Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190001289
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000128
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000128
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-01
- Tag1900-01-28
- Monat1900-01
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1900
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Druck und Berlag von E. Polz t» Leipzig. 94. Jahrgang ^-50 Sonntag den 28. Januar 1900. o» io» der eo - - v. i. v. i.o. 1.0 I.D 1 v. iv. die benachbarte ostfriesische Hafenstadt erschienen bereits im Jahre 1575 nieder- und hinderten die Ausfuhr der bestimmten Schiffe, wenigstens soweit sie i.o. i.o i.o. Die Morgen-AuSgabe erscheint um V,7 Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentags um 5 Uhr. Ännahmeschluß für Anzeige»: Abend-AuSgabe: Lormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richte». seitlgt. Anscheinend auch die Chancen einer weiteren Anticanalagitation im Lande. Die BerufSagitatoren ver legen sich wenigstens wieder stark auf andere Dinge, vor Allem auf die Hetze gegen die Nationalliberalen. Merk würdigerweise haben sie zuerst in Sachsen Helfer gefunden. Hier sollte der Krieg in die Kammer verlegt und sollten die Wahlkreise der Nationalliberalen ausgehungert werden. Erfreulicherweise hat sowohl der Vorstand der konservativen Fraction, wie diese selbst erklären lassen, daß sie diesem Plane fern ständen. Er muß bei einigen nicht einflußlosen Mit gliedern aber doch bestanden haben. Vielleicht bedenken diese Herrn nach der ihnen zu Theil gewordenen DeSavouirung die Möglichkeit, daß sie statt auf ein Toul, auf ein Belfort stoßen würden, ihrer Stärke nach keine Festung ersten Ranges, die aber den Belagerern viel zu schaffen macht und nicht ausgehungert wird. WaS daS „Vaterland" an den Nationalliberalen und ihrer Presse neuerdings aus zusetzen hat, beliebte ihm noch nicht zu sagen. Viel leicht die Nichtübereinstimmung mit den Führern in Preußen, den Herren vr. Hahn, Roesicke u. s. w. Ist eS daS, dann kann allerdings Besserung nicht gelobt werden. Im Gegentheil, «S gereicht unS zum Vergnügen, unsere Un bußfertigkeit in diesem Puncte so stark wie möglich hervor treten zu lassen; wir geben deshalb ausführlich wieder, waö der nationalliberale Landtagsabgeordnete Professor vr. Friedberg dieser Tage den genannten preußischen Führern zu hören ge geben hat. Er knüpfte an eine Hetzrede des Herrn vr. Hahn an und bemerkte: " Ich habe die Rede deS Herrn vr. Hahn nicht gehört, aber ich kenne doch wohl den Ton des Abg. vr. Hohn hier im Hause und kann mir daher wohl leicht eine Vorstellung von seinem Auftreten im Lande machen. Daß Herr vr. Hahn in der Sache vollständig Recht habe, muß ich entschieden bestreiten. Vor allen Dingen war Herr vr. Hahn nicht berechtigt, eine Drohung gegen uns nach der Rich tung hin auszusprechen, daß wir in Zukunft auf die Unterstützung des Bunde» der Landwirthe nicht zu rechnen hätten. Dazu war Herr vr. Hahn am allerwenigsten berufen, denn ob er heute im Reichstag säße, wenn er nicht mit Unterstützung der Natioualliberalen gewählt worden wäre, lasse ich dahingestellt. Bei der großen Zer» splitterung der Parteiverhältnisse bei unS wird eS ja vorkommen, daß in einzelnen Kreisen der Bund der Landwirthe den Ausschlag giebt, aber in anderen geben die Nationalliberalen den Ausschlag. Wir stellen unS dabei auf die Theorie deS kleineren Uebels. Aeußerst erstaunt war ich über die Angriffe deS Herrn vr. Hahn gegen meinen Freund vr. Sattler. Wenn jemand hier im Hause seit Jahren vom wirthschaftlicheu und socialpoliiischen Standpuucte aus alle Maßregeln befürwortet hat, die der Landwirthschast zu Gute kommen, so ist daS kein Anderer als gerade Herr vr. Sattler. Gerade auf einen solchen Mann exemplificiren zu wollen zum Be weise dafür, daß die National-Liberalen der Landwirthschast nicht freundlich gegeuüberstehen, ist ganz und gar unangebracht. Aber wir nehmen nicht nur au demTouedeS Herrn vr. Hahn Anstoß, sondern auch au der Methode seiner Agitation, und ich finde eS kaum begreiflich, daß man «ine Persönlichkeit wie Herrn vr. Hahn an die Spitze deS Bundes gestellt hat. ES berührt unS manchmal merkwürdig, daß man einem Manne eine solche Aufgabe zuschreibt, der niemals praktisch in der Landwirthschast thätig war. Herr Frhr. v. Wangenheim und ander« Redner der konser vativen Partei haben heute die Schale ihres leichten Spottes über den Abg. vr. Hirsch auSgegossen, weil derselbe gesprochen habe, ohne praktischer Laudwirth zu sein. Ich habe kein Bedürfniß, mich in diesen Streit eiuzumischeu, aber daS muß ich doch sagen: Herr vr. Hirsch spricht hier im Haus« als Abgeordneter, Herr vr. Hahn aber nimmt für sich in Anspruch, als berufener Vertreter der Landwirthschast im Lande umherzureisen und zu agitiren, und er hat doch sicher nicht mehr Legitimation dazu als Herr vr. Hirsch. Für die Art der Agitation deS Herr» vr. Hahn nur zwei Beispiele, die allerdings den Herren bekannt sein dürfte», die die Ehre haben, dem Hause anzugehören. ES ist Ihnen bekannt, daß der Handels minister in davkenSwerther Weise bemüht ist, gegenwärtig zu einer Verständigung mit der Börse zu gelangen und daß hervor- ragende Herren der agrarischen Richtung und der konservativen Partei an diesen Friedenskonferenzen betheiligt sind. WaS macht nun Herr vr. Hahn? Ehe noch irgend etwas über die Verhand- lungen bekannt ist, stellt er sich hierher und erklärt von der Tribüne deS HauseS herab, daß, wenn das, was bisher über die Ergebnisse der Verhandlungen bekannt geworden, richtig sei, die Landwirthschast durchaus unzufrieden sein müsse. Also er kannte noch gar nicht die Ziele, aber er diScreditirt sie von vornherein. Wenn daS nicht eine unzulässig« Agitation ist, so weiß ich nicht, wie mau eS sonst bezeichnen soll. Ein anderes Beispiel: Sie wisse», daß die Frage der Leute- noth als eine brennende von allen Seiten anerkannt, zum Theil sogar als die brennendste Frage Ler Landwirthschast überhaupt bezeichnet wird. Man denkt auf alle» Sellen darüber nach, wie diesem Uebelstande zu steuer» sek, mau kommt mit den verschiedensten «rwägeniwerthen Vorschlägen, di« vielleicht, wenn mau sie conse- quent verfolgt, zum Ziele führen können. Darin aber sind sich alle verständigen Leute einig, daß der Weg, da- Ziel zu erreichen, ein schwerer ist. Herr vr. Hahn hingegen verlangt einfach, daß die Regierung mit einem Schlag« die Leuteuoth beseitige» soll. Ist daS auch keine unzulässige Agitation? Eigentlich verdient ja Herr vr. Hahn alS Abgeordneter keine zu große Bedeutung, denn al- neulich mein Freund von Eynern den Touservativen sagte, warum sie denn Herr« vr. Hahn loSgelassea hätten, da wurde uns erwidert: „Der gehört ja gar nicht zu unS". Ich ronstatire also, daß di« Couservativen da« Bedürsniß fühle«, zwischen sich und Herrn vr. Hah» da« Tischtuch zu zerschneiden. Insofern sinkt demnach die Bedeutnng d«S Herrn vr. Hahn für die Parlamente erheblich herab, als keine Partei ihn in Anspruch nimmt.... Herr v. Zedlitz richtet seinen Appell zum gemeinsamen Zusammenarbeiten an olle Parteien. Wir werden, wie stet«, einer solchen Aufforderung I Folge leisten, aber ich erlaube mir die Frage, wie eS möglich 1.0 1.0. i.o. t. 1) i. I). 1.0. I.o. .cp-M 1.0. i.o 1.0 Nrdactio« »»- Expedition: -»hanatr-affe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet voa früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mst Ler Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. «rll 1I. o. i.o. i. o. 1.1). 1.1» i. o. i. v. i.v. i.o i. o. i. v 1.1>. i. o. i.o. i o. i. v. >,tv 1.1- t v -t 0 >»t o , II 1.0. 1. o. A«zeige«'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRrdactionSstrich («ge spalten) 50-4. vor den Familieuuachrichtru (6 gespalten) 40-4- Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosatz nach höherem Taris. Vezug-'Pret- 1» Ler Hauptexpeditton oder deu im Stadt bezirk wld deu Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau« bckO. Durch die Post bezogen für Deutschland «nd Oesterreich: viertestährlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung 1»S Ausland: monatlich 7.50. Filialen: Alfret Hah« von», v. Klemm'» Sortim. UmversitätSstraße 3 (Paulinum), Laut» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KöuigSplatz 7. 10.-6. > v. i. o. t LI- ist, mit Herren von der Richtung deS Herrn vr. Hahn zusammenzuarbeiten? Soll ein gemeinsames Arbeiten möglich sein, dann muß der Bund der Landwirthe — ich will nicht sagen, seine Politik ändern —, aber ich verlange von ihm, daß er nicht Persönlichkeiten ins Vordcrtreffen schickt, die eher für alles Andere geeignet sind als für ein gemeinsames Zusammenarbeiten. Daß eS mit der bisherigen Agitation des Bunde- nicht so weiter geht, diese Erkenntniß hat sich schon in weiten Kreisen Bahn gebrochen. Der Abg. Frhr. v. Wangenheim sagt: „Wenn die national-liberalen Führer so weiter arbeiten, so werden sie zu Todtengräbern ihrer Partei." Ich weiß nicht, wie er sich den Vor- gang denkt. Meint er, eS würde ein Rückgang der national-liberalen Partei eintreten, wenn die Führer fortfahren, sich gegen Agitationen von der Art deS vr. Hahn zu verwahren? Dann glaube ich, prophezeit er nicht richtig. Aber selbst, wenn er Recht hätte, wenn vielleicht ein kleiner Rückgang unserer Partei dadurch ein- träte, so würde ich daS doch lieber sehen, als Laß wir später einmal in der Geschichte mit dem Vorwurf belastet daständen, wir hätten eine Politik getrieben, die darin besteht, von der Regierung Un mögliches zu verlangen. Mit diesem Vorwürfe belastet wollen wir nicht dastehen, wir wollen von der Regierung nur fordern, was möglich ist. Wohl aber glaube ich, daß di« c onservative Partei auf die Dauer geschädigt werden würde, wenn sie solche extreme Agitation unterstützte oder mit ihrem Namen deckte. Aber das ist ja ein Internum der Conservativen. Wie immer Sie auch Ihre Politik gestalten mögen, wir bleiben Freunde einer gesunden und vernünftigen Agrarpolitik, wir bleiben Freunde der Landwirth schast und werden uns durch Angriffe, wieldie des Herrn vr. Hahn, in unserer Behandlung landwirthschaftlicher Fragen nicht irre machen lassen. Wie gesagt: Ganz unsere Meinung und eS ist eines der »esteu Stücke Arbeit, die der stark agrarische Nationalliberale )r. Friedberg geleistet hat, als er derart ungeschminkt das Wesen dieses Herrn beleuchtete, für den einige Leute in Sachsen anscheinend auch von den Nationalliberalen HeereS- olge verlangen. Rus Ler Woche. Da die Socialdemokratie nicht in Betracht kommt, so kann mau saßen, daß die Flottenvorlage, wie sie am Donners tag veröffentlicht wurde, mit Ruhe entgegengenommen worden ist. Ihre Bekanntgabe hat sogar eine bisher nie dagewesene Erscheinung gezeitigt. Die „Freis. Ztg." erläuterte den Inhalt deS Gesetzentwurfs an der Hand der von der Negierung bei gegebene« Erklärungen und nicht nach den Heften des Herrn Eugen Richter. Auch in seiner folgenden Ausgabe legte sich da- Blatt Zurückhaltung auf, von tendenziöser Kostenberech nung natürlich abgesehen. Zu einer Kritik der die Vorlage begleitenden Denkschrift hat Herr Richter noch nicht den Muth gefunden. DaS liegt wobl nicht an dem Umstande, daß diese volkswirthschaftlichen Darlegungen in der Thal unanfechtbar sind, sondern beruht auf der in den letzten Wochen von der freisinnigen Parteileitung gemachten Erfahrung, daß mau auch innerhalb dieser Partei die Richtigkeit der Sätze der Denkschrift Lllticipancko anerkannt hat. Man erzählt sich darüber Vielerlei, WaS in seiner Bedeutung nicht erschüttert wird durch Ergießungen eines früheren Münchener NechtS- anwaltS, in deueu von „Derwischbegeisterung" und „Haschischstimmung" die Rede ist und die in dem Satze gipfeln: „Für Kaiserreisen ist an Schiffen kein Mangel". In den letzten Monaten fanden bekanntlich Kaiserreisen nicht statt und auf dem Wege von Hamburg nach der Delagoabai war deuuoch hartempfundener Mangel an Schiffen. Um für solche Kleinlichkeiten auch nur ein Ohr zu haben, muß man eben orthodor-richterisch sein und Leute dieses Schlages finden sich auch in Süddeutschland immer seltener. Dort wird man wahrscheinlich mehr als auf die vom Orient Hergebolten Vergleiche des Herr» Iustizrath Rosenthal auf das hören, WaS die Denkschrift über die Auswanderung aus Deuischland sagt. Diese geht rapid zurück und ist überall verhältniß- mäßig größer als in Deutschland. Gerade in Süddeutschland aber hat während der wirthschaftlichen Stagnation der siebziger und achziger Jahre eine starke Auswanderung statt gefunden und man hat fie in particularistisch-demokratischen Kreisen al- den „Segen des neuen preußisch-deutschen Reiches" bezeichnet. In Wahrheit ist aber die Vermehrung der Arbeitsgelegenheit, die die Auswanderung fast zum Still stand gebracht hat, eine Frucht der Einigung und der poli tischen Erstarkung Deutschlands, und dies leugnet man auch in Süddentschland nicht mehr. Einigung und Macht aber sind durch die Waffen errungen worden, und Kriegsschiffe sind Waffen. Die Denkschrift zur Flottenvorlage hebt die poli tischen GesichtSpuncte nickt ausdrücklich hervor und begründet die Nothwendigkeit einer Verstärkung der Seemacht haupt sächlich durch die Bedürfnisse deS Friedens. Agrarische Blätter erläutern das so, als ob die Flotte nur für den „Seehandel" gefordert würde. Man weiß, was darunter verstanden werden soll: daS Verlangen von Opfern für ein Geschäft, an dem außer einer kleinen Anzahl von Kaufleuten, Rhedern und Matrosen Niemand in Deutschland ein Interesse hat. ES wird unterdrückt, daß der deutsche Seehandel in ganz überwiegendem Maße den Absatz deutscher Erzeugnisse vermittelt, daß er den Arbeitern, der Vermehrung deS Arbeiter standes, der Kausfähigkeit der Arbeiter dient und daß dadurch der Absatz und die Rentabilität der Landwirthschast gesteigert wird. Dre Charakteristik des Seehandels als eines an dem Gedeihen der Gesammtbevölkerung wenig oder gar nicht interessirten Erwerbszweigs steht auf der gleichen Höhe wie die Hervorkehrung deS isolirten ConsumentenstandpuncteS, die selbst der Freisinn jetzt nicht mehr wagt, die aber in früheren Jahrzehnten der Landwirthschast zum Schaden Mode gewesen ist. Die Presse deS Bundes der Land- wirthe will aber, da sie die Flotte nicht gerade heraus befehden darf, Stimmung gegen diese machen. Herr Richter wittert die Bundesgenossen und die „Deutsche Tageszeitung" darf sich rühmen, fast das einzige Berliner Blatt zu sein, auf das die volksparteilich-manchesterliche „Freis. Ztg.", die vorläufig auch nicht darf, wie sie möchte, die un sicheren Cautonisten unter ihren Lesern verweist. Beide Zeitungen glauben, wie auch die clerikalen und die social demokratischen seit langer Zeit: mit der Deckungsfrage läßt sich trefflich streiten. Sie vergessen dabei Eins, obwohl die- in ihr AgitationSgeschäft einschlägt, daß eS nämlich auch populäre Steuern giebt. Gleichzeitig mit der Flottenvorlage ist eine ausführliche halbamtliche Beschreibung der preußischen Canalvorlage erschiene». Sie wird alles enthalten, WaS erwartet wurde, und einen Kostenaufwand von ungefähr 450 Millionen Mark verursachen. Für ihre Durchführung aber ist, wie für daS Flottengesetz, eine lange, aber nicht fest bestimmte Reihe von Jahren vorgesehen. Beide Vorlagen werden vaS gemein Haden, daß sie mehr ein Programm, eine Willens kundgebung, m Gesetzesform festlegen, al- ein eigent liche- Gesetz schaffen. Die Festlegung deS „Ziele-" nennt daS die Begründung zur Flottenvorlage. Hier wie dort bleibt daS jährliche Bewilligungsrecht deS Parlament unberührt. Ein großer Unterschied aber besteht. Während e- nämlich für einen Abgeordnete», der überhaupt etwa- für die Marine bewilligen will, nicht sehr erheblich ist, wa- zuerst, WaS später gefordert wird, ist für dir Mittelland- canalsreunve, wie für die Mittellandcanalgrgner die Reihen folge die Hauptsache. Die „Nationalztg." bat daS auch sofort herauSgefundeo und ist über die Ungewißheit so ungehalten, wie über die Einbringung der Eiseubahnvorlage, die nach chrer Meinung die Eigenschaften von Zuckerbrot) und Peitsche in sich hätte vereinigen solle». Wen» die Re gierung klug ist, so befleißigt sie sich voller Loyalität und fordert gleichzeitig Mittel für die Inangriffnahme des große« CaualbaueS und der „CompeusatiooS'-Arbeiten. Es wird wohl nicht technisch unmöglich sein, an drei oder vier Punkten mit den Wasserbauten in einem Jahre zu beginnen; eine bedeutende Verlängerung der Bauzeit für den Mittelland canal gegenüber der zurrst projrctirtrn ist ohnehin schon in Aussicht genommen. Mit der „amen Eaualvorlage" ist jedenfalls die Be- rechtigung agrarischer und provinzieller Widersprüche ,be- Nord- oder Ostsee herstammte, der Liebe für daS Meer und Ver- ständuiß für die dort obschwebenden großartigen Interessen besaß." Auch der Bonner Historiker Moritz Ritter erkennt im 1. Bande seiner „Deutschen Geschichte im Zeitalter ver Gegenreformation" (Stuttgart 1889, Cotta) die „mangelhafte Organisation" durchaus an. Gleichwohl schreibt er ebenda auf Seite 32 und 33: „Seit dem fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert erhoben sich die nördlichen Nachbarn Deutschlands, von England bi- nach Rußland, zur Befreiung ihres Handel- von dem kommerziellen Uebergewichte der deutschen Städte . .. Unter solchen Zeichen der Zeit that den deutschen Handelsstädten fürwahr eine stärkere Vertretung ihrer Handelsinteressen noth, als sie selbst gewähren konnten. So gab eS denn in dem Bereich deS wirthschaftlichen Lebens kaum ein Gebiet, auS dem nicht der Ruf nach einheitlicher Regelung und nach starkem Schutz erscholl. An wen aber konnte der Ruf mit Hoffnung auf Erfolg ergehen? Man möchte wohl an das gesammte Reich denken. Aber daS Reich vermochte aus dem doppelten Grunde nicht zu helfen, weil seine centralen Gewalten zu schwach geworden waren und weil es außerdem für derartige Aufgaben von jeher kein rech teS Berst S »d n iß be sessen hatte." Welche Folgen diese Schwäche und Derständnißlosigkeit für die Hansa hatte, daS zeigte sich in den Kriegen, die von den Nachbarn der Nord- und Ostseestädte späterhin geführt wurden. Ritter schreibt hierüber auf S. 22 und 23 deS 2. Bandes seines Werkes u. A. daS Nachstehende: „Seit lange war der Handel dieser Städte beeinträchtigt; aber mit offener Gewalt hatte sie in der nächst vorausgehenden Zeit dort nur Schweden angefallen; die Niederlande und England- hatten sich, von gelegentlichem Seeraub abgesehen, fürs erste mit den Waffen deS Wettbewerbs und einer friedlichen Handelspolitik begnügt... Jndeß so schwer diese Maßregeln trafen, der Fortgang d«S niederländischen Krieges sollte «och ganz andere Schäden bringen Da die spanischen Niederlande und Spanien selber in vielen Be- dürfniffen, besonders in der Getreideversorguog, von der Zufuhr der deutschen Nord- und Ostseehäfen abhingen, so galt eS für die Staaten (der Niederlande), ihr Uebergewicht zur See zu benutze», um dem Feind jene Zufuhr abzufchneiden. Zunächst richteten sie ihre Anschläge gegen Emden. Vor dieser ländische Kriegsschiffe für spanisches Gebiet Getreide und Kriegsbedarf führten. In großem Maßstab wurde dann die Vergewaltigung deS neutralen Handels seit den Jahren. 1584 und 1585 ausgenommen, und jetzt nicht uur von den Staaten, sondern auch von England. Im Jahre 1584 verbot rin Edikt der Generalstaaten den Kaufleuten aller Welt, nach den dem König von Spanien unterworfenen Gebieten Lebensmittel (vor Allem Ge treide), Kriegsbedarf oder Materialien für Schiffsausrüstung zu führen. Ein ähnliches Verbot erließ die Königin Elisabeth gegen Ende des JahreS 1585 und wiederholte es im Jahre 1588. Da erschien dann im Herbst 1585 wieder eine staatische Flotte vor Emden und hinderte, mit besonderer Rücksicht auf die Aushungerung Groningen-, 70 Getreideschiffe am Auslaufen. Im folgenden Jahre liefen 10 staatische Kriegsschiffe in die Elbmündung ein und nöthigten die nach Dünkirchen verfrachteten Kausfahrer, sich zurück nach Hamburg zu flüchten und dort ihre Ladung loszuschlagen. Im Jahre 1589 hielten englische Schiffe an der Tajomündung 60 hanseatische Getreideschiffe an: auch sie wurden ge- zwungen, zurückzufahren und durften dann in England ihre Ladung verkaufen. Aehnliches geschah Jahr für Jahr." Endlich schreibt Ritter auf S. 414: „Lübeck und die anderen Hansastädte hatten sich darein ergeben, in Schweden dieselben Zölle zu zahlen und auf demselben Fuße behandelt zu werden, wie ihre Mitbewerber, besonders die Nieder länder. Daß dagegen der König von Dänemark auch für die Hansa die Sundzölle erhöhte und die Zölle für die gesammte Einfuhr in sein Reich auf die gleicht Höhe brachte, hatte die dänisch- hansischen Beziehungen schwer getrübt. Jetzt vollends, als der Krieg von 1611 ausbrach, fuhr Christian IV. mit einem Verbot des Handels nach Schweden, nach Reval und Narwa zu; noch im Jahre 1611 nahm er den Lübeckern 30 Schiffe wegen Ueber- tretung dieses Verbotes weg und fügte ihnen dann weitere Schäden zu, welche sie im Jahre 1615 auf den Werth von 400 000 Reichs- thalrru veranschlagten." Wenn angesichts der hier beispielsweise aufgeführten Ge- walttbaten Ritter meint, eS komme unter den tiefsten Gründen deS Verfalls der Hansa der Mangel einer schützenden Staatsgewalt „sehr in Betracht", so drückt er sich allzu vor sichtig auS. Vielmehr darf man getrost mit dem auch von dem Historiker der „Leipz. Ztg." erwähnten Professor Dietrich Schäfer in Heidelberg sagen, daß die Hansa an der da maligen „ReichSlosigkeit" zu Grunde gegangen sei. Dock wie dem auch sei: wer behauptet, eS sei ungerecht und falsch, Hansa und Reich in einem Athem zu nennen, der spricht, wie der Historiker der .Leipziger Ztg." ein unge rechtes und falsches Unheil auS. Gerade von dem Mitarbeiter eine- amtlichen sächsischen Blattes aber darf man verlangen, daß er sich nickt darüber im Zweifel ist, wie die öffentliche Abgabe seine- UrtheilS von der Social demokratie in einem Augenblicke auSgenutzt werden mußte, da daS Erscheinen der Flottennovelle fast unmittelbar bevor stand. Um so seltsamer nimmt sich auS solchem Munde die Warnung auS, mit den au- Ler deutschen Vergangenheit ge holten Vergleichen reckt vorsichtig zu sein — „sonst giebt man den Flottengegneru freiwillig Waffen in die .Hände, die unter Umständen recht scharf schneiden können." Nun, „ge schnitten" bat sich in diesem Falle der Historiker der „Leip ziger Zeitung" und letztere selbst, indem sie sich ein faule- Er hat inS Nest legen lassen! Bedarf der Handel der staatlichen Rückendeckung? Wer der Ansicht ist oder zu' sein vorgiebt, daß Handel des staatlichen Schutzes überhaupt nicht bedürfe, für den ist die Verwerfung der Flottennovelle eine selbstverständ- iche Sache. Politikern dieses Schlages ist aber die Erinne rung an daS Schicksal der Hansa immerhin peinlich; und so hat denn der „Vorwärts" unter freudiger Zu kimmung der „Freis. Ztg." flott behauptet: Die Stettiner Auslassung deS Grafen Bülow, daß die Hansa zu Grunde ging, weil daS alte Reich sie nicht genügend schützte, !>abe mit der geschichtlichen Wahrheit gar nichts zu thun. Dem socialdemokratischen Centralorgan ist in der „Leipziger Zeitung" ein Eidesbelfer erstanden, auf den sich der „Vor wärts" und die „Säcks. Arbeiterztg." triumphirend berufen. Er klagt in der DienstagSauSgabe der „Leipziger Ztg." über die schönfärberischen Geschichtsschreiber, die ein Idealbild der Hansa vorgezaubert hätten, während eS in Wahrheit eine locker zusammenhängende, nur in der Noth sich enger zu- sammenschließende Vereinigung von Sonderbünden gewesen sei, und schließt folgendermaßen: „Nicht blos erst während des offenbaren Niederganges hat eS Hansestädte und ganze Gruppen gegeben, die von einer Gemeinsam- keit der Interessen trotz Lübecks Eifer nichts wissen wollten oder auch — von emporstrebenden Landesfürsten, einander entgegen ringenden Territorialmächten beherrscht — nichts wissen durften... Dazu kam daS eigensinnige, thörichte und schließlich gefährliche Ver harren auf dem einmal eingenommenen Standpunkte: die Hause blieb hartnäckig in Brügge, als Antwerpen aufkam, sie blieb dann in Antwerpen, als Amsterdam aufblühte. . . . Ta» Heilige Römische Reich und die deutsche Hanse haben einander nichts vorzuwerfen, sie sind beide einander werth. Den Rück-, Nieder- und Unter gang haben sich die Herren Hansen selbst zuzuschreiben.... Das An klopfen beim Reich und seinem Oberhaupte, früher (z. B. unter den Könige« Ruprecht und Sigismund) nur auS egoistischen, inner- städtischen Interessen geschehen, geschah nunmehr (unter Kaiser Rudolf II.) nicht nur zu spät, sondern war vielmehr (?) an sich schon und überhaupt ein deutliches Zeichen eigener Ohnmacht. Darum (!) ist eS ungerecht und falsch, Hanse und Reich in einem Athem zu nennen." Die verworrene Logik der zweiten Hälfte deS vorstehenden CitatS wird durch den Druck und die Einfügung von Frage- und Ausrufungszeichen hinlänglich gekennzeichnet; eS kann schlechterdings nicht ungerecht und falsch sein, etwas in einem Athem zu nennen, was „einander werth" ist. Wie steht eS aber mit der Auffassung, daß die Täuschung über die wahre Natur der Hansa zu dem Trugschluß geführt habe, die Hansa sei an der politischen Machtlosigkeit deS Reiches zu Grunde gegangen? Sind in der That nur „die Herren Hansen selbst" an ihrem Untergange schuld? Die Antwort hierauf mögen zwei Geschichtsforscher geben, welche keineswegs in Abrede stellen, daß die Hansa eine lockere Ver einigung gewesen ist. Der eine von ihnen ist der Hallenser Historiker Theodor Lindner. Er ist sich über die „lose Fügung" der Hansa vollkommen klar, schreibt aber trotzdem in seiner „Deutschen Geschichte unter den Habs burger« und Luxemburgern" (Stuttgart 1893, Cotta) auf S. 141. „So vollzog sich auch hier eine großartige Leistung au- der Kraft deS Volke- heraus, auS der freiwilligen Zusammenwirkung einzelner, wie schon die ganze Gewinnung deS Osten- ein« solch« war, aber schließlich gingen auch hier di« Frücht« ver. loren, weil kein Reich dahinter stand, welche- da- Er rungene hätte bewahren, gegen das erstarkende Aus land aufrecht erhalten können. ES ist vielleicht zu beklagen, daß Deutschland im Mittelalter nie einen König hatte, der von der MpMr TaMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Nolizei-Amtes -er Lta-t Leipzig.
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