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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000406018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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L BÄU W LkWgel lUkdllitt M Ailschkr Nr. I?4, WeitU, 8. April IM. iMM-WM Kunst und Wissenschaft. Musik. Neues Theater. Leipzig, 5. April. Krank, heiser, indiSponirt, unpäßlich — kein Theaterzettel ohne daS eine oder das andere. Und obendrein der Absagen „in letzter Stunde" die schwere Menge. Wenn doch der Himmel endlich ein Einsehen hätte! — — Gestern hatte Herr Schütz seinen „Rigoletto" plötzlich abgesagt. Ein Glück, Laß sür die bedeutende Rolle Ersatz zu beschaffen war und dazu ein leidlich ausreichender. Denn fein Stellvertreter, Herr Melms vom Stadtthealer in Magde burg, setzte eine nicht unbedeutende Künstlerschaft ein sür die seltsame Figur des tragischen Narren. Zeigte er sich auch, besonders ,m Anfang, allzu abhängig vom Dirigenten, und ließ er wobl aus diesem Grunde nicht wenige Züge der viel gestaltigen Rolle fallen oder deutete sie kaum an, waren auch feine Gesten wie seine Mimik zuweilen nüchtern und farblos, so schlug doch sein Temperamenr auf den dramatischen Höhe punkten in Hellen Flammen empor und brannte dem Hörer ins Herz. Auch an manchem gelungenen Einzelzuge konnte man den einsichtsvollen Darsteller erkennen, dessen Können jedoch seinem Wollen nicht in jeder Beziehung Schritt zu halten vermochte. Einen ähnlichen Eindruck hinterließ die musikalische Seite seines Rigoletto. Das Organ deS Künstlers ist voll und weich, bedeutend im Volumen und umfangreich, die Ton gebung im Ganzen frei und aller dynamischen Schattirungen fähig. Nur ist seine Vocalbildung nicht immer klar und ichön (n!), der Ansatz zuweilen etwas spröde, die Führung des Alhems nicht selten zerfahren. Gleichwohl brachte er in Folge einer vollblütigen Vortragsweise seinen Rigoletto auch gesanglich zu starker Wirkung, so daß er sich mit Recht eines guten Erfolges erfreuen durfte. Der zweite Gast des Abends war Herr Bucha vom Großherzoglichen Hoslheater in Weimar, der dem ehrlichen Bravo in jeder Weise gerecht wurde. Wir werden uns mit dem Künstler, der Herrn Ulrici auch im „Pseifertag" zu ver treten berufen ist, demnächst weiter zu beschäftigen haben. vr. Rud. Krauße. * Wie uns mitgetheilt wird, ist Fräulein Helene Stägemann, deren Auftreten als Concertsängerin in der auch von uns besprochenen Extra-Kammermusik im Gewand- nause von so großem Erfolg begleitet war, Schülerin des Herrn Knudfon, Lehrer am hiesigen Confervalorium. Leipzig, 5. April. Dos Musik-Institut von Otto Prager, das nunmehr bereits in das .zweite Vierteljahrhundert seines Be stehens eingetreten ist, und dessen Gründer und Leiter, Herr Otto Prager, rS verstanden hat, demselben eine Achtung gebietende Stellung unter Len hiesigen Privat-Conscrvatorien zu verschaffen und dauernd zu erhalten, veranstaltet zu diesem Ostertermine zwei größere Vortragsabende im Saale des „Reichshof" (Schulstraße 14), von denen der erste unter sehr zahlreicher Betheiligung deS Publi kums gestern stattfand. DaS Programm bestand aus zwei Abthei- lungrn, deren erste der Hauptsache nach kleineren Vorträgen gewidmet war, wahrend die zweite größere, umfangreichere und schwierigere Nummern enthielt. Wie gewöhnlich wechselten Clavierstücke zu 2, 4, 6 und 8 Händen mit Solo- und Ensemblestücken für Violine ab, so daß der Einförmigkeit und Eintönigkeit in hinreichendem Maße gesteuert war und da- Interesse rege erhalten wurde. Die kleinen Clavierspicler und Clavierspielerinnen machten ihre Sache recht gut; Sauberkeit in der Ausführung der Passagen, prüciser und klingender Anschlag, bei Einigen auch em hübsch ent wickeltes Gefühl für verständige Phrasirung ließen überall gute, gewissenhafte Schulung erkennen. Recht Tüchtiges leisteten auch die kleinen Geiger, deren kräftiger, gesunder Strich ebenso zu loben war, wie die sehr erfreuliche Reinheit der Intonation. Wir hörten »inen Bolero von Jensen, rin Larghetto von Mozart und zwei Sätze auS der Clavier-Violin-Sonaie (tt wvll) von Fr. Schubert sämmtlich trotz einiger unvermeidlicher Unebenheiten, recht wirkungs voll und klanglich so angenehm spielen, daß man mit Genuß zuzu hören vermochte. Von größeren Compositionen sür Clavier kamen zum Vortrage: v moll-Noctnrne von Chopin, Romanze von Rubin stein und „Tour ü Okeval" von Raff, Rondo brillant (Ls ckur) von Weber, Balie-Caprice von Sapellnikofs und Cracovienne von Rubin stein, sämmtlich in recht guter Ausführung und mit wirksamem Vortrage, der in einigen Nummern bereits eine gewisse Selbst ständigkeit im Empfinden und im Ausdruck verrieth. In letzter Beziehung standen die Darbietungen von Marg. Rothfuchs am höchsten; der gute Eindruck, den ihr Spiel machte, wurde überdies noch gehoben durch den selten vollen Anschlag, der sich auch in recht erfreulicher Weise nuancirungssähig erwies. Bei einigem gleiße und der zweifellos trefflichen Anleitung muß man annehmen, daß sich aus dem jungen Mädchen mit der Zeit eine recht tüchtige Clavieripielerin entwickeln wird. 8—r. * Die Leipziger „Signale" schreiben: Dem letzten Abonnement- oncert des Philharmonischen Orchesters reihte sich am 26. März noch ein, wie alljährlich, zum Besten seines Pensionsfonds gegebenes Extraconcert an. An des verhinderten Nikisch' Platz war Hans Richter als Dirigent getreten, dem Berliner Publicum nicht nur dem Namen, sondern auch der Person nach bereits bekannt. Sein diesmaliges Gastdirigiren sollte ihm einen Triumph verschaffen, wie er in den Annalen der Berliner Concerlwelt für einen Concertleiter kaum je erlebt worden ist. Man raste und tobte am Schluß des Eoncertcs förmlich Beifall und cs mag wobt ein Dutzend Mal gewesen sein, daß Richter sich der enthusiasmirten Zuhörerschast zeigen mußte. Und das waren wirklich echte Ovationen, in die jeder Einzelne freudig mit ein stimmte. Neber Richter's Dirigenten-Capacitäten uns heute wieder des Näheren auszulassen, halten wir für vollständig überflüssig, nur soviel sei gesagt, daß die Pflichten eines Dirigenten dem vor- zuführenden Kunstwerk und dem Orchester gegenüber sür uns niemals vollkommener und in harmonischerer Weise erfüllt worden sind, als an dem heutigen Abend. Das Programm umfaßte zwei Werke von Wagner, das Vorspiel zu „Parsifal" und den Trauer marsch aus der „Götterdämmerung", sowie als Hauptsache die neunte Symphonie von Beethoven. * In der Zeit vom 1. bis incl. 6. Mai cr., nach Schluß der lausenden Theaiersaison, werden im Stadttheater zu Köln 6 Separat-Vorstellungen unter Zuziehung auserlesener Kräfte von ersten Hof- und Stadltheatern stattfinden. Es sind dafür u. N. nachbenannte Werke in Aussicht genommen: „Fidelio", „Fra Diavolo", „Lohengrin", „Die Meistersinger von Nürnberg", „Siegsried", „Götterdämmerung". Sowie die Gastspiel-Abschlüsse erfolgt sind, wird das ausführliche Programm mit der Personal- angabe veröffentlicht und ein besonderes Abonnement auf diese Vorstellungen eröffnet. An diese Aufführungen wird sich ein zwei maliges Gastspiel — am 7. und 9. Mai — der zur Zeit noch in Wien gastirenden italienischen Künstlerin Eleonore Düse mit ihrer Gesellschaft anschließen, welches aber außer Abonnement statt finden wird. * Berlin, 4. April. Im Opernhaus gab man gestern Abend d'Albert's „Abreise", deren Wiederaufnahme in das Repertoire nur mit Freuden zu begrüßen ist. Je mehr man sich mit diesem entzückenden Werk beschäftigt, desto mehr lernt man es lieben und seine einzige Stellung in der heutigen Opern literatur schätzen. Bildende Künste. Im Schaufenster unserer heimischen Hoskunsthandlung Pietro Del Vecchio sind Mattdrucke antiker Skulpturen ausgestellt. Sie sind von der neuen photographischen Gesellschaft in Berlin aus-- geführt und zeichnen sich durch saubere Arbeit und plastische Wirkung auS. Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. Strafkammer lV. 6. Leipzig, o. April. I. Der am Abend des 24 Januar 8 Uhr 54 Minuten von der Haltestelle Schrebitz abgefahrene Zug stieß auf der etwa 200—250 m von der Station entfernten Kreuzung der Bahnlinie Döbeln—Mügeln auf dem Sömnitz-Schrebitzer Commu- nicationsweg mit einem von Mügeln kommenden Geschirr zusammen. Für diesen Unfall wurde der Leiter des Geschirres, der 56 Jahre alte und bisher unbestrafte Mühlenpächter U. auS Däbritz verant wortlich gemacht. U. war am 24. Januar mit seinem einspännigen Planwagen nach Mügeln gefahren und hatte, da er noch vor Dunkel werden heimkehren wollte, keine Laterne mitgenommen. Als er an die Kreuzung mit der Bahn kam, hielt er kurze Zeit, weil aber der Zug, der, wie er sah, in der Haltestelle Schrebitz eingetroffen war, nicht in der Richtung nach Mügeln weiter fuhr, glaubte er, cs würde erst rangirt, und fuhr in der Hoffnung, noch recht zeitig über LaS Gleis zu kommen, weiter, weil er fror, da er erst von einer längeren Krankheit genesen war. U. hat jedoch nicht mit dem herrschenden Wind gerechnet, durch welchen die Töne des Läute werks, daS der Lokomotivführer D. nach dem Verlassen der Station fortwährend in Bewegung gesetzt hatte, von ihm (U.) weggeweht wurden. Der Lokomotivführer erblickte aber das Geschirr, weil es keine brennende Laterne führte, erst in einer Entfernung von 8 m, sodaß eS ihm nicht möglich war, den Zug rechtzeitig zum Halten zu bringen. Der vorgelcgtc Schneepflug stieß mit dem Wagen zu sammen und warf den Hinteren Theil um, während am Vordertheil eine Achse brach. U. selbst wurde aus dem Wagen geschlendert, aber nicht verletzt. Der Schneepflug war nur unbedeutend beschä digt worden. "Nach Lage des Falles ließ der Gerichtshof volle Milde walten und erkannte wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahntransports auf fünfzig Mark Geldstrafe, im Nicht- zahlungsfalle zehn Tage Gefängnitz. Wegen Uebertretung der Ver- ordnung der Amtshauptmaunschast Oschatz vom 1l. August 1892 über die Beleuchtung von Fuhrwerken erhielt U. eine Geldstrafe von drei Mark zuerkannt, an deren Stelle im Nichtzahlungsfalle ein Tag Haft zu treten hat. II. Um seine Geliebte, die Dienstmagd H. in Pomßen, sür den nächsten Sonntag zum Tanz einzuladen, ging der 20 Jahre alte Pferdeknecht S. aus Beiersdorf bei Grimma in daS G.'sche Gut. Da er die H. nicht in der Gesindestube traf, juchte er sie in der Kammer. Er fand die Letztere aber leer und benutzte nun die Ge legenheit, um aus einer in der Kammer stehendeu offenen Lade der Dienstmagd R. einen Geldbetrag von 5 60 zu stehlen. Er hat da» Geld in kurzer Zeit theils vertrunken, theils verspielt. Da nach den Vorstrafen deS S. die Nückiallsbestimmungen Anwendung zu finden hatten, erkannte der Gerichtshof unter Zubilligung mildernder Umstände auf vier Monate Gefängnitz. III. Eine leere Kiste in einer Fabrik kn der Hohenzollernstraße in Reudnitz hatte sich der Handarbeiter Sch. aus Hobenheida für die Nacht zum 24. Februar ausgesucht. Er hatte sich Abends gegen 9 Ubr in den Hof des Fabrikgrundstücks begeben und in die auf dem Hofe stehende Kiste schlafen gelegt. Gegen 2 Ubr cuvachte cr infolge der Kälte. Er stieg nun durch ein Souterrainfenster in Las Fabrikgebäude ein und gelangte zunächst nach dem Mafchinenrauin. Hier e:b ach er mit einem Meiiel ein Pult, aus dem er zwei Reiß zeuge stahl, in einem unverschlossenen Pulte fand er 1 65 baares Geld, er versuchte auch noch ein weiteres Pult aufzubrechen, ohne Laß ihm dies gelungen wäre. Wegen schweren Diebstahls wurde Sch. unter Zubilligung mildernder Umstände und unter An rechnung von einem Monat der erlittenen Untersuchungshaft zu einem Jahre drei Monaten Gefängnitz vernrtheilt. —5. Dresden, 4. April. Die IV. Strafkammer des hiesigen königlichen Landgerichts verhandelte heute gegen den 63 Jahre alten Anstaltsausscbe: a. D. Johann Gustav Leberecht Jentsch aus Waldheim wegen Vergebens im Amte. Der Angeklagte war über 27 Jahre Aufseher im Zuchthause zu Waldheim. Nachdem cr Liese Stellung verlassen, wurde cr als Hilfstransporteur bei dem dortigen Amtsgerichte verpflichtet. Am 17. Mai v. I. verurtheilte das Schwurgericht Dresden die Hebamme Mai aus Gittersee zu 3 Jahren Zuchthaus. Die Mai wurde daraus in die Strafanstalt Waldheim eingeliefert. Am 4. November v. I. erhielt Jentsch den Befehl, die Mai voa Waldheim nach Dresden zu transportiren, da sie in einer Verhandlung vor dem Schwurgerichte als Zeugin vernommen werden sollte. Bereits auf der Fahrt nach Dresden tras Jentsch Leim Umsteigen in Döbeln mit dein Ehemann der Mai zusammen. Dieser fuhr von dort in derselben Wagen- abtheilung, in der sich Jentsch und die Mai befanden, mit nach Dresden. Während der Verhandlung vor dem Schwurgerichte ver kehrte Mai mit Jentsch in einer Schankwirthschast, zahlte daselbst für diesem die Zeche und bat ihm, ehe er mit der Mai nach Wald heim zurücksahre, mit ihr erst einmal im Gasthauie „zur Stadt Metz", Las in der Nähe des Leipziger Bahnhofes in Dresden liegt, einzukchren. Jentsch kam dieser Bitte nach. In jenem Gasthause traf er wieder mit Mai zusammen, dieser knüpfte mit seiner Frau eine Unterhaltung an. Als die veredel. Mai aus kurze Zeit ohne Begleitung des Angeklagten Las Gastzimmer verließ, benutzte sie diese Gelegenheit zu flüchten. Die Mai ist bis jetzt nicht wieder erlangt worden. Als dem Angeklagten in Waldheim die Mai über- geben wurde, ist er ausdrücklich angewiesen worden, besondere Vor sicht wallen zu lassen, da die Mai noch bis 16. März 1902 Strafe zu verbüßen habe. Im Hinblick auf die von Jentsch bewiesene grobe Fahrlässigkeit wurde er zu 1 Monat Gefängnitz verurtheilt. * Berlin, 4. April. Der Procctz Gönczy erregt das größte Interesse wegen des Angeklagten, der Stein und Bein leugnet. Der Angeklagte benimmt sich außerordentlich gewandt, aber trotz seiner Gewandtheit hat cr sich doch »erschnappt. Tas kam so. Nachdem ein früheres Dienstmädchen von ihm, das zugleich seine Geliebte war, einige entlastende, aber verworrene Aussagen gemacht hatte, erstattete nunmehr der bekannte Gcrichtschemikcr vr. Jeserich sein Sach verständigen - Gutachten. Da ereignete sich eine bemcrkenswerthe Scene. Der Sachverständige legt einen Läufer auseinander, an welchen! er Blutspuren nachweisen will. Dieser Läufer lag hinter dem Ladentisch in der Künigsgrätzer Straße und läßt äußerlich keine Blutspurcn erkennen. In dem Augenblick, als der Präsident nun den Angeklagten fragt: Kennen Sie den Läufer, antwortet dieser in seiner schnellen Sprechweise: Gewiß, darauf fiel ja die Frau hin, als sie — dann stockt er und sagt: So sagte mir Lüwy. Staatsanwalt Plaschke: Ich constatire, daß dec Angeklagte gesagt hat, die Frau sei auf diesen Läufer ge fallen. Ob ihm Löwy dies mitgetheilt hat, lasse ich dahingestellt. Thatjache ist, daß der Angeklagte bisher den Schauplatz der That immer in das Hinterzimmer des Ladens verlegt hat. Angeklagter: I bitt' schön, Herr Staatsanwalt, die Frau ist aus dem Hinter zimmer in den Laden hinein und auf den Läufer gefallen. Staats anwalt: Das ist ganz unwahrscheinlich. Der Sachverständige vr. Jeserich weist dann an der Hand der von ihm angeslellten Er mittelungen nach, daß mindestens eine LerFranen ans dem Läufer hinter dem Ladentisch gelegen haben muß, als die tödllichen Schläge nach dem Kopse derselben geführt wurden. Aus die Frage des Präsidenten: Angeklagter, was haben Sie dazu zu bemerken? erwidert dieser fein stereotypes: I bitt' schön, i woaß von nix! Banquier Gumpel war der Sachwalter der beiden Frauen und hat seit 1893 verschie dene Börsenpapiere für die Frauen gehandelt. Er habe circa 150 000 ./ä in Werthpapieren in Aufbewahrung gehabt und den Frauen davon ca. 4000 stets zur Verfügung gestellt. Das letzte Mal habe er Brauhausactien und mexikanische Anleihe gegeben. Die Stieftochter Klara habe unumschränkte Vollmacht gehabt und habe hauptsächlich die Verhandlungen mit ihm, Zeugen, gepflogen. Präsident: Was ist denn nun an der Bezeichnung: „Gips- und Millionen-Schultze" dran? Zeuge: Ter Mann der Frau Schultze, rin Bauunternehmer Schultze, besaß die Gipsbrüche bei Sprem- berg in der Mark, die einen Werth von 5 —600000 haben mögen. Bei einem Verkaufe würden 2—300000 heraus gekommen sein. Da die alte Frau Schultze außer diesen Gipsbrüchen auch noch 180 Morgen Wiesen und ferner die drei Grundstücke in Berlin besaß, so konnte man sie aus 1'Z Millionen Mark taxiren. Der Zeuge bekundet dann weiter, wie cs ihm ausgefallen sei. daß die Frauen sich längere Zeit nicht bei ihm sehen ließen, wie cr dann im Hause Königs- grützcrstraße 35 Nachfrage gehalten habe und dabei aus Gönczy gestoßen sei, der in der Wohnung der Schultze's die Gaslampen in Ordnung gebracht habe. Gönczy habe zu ihm gesagt, die beiden Frauen seien nach Hannover und Paris gefahren und kämen demnächst wieder. Er, Gönczy, sei der von ihnen eingesetzte Hausverwalter und bringe ihre Wohnung in Ordnung. Ihm, dem Zeugen, sci das alles sehr aus ¬ fällig erschienen, da einmal die beiden Frauen seit Jahren nicht mehr gereist feien und zum andern, weil sie ihm von der Einsetzung Gönczy's als Hausverwalter nichts mitgetheilt hatten. Schließlich sei es ihm verdächtig erschienen, daß die als sehr mißtrauisch bekannten beiden Frauen dein Gönczy ihre Wohnungsschlüssel hinterlasseu habe» sollten. Auf Eirund oller dieser Umstände hat der Zeuge am 23. die Anzeige bei den, zuständigen Polizeirevier erstattet, die zur Entdeckung ter Mordthat führte. Es werden daun verschiedene Bekannte und Verwandte der ermordeten Frauen über deren Leben und Treiben, ihre Schmucksachen w. vernommen. Dabei kommt der Angeklagte immer wieder aus Len angeblichen Löwy zu sprechen, so daß ihn der Präsi dent schließlich aufsorderi, Leun doch einmal genau die Persön ¬ lichkeit desselben zu schildern. Angeklagter Gönczy: Es war eben ein älterer Manu, so 42 bis 46 Jahre alt. Sein Haar war röthlich-gran und er war ein geborener Brüsseler. Präsident: WaS für eine Religion batte der Mann denn? An geklagter: Er war rin getaufter Israelit. Präsident: Sprach er denn nur immer französisch? Angeklagter: Aber nein, er sprach gut deutsch. Präsident: Aber französisch doch auch? An geklagter: Einmal hat er französisch gesprochen, sonst sprach er immer seine Muttersprache. Präsident: Wie Las? Ange klagter: Nun, belgisch. (Große Heiterkeit.) vr. Schlesinger ist ein Bewohner Les HauseS Königsgrätzcrstr.35 und traf den An geklagten Gönczy an dem Mordtage zwischen 10 und 11 Uhr auf der Treppe. Gönczy sei furchtbar erregt gewesen, so daß er, Zeuge, geglaubt habe, derselbe sci betrunken. Gönczy habe zu ihm gesagt, die Schultze's seien verreist und er habe so viel Aerger mit dem Vermieihen der Wohnungen. Bei Lein Banquier Pad er st ein (jetzt in Dresden) Hal der An geklagte Brauhausactien zu verkaufen gesucht, indem er angab, die- selben von einem Brüsseler Bekannten erhalten zu haben. Eine interessante Zengin ist die Wirthichasterin des im Hause Königs- grätzerstraße wohnenden Geheimrath Thür, die genau um die Zeit des Mordes sich eine Notiz in ihr Tagebuch gemacht hat, daß sich etwas Ungeheuerliches im Hause ereignet haben müsse. Am 16, zwei Tage nach dem Morde, beobachtete sie Gönczy, wie derselbe die zwei Fuhren Bauschutt in den Keller schaufeln ließ. Sie hat dann in ihren Aufzeichnungen den Vermerk gemacht: Der Mann hat gewiß Jemanden „abgemurkst". Am 18. begegnete sie Gönczy und dieser erzählte ihr, daß die beiden Frauen verreist seien. Tie Zeugin hat daraufhin die Notiz gemacht: „Jetzt weiß ich's gewiß. Es sind die Schultze's, die er umgcbracht har". Tie Zeugin hat dann alle möglichen Verdachtsmomente sorgfältig gesammelt und legte sie der Polizei vor, als diese die erste Haus suchung abhalten wollte. Einige Stunden nach der Begegnung mit dieser Zeugin Hai Gönczy bekanntlich die Flucht ergriffen. Ter folgende Zeuge ist der Maurerpolier Habermann, den Gönczy ebenfalls der Mitthäterschast an dem Morde beschuldigt. Er be hauptet, Habermann und der Gastwirih Hinz seien diejenigen gewesen, die die Leichen am anderen Tage in den Keller ge schafft hätten. Der Zeuge Habermann weist entrüstet den ausgesprochenen Verdacht zurück und constatirt, daß er am Mord tage gar nicht in der Künigsgrützerstraße gewesen sei. Von der Existenz des angeblichen Löwy wisse er nicht das Geringste. Gönczy: So lügt der Mann. Er hat 16—17 Jahre mit ihm verkehrt. Habermann: Ich kenne keinen Löwy. Mehr kann ich nicht sagen. Gönczy bleibt dem gegenüber mit unglaublicher Hartnäckigkeit bei seiner Behauptung. Seine sich fortwährend wider sprechenden Angaben alle auszuführcn, würde ins Unermeßliche führen. Es folgen dann verschiedene Zeugen, die Bekundungen über das Thun und Treiben Gönczy's im Hause Königsgrätzerstraße machen. Den angeblichen Löwy hat Niemand gesehen noch von ihm gehört. Lücherbesprechungen. Markus Landau, beschichte der italienische» Literatur im achtzehnten JahrhnnScrt. Verlag von Emil Felber, Berlin. 12 Ta Hcttner in seinem bekannten Werke die italienische Literatur nicht behandelt hat, die italienische Literatur des achtzehnten Jahrhunderts aber nicht nur für Italien allein be sondere Wichtigkeit besitzt, so füllt der rühmlichst bekannte Gelehrte, dessen Quellen des Boccaccio zu den besten literarischen Handbüchern gehören, mit seiner vorliegenden gründlichen und umfassenden Arbeit eine Lücke in der Literatur aus. Er beschränkt sich nicht, wie das in den Literaturgeschichten gewöhnlich ge schieht, auf die Literatur im engeren Sinne des Wortes, sondern er behandelt auch in eingehender, von gründlichster Kenntnis: zeugender Weise die Wissenschaft und zwar im ersten Capitel Philosophie, Religion und Natnrsorjchung, im zweiten Geschicht schreibung. im dritten Nationalökonomie, Rechts« und Staaiswissen schäft, im vierten Kunst- und Literaturgeschichte, Aesthctik, Poetik und Kritik. Daran schließt sich dann als zweite Adlhcilung die Dichtung. Es braucht wohl kaum daran erinnert zu werden, daß das achtzehnte Jahrhundert Italien eine Reihe seiner berühmtesten Dichter schenkte. Es sei nur auf Gozzi, Goldoni, Alfieri, Metasiasio hingewiesen. Durch die geschmackvolle Darstellung wird LaS Werk auch die Tkeilnahme weiter jiteratur- und kunstfrcundlichen Kreise gewinnen, denen es als eine gediegene Lektüre empfohlen werden kann. **
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