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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000207024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900020702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900020702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-02
- Tag1900-02-07
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tos« estonie genüge, um de« Druck auf Ladysmith aufzuheven und eine solche Anzahl Boeren nach dem Süden de» Freistaates abzuziehen, daß er dann mit mehr Aussicht auf Erfolg dem erheblich geschwächten Feinde gegen über feinen Entsatzversuch erneuern könnte. Es bleibt aber doch sehr zweifelhaft, ob nun die Boeren sich sobald dem Äunscke ibre- Gegners fügen und ron Ladysmith ablafsen wurden. Wahrscheinlicher ist daher, daß General Buller dinser in ziemlicher Ferne liegenden Möglichkeit nicht ver trage««, sonder» nochmal- versuchen wird, mit bewaffneter Havd seinen Zweck zu erzwingen. Die vielen, bereits mit- getheilten Anzeichen, die für diese Wahrscheinlichkeit sprechen, werten vermehrt durch ein Telegramm des Berichterstatters der „Morniug Post", Winston Churchill, der vom 3. Februar au- Spearmanö Camp meldet, dort sei der Glaube allgemein, daß alle- auf den „AuSgang der kommenden Schlacht" wie auf die letzte Kart« gesetzt werd«. Er hielt also am Sonn abend einen neuen Kampf für unmittelbar bevorstehend und fügte hinzu: „Während der bevorstehenden Bewegungen wird jedoch wahrscheinlich nicht gestattet werden, daß Preß- t«le«amme von hier abgchen, aber unsere Landsleute daheim müssen vertrauen, daß um ihretwillen und für daS tapfere und Huldende Ladysmith hier versucht werden wird, das Beste zu thun." Vermuthlich wird daher erst die amtliche Mel dung über den Ausgang deS Kampfes den Schleier zerreißen, in den die Ceusur auch dieses neu« Grheimniß de- Generals Buller gehüllt hat. In Brüssel trafen Telegramme aus Pretoria ein, nach denen die Boeren die Position von Lestershill vor Ladysmith gestürmt und eine große Kanone nebst zwei Munitionswagen erbeute- hätten, und aus dem Boerenlager von Modderspruit bei Ladysmith meldet das „Reuter'sche Bureau" unter dem 5. Febrmar, anhaltendes Geschützseuer sei seit früh 5 Uhr im Gange., Dann und wann werbe der Donner deS „langen Tom" gehört. DaS Feuer dauere fort. Diese Meldungen sehen jedenfalls nicht so auS, als ob die Boeren die Be lagerung aufgeben wollten. Zur Uebrigen tragen wir für genügsame Leser Fol gendes nach: * Loßdon, 5. Februar. Bon Spear manS-Camp liegen folgende, während der letzten Tage eingetroffeue Depeschen vor: 1. Februar Ab« »dS: Wir hatten einen ruhigen Tag. Sowohl hier wle di Ladysmith wurde relativ wenig gekämpft. Unsere Batterien Lei Ehieveley feuerten heute früh durch eine Stunde lang. Die Boeren kamen in kleinen Abtheilungrn über den Fluß herüber, wurden aber zurückgetrieben. Sie haben die Eolenso- brücke reparirt. Bethunes Infanterie ertappte wieder einen Boeren-Kundschafter bei Skietsurth. 2. Febrmar: Momentan herrscht hier vollkommene Ruhe, das Wetter hat pch aufgeklärt, und die seit drei Tagen unterbrochen gewesene Heliographie mit Ladysmith ist nun wieder hergestellt. Air heliographiren jetzt sowohl nach Westen wie nach Osten von White'S Positionen. Tie Boeren bombardiren heute eifrig, aber ohne Schaden Ladysmith von Bester- Hill. Die Boeren legen auf dem SpionSkop eifrig kleine getrennte Verschanzungen an und verstärken die Positionen zwischen Skietsurth und Pot- gieters-Furth. Die Boeren haben bei dem SpionSkop Sprengungen gemacht, vermuthlich um die Aufstellung ihrer schweren Gey'chütze auf den Bergspitzen zu ermöglichen. 3. Februar: Gestern Abend und heute Abend hotten wir neuerlich Regai. Tie Boeren zeigen sich in der Gegend der Podgieters-Furth in großer Zahl. Auf den Bergrücken halten sie sichtlich scharfen Auslug mit Gläsern und haben zweifellos eine Zahl von neuem Positionen für Geschütze und zur Bertheidigung des Ueberganga» über den Tugela angelegt. Wenn dir Sonne scheint, sieht man sie ihre farbigen Decken zum Trocknen ausbreiten. Die Boeren beschossen heute Ladysmith nur wenig. General Barton beschoß heute wieder di« Colenso-Linie mit Marinegeschützen, vor deren Feuer die Boeren wie üblich retirirten. Hier ist Alles ruhig. Unsere Truppen sind zuversichtlich und freuen sich, wieder vorzurücken. 4. Februar. Heute wieder prächtige-Wetter. Alles blieb hier heute ruhig. Gelegentlich sieht man Patrouillen der Boeren östlich von Brakfontein gegen Skietsurth. Unsere Infanterie ist auf den niedrigen Kämmen am Nordufer bet PotgieterS« Furth ausgestellt. Einige lkavallrristen zu Fuß rückten von Zwortskop gegen dies« Patrouillen vor und verjagten dieselben. Die Boeren beschießen Ladysmith schwach und ohne viel Schaden. Buller's und White's Lager tauschen jetzt häufige Meldungen bei Tag und Nacht mit Heliographen und Calciumlampen auS. Ein Heliograph steht aus Waggon Hill, ein anderer bei Thornhill Farm nächst Ladysmith. Die Boeren versuchten erfolglos, mit ihren Acetylen, lichtern unsere Signale zu unterbrechen. Gestern hielten hier die South Airican Light Horse eia Liedersest ab. Die Mannschaft ist begeistert in Folge der bevorstehenden Vorrückung. ———- Auf der Flucht aus englischer Gefangenschaft. Ein geborener Harlemer, der mehrer« Jahre in Transvaal gelebt, von den Engländern bei Dundee-Hill verwundet und ge fangen genommen wurde, dann aber durch die Flucht entkam, schildert, nach Hartem zurückgekrhrt, sein Abcnteu-: nach der „Mgdp. Ltg." folgendermaßen: „Nachdem ich an vielen kleinen Scharmützeln und Gefechten Thell genommen hatte, und nach den vielen durch das Wetter, Abbrechen von Lagern, Anlegen von Verschanzungen bedingten Beschwerden des Krieges, und Nachdem CharleStown in die Hand« der Boeren gefallen war, befand ich mich Mitte October mit einem Theile des Heidelberg und BrijheidS-Tommanoos, worunter sich auch einige Jdhünaesburger Freiwillig« befanden, auf den Kopje» in der Näh« des Dundre-lstoaS, (Weg nach Dundee), mit der Front theils nach Dundee, thetlS nach Zulu land gerichtet und nicht weit von Rockedrift, auf demjenigen Theile der Berge, den die Boeren'blaue KopjeK oder Liquaan nennen, nahe des Forts Pine. Schon seit mehreren Tagen hatten wir, zu einer vereinigten Section Feldtelrgraph und Kuudschaftsreiter gehörend, uüsere Verbindungen mit einem Theile von Kommandant Lombard's Hauptiager, da- sich einige Meilen hinter unseren Kopjes befand, unterhalten; dort, nahe der Vrijheidischen Grenze, lagerte es, ständig deS Feindes ge wärtig. der von der Seite von Dundee erwartet wurde. Tag um Tag veränderten wir unseren Lagerplatz, immer aber unS gsdcckt aufstellend, damit wir vom Feinde nicht gesehen werden konnten, wohl aber von den Vorposten des Hauptlager- bemerkt wurden, um mit diesen daS erste gebräuchliche Flaggensignal (Gebt Ach!!) wechseln zu können. Endlich am Morgen des 2. oder 3. November hörten wir in einiger Entfernung, -in der Richtung nach Dundee, einige Gewehrschüsse, und schon, als wir noch mit dem Geben des Warn-un-gssi-gnals beschäftigt waren, wurden auf uns einige Äalvehrschlisse abgegeben und fielen auf unserer Seite zwei Mann. Fast !m selben Augenblicke wurden wir — jetzt noch acht Mann stark — von einem Trupp berittener Infanterie und Lancers umringt. Mein Kamerad zur Rechten feuerte und erhielt einen Schuß in den Arm, mährend -ich einen Säbelhieb mit meinem Gewehr abwehrte, waL jedoch nicht ver ¬ hinderte, daß die Spitze d«S Säbels mir Sm« Wunde an der rechten Kopfseite dicht am Auge boibrachte. Schnell wurden wir entwaffnet und ebenso schnell den Berg -heruntergebracht, worauf wir nach einem Marsch von einigen »Stunden das englische Lager erreichten, wahrscheinlich aus auf einer Recogno-cirung befind lichen Colonialtruppm oder Jrliin-dern bestechend. Im Lager angekommen, wurden wir vor dm commandircttden Officier ge bracht, der, vernehmend, daß ich gut englisch sprach, mich über einige Stellungen der Boeren uns über ihre Anführer auszu fragen versuchte und mir mein« Papiere abnehmen ließ, die aber wenig Werth für ihn hatten, da es nur gewöhnlich« Telegraphen - Rezlements und weiße Bogen Papier warm; auf seine Fragen antwortet: ich ihm natürlich ausweichend. Mir wurde dann ge sagt, daß wir am folgenden Morgen lveitermarschiren müßten, worauf mir mit zweien meiner Kameraden ein Zelt angewiesen wurde. Hier wurden wir von den englischen Aerzten verbunden. ES war von mir bereits bemerkt worden, daß dann und wann gesattelte, aber am Knie gehalfterte Pferde, die wahrscheinlich zu'm Ordonnan-zdienft gehörten, an -unserem Zoll frei vorbei liefen. Al» «S dunkel geworden, hörten wir unsere Wächter in einem der benachbarten Zelt« ein lebhaftes, durch Fluchen und Bechcrklang unterbrochenes Gespräch führen. Ich begab mich daher nach einem der Zelte, wo die Herren von John Bull's Insel (rnoinoics) ihre Konversation und Whiskypartie avhiclten; auch unser specieller Wächter hatte augenscheinlich tief in die Whiskyflasche geguckt. Ich mußte einmal sehen, o>b er besonders wachsam fei. Nachdem ich so einige Minuten vor dem Zelt ge standen, richtete er seine Grogaugen auf mich -und fragte: .,>Vtiat (Io xov «not?" — ^Vnter", antwort« ich. Er sagte, baß solches nicht zu haben sei, bot mir aber als Ersatz Whisky an, worauf ich „gute Nacht" sagte und ging . . . Nach einigen Mi nuten Beratschlagens mit meinem am leichtesten verwundeten Kameraden begaben wir uns schleichend zu den Pferden, welche auf einigem Abstand uinherliefen, und mit unseren gut gefüllten Die Cage auf -em Ariegsfchauplatze im Lentrum. Nachdem der zweite Versuch Buller'-, die BelagerungSlinte der Boeren bei -Ladismith zu durchbrechen, mißlungen ist, lenken die Operationen der Engländer im Norden der Cap- colo n i e aufs Neue die Aufmerksamkeit auf sich. Wir geben deshalb unseren Lesern beistvhend eine genaue Karte deS hier in Betracht kommenden Gebietes. Der ursprüngliche Plan, die beiden Republiken von Süden her omzugretfen, soll wieder ausgenommen werden, und man bringt damit die Meldung in Zusammenhang, daß General Kelly-Kenny mit der 6. Division in The -- bus, einen Ort an der Eisenbahn zwischen Rosmead und-Stormberg, besetzt habe. Vor einigen Tagen hieß es, daß ein Theil der 6. Division nach Durban zur Unterstützung der Truppen Buller's abgesandt worden sei, jetzt aber vermuthet man, daß die ganze 6. Division die Aufgabe hat, mit der dem nächst eintreffenden 7. Division und einer Anzahl colonialer Truppen einen Vorstoß nach derSüdgrenz« des Oranje-Freistaates zu unternehmen. Zunächst müßten die Engländer freilich die Boeren bei -Stormberg und ColeSberg vertreiben. Bis jetzt hat man aber noch nichts über ein Dorgehen bei Generals Gatacrr gegen Stormberg gehört, und auch die Operationen des Generals French gegen ColeSberg kommen nicht recht in Fluß. ES scheint aber demnächst auf dem hier dargestellten Gebiete zu ernsteren militärischen Actionen zu kommen. Wie schon er wähnt, ist General Kelly-Kenny, der Befehlshaber der 6. Division, deren Eintreffen in Südafrika streng geheim gehalten worden ist, auf dem Kriegsschauplätze zwischen den Abheilungen der Gene rale Gatacre und French in Thebus erschienen. Er scheint die Aufgabe zu haben, die Verbindung zwischen den beiden Generalen herzustellen und deren Macht, die angeblich aus je 7000 Mann be steht, zu einer Zurückweisung der Doerenlräfte zusammenzufassen. Und den Boeren ist die hier aufziehende Gefahr keineswegs ent gangen; sie haben sofort begonnen, sich bei Stormberg fest zu verschanzen. Man hätte demnach wohl aus dem Norden der kapcolonie recht bald neue Kampfberichte zu erwarten, wobei viel davon abhängen wird, ob der erneute Angriff der Engländer mit dollem Nachdrucke unter Führung von Roberts erfolgen wird, oder ob dieser noch die Landung der siebenten Division, die unter wegs ist und in diesen Tagen in Kapstadt eintreffen soll, wird ab warten wollen, oder nicht. Die Stellungen, welche die beiderseitigen Truppen zur Zeit auf dem dargestellten Gebiet einnehmen, sind in unserer Karte durch entsprechende Signaturen so klar kenntlich gemacht, daß jeder Leser sich an der Hand der Karte über die gegenwärtige' Lage sowohl, wie über die in der Entwickelung begriffenen KrlegSereigniffe orientiren kann. Satteltaschen -in der einen und dem Zügel deS Pferdes in der anderen Hand, gingen wir en demjetven hintrnom Tritt de» PfrroeS diS an den Bergrano und außer Gosicht-w-eetr vom vager, ohne glücklicher tütet,e von uirserom Wächter uiw seinen noch immer zechenoen und schwatzenden Kameraden bemerkt zu werden, die fortgesetzt -auf den Sieg tranken. Al» wir weit genug gekommen waren, banden wir unseren Sack vorne aufs Pferd, und fort ging es, durch die Hügel hindurch bis auf die Hohen, von denen wir da- Dorf Weenen u. s. w. l^gen schen konnten. Da wir den Weg «der nicht kannten und m«r,wnS auf gut Glück ritten, machten wir dann Halt, um unsere Schnüre von den Schultern und -unsere Insignien vom Feldhut herunter zu nehmen. Später -kamen wir dann an ein klein«» Kcvfferndovf, Matarombie genannt, wo wir etwa» Kaff«radier und einige Früchte kaufen wollten, was uns auch nach vieler Mühe gelang. Von Nachtruhe war nicht viel die Rede, da wir 'befürchten mußten, von einer Vedette entdeckt zu werden. So kamen wir nach 33 Stunden unaufhörlichen Ausblicken- und Reitens durch Ge birgspässe endlich an «ine Drift (Furt) in -der Nähe von Dur- bansroad. In der Ferne sahen wir ein HauS, das wir für ein störe (Laden mit allerlei Maaren) hielten, und das sich bet unserer Annäherung auch -wirklich als ein solches erwies. Hier wohnte, oem Gesicht und der -Sprache nach zu uriherlen, ein russischer oder deutscher Jude. Wir brachten bei ihm unsere Pferde zu Stall und erzählten ihm, wir seien Goldsucher, die von den Wreren in die Flucht gejagt worden. Allerdings schien er, alS n unseren verbundenen Kopf und Arm sah, Zweifel z-u hegen; wir erhielten aber doch nach vielem Gerede und Geschacher für unser gutes Geld «in Paar leinene Hosen, Sommer-Hemden und Halstücher von ihm, und so machten wir uns auf den Marsch -nach Durban. Ich erzählte ihm, daß wir unsere Pferde später nachholen würden. Nach einig«» Stunden Weges kamen wir mit Dunkel werden in Durban an; dort wimmelte es von englischen Flücht lingen, die hier und da in Gruppen auf den Straßen standen und die Ereignisse besprachen und kritisirten. Unbemerkt kamen wir auch hier durch. Natürlich sprach ich stets englisch, das mußte unS auS der Noth Helsen. Im „Beach Hotel" forderten wir von dem deutschen Besitzer, der mir von früher weitläufig bekannt war, etwas Verpflegung, die er uns bereitwilligft gab. Nachdem wir ihm unser« Erlebnisse mitgetheilt -hatten, brachte er uns auf einen nach Lo-urcnyo Marques fahrenden Dampfer, nahm Passage-billets für un» u. f. w. Er war Sin wirklich liebenswürdiger Herr. Wahrscheinlich werden die Engländer, dir wir in ihrem Lager zurückgelassen haben, s«hr befremdend um sich geblickt Haden, crls sie -am k*lg«Ndrn Morgen an Stelle von drei Kriegsgefangenen nur «inen noch dazu schwer verwundeten Mann und zwei mit Stroh gefüllte Decken gefunden Haden. Bei unserer Ankunft in Lvurrneo Marques begaben wir un» zu unseren Lonsuln, mein Kamerad zum deutschen, ich zum transvaalischen oder holländischen, di« in einer Person vertreten wurden. Ich wurde benachrichtigt, daß mein Konsul sich in Geschäften nach Pretoria begeben hab«, daß die Eisenbahn blockirt und der Verkehr gehemmt sei. Man rieth mir, einige Tag« zu warten, dazu verspürte ich aber wenig Lust. Lourenoo MarqueS war rdensallS voller Engländer, außerdem machte sich daS Sump-ffieber bemerkbar. Zu meinem Glück, oder vielleicht auch Unglück, lag der Dampfer „Admiral" in der Bai. Ich sprach zunächst mit dem Agenten der „Deutsch-Ostafrika Linie", später mit dan Kapitän des Dampfer», einem guten Mann der mich als Hilfssteward mit nach Vlffsingcn nahm Unterwegs hatte ich noch etwas Unterhaltung, namentlich in Zanzibar und Port Said, wo di-e Araber an Bord kamen, um ihre Waare zu verkaufen. Sir sprachen gut englisch und französisch und schienen ganz bestimmt zu wissen, daß die Engländer ver lieren, die Boeren gewinnen würden. Auch in Neapel und Marseille wurde ich viel von Neugierigen ausgesucht, denen die Matrosen unseres Schiffes lvahrscheinkich von meinem Schicksal erzählt hatten. So kam ich tn Vlissingm an, zitternd vor Frost und mit leeren Taschen. Aber einerlei, überall giebt'S gute Menschen, auch in Dlisstngen. Bon dort fuhr ich mit Unter stützung einiger Freunde und Bekannten über Rotterdam nach Amsterdam. — Der Kapitän des Damp-frrS war «in Freund der Transvaal«. Alle Ehre ihm! Drahtlose Telegraphie. Siqnor Marconi hat sich recht bitter über bi« „unverdienten Tenunciatiouen" beklaqt, deren Gegenstand er in einem Tbrile der englischen Presse gewesen ist. Er erklärt, daß weder er noch seine Ingenieure oder Leute irgend wie daran Schuld seien, wenn fiine Apparate bisher nicht entfernt das von ihnen Er wartete aus dem Kriegsschauplätze geleistet hätten. Auch hier, wie in allen anderen Dingen, scheint da- Fehlschlägen der Marroni-Apparate lediglich aus die unglaublich« Nachlässigkeit und Unvorberrttetheit de« englischen Kriegsamte» zurückzusüd»» zu sein. Wenigsten- erklärt Marconi, baß sein« Leut« b«i seinem Ein- treffen auf dem Kriegsschauplatz« Alle» mitgesübrt hätten, was laut au-drücklicher Abmachung von ihnen zu liefern gewesen fei. Dagegen habe das KriegSauit Alles vernachlässigt, und als man die Apparate z. B. am Oranjeflusse und ans der Linie Belmont - Modbersluß hab« aufstellen wollen, hätten sogar die Stangen, die Ballons und die vom Kriegs- amte zu liefernden Drachen gefehlt, und nicht» sei vorbereitet gewesen. So hab« man Wochen verloren und warten müssen, bis die nöthigen Dinge von Kapstadt herbei«,schafft worden seien. Jetzt seien die Apparate zwiicheu de Aar-Belmont-EnSlin und Modder- River in Function, während ein anderer Tkxtl der Jugenimr« nach Natal gegangen sei, um auch für Geniral Buller die nöthigen Vor richtungen zu treffen. Ob man dort sich bester vorgesehen habe, älS in der Lapcoloni«, sei noch nicht bekannt. kunfi enigegengefahren war. Alle Welt war ebenso wie der un tröstliche General davon überzeugt, daß sie lediglich durch eine Unvorsichtigkeit, durch einen tückischen Zufall das Gleichgewicht verloren habe und also wider Willen ins Meer gefallen sei. Mit welchem Paßwort sie in die Ewigkeit eingegangen, wie Alles zu gegangen war, ahnte Niemand. Nur Einer wußte die Wahrheit, obwohl er nicht dabei gewesen war, nur Einer und bald darauf noch Einer. Aber die Beiden sprachen nur ein einziges Mal mit einander davon und dann nie wieder und mit keinem Menschen. Immanuel hatte die traurige Wahrheit erst au» der Zeitung erfahren. Seegräber wunderte sich über das ungewöhnliche Ausbleiben des Chefs und geriekh von Viertelstunde zu Viertel stunde in größere Unruhe, denn heute war der Tag, wo Herr Winkler den Leitartikel für die Wochennummer zu schreiben pflegte. Die Nummer erschien am Nachmittag, und noch stand keine Zeile auf dem Papier, geschweige denn auf dem Setzerbrett. Und wenn er nicht wäre, er, Seegräber, da» mahnende Gewissen de» Blatte», wie oft ließ« der verehrte Herr Herausgeber alle Fünfe gerade sein und was am Freitag gedruckt werden mußt«, erst am Sonnabend niederschreiben. Nun, da kam er endlich, der Ersehnte. Aber wie zum Kuckuck sah er auS? Als ob sie ihm Vater und Kind auf einmal er schlagen hätten. Freilich besaß er weder jenen Noch diese». SS mußt« also anderen Grund haben; aber erkundigen konnte man sich nicht, denn er beförderte den alten Secgräber sofort auü der Thür und riegelte zu. Da» war noch nie vorgetommen. Dem Factotum ward Angst. Was für ein Unglück war denn geschehen? Gott ver- zeih't, er hielt'» in seiner Herzensangst für erlaubt, durch'» Schlüsselloch zu spähen, wa» der Gebiet« drin machte. Der würdigte die Morgenblättrr, die ihm Seegräber auf dem Schreibtisch geschichtet hatte, keine» Blicke», obwohl sie dies« mit gewissenhaften Strichen seine» Roth- wie seine» Blaustifte» ver sehen hatte. Auch eine Notiz über die vor fünf oder sechs Wochen besprochene .schöne Präsidentin", die ihr Glück nicht bi» auf den neuen Welttheil gebracht hatte. Die» und Andere» schien hm sonst so emsigen Schriftsteller h«ut« nicht zu bekümmern, « la» nicht, «r schrieb nicht, « starrte immerzu vor sich hin, rang die Hände und derMte die Stirn«. Eine Stunde um die andere verging. Seegräber war dem Verzweifeln nahe. Doch er wagte nicht, zu klopfen, nicht zu mahnen. Er wußte, daß das bei dem Starrkopf nicht half. Winkler aber schloß jetzt mit hastiger Bewegung eine Lade seines Schreibtisches auf und kramte mit zitternden Händen darin herum. Es war ihm plötzlich eingefallen, daß er hier unter allerlei Papieren eine Kabinetphotographie der Geliebten ver graben hatte, die er nach jenem Abend in der Eichendorffstraße nicht mehr hatte Wiedersehen wollen. Jetzt aber wollte er'», jetzt aber mußte «'s, jetzt sehnte er sich nach der aus aller Möglichkeit leiblichen Wiedersehens Geschiedenen mit gebieterischer Gewalt. Er wischte den Staub vom Glase, er stellte das Rähmchen vor sich auf den Tisch und faltete die Hände davor in schweigender Betrachtung. Er hatte früher diese photographische Aufnahme nie recht leiden mögen. Sie genügte ihm nicht, sie ward sein« Schönen nicht gerecht, sie vergaß da- Beste an dieser liebreizenden Erscheinung Wiederaufleben. Jetzt fand er das Köpfchen sprechend ähnlich. Ihm >var, als sollte es den Mund aufthun, um zu ihm zu reden. Ach, was war sie so schön und gut gewesen! Und nun dahin! Es war nicht zu fassen . . . Seegräber hatte sich doch entschließen müssen, zu klopfen. Winkler achtete nicht darauf. Aber da» Klopfen wurde heftiger und die Stimme de» Factotum» brüllt«, so gut sie konnte: Machen Sie auf, bitte! Herr Landraih Wendewalt hat dringend mit Unen zu sprechen." Immanuel fuhr empor. Den hilfreichen Freund, dem er Alles verdankte, konnte « nicht vor verschlossener Thüre stehen lassen. Ohne sich irgend welche Zögerung zu gestatten, flog er auf und ließ den Landrath ein. „Seegräber sagt mir, eS wäre Ihnen ein Unglück zugestoßen. Sie sehen allerdings danach au». Reden Sie, reden Sie, waS ist geschahen?" Winkler zuckte abwehrend mit Achseln und sah seitab, sich auf die Lippen beißend. „Dir Sie wollen", fuhr der Ackdeve fort. „Ich drang« mich nicht in Geheimnisse, auch wo ich von H«z«n gern Hilfe. Dafür brina' ich Ihnen ab« gute Nachricht. M«k«n Sie auf: Der Minister nnll Sie kennen lernen. Er wird am nächsten Donner». tag bei mir speisen. Ln pe-tit romitS. Ich eilt« vor der Kammersihung noch rasch hinauf, um Ihnen in Person zu sagen, daß Sie sich für besagten Donnerstag nicht anderweit vergeben, sondern mein lieber Gast sein wollen." „Vielen Dank", sagte Winkler. Seine Stimme klang ge brochen. Wendewalt sah ihn erstaunt an. Dann schüttelte er bedauernd den Kopf und sprach: „Ich sehe schon, Sie sind heute lieber allein. Ich bitte nur noch um Feuer und verschwinde." Eich über dem Schreibtisch nach Streichhölzern umsehend, fiel ihm auf einmal Nanda'S Bildniß in die Augen. Er konnte sich eines unwillkürlichen Autrufes der Ueberraschung nicht er wehren. Ging darauf zu, nahm cS in die Hände, betrachtete es lange und stellte e» dann nachdenklich wieder hin, den Blick nur fragend auf Immanuel geheftet. „Wie kommen Sie zu dem Bildniß?" fragte er staunend. -Der Andere gab keine Antwort, sondern fragte selber: „Haben Sie heute kein Moraenblatt gelesen?" Mur die politischen Nachrichten rasch überflogen. Hch kam gestern sehr spät zu Bett und hatte heute Vormittag keine Zeit zum Lesen . . ." Mit diesen Worten griff er aber bereit» nach der Zeitung, die ihm Winkler hinhielt, die von Seegräber an- gestrichene Notiz obenauf. Wendewalt la». Da» Blatt entsank sein« Hand und ihm ward, al» zög' ihm Ein« den Loden unter den Söhlen weg, « muhte sich in Winkl«'» Stuhl sehen, gerade vor Nanda'» Photographie. „Wie entsetzlich!" sprach er. Und Immanuel antwortete: „Entsetzlicher, viel entsetzlich«!" Wendewalt sah den verstörten Mann an, sah da» Bild an, und seine Blicke wanderten immer wieder vom Einen zum Anderen. Da war'» auf einmal, al» zündet« zwischen diesen beiden Gegen ständen der Funk« de» Verständnisse» für ihn auf. Und nun be griff « Alle», auch Da», worum « seit Jahr und Lag umsonst geforscht und sich vergeben» besonnen hatte. Sr sprang vom Stuhl in di« Höhe und legt« sein« Hand auf ymmanusl'» Schult«. „Also Sie, Winkler! Sie waren der Beneiden»»« khek" Der Anaeruftne mußte s«in Angesicht verhüllen, da» der Schwerz entstellte. Und der Andere zog ihn an seine Brust und schloß ihn brüder lich in die Arme. „Mein armer, armer Freund! Was haben Sie verloren!" „Alle»!" stöhnte es von seiner Brust herauf. „Nur sich selbst nicht", klang eS weihevoll auf das zuckende Haupt herab. Sie drückten sich die Hände. „Auf bald!" sagte Wendewalt und ging tieferschüttert au» der Thür. Ehe aber diese auf» Neue verschlossen wurde, schlich See gräber ü-ber die Schwelle, mit der Taschenuhr in der Hand. „Herr Winkler, und wenn Sie mich dreizehn Mal hinau»- werfen, e» hilft nicht»! Da, sehen Sie, wie spät e» ist. Die Druckerei schickt schon zum zweiten Mal, der Laufbursche wartet auf Manuscript. Die Nummer wird nicht fertig!" ,,Wa» wollen Sie von mir?" fragte Winkl« verstört. Und daS Factotum der Redaction schrie ruf: „Den Leit artikel für die nächste Nummer! Den Leitartikel, der in zwei Stunden im Satz stehen muß!" Immanuel nickt« nur zustimmend, wandte sich, ging an sein Pult und tunkte die Feder ein. Er schrieb und schrieb, ohne aufzusehen, manchmal auch, ohne vor den schwimmenden Augen die Zeilen unt« seiner Feder zu sehen. Der Laufbursche lief mit jedem einzelnen Blatte, daran die Tinte noch nicht trocken war, in die Druckerei. Und am Abend erschien ohne Verzögerung die Nummer mit dem Aufsatz Immanuel'» an der Spitzt. Sie sagen, er hätte nie einen besseren geschrieben. Da» Bildchen Nanda'» aber nahm « mit sich nach Hause und stellte e» an den alten Platz, den eß vordem eingenommen hatte. Und da blieb e». Ende.
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