02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991229023
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899122902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-29
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Abend-Ausgabe. WMer TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. AazeignuPrei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedaction-strich (-ge spalten) 50/^, vor den Familienuachrichte» (6 gespalten) 40^ Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung .6 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzkg. 93. Jahrgang. Freitag den 29. December 1899. Anzeigen lür die Früljnummern vom 1. und 2. Januar n. I. erbitten n»ir bis spätestens morgen, Sonnabend, Abend 7 Uhr. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Dcccmbcr. Der Weib nachtSfriede, wenn von einem solchen überhaupt die Rede sein konnte, bat in den deutschen Landen nicht lange gedauert, am kürzesten in Prcutzcn, wo die Parteien, welche die Regierung zur bedingungslosen Unter werfung zwingen möchten, in ihren Borbereitungen zu einer entscheidenden Action da fortfabren, wo sie vor dem Feste aufgehört haben. Auf conscrvativer Seite strebt man mit allen Mitteln dahin, die Fraction deS Abgeordneten hauses gegen die anzekündigte erweiterte Canalvvr- lage sestzulegen. Ein Mitglied des Abgeordneten hauses veröffentlicht zu diesem Zwecke in der „Kreuz zeitung" einen Aufsatz, in dem als Hauptfrage auf geworfen wird, wieviel Stimmen die Regierung denn eigent lich durch die Erweiterung ihrer Vorlage für den Rhein-Elbe- canal zu gewinnen hoffe. Auch der genaueste Kenner des Ab geordnetenhauses werde nicht einen cvnservativen oder frei- conservativen Abgeordneten namhaft machen können, aus dessen „Umfall" zu rechnen sei. Weiter wird der Regierung aus- cinandergesetzt, daß sie nichts mit ihren Compensationen erreichen würde, „denn die CompensationSforderungen wurden von den Eanalgegncrn nur für den Fall erwogen, daß der Canal gebilligt und gebaut werden sollte; Niemand aber hat sich verpflichtet, für den Canal zu stimmen, wenn die Compensa- tionen bewilligt werden sollten." Damit werden als „conservative Grundsätze" proclamirt: 1. daß man Borlagen der Regierung mißbilligen dürfe, ehe man sie kennt, 2. daß man Abgeordnete gegen solche Borlagen durch die Drohung festnageln dürfe, sie würden im Weigerungsfälle die Folgen eines „Umfalles" zu tragen haben; 3. daß zum Inventar der conservative» Politik gehöre, mit dem Anscheine der Mitwirkung an Borlagen, für die der König unter Berufung und im Vertraue» auf Las StaatS- ministerium vor dem Lande die Autorität der Krone ein gesetzt hat, solche Hauptstaatsaufgabe zu Hintertreiben. Es gehört zum Ganzen, daß in demselben Alhemzuge versickert wird, die Regierung thue besser, auf die Einbringung einer neue» Canalvorlage zu verzichten, denn — „mehr als je brauchen wir eine starke, vom Vertrauen des Landes ge tragene Regierung". Und zum Schluffe wird dann auch noch treuherzig versichert, daß, wenn die Regierung das Ab geordnetenhaus demgemäß auflöscn würbe, ein solches Ver halten „nicht uns", sondern Anderen zu statten kommen würde. Natürlich wird auf der zweiten Seite in Sperrdruck von der „Kreuzzeitung" selbst versichert, „daß die Cvnservativen die festesten Stützen deS Staates und die treuesten Diener des Monarchen in der Tbal sind". Und damit nichts mehr fehle, läßt der unbekannt bleibende Abgeordnete über Allem noch die Glorie der „Sammlung" strahlen. Da nun die Regierung auf die Einbringung einer neuen Canalvorlage nicht ver zichten will und, wenn sie nicht ihr Ansehen völlig preiS- gebea mag, auch nicht wohl verzichten kann, so muß man sich bei der Berathunz dieser Vorlage auf Kämpfe gefaßt machen, hinter denen die um den ursprünglichen Entwurf entbrannten an Heftigkeit und Tragweite zurückbleibe». Unter diesen Um ständen kann mau nicht dringend genug die Mahnung wieder holen, mit der Einbringung der erweiterten Vorlage wenigstens so lange zu warten, bis die Flotten frage entweder im jetzigen oder in einem künftigen Reichstage zur befriedigenden Lösung gekommen ist. Gleich den preußischen Cvnservativen schickt sich daS Eentrum an, seine Macht der Negierung fühlbar zu machen. Der Hauptzweck ist jedenfalls, für die klerikale Willfährigkeit, dem Reiche eine starte Seewehr schaffen zu helfen, in Preußen Concessioncn herauszuschlagen. Die „Köln. Vvlksztg." leugnet zwar, Handelsgeschäfte machen zu wollen, sie bringt aber das Jesuitengesetz und die Gemeiiidewablreform in so unmittel baren Zusammenhang mit der Flotlcnfrage, daß man über den Zweck dieser Verknüpfung nickt im Zweifel sein kann. Demselben Zwecke — der Mürbemackung der preußischen Regierung gegenüber den klerikalen Forderungen — dient auch der neueste Vorstoß der „Köln. Volkszeitung". Sie giebt solgende Geschichte zum Besten: Im westfälischen Kohlenrevier arbeitet eine große Zahl von Slowenen, die von den Franziskaner-PatreS in Dorsten, die zur Noth etwas Slowenisch verstehen, pastorirt werden. Infolgedessen ließ der Guardian deS Franziskanerklosters sich einen Ordens bruder auS Süd-Steiermark kommen und am 17. December verkündete der Pfarrer in Herten von der Kanzel, am Freitag, den 22. d. M., würde ein slowenischer Franziskaner pater zunr Beichtehören kommen. Am Donnerstag trafen aber bereits der BezirkScommifsar von Gelsenkirchen in Be gleitung deS Bürgermeisters von Herten ein und erkundigten sich nach dem fremden Pater, um, falls er ein Ausländer sei, die Pastoration zu verhindern. TagS darauf war der Pater Ananias auS Rann in Süd-Steiermark eingetroffen, und dann erschien wiederum zweimal die Polizei und verbot jede Pastoration mit dem Bemerken, daß an den anderen Orten des Reviers in gleicher Weise verfahren werde. Und nun gehl die klerikale Beschwerde weiter: „Daß der Pater AnauiaS eiu Ausländer ist, kann nicht in die Waagschale fallen — denn ein Slowene, der zu seinen Landsleuten in seiner Muttersprache reden soll, kann eben nichts anderes als ein Ausländer sein." Das Vorgehen in Herten richte sich also „gegen unsere Orden überhaupt und gegen die ganze katholische Be völkerung, die mit ihren Orden aufs Innigste verbunden ist. Wie lange wird sich das katholische Volk eine solche Behandlung noch gefallen lassen?" Auf diese Beschwerde hi» hat die „Kölnische Volkszeitung" „versucht", „auS dem Knäuel der zahlreichen kirchenpolitischen Gesetze der siebziger unv achtziger Jahre zu ermitteln, ob das in Herten beliebte Verfahren überhaupt eine formale gesetz liche Unterlage hat." „Leicht ist ihr daS nicht geworden", aber schließlich hat sie herausgesunden, erstens, baß nach Recht und Gesetz in Preußen ein geistliches Amt nur einem Deutschen übertragen werden dürfe, und zweitens, daß der Cultus Minister „ermächtigt ist, auch aus ländischen Geistliche» die Vornahme von geistlichen Amtshandlungen zu gestatten." Damit liegt sür jeden Unbefangenen die Sachlage völlig klar. Der Herr Guardian, der Herr Pfarrer und der Herr Pater haben sich einfach über die gesetzlichen Bestimmungen, die ihnen hätten bekannt sein müssen, hinweggcsetzt und nicht einmal den ihnen offen stehenden Weg beschritten, fick beim Cultusminister die Erlaub nis; zur Vornahme von geistlichen Amtshandlungen einzuholen — worauf der Staat gegen diesen offenbaren Versuch der Gcsetzesüberschreituug schonend genug sich gewehrt hat. Statt das anzuerkenncn versucht die „Köln. Volkszeitg." es in Frage zu stellen, „ob zu geistlichen Amtshandlungen auch die aushilfs weise Speuduug der Sakramente und zwar, wie in Herten, bei einem offenbaren Nothstandc, gehöre". Jedenfalls werfe die Schueidigkeit, mit welcher die armen slowenischen Ar beiter vor der Gefahr der gelegentlichen Pastoration durch einen Landsmann bewahrt worden sind, wieder ein blen dendes Licht auf die schöne» Trümmer der Maigcsetzc! — Wir meinen, Las blendende Lickt fällt vielmehr auf die Dreistigkeit, mit der hier im Culturkampf geschulte und der Gesetze kundige Leuie versuchen, die StaatSantvrität zu verflüchtigen. Im klebrigen mag folgendes Zeugniß der Berliner „Germania" genügen, die über Religion und Slawenthum im Westen vor einiger Zeit das richtige klrtheil abgab: die polnische Bewegung in Rheinland und Westfalen gebe über die religiösen Züge hinaus und greife in daS nationale und politische Gebiet über. Unter diesen Umständen ou» oer Staat nicht nur formal daS Recht, sondern in der Sache selbst auch die dringende Verpflichtung, „pastorirende" Ausländer unter Controle zu halten. Aber, wie gesagt, dem Staate soll fühlbar gemacht werden, daß auch die Näder der Gesetze still z» stehen haben, wenn der starke Arm deS Centrums eS will. Wer spricht deutsch? Unter diesem Titel bringt die ungarische Zeitung „Magyarorßag" einen Leitartikel, der eine so pöbelhafte und verlogene Beschimpfung der Pester Bürger deutscher Muttersprache wie dieser letztere» selbst enthält, daß nicht einmal der darunter gesetzte Name deS erbittertsten Deutschenhassers, Bartha MikloS, vollständig auörcicht, um seine Abfassung begreiflich zu mache». Wir wollen hier nur einige Proben der Auslassungen wieder geben; sie genügen, um dem Leser deutscher Gesinnung ein anschauliches Bild von dem niederen Charakter deS ma gyarischen Verfassers zu machen, der leider einen großen Tbeil der magyarischen Bevölkerung des ungarischen König reichs, daS ja mit uns verbündet sein will, aus der Seele geschrieben hat. Bartha sagt: „Bon Pest kann nur ein solcher Mensch einen deutschen Eindruck bekommen, der an schlechten Orten verkehrt. In unserer Hauptstadt spricht jede Schicht der guten Gesellschaft magyarisch". „Wer hier den Eindruck bekommen hat, daß Pest eine deutsche Stadt ist, von dem wage ich zu sagen, Laß er sich nicht in der Atmosphäre der anständigen, gebildeten und brauchbaren Menschen bewegt hat. Nur zur Nachtzeit kann er zur Ueberzeugung gekommen sein, daß Pest eine deutsche Stadt ist. In den dunkeln Winkeln, an Orten, die unter polizeilicher Aufsicht stehen, in schmierigen und niedrigen Herbergen, in Len schmutzigen Nestern des Lasters, der Arbeitsscheu, Verschwendung und Liederlichkeit. Hier, ja wohl, hier ist deutsch die Gejellschastsspracke. Für die Cultivirung der deutschen Sprache giebt es heute nur noch solche W.;rmbcete". „E: ist als gewiß an zunehmen, daß Derjenige, von dem ich Las deutsche Wort höre — wenn er nicht ein Fremder ist — irgend einen Fleck hat etwedcr auf seiner Ehre oder aus seiner Kleidung oder auf seiner Bildung." Das schreibt ein Mensch, dessen wirklich gebildete magya rische Landsleute (natürlich kann Bartha niemals unter solche gerechnet werden!) ihre ganze Cultur erst von den Deutschen Ungarns überkommen haben. Doch weiter: „Wenn ich gut gekleideteDamen aus der Straße deutsch reden höre, jo iverfe ich gleich einen Verdacht auf sie... Ihr Bündel ist nicht in Ordnung. Entweder ihre Bildung ist zweifelhaft oder ihre Stellung. Ich sehe dunkle Puncte auf den feinen Federn ihrer theuren Galahüte." „Wer in Pest die deutsche Sprache ge braucht, ist entweder eiu Angestellter der Orpheen, Caprices, Spelunken oder erhält an diesen Orten seine nächtliche Ausbil dung." „Was hervorragend und rein ist, das gehört zur Atmosphäre der magyarischen Sprache. Was niedrig und schmutzig ist, das kommt in den »leisten Fällen deutsch zum Ausdruck." „Ich sage nicht, daß die Bemerkung des deutsche» Schriftstellers nicht richtig ist: .Budapest ist der Kehrichtablagerungsplatz der westlichen Civili- satiou.' Aber dieser Kehricht entsteht dort im Westen. Nicht der magyarische Stamm erzeugt ihn. Und dieser Kehricht wandert auf Len Flügeln der deutschen Sprache zu unS ein und flattert mit den Flügeln der deutschen Sprache von einer Orgie zur andern in Gestalt von Couplets, Monologen und obscönen Darstellungen." „Gegen die sprachliche Insertion ist unsere Hauptstadt bereits gepanzert, La die Empfänglichkeit und Neigung zur Ansteckung sich nur bei den Gliedern der in unreinem Dunstkreis lebenden Familien zeigt." Man braucht Pest und seine deutsche Bevölkerung nicht erst zu kennen, nm zu verstehen, welchen Werth Lartha'ü Behauptungen haben. Die Deutschen Ungarns und seiner Hauptstadt stehen zu hock, als daß auch nur ein Tropfen der Mistjauche, auf welche dieser Bartha in sichtlichem Behagen mit der flachen Hand schlägt, sic bespritze» könnte. Mau braucht auch Bartha nicht erst aus seinen früheren Ergüssen zu kennen, um zu begreifen, welchen Werth er bat. Dagegen kennt alle Welt, die sich noch nicht zu der Bildung Bartha's und seiner „gebildeten" Pester — emporgeschwungen hat, den Einfluß deutscher Cultur auf andere Völker, namentlich auf Ungarns culturelle Ent- Feriilleton. Der neueste, große Roman von Hans Hopfen „Vie ganze thand" ist von unS zum alleinigen ersten Abdruck für unser Gebiet erworben worden und wird mit dessen Veröffentlichung an dieser Stelle mit dem neuen Jahre begonnen werden. ns Eine Nordlandgeschichte. Von v. Paul Kaiser. (Nachdruck verboten.) „Wo willst Du hin?" fragte Nils. „Nur eine kleine Tour möchte ich nach dem Lillfjäll machen. Nachher erzählst Du mir, wie eS Dir auf der Reise nach der Städt erging." Er eilte hinweg und kam erst in der Nacht zurück. Am nächsten Tage machte er sich auch davon. Und als die beiden Jugendfreunde wieder einige Stunden zusammen waren, wechselten sie nur wenig« Worte mit einander. Sie waren Beide recht trübe gestimmt, aber Keiner wollte den Anderen deshalb befragen. Sie fürchteten, daß die Stimmung dadurch nicht ver bessert werden würde. Jeder rieth, was der Andere wohl für besonderen Kummer haben möchte. Jakko dacht«, Nils sei in Sorge wegen seiner Schulden. Nils wieder glaubte, Jakko sei besonders bekümmert, weil sein Versuch, seinem Freund« zu besseren Verhältnissen zu verhelfen, so jämmerlich gescheitert sei. Aber B^ide täuschten sich dies Mal. Nils war so weit gekommen, Alles still und gefaßt hinzunehmen, gleichviel, ob es ihm gut oder schlecht erginge. Er grübelte nur noch nach, was das für ein Clomplott sein könnte, von dem er in jener Nacht gehört hatte im Gasthofe zu Bräckcby. Zuweilen war er versucht, Jakko geradezu zu fragen, ob er von irgend einer Ver schwörung wüßte. Warum war er sich so ungleich, so seltsam gegen sonst? Am Abend vor Mariä Verkündigung war's. Jakko war wieder im Begriff, sich seine Schneeschuhe anzubinden und in die Berge zu laufen. Da konnte sich Nils nicht länger hallen. Jcht mußte er reden. „Was braut Ihr Lappen zusammen?" fragte er in fast barschem Ton. „Ihr seid so ost zusammen und thut so ge- heimnißvoll?" „Was? Wie?" fragte Jakko. „Ich will wissen, was Ihr vorhabt. Du betreibst etwas hinter meinem Rücken. Sage mir, was das ist, und das so gleich!" Jakko versuchte, seiner Stimme einen scherzhaften Ton zu geben, und sagte: „Es ist etwas Schreckliches. Du wirst es bald erfahren, aber jetzt kann und darf ich davon nicht reden." Dabei aber stieg eine eigene Röthe in Jakko's Gesicht. Er war offenbar betroffen,wandte sich von Nils weg und suchte hinauszukommen, um nur keine Erklärung zu geben. Einen Augenblick ständ Nils da und zweifelte, was er thun sollte. Wissen mußt« er, was Jakko horhatte. Er war es Jakko, er war es ihrer Freundschaft schukdig, ihn zu warn«» und vor gefährlichen Schritten zurückzuhalten. „Jakko, Du mußt bleiben. Ich lasse Dich nicht weg, ehe Du mir nicht sagst, was Du vorhast." Die Schneeschuhe waren jetzt fest. Da machte Jakko statt jeder Antwort die Thür auf, um zu verschwinden. Aber Nils wollte selbst Gewalt nicht scheuen, um ihn zurückzuhalten. „Jakko, Du bleibst!" Mit diesen Worten stürzt« sich Nils auf seinen Freund, und die Freunde rangen, als ob es die er bittertsten Feinde wären. Als sie Knaben waren, hatten sie manchmal einen ähnlichen Ringkampf vollführt, aber Jakko war gewöhnlich als der Sieger hervorgegangen. Gewandt, wie er war, hätte er sich auch jetzt seinem Gegner entwunden, wenn nicht die Schneeschuhe ihm hinderlich gewesen wären. So kämpften sie mit einander, und das war klar, Jakko war nicht genrigt, sich sein Geheimniß mit Gewalt entreißen zu lassen. J«tzt stürzten der alte Erik Nilsson und Tante Lena herein. Sie machten verwrrnderte Augen und konnten es sich nicht er klären, daß die bervrn treu«n Freunde mit einem Mal« so erboste Feinde geworden sein könnten. Bald merkten sie, daß Nils der Angreifer wäre. Hatte er seimn Verstand verloren? Da griffen sie Beide zu, um ihn zurückzuziehen. „Laßt mich! Laßt mich? Ich thue das beste Werk! Er will fort! Er darf nicht! Er soll nicht! Haltet ihn zurück!" Jetzt war Jakko frei geworden. Die Thür war offen. Wer konnte ihn noch zurückhalten? Wie auf Windes Flügeln war cr auf und davon. Nur nachrufen konnte ihm Nils noch: „Jakko! O Jakko!" - Auftündigen konnte er ihm noch die Freundschaft von dieser Stunde: „Jakko, wenn Du nicht umkehrst, sind wir für immer geschieden!" Bald war Jakko ihren Blicken entschwunden. Jetzt wandte sich Nils zu Erik Nilsson: „Vater, was machst Du? Wir mußten ihn mit Gewalt zurückhalten. Er hat Schreckliches vor" stieß er hervor in abgebrochenen Sätzen. Jetzt war Erik Nilsson noch betroffener. Nils war so erregt, daß cr sich auf der Stelle zu Krütbärg und Andreasen hätte begeben können, daß er hätte kämpfen können in diesem Augenblick wider alle Lappen und ihre Heerden. Was hatte er gewonnen mit allem seinem Entgegrnkommin gegen sie? Mit aller seiner Freundschaft gegen Jakko von Jugend auf, seit er als armer Lappjunge Schutz und Zuflucht und Liebe fand im Hause seines Vaters? Nichts hakte er ge wonnen, als Mißtrauen und Schimpf vor d«n Leut«» und zuletzt: etwas Schreckliches! Jetzt war es vorbei mit ihrer Freundschaft. Was das für ein bitteres Gefühl war, das sich seiner bemächtigte! Es war, als ob Jakko Alles in Ruin zerschlagen hätte, ihr ganzes langjähriges Verhältniß zu einander. Auch dies Mal ging Jakko's Weg nach 'dem Lillfjäll. Er fuhr hinauf bis zum höchsten Absatz des Berges, lief hin und her, stand stille uno sah sich von der Höhe herab nach allen Richtungen um. Dann trat er wieder auf di« andere Seite und spähte hinaus. Der Abend war hell, auch nickt zu kalt, aber es lag doch ein« schwere und düstere Stimmung über dem Ganzen. Die Grund seen zeigten sich im Südwesten, ab«r cL schien, als seien sie dies Mal sehr weit, viel weiter, als je, und von phantastischen Schattenbildern umgeben. Weit im Westen wurde der Gesichts kreis von einer waldigen Bergkant« umrahmt und im Nordwest«» von kahlen Hockgebirgsketten, so daß d«r klumpige, elephanten- ähnliche Funäidalsb«rg wie zu ewiger Enge und Gefangenschaft verurtheilt erschien auf der dürftigen Erdscholle, die sich vor den Füßen des einsamen Jakko ausbreitete. lieber diesen Grenz manern im Westen und Norden lag «in« lttchte Wolkrngarnitur, welche sich hier und da in die Länge zog. Das war, als ob sie mit ihren langen Strichen in die Welt hinausplaudern wollte, daß gleich dahinter ein Schneesturm auf der Lauer lag, jede Minute zum Losbrechen fertig und geneigt. Die kurzstämmigen Birken, welche unter der kleinen Hochebene wuchsen, standen, die Kronen niedergebeugt von der Bürve des Winters, wie bebend, und Wetter unten die Tannen waren wie Riesenbajonette, di« sich erhoben zur Brrtheidigung gog«n dir Feinde-gewalt, di«, wie es schien, in der Natur losbrechcn sollte, lieber des Himmels Dunkel flogen jetzt rothe Streifen. Jakko fühlte es deutlich, daß solch' ein Aufruhr in der Natur sich vorbereitete. Er blieb dies Mal nicht lange auf seinem Wach posten. Wi« besinnungslos stürzte er jetzt hinab, indem er seinen Schneeschuhen freien Lauf ließ. Wie ein Pfeil kam er hinunter an die Grundseen. Einige Lappcnfamilien waren jüngst dahin gezogen. Auch sein Freund Anta Torkclsson war vom Norden in dies« Gegend gekommen. Uns die Freude war groß, als Jakko aus Ljusnedal kam, und die Freunde nach jahrelanger Trennung in Anta's Kata sich wiedersahen. Hier wohnke auch Ruk-Klas von ^doin MittLfjäll Mit seiner Familie. Klas' Fran war bekannt dafür, zaubern zu können uno mehr zu sehen als Andere mit natürlichen Augen. Sie hatte an diesem Abend, wi« sie selbst betheuerte, eine bös« Er scheinung gehabt. „Es war", sagte sie, „eine große, finstere Menschengestal' obne Kopf. Dir kam mit gewaltsam schwenkenden Armen und Bt-inen, indem si« den Berg herabschwobtc. Bald darauf ver schwand sie wieder." Jakko hatte kaum sich niederlassen können und Feuer in sein« Tabakspfeife bekommen, als er diese Geschichte aus deni Munde Mehrerer vernahm. Aber als „die Seherin" es nicht ganz so wieder erzählt bekam, wie sie es wünschte, trat sie vor zu dem Ankömmling, um die Sache deutlicher zu machen. Sie gesticulirte dalbei, wie von Sinnen, um die Bewegungen der gespensterhasten Erscheinung vorzusühren. Abgesehen davon, daß ihre Stimm« etwas Pfeilendes hatte und manchmal der einer Henne nicht unähnlich war, hatte sie auch ein s«hr abstoßend«» Aeußere. Ihr gelbes Gesicht war ganz dreieckig; das Kinn wie die Nase hatten mit den spitzen Renirthftrhusen große Achnlich keit. Ihre Augen leuchteten wi« ein Phosphorschekn. Jakko empfand Widerwillen vor Mutter Klas und wollte mit Gewalt das Gespräch auf etwas Anderes bringen. Aber das wollt- nicht gelingen. Denn die Anderen waren so erregt und düster gestimmt durch ihre Rede, daß sie nicht gut von etwas Anderem reden konnten. Rut-Klas aber, der gewöhnlich mit seiner Frau sein Späßchen hatte, wenn sie mit solchen Sachen ansing, unv auch jetzt ganz der Situation gewachsen war, ver stand die düstere Stimmung zu verscheuchen. Er sagte nämlich: „Ich habe vor ein paar Tag«n auch eine Erscheinung gehabt, die aber meiner Ansicht nach furchtbarer n>ar; denn die hatte sogar ihren Kopf noch auf ihrem Leibe. Doch ich habe nicht lange mich hingestellt und ihr nachg«schaut, als das Ungeheuer
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