01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000212019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021201
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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- Tag1900-02-12
- Monat1900-02
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Aamiliennachrichten (ügespalten) 40^. tyrobere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferniap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesärderung 70.—. - Ilnnahmeschluß für Anreizen: Abrnd-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr- Mo rgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen j» eine*' halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition , zu richten. * —-<»«»» - Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-77. Montag den 12. Februar 1900^ St. Jahrgang.. Zur Wiedereröffnung der Stadtbibliothek. Heute wird, nach einer Unterbrechung von sechzehn Monaten, die Stadtbibliothek rum ersten Male wieder der Bürgerschaft zugänglich sein. Die Geduld der Freunde und regelmäßigen Gaste der Bibliothek ist lange auf die Probe gestellt worden; hoffentlich befriedigt nun das, was in der Zwischenzeit geschaffen worden ist, einigermaßen ihre Wünsche und Erwartungen. Zwei Zwecke waren es vor allem, die durch den nun vollendeten Umbau erreicht werden sollten: in dem Bücher saal, wo die meisten Schränke überfüllt waren und die Bücher vielfach in zwei, hie und da selbst in drei Reihen hinter einanver ständen, sollte wieder auf einige Jahrzehnte Platz geschafft werden, und außerdem sollte ein Lesesaal ge schaffen werden. Seit 1755, also seit 144 Jahren, befindet sich die Bibliothek in ihrem jetzigen Raume, dem großen, vom Neumarkt bis an die Universitätsstraße reichenden Saale de» Gewandhausfliigels am Gewandgäßchen. *) Außer diesem Saale hatte sie keinen andern Raum als ein zweifenstrige« Zimmrr im Hofe und darüber noch ein niedriges zweifenstrige« Zimmercheu. Anfangs wurde das oben gelegene als Arbeits zimmer benutzt, während das untere die Münzsammlung der Bibliothek barg. Später wurde das umgekehrt: der untere Raum wurde zum Arbeitszimmer gemacht. In diesem aber wickelte sich Sommer und Winter das ganze Bibliothekgeschäft ab: es war daS Arbeitszimmer der Bibliothekare, das Lesezimmer für die Besucher der Bibliothek und zugleich das Expeditionszimmer für die, die Bücher in ihre Wohnung zu entleihen wünschten. Die Zu stände, die hier oft an Nachmittagen herrschten, wo die Bibliothek stark besucht war, werden denen, die sie mit durch gemacht haben, unvergeßlich bleiben. Am Tische saßen zehn bis zwölf lesende Personen, die nichts sehe» konnten, weil davor an der Schranke fünf oder sechs andere standen, die auf Bücher warteten und ihnen das Licht Wegnahmen, dagegen um so mehr zu hören bekamen, weil die an der Schranke Stehenden gewöhnlich in der unzenirtesten Weise mit den Bibliothekaren über ihre Wünsche ver bandelten. In den Sommermonaten gab es dazu, al« noch da« Conservatorium im Gewandhaushofe war, gleichzeitig Concert auf sechs oder sieben Flügeln bei offen stehenden Fenstern, schließlich sogar noch Hornquartette im Treppenhause (Wer hat dick, du schöner Wald u. ähnl.). Im Winter aber war es völlig unmöglich, das Zimmer zu erwärmen, da die Thür unmittelbar in« Treppenhaus führte. Im Laufe der letzten dreißig Jahre waren so ziemlich alle vorhandenen Ofenarten und Heizstoffe (erst riesige Eichen holzscheite, dann Stein- und Braunkohlen, später CokeS, endlich Gas) erfolglos durchprobirt worden. Die Langmuth der Bibliothekbesucher, die das alles über sich ergehen ließen, war bewundernswürdig; Fremde liefen ost schon nach einer Biertelstunde wieder davon mit der Versicherung, hier könnten sie nicht arbeiten, die Leipziger Stadtbibliothek hätten sie sich anders gedacht. Eine Erweiterung der Räume hat nun bei dem jetzigen Umbau nicht stattgefunden, nur eine andere Bertheilung, und zwar ist dabei zurückgegriffen worden auf eine Idee, die schon 1740 bei der Erbauung des jetzigen Raumes vorschwebte, zum Theil auch auSgefnhrt, dann aber wieder aufgebeben wurde. Der Leser kennt das schöne dreithorige eilerne Gitter der Bibliothek, da« bi-her den vorder» Raum, das sogenannte Atrium, von dem Haupt- theil des Büchersaale« abtrennte. Dieses Gitter tral 1748 an die Stelle einer Scheidewand, di« man hier ebenso wie an der Rückseite deS Saales hatte errichten wollen. Ferner batte man beabsichtigt, den großen Mittelraum rings mit einer Galerie zu umgeben und auch dort Bücherschränke auf zustellen; auch dies« Idee ließ man wieder fallen. Beides ist nun jetzt, anderthalb Jahrhunderte später, doch noch ausgeführt worden. DaS schöne Gitter ist erhalten geblieben, aber *) Vorher war sie von 1683 bis 1755 in dem Flügel an der UniversitätSstrahr, in einem kleineren Saale, der später in den Welt- berühmt gewordenen Concerljaal umgebant wurde, noch früher, von 1677 bi« 1683 im Rathhause. herumgedreht worden, so daß seine Vorderansicht jetzt dem Büchersaal zugekehrt ist; unmittelbar dahinter ist in der ganzen Höhe des Saales eine Wand auf gemauert und in dem dadurch abgetrennten vorderen Theile des Saales eine Decke eingezogen worden. Der so entstandene untere Raum ist zu einem Lesesaal eingerichtet, der obere in eine Anzahl kleinerer Räume zerlegt worden. Außerdem aber ist rings um den ganzen übrig gebliebenen Theil des Saales eine Galerie geführt worden, deren schöne schmiede eiserne Brüstung sich in ihren Motiven an daS Gitter an schließt. Auf dieser Galerie ist ein Theil der alten Schränke, die früher unten im Saal standen, etwas umgearbeitet wieder aufgestellt worden. Den ganzen Saal entlang aber sind 46 neue, hohe, in halber Höhe ebenfalls von Galerien umgebene Bücherschränke aufgestellt worden. Nack den Schrankgalerien führen vier Treppen, nach der Hauptgalerie vier Wendeltreppen. Endlich sind noch unter der Hauptgalerie rings um den ganzen Saal ziemlich hohe Schränke aufgestellt worden, die einzigen, zu deren voller Benutzung kleine Tritte nöthig sind. Der Ge brauch von Leitern ist gänzlich weggefallen. Durch alle diese Schränke ist ein Raum für neue Bücher gewonnen worden, der sicherlich auf dreißig bis vierzig Jahre ausreichen wird, wenn nicht der Bibliothek in dieser Zeit große Büchersamm lungen als Geschenk zufließen sollten. Dcrtheilt sind die Bücher jetzt durch eine planvolle Neuaufstellung so, daß die am häufigsten gebrauchte» Abtheilungen in den vorderen, die weniger oft gebrauchten in den Hinteren Unterschränken, die selten gebrauchten in den Oberschränkcn, die ganz selten ge brauchten auf der großen Galerie stehen. Bei aller Einfachheit der Ausstattung ist doch überall auf möglichste Zweckmäßigkeit Bedacht genommen worden. Die ganze Bibliothek, vor allem der Büchersaal, hat neue, gut schließende Fenster erhalten, der Lesesaal Doppelfenster, alle Räume sind an die Centralheizung deS Kaufhauses ange schlossen und mit elektrischer Beleuchtung versehen worden. An den Arbeitstischen deS Lesesaales wird diese besonders willkommen sein, da das Tageslicht hier an trüben Tagen zu wünschen übrig läßt und nur einen Theil der Arbeits plätze ausgiebig trifft. Der Lesesaal gewährt übrigens bequem Platz für 30, im Nvthfall für 40 Personen. Alle Räume, selbst die große Galerie) sind mit Linoleum ausgelegt, so daß die Erhaltung größter Sauberkeit erfordert, aber auch er leichtert wird. In den Bücherschränken wird sich in dieser Beziehung, wie man schon jetzt beobachten kann, eine bedeutende Besserung gegen früher zeigen. Aesthetisch hat freilich der alte Raum verloren. DaS Gefühl für die imposante Größe des Saales mit seiner frei schwebenden Decke ist völlig vernichtet. Der Prospect durch die breite Mittelstraße ist verschwunden, da alle Schränke quer aus gestellt sind. Nur oben auf der Galerie empfindet man noch einen Rest des ehemaligen Raumeindrucks, der jedoch durch den Blick auf die 46 geschweiften Schrankdächer, die wie ein wogendes Meer erscheinen, einen unbeabsichtigten komischen Zusatz erhält. Die Bibliothekverwaltnng ist aber bemüht gewesen, das Verlorene durch möglichst reiche Ausschmückung deS Saales mit Bildern und sonstigen Kunstwerken einigermaßen auszugleichen. Unten im Saale hängen die Bildnisse zahlreicher ehemaliger Bürgermeister und RalhS- herren Leipzigs, darunter sämmtlicher Bibliothekvorsteber von 1677 bis 1852, auf der Galerie die 62 Bildnisse der ehe maligen Leipziger Stadtrichter auS dem 17., 18. und 19. Jahr hundert, die einst die Richterstube des Ratbbauses schmückten. Von den Räumen, die über dem neuen Lesesaal entstanden sind, ist der eine, wo jetzt in neuen GlaSschranken die Hand- schriftensammlung der Bibliothek -ntergebracht ist, außerdem durch Scheerwände in vier Cabinette getheilt worden, von denen drei mit besonders seltenen und kostbaren Ansichten aus dem alten Leipzig angefüllt, das vierte der Zarnckeschen Goethesammlung gewidmet worden ist. In dem bisherigen ExpeditionSzimmer sind, wie früher, die Kataloge aufgestellt. Außerdem dient eS, wie früher, zur Büchcrausgabe für die, die eia Buch in die Wohnung zu entleihen wünschen. Zugleich mit der Eröffnung deS neuen LesesaaleS ist der Bürgerschaft ein weitgehendes Zugeständniß hinsichtlich der OeffnungSzeit der Bibliothek gemacht worden: während das bisherige ExpeditionSzimmer nur zwei Stunden täglich ge öffnet war, wird der neue Lesesaal täglich sechs Stunden offen sein, von 10 bis 1 Uhr und von 3 bi» li Uhr; nur Montags und Donnerstags Nachmittags soll er geschloffen bleiben. Selbstver ständlich kann aber nicht auch die Ausgabe von Büchern auf diese sechs Stunden ausgedehnt werden, wenn nicht die sonstigen Arbeiten der Bibliothek darunter leiden sollen; hinsichtlich der BücherauSgabe bleibt eS daher bei den bisherigen zwei Stunden. Eine Aenderung ist nur insofern getroffen worden, als sie jetzt an vier Tagen der Woche auf den Vormittag (11—1 Uhr) verlegt und nur Mittwochs und Sonnabends wegen der schulfreien Nachmittage die Zeit von 3 bis 5 Uhr beibehalten worden ist. Mit dieser Abänderung hofft die Bibliothekleitung allen Kreisen der Bibliothekbesucher nach Möglichkeit gerecht zu werden. Von der Einführung von Abendstunden ist vorläufig abgesehen worden. Wie der Bürgerschaft, soll die verlängerte Benutzungszeit aber auch der Bibliothek und dadurch wieder mittelbar auch den Bibliothekbesuchern zu gute kommen. Es sind früher viele Bücher in die Wohnung verlangt und auch verliehen worden, angeblich weil die Benutzungszeit auf der Bibliothek zu kurz sei. In den Wohnungen haben sie aber dann ost monatelang unbenutzt gelegen nnd sind inzwischen andern, die sie gern auf der Bibliothek selbst benutzt hätten, entzogen gewesen. Dies fällt jetzt weg. Es werden also namentlich alle Hand- und Lehrbücher, die, wenn sie ausgeliehen würden, im Laufe des Jahres HLckstenS drei bis vier Personen zu gute kommen würden, in Zukunft nur noch im Lesesaal vorgelegt werden. Da der Lesesaal eine Stunde früher geöffnet wird als die BücherauSgabe, so müssen die, die die OeffnungSzeit des Lesesaals vollständig ausnntzen wollen, die Bücher, die sie wünschen, vorher bestellen, womöglick am Tage vorher. Es befindet sich zu diesem Zwecke ein Kasten an der Thür des Bibliothekgebäudes an der UniversitätSstraße. Aber auch denen, die ein Buch in die Wohnung zu entleihen wünschen, kann in ihrem eigenen Interesse nur dringend empfohlen werden, von dem Bestellkasten Gebrauch zu machen, da sie sonst vielleicht lange würden warten müssen. Für die Bestellung genügt ein Octavblatt mit der Auf schrift: „Für den Lesesaal bittet um (Name)" oder „Für die Bücherausgabe bittet um (Name)". Der Beamte, der im Lesesaal die Aufsicht führt, hat keine Bücher vorzulegen; er kann höchstens die im Katalog zimmer befindlichen Beamten veranlassen, wenn es ihre Zeit erlaubt, daS eine oder andere Buch nachträglich noch herbeizuholen. Für solche, die der Stadtbibliothek bisher ferngestanden haben, sie aber in Zukunst zu benutzen gedenken, mögen zum Schluß noch ein paar Bemerkungen über Art, Umfang und Einrichtung der Bibliothek beigefügt werden. Die Stadtbibliothek ist keine „Volksbibliotbek", noch weniger eine „Lesehalle", sondern eine wissenschaftliche Bibliothek. Sie ist das 222 Jahre lang gewesen und kann diesen Charakter nicht im Nn abstreifen. Sckon längst aber hat sie den Charakter einer Universalbibliothek aufgegeben. Schon in den dreißiger Jahren wurde mit der Universitätsbibliothek ein Abkonimen getroffen, wonach die Stadtbibliothek die weitere Ergänzung der Ideologischen, juristischen, medi- cinischen und naturwissenschaftlichen Fächer aufgab und der Universitätsbibliothek überließ. Planmäßig ergänzt worden ist seitdem namentlick die Geschichte, die von jeher die glänzendste Abtbeilung der Bibliothek ge bildet hatte, und zwar ebenso wohl die allgemeine Welt geschichte und die Slaatenzeschichte (insbesondere deutsche und sächsische Geschichte) wie die Culturgeschichte, die Literatur geschichte und die Geschichte der Künste (bildende Künste, Musik, Theater). Alle diese Fächer gehören gegenwärtig zu den am besten vertretenen. Daß die umfängliche Literatur über die Geschichte Leipzig« auf der Bibliothek vollständig vertreten ist, braucht wohl nicht gesagt zu werden. Ferner wird namentlich noch planmäßig ergänzt die geographische Literatur und die Literatur der Reisen, einigermaßen auch die philosophische, namentlich Aeslhetik, besonders Poetik. Auf allen diesen Gebieten werden nicht nur die neu erschienenen fachwissenschaftlichen Werke, sondern namentlich auch alle besseren populärwissenschaftlichen Erscheinungen angeschaffk. Wer daher irgend ein gutes Buch dieser Art au« den letzten, dreißig Jahren zu lesen wünscht, wird selten vergeblich darnach fragen. Außerdem wird alle biographische, Me-> moiren- und Briesliteratur angeschafft, alle hervorragenderen Erscheinungen der poetischen Literatur, wenigstens Deutschlands, und eine Anzahl wissenschaftlicher und populärer Zeitschriften. Die neue poetische Literatur ist nur im Lesesaal zu benutzen. Um von dem jetzigen Umfange der Bibliothek annähernd eine Vorstellung zu geben, sei bemerkt, daß sie am Schluß des Jahres 1889 106 591 Bände hatte. In den acht Jahren von 1890 bis 1897 sind durch die regelmäßigen Anschaffungen und durch Schenkungen 5844 Bände hinzugekommen, in den letzten beiden Jahren (1898 und 1899) 1400 Bände und außerdem 1896 die Bibliothek Treitschke'S, die allein über 4300 Nummern (nicht Bände) umfaßte. Der gegenwärtige Bestand der Bibliothek beläuft sich also auf weit über 118 000 Bände. r Die Bibliothek hat zwei Kataloge: einen alphabetischen und einen Fachkatalog. Der alphabetische, jetzt an« 30 Folio bänden einschließlich der Ergänzungsbände bestehend, ist nack den Namen der Verfasser geordnet. Ist eia Buch obne Ver- fassernamcn erschienen, so wird eS unter verschiedenen Stich wörtern des Titels eingetragen, so daß eS sicher zu finden ist. Der Fachkatalog ist in Zetteln angelegt. Jedes Buch bat seinen Zettel. Tausende von Büchern aber sind nicht blos einmal, sondern zwei-, drei-, viermal und noch öfter io den Zettelkatalog anfgenommen, so daß sie dem Suchenden überall in Len Weg kommen müssen, wo er sie brauchen kann. Die Gliederung dieses Fachkatalogs ist in vieljähriger Arbeit allmählich so fein verzweigt worden, und dabei sind außer selbständigen Büchern auch viele Tausende von wichtigeren Aussätzen aus Sammelwerken und Zeitschriften mit hineingearbeitet worden, daß er an Reichhaltig keit und Feinheit Wohl kaum noch überboten werden kann. Sein einziger Fehler ist, daß er — nicht jedermann in die Hände gegeben werden kann. Ein kleines Ungeschick bei der Benutzung kann im Augenblick die Arbeit von Tagen und Wochen zu nichte machen. lieber die Zulassung zur Benutzung der Stadtbibliothek heißt es im Paragraph 4 der BibliothrkSordnung von 1895: „Bücher auS der Stadtbibliothek zu entleihen ist jedem ge bildeten Einwohner gestattet, der durch feine Stellung oder seine sonstigen Verhältnisse die nöthige Sicherheit bietet. An Personen, die sich nur vorübergehend hier aufhalten, ins besondere an Studenten der hiesigen Universität, können nur gegen Bürgschaft eines cautionsfahigen hiesigen Einwohners Bücher verliehen werden. Die Form der Bürgschaft ist vor geschrieben; gedruckte Formulare dazu sind auf der Bibliothek zu haben. Die Bürgschaftsscheine behalten so lange ihre Giltigkeit, als sie nicht von den Ausstellern zurückgenommen werden". Endlich noch eins. Die Leipziger Stadtbibliothek ist be kannt dafür (berüchtigt, sagen manche), daß, wie sie selbst bei sich peinlich auf Ordnung und Sauberkeit hält, sie auch bei ihren Benutzern darauf dringt. Sie ist z. B. eine der nicht sehr zahlreichen Bibliotheken, in denen es keine schief stehenden Bücher giebt. Jedes Buch, da« ausgeliehen wird, wird in sauberem Zustand vorgelegt und zum Mitnehmer: verpackt und wird ebenso verpackt zurückerwartet, und zwar nicht bloS bei schlechtem Welter. Denn ebenso gefährlich wie feuchtes und schmutziges Wetter sind den Büchern feuchte und schmutzige Hände und vollends Glacehandschuhe. Kein gewerbliches Erzeugniß ist so empfindlich und ko schonungsbedürftig wie das Buch, selbst das feinste Stück Damenputz nicht, denn das läßt sich waschen oder zu „Spindler" schaffen; einen Spindler für Bücher aber giebt eS noch nicht. Leider kann man nicht sagen, daß die Kunst de« „Umgang« mit Büchern" im Lause des neunzehnten Jahrhunderts Fortschritte gemacht hätte. Wer jedoch versuchen wollte, die Übeln Gewohnheiten mancher Leibbibliothekskunden und Bierstuben- oder CafS- ZeitungSleser auf die öffentliche Bibliothek zu übertragen. Frrrilleton. Unglaublich! Novellette von Hermann Heiberg (Schleswig). Lialdtlxt treten. Die Gesellschaftskreise der Provinzialhauptstavt befanden sich in nicht geringer Aufregung, wenigstens in einer sehr erheblichen Spannung. Es war endlich ein neuer Oberstleutnant ernannt worden. Lange genug hatte es gedauert zum Unmuth Derer, die den Geschicken ihre unumstößlichen Weisungen geben und für das Fehlschlagen ihrer Voraussetzungen andere Menschenkinder unnachsichtlich verantwortlich machen. Aber nun war er unterwegs, und ihn und seine Gemahlin uvid seine einzige Tochter von zwei «Kindern — sein Sohn war auf einer Weltreise — kritisch unter die Lupe zu nehmen, war um so mehr Aller dringendes Verlangen, als er ganz un gewöhnlich reich und seine Tochter ungewöhnlich schön und eigen artig sein sollte. Reich und schön! Diese Zauberworte, die schon in den Kindermärchen die Phantasien erregen, bewährten sich auch hier. Er stamme, hieß eI, au« altem, ostpreußrschem Adel, und sie sei «ine russische Baronesse, die er einmal im Bade kennen gelernt habe. Wagen, Pferde und Dienerschaft bringe er mit. Er suche eine Mahnung mit zwölf großen Räumen und allem denkbaren Zubehör. Den früheren Vermieter de» versetzten Oberstleutnants floh in Folge dessen in den nächsten Lagen der Schlaf. Er hatte sicher auf diesen Nachfolger gerechnet. Ungemein gespannt waren auch die jungen Officiere der Garnison: di« Ulanenleutnants und die Herren der Infanterie, i nicht weniger die Kameraden des Ankömmlings nebst deren I Damen, und endlich auch die unverheiratheten Assessoren und I Referendare der Regierung. Einer der Officiere war vordem einmal mit der Familie in Merseburg in Berührung gekommen. Er berichtete Wunder von den „opulenten" Diners, von den „amüsanten" Gesellschaften und den „superben" Bällen, die die freiherrliche Familie von Gallenstein dort gegeben hatte. Und erst die Spannung der jungen Damen der engeren Ge sellschaft! Es würde natürlich eine eminente Bevorzugung sein, zu Libella von Gallenstein in freundschaftliche Beziehungen zu treten.' Libella! — „Ein recht geschmackloser Name", urkheilten die Mütter Derjenigen, die trotz geschmackvollerer Taufnamen noch immer nicht hatten unter die Haube kommen können. Und: „Lieber heiße ich doch Magendruck als Gallenstein!" äußerte ein mißgünstiger Witzbold, einer von Jenen, die sich in einem ewigen Aerger darüber befinden, daß Andere auch Meinungen besitzen, ihren Gehrock lediglich offen tragen und selbst bei Regenwetter einmal in Lackstiefeln einhergehen können. — Libella wurde denn auch — um der historischen Wahrheit die Ehre zu geben — von allen weiblichen Mitgliedern der Kaffeegesellschaft verurtheilt. ,Bella" war ein hübscher Name, „Libella" aber klang nach einem Schooßhündchen. Es war über haupt kein Mädchenname! Die jährliche Rente, die der neue Herr Oberstleutnant be sitzen sollte, unterlag einer erstaunlichen Abstufungsveränderung. Mit 150000 csk begannen die Zettelträger des Klatsches. Erst allmählich bequemten sie sich zu 100 000 ckk. Dann stiegen sie wieder auf 180 000 ckk jährlich und endeten mit der triumphiren- den Bemerkung, daß es höchstens 40 000 c« sein sollten. Aber dann konnte Herr von Gallenstein doch keinen solchen Aufwand bestreiten, keine vier Pferde halten und sich mit einem Heer von Dienstboten umgeben. „Na ja! So mögen es 1O0O Mark mehr als 40 000 Mark sein!" entschied ein alter medisanter Pensionär, der seit Lebenszeit nach den Fleischtöpfen Egyptens ausgeschaut hatte, während sie ihm stets an ver Nase vorbeigetragen worden waren. „Ich kann die Uebertreibungen nicht leiden!" pflegte er zu erklären, das dürre Gesicht zwischen den hohen Vatermördern tadelnd hin und her bewegend. Inzwischen ließ sich der Oberstleutnant nicht abhalten, von seinem früheren Wohnort abzureisen und in M. einzutrrffen. Zunächst mietthete er sich in dem ersten Hotel mit seiner Fa milie ein. Das gab vor der Hand wieder reichlichen Stoff zu Berichten. Ohne eine Flasche Sect täglich setze sich die Familie nichl an die für sie besonders hergerichtete Mittagstafel, hieß es im Casino. Die Garderobe der Damen sei schon gleich miteingetroffen. Es seien 29 — sage neunundgwanzig — große Koffer. Er, der Oberstleutnant, sei sehr, sehr gemessen. Die Frau solle eben falls die Nase äußerst hoch tragen, und die berühmte Libella habe einen bedeutenden Leberfleck links an der Nase.' Keine Idee! berichtigte der Oberleutnant von Schachbrett. Der Betreffende, der das erzählte, habe di« Kammerjungfer der Familie gesehen. Das sei ein verteufelt hübsches, kleines Jm- pertinentchen mit einer dunklen Färbung links, die ihr „su perbe" stehe. Libella — so wurde das junge Fräulein ohne Weiteres von aller Welt genannt — sei eine majestätische Erscheinung, sehe aber Niemanden auf der Straße an und scheine ebenso zurückhaltend zu sein, wie die Eltern. Graf Turik von den Ulanen erklärte, sie sei edel gebaut wie ein arabisches Pferd, farbenschön und frisch wie eine eben aufgebrochene Anemone, klug wie ein Sibylle und liebenswürdig wie ein Hoffräulein, wenn auch in ihren Ansichten äußerst bestimmt. Er hatte bereits im Hotel des Oberstleutnants Bekanntschaft gemacht, war den Damen oorgestellt worden und hatte einen Abend mit ihnen soupirt. Und dann eine neue lseberraschung und neuer Gesprächs stoff. Statt sich eine der vorhandenen Wohnungen zu miethen, hatte sich der Oberstleutnant nach einem Besitz erkundigt, der käuflich zu erwerben sei. Er wünschte ein eigenes Heim, ein eigenes Haus für sich zu haben! Und wenn's, wie es war, nicht reichte, wollte er bauen. „Unglaublich thöricht für «inen Officier, der jeden Augen blick wieder versetzt werden kann!" äußerte Frau Lanität-rath Nebeltau, deren Gotte eine größere Etage leer stehen hatte, bei einem Missions-Nähen voll bissiger Enttäuschung. Aber weder Hirse Kritik noch die Lawinen anderer lehrhaften Rathschläge und Meinungen, die von den Höhen der Unfehlbaren herabstllrzten, machten Eindruck auf den Ankömmling. Schon nach kurzer Frist hatte ec sich in einer Villenstraße ein anmuthig belegenes Landhaus erworben, einen Anbau Herstellen lassen und das neue Heim bezogen. Und nachdem dies Unabänderliche geschehen war, hatte wenigstens vorläufig das arme Herz Ruh«, bi« dann die Familie endlich dazu schritt, in weiterem Umfange Visiten zu machen. Dann aber erhob sich ein neuer, heftiger Sturm ln den Wipfeln. Während die neu angekommenen Herrschaften sonst bei allen ge sellschaftsfähigen Familien ihre Karten „abzuwerfen" pflegten, hatte sich die Familie von Gallenstein erlaubt, eine Auswahl zu treffen. Die nicht Beehrten geriethen außer sich. Zum Lohn wurde nun Libella wieder oorgenommen und einer Kritik unter zogen, bei der Flüsse und Seen über die Ufer traten. Dem Linen war sie zu groß, dem Anderen zu üppig, dem
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