, große Roman von Hans Hopfen „Vie ganze Han-" ist von un» zum alleinigen ersten Abdruck für unser Gebiet erworben worden und wird mit dessen Veröffentlichung an dieser Stelle mit dem neuen Jahre begonnen werden. y Line Nordlandgeschichte. Bon v. Paul Kaiser. Olachtruck vrrboteii.) Auch jetzt ließ sich der junge Herr nicht sehen. Sein hoffärti ger Vater wollt« noch immer mit dem Sohn« hoch hinaus, just wie Einar mit seinem Töchterlein. Der alt« Lunckström hatte seinem Geschäftsnachfolger und 'Nachkommen auseinandergesetzt, daß «S sich sür das ehrenwerthe, altreno-mmirte Handelshaus nicht passe, mit einer Lappfamilie in verwandtschaftliche Beziehungen zu treten, und wenn sie noch so reich wäre. Das war ein schwerer Stoß für den hochstolzen Einar Jons- son. Jetzt fuhr er hinter den anderen drei Schlitten her; gleich, al».ob auch der Renner davor etwas von der schmachvollen Ver unglimpfung gefühlt Haids, ging er gesenkten Hauptes. Einar lenkt« kaum. Er sah und hörte wenig von Dem, was um ihn vorging. Anders Nanna. Sie suchte, als sie endlich wieder in der Käta saßen, den Vater zu trösten. Vergebens. Er achtete gar nicht auf ihr Wort. Grübelnd faß er ihr gegenüber. Einar, der reicht, stolz« Einar, so beschimpft! Er wär es nicht allein. Einar's Tochter, die stattliche, schöne Nanna, war es auch. S«in ganze» Volk war es. Von dem Tag« an war er wie verwandelt. , . H Es war im Anfang des Juli, als eine Schaar von Lappen Männer und Frauen, sich auf der Wanderung befanden. Sie waren festlich gekleidet uttd trugen ihre sommerliche Tracht, dunkelgrau« Tuchröcke, welche bei Einigen mit farbigen Kanten oben und unten versehen waren, mit blauen, rothen und grünen. Um die Hüfte ivaren dieselben von einem sikörr'böschlagenen Lader gürtel zusammengehalten. Auch die Lappen putz-n sich gern. Dir ziemlich hohen Kopfbedeckungen der Männer unterschieden sich von denen der Frauen dadurch, daß diese von leichterem Zeuge waren und keinen Mützenschirm hatten. Die Männer hatten Stöcke, die sie sich von den Barken abzcschnitten hatten. PLl Jonasson trug auch ein« Büchse. Rasch schritt die Gruppe dahin. Es war an einem Sonnabend Vormittag. Man war ruf dem We'gr zu einer Kirchweih in Storsjö. Der Himmel wölbie sich mit seiner ganzen wolkenlosen Bläue über Berg und Thal. Von den Weißen Schneebergen wurden die goldenen Sonnenstrahlen blitzend zurückgeworsen, daß die Augen dadurch geblendet wurden. Zuweilen schritten die Leute durch große Schneehaufen, welche von der hochstehenden Julisonne noch nicht überall geschmolzen waren. Auf den Schneehaufen tummel ten sich hier und da halbwilde Rennthierr. Von dem starken Lichte geblendet, tanzten und sprangen sie ziemlich unsicher umher, daß man sich leicht unbemerkt nähern und sie hätte greifen können, aber sobald man sie anrief, flohen sie in raschem Laufe auseinander. „Daß es noch immer nicht grün werden will, obgleich wir schon vor acht Tagen Mittsommer hatten." „Die Laubbäum« sind ja überall auZgeschlagen", antwortete eine andere Stimme aus der wandernden Gesellschaft. „Nein, ich mein« den Erdboden, siehe, wie braun er noch aussiebt." „Das ist nicht Wunderbar; der Schnee ist, ja kaum ge schmolzen. Es wird hier oben in den Bergen auch nicht sehr grün; hier kann nur Moos wachsen, und das ist noch dazu ab geweidet. DaS dauert lange, ehe es wieder gewachsen ist. De: Schullehrer in Undersäker sag!« einmal, es könnte unter Um ständen zehn Jahre dauern." „Ich sage Dir, Sigra, wir Lappen wissen es besser. ES braucht ein ganzes Mannesalter, bis es wieder ausgewachsen ist, wenn es so ganz wie hier ausgerodet ist." !Der Satz fand Zustimmung. „Wie traurig die Berge in Härjedalen aussehen! Sie werden braun." „Wo sollen wir später unsere Heerden weiden?" „Unten in Ljusnedalen", bemerk Einer. Da lachten Alle. ,-Firre, warst Du mit in der letzten großen Schlacht beim An'sköt?" *) „Ja, ich Härte beinahe selber eine Kugel aübekommen." „Wie grausam diese Menschen sind, unschuldige Thierc so nie'oerzüschießen!" „Hast Du auch wieder Verluste gehockt, Jonasson?" „Wer wäre da ohne Verluste weggekommen?" „Daß diese L«tt«, welche sich Christen nennen, gegen un» so handeln können! , Es ist. als hätte man es mit ivilden Türken zu rhun." *) Ein Berg. Auch Jalta war unter der Schaar und schritt mit elastischen Schritten voran. Er begann sich jetzt auch in das allgemeine Gespräch zu mischen und sagte: „Früher wußte man nichts von derartigen Mißhelligkeitrn. Aber man hütete damals auch die Heerden besser als jetzt. Man laß: sie heute vielfach ohne Aufsicht herumfchweifen, und im klebrigen, so . . . ." Hier wurde er von mehreren Stimmen auf einmal heftig unterbrocken. Man erinnerte ihn daran, daß er zu jung wäre, um den Aelteren so Moral predigen zu dürfen. Einige bemerkten auch, daß er zu viel mit Bauern verkehre, um recht zu wissen, wie es jetzt dem Lappmann ergehe. Jin Ucbrigen machte Jakto's Erscheinung Eindruck auf seine Umgebung. Er war stattlicher als früher; die Ecken und Falten in seinem Gesicht waren verschwunden. Die Augen der Frauen unv Mädchen ruhten mit Wohlgefallen auf der für einen Lappen ungewöhnlichen, aufgericbteien, schmucken Gestalt. Das Gespräch wurde jetzt mehr in kleineren Gruppen fort gesetzt. Falko und jonasson waren etwas zurückgeblieben und Mußten in ein besonders wichtiges Gespräch vertieft sein. Plötzlich rief Jonasson: „Du mutzt mir aber schwören, Niemandem irgend etwas davon zu sagen." „Ja, bei allen Göttern Schwedens, Lapplands und Nor wegens verspreche ich Dir das " „Nein, das ist kein richtiger Eid. Du mußt bei dem Teufel schwören." „Bist Du d«nn nie vor Gericht Zeuge gswefen, Jonasson? Da darf man nicht beim Teufel schwören. Bei richtigen Göttern muß man schwören, wenn cs ein richtiger bindender Eid sein soll." „Nun, so muß ich wohl mit Deinem Eide zufrieden sein. Ich hoffe, daß Du ihn nie drecken wirst." Jetzt kam aus einer anderen Gruppe eine Vemerlunz, die Toökelsson machte: „Ja«o und Jonasson haben wichtige Sachen zu verhandeln." „Gewiß", antwortete Firre, „hält Jatto bei ihm »m di- Hand seiner Tochter Dadcka an." Dadda war unter den Kirchw-ihgäckgern. Sie war einige vierzig Jahre alt, machte aber einen viel älteren Eindruck. ^Jhr Schanvmöuldr", sprach sie, „wie könnt Ihr so lästern!" — Sie machte dabei doch ein Gesicht, in dem man lesen konnte: „Wer weiß!" Wie herrlich war die Aussicht, die sich jetzt den Wandernden darbot! Im Norden sah mctn die Syl-. und Helagsgrpfel, Alpengwtzen, di« in glänzens weißem Silber Harn-, sch strahlten. Dort erhoben sich auch die Lundörsspitzen in eigenthümlichen Bergforwationen. Im Osten blickten die Odiksberge wie ver schämt hervor unter all' der Herrlichkeit. Im Süden sah man eine fortlaufende Kelte von sckneöbeveckten Höhen. Hie: und da traten Gletscher hervor, als ob gefrorene hochgehende Meeres «wogen da stünden, über die sich dann wieder ein Bc.grieie wie ein Leuchtthurm erhob. Andere Berglcgel glichen mehr einer Ritterburg mit vielen Thürmen und Erlern oder einer Festung mit regelmäßigerem Mauerwerk. Neben den glänzenden Berges spitzen bot in den Thälern das duwkle Grün der Tannen den Auge einen wohlthuenden Ruhepunct. „Jakko, so will ich Dir's mitrheilcn. Ich zweifle nicht an Deiner Verfchwiegenhei:", nahm Jonasson wieder das Wort. Aber mir und vielen anderen Lappen in Härjedalen ist st.enge. verboten worden, darüber zu reden." „Von wem ist Euch das verboivn?" „Don Leuten, di« in der Rennthierzucht manche gute Beob achtung gemacht haben. Sie haben berausgefunden, daß die Thicie besser gedeihen, wenn man sie mehr ihrer Natur überlaß:. Sie werden kräftiger und fruch.barer, wenn sie ebwas verwildern " „Da haben wir die Bescheerung. O, dies- Betrüger und Schu.'ten! Warum hat Niemand mir das früher gesagt?" „Still, Jakko! Zwei seßhafte Rennthicrbesitzer haben uns das gesagt-" ".-Za, Fyndig und sein Cümpan." „Du kannst denken, an wen Du willst, aber näheren Bescher) kann ich Dir nicht geben." „NSlte Herren das! Das war also Euer Gcheimniß! Jonasson, wir gehen unter, wenn wir unseren Bssitz nicht besser hüten." „Denke daran, was Du versprochen hast, Jakko, und verhalt» Dich still!" „So lange ich es vermag." 'Jetzt beeilten sich die Beiden, um die Anderen einzuholen, di« bereits ihren Blicken hinter dem nächsten Hügel verschwunden waren. Sie waren jetzt ganz still. Jakko zog die Augenbrauen zusammen und sah sehr düster aus. Er hatte auch ein« seh: schnelle Gangart angenommen, so daß er sott und fort auf seinen Begleiter, der zurückdlieb, warten mußte. Erst weiter unten an dem Walsrande, wo der Felsen fick geaen ziveichunderk Meter fast senkrecht gegen Srorsjö hinuntcrsenk:, stießen sie auf die Anderen, welch« dort ein Ivenig aus.uhten. Die beiden Nachzügler wurvon mit Lachen und spaßhaften Bewerbungen empfangen. Z«No aLer woll:e nicht mit sich spaßen lassen. Er setzt« sehr ernst seinen Weg durch die Zwergbiffkn, welche die Erde bedeckten, iveiter fori- „Der Alre hat ihm seine Tarda nicht geben wollen", rief Einer aus der Reisegesellschaft, welcher dicke Wolken aus seiner Tabakspfeife blies. „Darum sieht er so verzweifelt aus."
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